“Frauenfußball-Hype nicht versanden lassen”
Die UEFA erwartet goldene Jahre für den Frauenfußball – und lobt besonders das Beispiel Borussia Dortmund. Die Leiterin des dortigen Mädchen- und Frauenbereichs mahnt im DW-Interview zur Eile, den EM-Schwung mitzunehmen.
Eine Studie des europäischen Fußballverbands UEFA sieht ein Riesenpotential für den Frauenfußball in Europa. So könnte bis 2033 der kommerzielle Wert der Frauenligen auf das mindestens Fünffache steigen – insbesondere wegen höherer TV-Einnahmen und deutlich höheren Sponsorings. Die UEFA prognostiziert zudem einen europaweiten Anstieg der Fans von 144 Millionen auf 328 Millionen. Der Frauenfußball werde von seinem guten Image profitieren: inspirierend, familienfreundlich.
In der Studie wird auch Borussia Dortmund gelobt. Der Verein hatte zunächst die BVB-Fans gefragt, wie sie sich den Aufbau des Frauenteams vorstellten. Die DW hat mit Svenja Schlenker über die Ergebnisse der Befragung und die Entwicklung des BVB-Frauenteams gesprochen. Sie leitet bei der Borussia den Bereich Mädchen- und Frauenfußball.
Eine Studie des europäischen Fußballverbands UEFA sieht ein Riesenpotential für den Frauenfußball in Europa. So könnte bis 2033 der kommerzielle Wert der Frauenligen auf das mindestens Fünffache steigen – insbesondere wegen höherer TV-Einnahmen und deutlich höheren Sponsorings. Die UEFA prognostiziert zudem einen europaweiten Anstieg der Fans von 144 Millionen auf 328 Millionen. Der Frauenfußball werde von seinem guten Image profitieren: inspirierend, familienfreundlich.
DW: In der UEFA-Studie wird Borussia Dortmund als Musterbeispiel für die Einbindung der Fans in die Gründung eines Frauen-Teams erwähnt. Macht Sie das stolz?
Svenja Schlenker: Stolz ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt. Aber ich freue mich, dass wir bei der UEFA eine Rolle spielen, obwohl wir in der niedrigsten Spielklasse angefangen haben. Zum anderen bestätigt es uns in der Überzeugung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, indem wir die Fans fragten – die Menschen, die uns unterstützen.
Der BVB hat sich gegen die Übernahme eines etablierten Vereins entschieden und damit für die “Ochsentour”, sprich, in der Kreisliga zu starten – auch um andere Vereine nicht ausbluten zu lassen. Das neue Team stieg direkt in die Bezirksliga auf, mit 18 Siegen in 18 Spielen und einem Torverhältnis von 143:3. Führt dieser rasante Erfolg nicht auch dazu, dass Spielerinnen anderer Vereine bei Ihnen Schlange stehen?
Natürlich stehen jetzt Spielerinnen der untersten Ligen bei uns Schlange, vor allem jene, die auch BVB-Fans sind. Wir nehmen aber nur maximal je eine Spielerin aus anderen Vereinen auf, auch wenn sich zehn bei uns bewerben sollten. So gewährleisten wir, dass wir andere Klubs nicht kaputt machen.
Fünf weitere Aufstiege sind noch nötig bis zur Bundesliga. Braucht das BVB-Frauenteam diese mindestens fünf Jahre, um sich als Team zu etablieren und zu wachsen?
Im Verein waren wir von Tag eins an etabliert, akzeptiert und voll unterstützt. Und das wird auch so weitergehen. Die Mannschaft ist nach dem ersten Jahr schon sehr gut zusammengewachsen. Wenn man in höhere Ligen aufsteigt, muss man sich punktuell verstärken und diese neuen Spielerinnen auch wieder in die Gemeinschaft integrieren. Wir hoffen aber, dass der Kern des Teams, der in der Kreisliga angefangen hat, so lange wie möglich erhalten bleibt.
Es kann ja auch eine Chance sein, nicht gleich dem ganz großen Druck der obersten Liga ausgesetzt zu sein.
Definitiv. Ich glaube, es stärkt auch den Mädchen- und Frauenfußball in Dortmund. Wenn man in den unteren Ligen anfängt, ist die Chance viel größer, dass auch Mädchen und Frauen, die hier leben, für ihren Herzensverein spielen können. Wenn man direkt oben einsteigt, kommen möglicherweise viele Spielerinnen von weiter weg, die keine BVB-Fans sind. Im Augenblick passt einfach alles sehr gut zusammen.
Die UEFA-Studie sieht ein Riesenpotential für den Frauenfußball in Europa in Sachen Vermarktung und Zuschauerinteresse. Sehen Sie die Perspektiven auch so positiv?
Ich hoffe sehr, dass sich die Erwartungen der UEFA erfüllen. Wir haben schon jetzt hohe Zuschauerzahlen. Mit einem Schnitt von 700 Fans pro Spiel lagen wir in der vergangenen Saison auf Platz drei hinter Meister Wolfsburg und Vizemeister Bayern – und das als Kreisligist. Ähnlich sieht es bei den Partnern und Sponsoren aus. Da kommt auch schon mal ein regionales Unternehmen, das sich vorher noch nie für Sponsoring im Fußball interessiert hat, und ist ganz heiß darauf, speziell in das Frauen-Team zu investieren. Diese Nischen sollte man nutzen.
Herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung?
(lacht) Goldgräberstimmung wäre etwas zu hoch gegriffen. Dennoch öffnen sich neue Türen, und neue Potenziale werden sichtbar.
Der tolle Auftritt der deutschen Spielerinnen bei der EM in England hat für eine gewisse Euphorie gesorgt. Was ist aus Ihrer Sicht nötig, um diesen Schwung nachhaltig für den Frauenfußball in Deutschland zu nutzen?
Da habe ich noch keine abschließende Lösung parat. Wichtig aber ist, dass wir uns mit den Reformen beeilen. So ein Hype versandet auch schnell wieder. Und es wäre schade, wenn wir das fantastische Turnier nicht nutzen würden, um den Frauenfußball in Deutschland voranzubringen.
Wie wichtig ist für Sie in diesem Zusammenhang Equal Pay oder mindestens eine Anhebung der Gehälter für Fußballerinnen im Profibereich?
Ich finde, als Bundesligaspielerin sollte man vom Fußball leben können und nicht noch auf einen Nebenjob angewiesen sein. An die Bezahlung der Männer werden wir wahrscheinlich niemals herankommen. Denn die Vereine können ja eigentlich nur das für ihre Frauenfußball-Abteilungen ausgeben, was sie an Einnahmen erzielen.
Sollten, wie von der UEFA angeregt, Männer- und Frauenfußball enger verzahnt werden? Oder wird eher andersherum ein Schuh daraus: dass man die Eigenständigkeit, das Besondere des Frauenfußballs, herausstreicht?
Grundsätzlich sollte das größte Ziel eine gewisse Eigenständigkeit sein. Aber man kann den Männerfußball nutzen, um Frauenfußball sichtbarer zu machen und Fans zu gewinnen, die bisher noch kategorisch sagen: ‘Frauenfußball? Zu langsam, zu schlecht.’ Bei unseren Spielen erlebe ich oft, dass Männer hinterher sagen: ‘Eigentlich wollte ich mir das gar nicht anschauen. Aber es war überraschend gut. Ich komme auf jeden Fall wieder. Es hat Bock gemacht.’ Viele genießen, dass es bei uns familiärer und auch lockerer zugeht. Unser Publikum ist total divers: Menschen jeden Alters, Frauen, Männer, Familien.
Eine Studie des europäischen Fußballverbands UEFA sieht ein Riesenpotential für den Frauenfußball in Europa. So könnte bis 2033 der kommerzielle Wert der Frauenligen auf das mindestens Fünffache steigen – insbesondere wegen höherer TV-Einnahmen und deutlich höheren Sponsorings. Die UEFA prognostiziert zudem einen europaweiten Anstieg der Fans von 144 Millionen auf 328 Millionen. Der Frauenfußball werde von seinem guten Image profitieren: inspirierend, familienfreundlich.
In der Studie wird auch Borussia Dortmund gelobt. Der Verein hatte zunächst die BVB-Fans gefragt, wie sie sich den Aufbau des Frauenteams vorstellten. Die DW hat mit Svenja Schlenker über die Ergebnisse der Befragung und die Entwicklung des BVB-Frauenteams gesprochen. Sie leitet bei der Borussia den Bereich Mädchen- und Frauenfußball.
DW: In der UEFA-Studie wird Borussia Dortmund als Musterbeispiel für die Einbindung der Fans in die Gründung eines Frauen-Teams erwähnt. Macht Sie das stolz?
Svenja Schlenker: Stolz ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt. Aber ich freue mich, dass wir bei der UEFA eine Rolle spielen, obwohl wir in der niedrigsten Spielklasse angefangen haben. Zum anderen bestätigt es uns in der Überzeugung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, indem wir die Fans fragten – die Menschen, die uns unterstützen.
Der BVB hat sich gegen die Übernahme eines etablierten Vereins entschieden und damit für die “Ochsentour”, sprich, in der Kreisliga zu starten – auch um andere Vereine nicht ausbluten zu lassen. Das neue Team stieg direkt in die Bezirksliga auf, mit 18 Siegen in 18 Spielen und einem Torverhältnis von 143:3. Führt dieser rasante Erfolg nicht auch dazu, dass Spielerinnen anderer Vereine bei Ihnen Schlange stehen?
Natürlich stehen jetzt Spielerinnen der untersten Ligen bei uns Schlange, vor allem jene, die auch BVB-Fans sind. Wir nehmen aber nur maximal je eine Spielerin aus anderen Vereinen auf, auch wenn sich zehn bei uns bewerben sollten. So gewährleisten wir, dass wir andere Klubs nicht kaputt machen.
Fünf weitere Aufstiege sind noch nötig bis zur Bundesliga. Braucht das BVB-Frauenteam diese mindestens fünf Jahre, um sich als Team zu etablieren und zu wachsen?
Im Verein waren wir von Tag eins an etabliert, akzeptiert und voll unterstützt. Und das wird auch so weitergehen. Die Mannschaft ist nach dem ersten Jahr schon sehr gut zusammengewachsen. Wenn man in höhere Ligen aufsteigt, muss man sich punktuell verstärken und diese neuen Spielerinnen auch wieder in die Gemeinschaft integrieren. Wir hoffen aber, dass der Kern des Teams, der in der Kreisliga angefangen hat, so lange wie möglich erhalten bleibt.
Es kann ja auch eine Chance sein, nicht gleich dem ganz großen Druck der obersten Liga ausgesetzt zu sein.
Definitiv. Ich glaube, es stärkt auch den Mädchen- und Frauenfußball in Dortmund. Wenn man in den unteren Ligen anfängt, ist die Chance viel größer, dass auch Mädchen und Frauen, die hier leben, für ihren Herzensverein spielen können. Wenn man direkt oben einsteigt, kommen möglicherweise viele Spielerinnen von weiter weg, die keine BVB-Fans sind. Im Augenblick passt einfach alles sehr gut zusammen.
Die UEFA-Studie sieht ein Riesenpotential für den Frauenfußball in Europa in Sachen Vermarktung und Zuschauerinteresse. Sehen Sie die Perspektiven auch so positiv?
Ich hoffe sehr, dass sich die Erwartungen der UEFA erfüllen. Wir haben schon jetzt hohe Zuschauerzahlen. Mit einem Schnitt von 700 Fans pro Spiel lagen wir in der vergangenen Saison auf Platz drei hinter Meister Wolfsburg und Vizemeister Bayern – und das als Kreisligist. Ähnlich sieht es bei den Partnern und Sponsoren aus. Da kommt auch schon mal ein regionales Unternehmen, das sich vorher noch nie für Sponsoring im Fußball interessiert hat, und ist ganz heiß darauf, speziell in das Frauen-Team zu investieren. Diese Nischen sollte man nutzen.
Herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung?
(lacht) Goldgräberstimmung wäre etwas zu hoch gegriffen. Dennoch öffnen sich neue Türen, und neue Potenziale werden sichtbar.
Der tolle Auftritt der deutschen Spielerinnen bei der EM in England hat für eine gewisse Euphorie gesorgt. Was ist aus Ihrer Sicht nötig, um diesen Schwung nachhaltig für den Frauenfußball in Deutschland zu nutzen?
Da habe ich noch keine abschließende Lösung parat. Wichtig aber ist, dass wir uns mit den Reformen beeilen. So ein Hype versandet auch schnell wieder. Und es wäre schade, wenn wir das fantastische Turnier nicht nutzen würden, um den Frauenfußball in Deutschland voranzubringen.
Wie wichtig ist für Sie in diesem Zusammenhang Equal Pay oder mindestens eine Anhebung der Gehälter für Fußballerinnen im Profibereich?
Ich finde, als Bundesligaspielerin sollte man vom Fußball leben können und nicht noch auf einen Nebenjob angewiesen sein. An die Bezahlung der Männer werden wir wahrscheinlich niemals herankommen. Denn die Vereine können ja eigentlich nur das für ihre Frauenfußball-Abteilungen ausgeben, was sie an Einnahmen erzielen.
Sollten, wie von der UEFA angeregt, Männer- und Frauenfußball enger verzahnt werden? Oder wird eher andersherum ein Schuh daraus: dass man die Eigenständigkeit, das Besondere des Frauenfußballs, herausstreicht?
Grundsätzlich sollte das größte Ziel eine gewisse Eigenständigkeit sein. Aber man kann den Männerfußball nutzen, um Frauenfußball sichtbarer zu machen und Fans zu gewinnen, die bisher noch kategorisch sagen: ‘Frauenfußball? Zu langsam, zu schlecht.’ Bei unseren Spielen erlebe ich oft, dass Männer hinterher sagen: ‘Eigentlich wollte ich mir das gar nicht anschauen. Aber es war überraschend gut. Ich komme auf jeden Fall wieder. Es hat Bock gemacht.’ Viele genießen, dass es bei uns familiärer und auch lockerer zugeht. Unser Publikum ist total divers: Menschen jeden Alters, Frauen, Männer, Familien.
Sehen Sie die Gefahr, dass dieses Familiäre verloren geht, wenn der Frauenfußball in Sachen Professionalisierung dem der Männer ähnlicher wird?
Wir arbeiten schon mit einem sehr professionellen Umfeld: jetzt in der Bezirksliga, vorher in der Kreisliga. Uns ist es sehr wichtig, Fan-nah zu sein. Das soll sich auch nicht ändern, wenn wir irgendwann vielleicht in der Bundesliga spielen. Auch dort ist der Kontakt zwischen Spielerinnen und Fans viel enger als bei den Männern. Die Spielerinnen werden nicht so abgeschirmt. Das lässt sich aber natürlich einfacher umsetzen, solange keine 80.000 Menschen im Stadion sind.
Wir arbeiten schon mit einem sehr professionellen Umfeld: jetzt in der Bezirksliga, vorher in der Kreisliga. Uns ist es sehr wichtig, Fan-nah zu sein. Das soll sich auch nicht ändern, wenn wir irgendwann vielleicht in der Bundesliga spielen. Auch dort ist der Kontakt zwischen Spielerinnen und Fans viel enger als bei den Männern. Die Spielerinnen werden nicht so abgeschirmt. Das lässt sich aber natürlich einfacher umsetzen, solange keine 80.000 Menschen im Stadion sind.