Ukraine Air Rescue – private Piloten im Hilfseinsatz
Vollgepackt mit Medikamenten an die polnisch-ukrainische Grenze, zurück mit Flüchtlingen. Mehr als 300 Piloten sind bei dem privaten Hilfsprojekt dabei.
John Bone hätte es sich weiter gut gehen lassen können in seinem Häuschen im 2000-Einwohner-Nest Apalachicola in Florida, und jeder hätte dafür volles Verständnis gehabt. Die Sonne und einen der schönsten Strände am Golf von Mexiko genießen, ab und an ein paar Flugstunden geben und ansonsten den verdienten Ruhestand auskosten. Aber John Bone ist nun mal kein normaler 71-Jähriger, zweimal ist der US-Amerikaner mit seinem geliebten Leichtflugzeug Cirrus SR22 schon um die Welt gedüst.
Deshalb tut er, was er wahrscheinlich tun muss, als er von der Initiative Air Rescue Ukraine im fernen Deutschland hört. Denn wer wäre besser geeignet als er, bei Wind und Wetter Hilfsgüter ins polnische Mielec 60 Kilometer vor der Grenze zur Ukraine zu fliegen? “Also bin ich in meinen Flieger gestiegen, zunächst nach Kanada, hinüber nach Grönland, von da nach Island und Schottland. Nach fünf Tagen war ich in Deutschland und habe mich als Freiwilliger für zwei Monate, für Juli und August, gemeldet.”
John Bone hätte es sich weiter gut gehen lassen können in seinem Häuschen im 2000-Einwohner-Nest Apalachicola in Florida, und jeder hätte dafür volles Verständnis gehabt. Die Sonne und einen der schönsten Strände am Golf von Mexiko genießen, ab und an ein paar Flugstunden geben und ansonsten den verdienten Ruhestand auskosten. Aber John Bone ist nun mal kein normaler 71-Jähriger, zweimal ist der US-Amerikaner mit seinem geliebten Leichtflugzeug Cirrus SR22 schon um die Welt gedüst.
Bone, ein drahtiger Mann mit Vollbart, erzählt von seinem Trip nach Deutschland, als wäre es das reinste Kinderspiel, wahrscheinlich, weil er einen Großteil seines Lebens über den Wolken verbracht hat. Schon als Teenager setzte er sich ins Cockpit, arbeitete 36 Jahre lang für Delta Airlines als Pilot, seine Hausstrecke Atlanta-Frankfurt konnte er am Ende fast im Schlaf fliegen. Am Heck seiner Maschine kleben die Flaggen der 35 Staaten, die der Weltenbummler schon angesteuert hat.
Freundschaften mit den Geflüchteten
“Ich denke, es ist wichtig, alles zu tun, was man kann, welche Ressourcen einem auch immer zur Verfügung stehen, um der Ukraine zu helfen. In meinem Fall ist es nun mal ein Flugzeug, also habe ich es mitgebracht”, sagt Bone.
Mit seiner Cirrus hat Bone schon Hunderte Rucksäcke für die medizinische Erstversorgung nach Polen befördert und auf dem Rückflug Geflüchtete nach Deutschland ausgeflogen. Auf Facebook ist der US-Amerikaner seitdem mit jedem von ihnen befreundet – er habe jetzt fast so viele ukrainische Freunde wie Freunde aus seiner Heimat, erzählt er mit einem Lachen.
“Alle, die du nach Deutschland bringst, sind dir unendlich dankbar. Heute werde ich mit einem ukrainischen Kriegshelden zurückfliegen, der ins Krankenhaus muss. Es ist eine großartige Erfahrung, wenn du das Gefühl hast, dass du einen Unterschied machen kannst. Und wir machen definitiv einen Unterschied.”
Dass John Bone einen Unterschied machen kann, hat viel mit Kay Wolf zu tun. Oder anders gesagt: der US-Pilot würde auch heute noch Flugbegeisterten in Apalachicola das Fliegen beibringen, wenn nicht der 52-jährige IT-Spezialist mit seinem Kumpel Stefan Sahling kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine auf eine ziemlich verwegene Idee gekommen wäre.
“Wir haben darüber philosophiert, was wir am besten können”, sagt Sahling. “Prozesse, weil wir 30 Jahre Berufserfahrung im Manufacturing haben. Zweitens IT zum Organisieren. Und drittens Fliegen. Stefan ist Pilot und ich fliege seit 15 Jahren mit. Wir haben gedacht, wenn fünf bis zehn Verrückte aus unserem Freundeskreis mitmachen, können wir schon was bewirken.”
Aus der Handvoll Verrückter sind heute 313 registrierte Piloten geworden, die zum Teil auf eigene Kosten in die Ukraine fliegen. Darunter ehemalige Flugkapitäne, Ingenieure und Berufssoldaten. Und natürlich Paradiesvögel wie Bone. Auch Piloten aus Kenia, Ecuador und Kanada sind mit von der Partie. 69-mal ist Ukraine Air Rescue bislang Richtung Mielec aufgebrochen, aus Hangelar bei Bonn, Augsburg oder Mainz. Mit mehr als 17.000 Kilo Gepäck, etwa spezielle Krebs-Medikamente, Erste-Hilfe-Koffer und Blutreinigungsgeräte, die im Eiltempo vor allem aus dem Lager der Hilfsorganisation Blau-Gelbes Kreuz in Köln in die Ukraine gebracht wurden.
“Wir haben neulich an einem Samstagmorgen einen Anruf bekommen, dass an der ukrainischen Grenze zu Moldawien ein ganz spezielles und seltenes Medikament gebraucht wurde, weil ein verletzter Ukrainer Antibiotikaresistenzen gebildet hatte. Wir haben dann einen Flug von Dublin organisiert, und am selben Abend hat der Patient seine erste Infusion bekommen”, erinnert sich Wolf.
Ukraine Air Rescue half auch in Butscha, dem Ort, der durch die Gräueltaten russischer Soldaten weltweit traurige Berühmtheit erlangte. Zusammen mit der Kriminalpolizei Köln und dem Blau-Gelben Kreuz wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Dutzende sogenannte “Rape Kits” zum Flughafen nach Mainz gebracht, um Vergewaltigungen nachweisen zu können. Ebenfalls mit im Gepäck: die Pille danach und 200 Kilogramm Leichensäcke.
57 hilfsbedürftige Menschen hat die Organisation bislang zurückgeflogen. Ukraine Air Rescue konzentriert sich dabei auf Verletzte, die eine Operation benötigen, auf Rollstuhlfahrer oder auch unbegleitete Kinder. Aber die Luftbrücke in die Ukraine kann nur funktionieren, wenn Gründer Wolf und sein Team im Hintergrund pausenlos die Fäden zusammenhalten, quasi der Tower für die Piloten sind.
Montagabend, letztes Briefing vor zwei geplanten Flügen. Tags drauf zieht laut Wetterbericht eine Schlechtwetterfront durch Polen. Erfahrene Piloten können das Unwetter umfliegen, aber das kostet Zeit, und der Flugplatz in Deutschland hat nicht ewig auf. Den Hilfsflug kurzfristig stornieren? Aber dann müsste für die Flüchtlinge, die sehnsüchtig auf den Flieger warten, noch auf die Schnelle ein geeignetes Hotel gebucht werden. Mittlerweile Routine für Kay Wolf, der mit Engelsgeduld alle Möglichkeiten am Laptop durchspielt, während er gleichzeitig mit den Piloten telefoniert.
“Fifty-fifty”, sagt Wolf, wenn man ihn danach fragt, ob er für seine eigene IT-Firma oder Ukraine Air Rescue mehr Zeit aufbringt. Und das wird sich wohl auch in näherer Zukunft kaum ändern. Wolf, der schon oft in der Ukraine war und dort viele Freunde hat, sagt: “Wann Schluss ist? Wenn das Spendengeld alle ist. Oder wir umfallen. Oder am besten der Krieg vorbei ist.”
John Bone hätte es sich weiter gut gehen lassen können in seinem Häuschen im 2000-Einwohner-Nest Apalachicola in Florida, und jeder hätte dafür volles Verständnis gehabt. Die Sonne und einen der schönsten Strände am Golf von Mexiko genießen, ab und an ein paar Flugstunden geben und ansonsten den verdienten Ruhestand auskosten. Aber John Bone ist nun mal kein normaler 71-Jähriger, zweimal ist der US-Amerikaner mit seinem geliebten Leichtflugzeug Cirrus SR22 schon um die Welt gedüst.
Deshalb tut er, was er wahrscheinlich tun muss, als er von der Initiative Air Rescue Ukraine im fernen Deutschland hört. Denn wer wäre besser geeignet als er, bei Wind und Wetter Hilfsgüter ins polnische Mielec 60 Kilometer vor der Grenze zur Ukraine zu fliegen? “Also bin ich in meinen Flieger gestiegen, zunächst nach Kanada, hinüber nach Grönland, von da nach Island und Schottland. Nach fünf Tagen war ich in Deutschland und habe mich als Freiwilliger für zwei Monate, für Juli und August, gemeldet.”
Freundschaften mit den Geflüchteten
Bone, ein drahtiger Mann mit Vollbart, erzählt von seinem Trip nach Deutschland, als wäre es das reinste Kinderspiel, wahrscheinlich, weil er einen Großteil seines Lebens über den Wolken verbracht hat. Schon als Teenager setzte er sich ins Cockpit, arbeitete 36 Jahre lang für Delta Airlines als Pilot, seine Hausstrecke Atlanta-Frankfurt konnte er am Ende fast im Schlaf fliegen. Am Heck seiner Maschine kleben die Flaggen der 35 Staaten, die der Weltenbummler schon angesteuert hat.
“Ich denke, es ist wichtig, alles zu tun, was man kann, welche Ressourcen einem auch immer zur Verfügung stehen, um der Ukraine zu helfen. In meinem Fall ist es nun mal ein Flugzeug, also habe ich es mitgebracht”, sagt Bone.
Mit seiner Cirrus hat Bone schon Hunderte Rucksäcke für die medizinische Erstversorgung nach Polen befördert und auf dem Rückflug Geflüchtete nach Deutschland ausgeflogen. Auf Facebook ist der US-Amerikaner seitdem mit jedem von ihnen befreundet – er habe jetzt fast so viele ukrainische Freunde wie Freunde aus seiner Heimat, erzählt er mit einem Lachen.
“Alle, die du nach Deutschland bringst, sind dir unendlich dankbar. Heute werde ich mit einem ukrainischen Kriegshelden zurückfliegen, der ins Krankenhaus muss. Es ist eine großartige Erfahrung, wenn du das Gefühl hast, dass du einen Unterschied machen kannst. Und wir machen definitiv einen Unterschied.”
Aus einer fixen Idee wird Ukraine Air Rescue
Dass John Bone einen Unterschied machen kann, hat viel mit Kay Wolf zu tun. Oder anders gesagt: der US-Pilot würde auch heute noch Flugbegeisterten in Apalachicola das Fliegen beibringen, wenn nicht der 52-jährige IT-Spezialist mit seinem Kumpel Stefan Sahling kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine auf eine ziemlich verwegene Idee gekommen wäre.
Piloten aus der ganzen Welt
“Wir haben darüber philosophiert, was wir am besten können”, sagt Sahling. “Prozesse, weil wir 30 Jahre Berufserfahrung im Manufacturing haben. Zweitens IT zum Organisieren. Und drittens Fliegen. Stefan ist Pilot und ich fliege seit 15 Jahren mit. Wir haben gedacht, wenn fünf bis zehn Verrückte aus unserem Freundeskreis mitmachen, können wir schon was bewirken.”
Aus der Handvoll Verrückter sind heute 313 registrierte Piloten geworden, die zum Teil auf eigene Kosten in die Ukraine fliegen. Darunter ehemalige Flugkapitäne, Ingenieure und Berufssoldaten. Und natürlich Paradiesvögel wie Bone. Auch Piloten aus Kenia, Ecuador und Kanada sind mit von der Partie. 69-mal ist Ukraine Air Rescue bislang Richtung Mielec aufgebrochen, aus Hangelar bei Bonn, Augsburg oder Mainz. Mit mehr als 17.000 Kilo Gepäck, etwa spezielle Krebs-Medikamente, Erste-Hilfe-Koffer und Blutreinigungsgeräte, die im Eiltempo vor allem aus dem Lager der Hilfsorganisation Blau-Gelbes Kreuz in Köln in die Ukraine gebracht wurden.
“Wir haben neulich an einem Samstagmorgen einen Anruf bekommen, dass an der ukrainischen Grenze zu Moldawien ein ganz spezielles und seltenes Medikament gebraucht wurde, weil ein verletzter Ukrainer Antibiotikaresistenzen gebildet hatte. Wir haben dann einen Flug von Dublin organisiert, und am selben Abend hat der Patient seine erste Infusion bekommen”, erinnert sich Wolf.
Pakete in Richtung Butscha
Ukraine Air Rescue half auch in Butscha, dem Ort, der durch die Gräueltaten russischer Soldaten weltweit traurige Berühmtheit erlangte. Zusammen mit der Kriminalpolizei Köln und dem Blau-Gelben Kreuz wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Dutzende sogenannte “Rape Kits” zum Flughafen nach Mainz gebracht, um Vergewaltigungen nachweisen zu können. Ebenfalls mit im Gepäck: die Pille danach und 200 Kilogramm Leichensäcke.
57 hilfsbedürftige Menschen hat die Organisation bislang zurückgeflogen. Ukraine Air Rescue konzentriert sich dabei auf Verletzte, die eine Operation benötigen, auf Rollstuhlfahrer oder auch unbegleitete Kinder. Aber die Luftbrücke in die Ukraine kann nur funktionieren, wenn Gründer Wolf und sein Team im Hintergrund pausenlos die Fäden zusammenhalten, quasi der Tower für die Piloten sind.
Zeit? Wetter? Welche Piloten sind verfügbar?
Montagabend, letztes Briefing vor zwei geplanten Flügen. Tags drauf zieht laut Wetterbericht eine Schlechtwetterfront durch Polen. Erfahrene Piloten können das Unwetter umfliegen, aber das kostet Zeit, und der Flugplatz in Deutschland hat nicht ewig auf. Den Hilfsflug kurzfristig stornieren? Aber dann müsste für die Flüchtlinge, die sehnsüchtig auf den Flieger warten, noch auf die Schnelle ein geeignetes Hotel gebucht werden. Mittlerweile Routine für Kay Wolf, der mit Engelsgeduld alle Möglichkeiten am Laptop durchspielt, während er gleichzeitig mit den Piloten telefoniert.
“Fifty-fifty”, sagt Wolf, wenn man ihn danach fragt, ob er für seine eigene IT-Firma oder Ukraine Air Rescue mehr Zeit aufbringt. Und das wird sich wohl auch in näherer Zukunft kaum ändern. Wolf, der schon oft in der Ukraine war und dort viele Freunde hat, sagt: “Wann Schluss ist? Wenn das Spendengeld alle ist. Oder wir umfallen. Oder am besten der Krieg vorbei ist.”