Welt

Wie Afrika seine gesunde Lebenserwartung so deutlich steigern konnte

Gesund alt werden – das wünschen sich viele. In Afrika ist die gesunde Lebenserwartung um zehn Jahre gestiegen, so viel wie nirgendwo sonst. Es gibt mehrere Gründe für den Erfolg – und Ideen, wie der Trend anhalten kann.

250 Betten, bis zu 20 Kaiserschnitte und 30 natürliche Geburten pro Tag: Die Mutter-Kind-Station “Margaret Kenyatta” in Nakuru im kenianischen Rift Valley ist die zweitgrößte Geburtsstation des Landes. Die namensgebende First Lady und Ehefrau des scheidenden Präsidenten Uhuru Kenyatta eröffnete sie 2018. Die Klinik ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen die Regierung die damals hohen Sterblichkeitsraten – auf 100.000 Lebendgeburten kamen laut Regierung 362 Fälle, in denen Mutter oder Kind ums Leben kamen – absenken und die Gesundheitsversorgung verbessern wollte.

“Die Behandlung war vorzüglich und ich bedanke mich bei den Krankenschwestern, die sich dort um mich gekümmert haben”, sagt Janet Ngetich. Die 34-Jährige brachte in der Klinik vor drei Jahren ihre Tochter zur Welt – und war eine der ersten, die von einem neuen Programm profitierte: “Sie haben damals das Programm ‘Linda Mama’ für werdende Mütter ins Leben gerufen: Wer zu den Untersuchungen geht, muss nichts bezahlen und ist im System – das heißt, sie kann überall in Kenia ihr Kind zur Welt bringen.”

250 Betten, bis zu 20 Kaiserschnitte und 30 natürliche Geburten pro Tag: Die Mutter-Kind-Station “Margaret Kenyatta” in Nakuru im kenianischen Rift Valley ist die zweitgrößte Geburtsstation des Landes. Die namensgebende First Lady und Ehefrau des scheidenden Präsidenten Uhuru Kenyatta eröffnete sie 2018. Die Klinik ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen die Regierung die damals hohen Sterblichkeitsraten – auf 100.000 Lebendgeburten kamen laut Regierung 362 Fälle, in denen Mutter oder Kind ums Leben kamen – absenken und die Gesundheitsversorgung verbessern wollte.

In Ostafrika hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders große Fortschritte im Bereich der Gesundheitsversorgung ausgemacht – neben besserer Versorgung von Müttern und Kindern fallen darunter etwa die Behandlung von Infektionskrankheiten und deren Prävention. In der Summe führt das laut einem neuen WHO-Bericht dazu, dass Menschen auf dem afrikanischen Kontinent 2019 bei einer allgemeinen Lebenserwartung von knapp 63 Jahren mit durchschnittlich 56 Lebensjahren in guter Gesundheit rechnen konnten – das sind zehn Jahre mehr als zur Jahrtausendwende. 

Zehn Jahre höhere gesunde Lebenserwartung

In keiner Weltregion ist diese sogenannte gesunde Lebenserwartung in dieser Zeit so deutlich angestiegen wie in Afrika – wenn auch die Afrikanerinnen und Afrikaner damals wie heute im Schnitt weniger gesunde Lebensjahre zu erwarten haben als Menschen aus anderen Erdteilen. Immerhin: Wer im Jahr 2000 in Ruanda geboren wurde, konnte mit nur 41 gesunden Lebensjahren rechnen – für 2019 Geborene sind es bereits 60.

Zu den größten Verbesserungen zählt zweifelsohne, das HIV-Positive inzwischen häufig einen einfachen Zugang zu anti-retroviralen Medikamenten haben und somit oft ein beschwerdefreies Leben führen können. Auch Impfungen, etwa gegen Masern, sowie ein besserer Umgang mit Tropenkrankheiten leisten ihren Beitrag.

Andererseits gibt es weitere Herausforderungen, damit die Menschen auch im hohen Alter noch fit und gesund bleiben. Weltweit berechnete die WHO die gesunde Lebenserwartung 2019 sogar mit 63,7 Jahren – hier bleibt Afrika also unterdurchschnittlich.

Je älter Menschen werden, desto häufiger treten sogenannte nicht übertragbare Krankheiten auf – auf Englisch abgekürzt sogenannte NCDs. Darunter fallen zum Beispiel Krebs, Diabetes, und eine ganze Reihe von Herz- und Kreislauferkrankungen. Prebo Barango arbeitet im WHO-Regionalbüro in Harare in Simbabwe schwerpunktmäßig am Thema NCDs und sieht sie als größten Stolperstein für die weitere Entwicklung der gesunden Lebenserwartung:

“Dass nicht ansteckende Krankheiten zunehmen, hat viele Gründe”, erläutert Barango im DW-Interview: “Etwa wenn ungesunde Ernährung oder mangelnde Bewegung zu Übergewicht oder anderen Problemen führen. Tabak und Alkohol tragen dazu bei, ebenso wie Umweltverschmutzung. Das alles treibt die neue Epidemie der nicht ansteckenden Krankheiten voran.”

Barango betont den großen Wert von Aufklärung und Prävention. Doch die Gesundheitssysteme müssten sich auf mehr NCD-Patienten und den zunehmenden Bedarf an langjährigen Therapien einstellen. “Das erfordert Ressourcen”, sagt auch Josephat Nyagero, Recherche-Direktor der in Kenia ansässigen Nichtregierungsorganisation Amref: “personelle, finanzielle und so weiter. Ganz zu schweigen von Liebe.”

Und auch die Corona-Pandemie spielt eine Rolle. Viele Fachleute sind der Ansicht, dass Afrika im Vergleich zu anderen Regionen recht glimpflich davonkam, auch wenn man eine statistische Untererfassung der Infektionsfälle berücksichtigt. Bemerkbar machen wird sich die Pandemie in den kommenden Erhebungen zur gesunden Lebenserwartung wohl aber doch, sagt WHO-Mitarbeiter Prebo Barango: “Es hat in manchen Ländern einige Fortschritte zunichte gemacht, die durch die Stärkung der Gesundheitssysteme erzielt wurden, oder zumindest zu einer Stagnation geführt.”

Der gestiegene Druck auf das Gesundheitssystem wegen COVID-Erkrankungen und sehr strenge Social-Distancing-Maßnahmen in einigen Ländern erschwerten vielerorts den Zugang zu Behandlungen, Operationen und Arztgesprächen.

Grundsätzlich lobt die WHO jedoch in ihrem Bericht, dass die Abdeckung mit Gesundheitsleistungen sich seit 2000 deutlich verbessert habe. Doch mahnt sie zugleich, dass immer noch viele Haushalte mehr als zehn Prozent ihres Budgets für ihre Gesundheit ausgeben müssen; die WHO definiert diesen Grenzwert als “katastrophal”.

“Der Zugang ist besser geworden”, sagt auch Nyagero im DW-Interview. “Aber die zweite Frage ist: Ist der Zugang auch bezahlbar? Hier sollten Alternativen geprüft werden, zum Beispiel allgemeine Krankenversicherungen, die vom Staat subventioniert werden. Das verbessert den Zugang weiter.” Ruanda etwa bietet seit Jahren eine allgemeine Krankenversicherung an – das ist in Afrika aber eher eine Ausnahme als die Regel.

Die WHO sowie die nationalen Gesundheitsministerien arbeiten zudem daran, mehr Behandlungsmöglichkeiten in die Fläche zu bringen, sagt Barango: “Für die ländliche und die arme städtische Bevölkerung ist der Zugang begrenzt. Jetzt wollen wir darauf hinwirken, dass Einrichtungen auf Bezirksebene mehr Behandlungen stemmen können.” Barango räumt ein, dass dafür große Investitionen erforderlich sind, die letztlich aber großen Effekt hätten. 

Amref-Forschungsdirektor Josephat Nyagero rechnet mit einem weiter starken Wachstum auf dem Kontinent: “Die Zugewinne und Verbesserungen können wohl gehalten werden. Es kann zu Unterbrechungen kommen, aber ich erwarte eine Situation, in der Afrika sichtbar weiter zum globalen Durchschnitt aufschließt.”

Janet Ngetichs Tochter ist inzwischen drei Jahre alt und hat dank “Linda Mama” schon einige kostenlose Schutzimpfungen erhalten. Die ersten Schritte in Richtung eines langen, gesunden Lebens sind getan.

Mitarbeit: Waiko Mbogho (Nakuru)

Afrika Kenia Alte Damen lernen Selbstverteidigung

250 Betten, bis zu 20 Kaiserschnitte und 30 natürliche Geburten pro Tag: Die Mutter-Kind-Station “Margaret Kenyatta” in Nakuru im kenianischen Rift Valley ist die zweitgrößte Geburtsstation des Landes. Die namensgebende First Lady und Ehefrau des scheidenden Präsidenten Uhuru Kenyatta eröffnete sie 2018. Die Klinik ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen die Regierung die damals hohen Sterblichkeitsraten – auf 100.000 Lebendgeburten kamen laut Regierung 362 Fälle, in denen Mutter oder Kind ums Leben kamen – absenken und die Gesundheitsversorgung verbessern wollte.

“Die Behandlung war vorzüglich und ich bedanke mich bei den Krankenschwestern, die sich dort um mich gekümmert haben”, sagt Janet Ngetich. Die 34-Jährige brachte in der Klinik vor drei Jahren ihre Tochter zur Welt – und war eine der ersten, die von einem neuen Programm profitierte: “Sie haben damals das Programm ‘Linda Mama’ für werdende Mütter ins Leben gerufen: Wer zu den Untersuchungen geht, muss nichts bezahlen und ist im System – das heißt, sie kann überall in Kenia ihr Kind zur Welt bringen.”

Zehn Jahre höhere gesunde Lebenserwartung

In Ostafrika hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders große Fortschritte im Bereich der Gesundheitsversorgung ausgemacht – neben besserer Versorgung von Müttern und Kindern fallen darunter etwa die Behandlung von Infektionskrankheiten und deren Prävention. In der Summe führt das laut einem neuen WHO-Bericht dazu, dass Menschen auf dem afrikanischen Kontinent 2019 bei einer allgemeinen Lebenserwartung von knapp 63 Jahren mit durchschnittlich 56 Lebensjahren in guter Gesundheit rechnen konnten – das sind zehn Jahre mehr als zur Jahrtausendwende. 

In keiner Weltregion ist diese sogenannte gesunde Lebenserwartung in dieser Zeit so deutlich angestiegen wie in Afrika – wenn auch die Afrikanerinnen und Afrikaner damals wie heute im Schnitt weniger gesunde Lebensjahre zu erwarten haben als Menschen aus anderen Erdteilen. Immerhin: Wer im Jahr 2000 in Ruanda geboren wurde, konnte mit nur 41 gesunden Lebensjahren rechnen – für 2019 Geborene sind es bereits 60.

Zu den größten Verbesserungen zählt zweifelsohne, das HIV-Positive inzwischen häufig einen einfachen Zugang zu anti-retroviralen Medikamenten haben und somit oft ein beschwerdefreies Leben führen können. Auch Impfungen, etwa gegen Masern, sowie ein besserer Umgang mit Tropenkrankheiten leisten ihren Beitrag.

Andererseits gibt es weitere Herausforderungen, damit die Menschen auch im hohen Alter noch fit und gesund bleiben. Weltweit berechnete die WHO die gesunde Lebenserwartung 2019 sogar mit 63,7 Jahren – hier bleibt Afrika also unterdurchschnittlich.

Baustelle der Zukunft: nicht übertragbare Krankheiten

Je älter Menschen werden, desto häufiger treten sogenannte nicht übertragbare Krankheiten auf – auf Englisch abgekürzt sogenannte NCDs. Darunter fallen zum Beispiel Krebs, Diabetes, und eine ganze Reihe von Herz- und Kreislauferkrankungen. Prebo Barango arbeitet im WHO-Regionalbüro in Harare in Simbabwe schwerpunktmäßig am Thema NCDs und sieht sie als größten Stolperstein für die weitere Entwicklung der gesunden Lebenserwartung:

Der Corona-Faktor

“Dass nicht ansteckende Krankheiten zunehmen, hat viele Gründe”, erläutert Barango im DW-Interview: “Etwa wenn ungesunde Ernährung oder mangelnde Bewegung zu Übergewicht oder anderen Problemen führen. Tabak und Alkohol tragen dazu bei, ebenso wie Umweltverschmutzung. Das alles treibt die neue Epidemie der nicht ansteckenden Krankheiten voran.”

Barango betont den großen Wert von Aufklärung und Prävention. Doch die Gesundheitssysteme müssten sich auf mehr NCD-Patienten und den zunehmenden Bedarf an langjährigen Therapien einstellen. “Das erfordert Ressourcen”, sagt auch Josephat Nyagero, Recherche-Direktor der in Kenia ansässigen Nichtregierungsorganisation Amref: “personelle, finanzielle und so weiter. Ganz zu schweigen von Liebe.”

Und auch die Corona-Pandemie spielt eine Rolle. Viele Fachleute sind der Ansicht, dass Afrika im Vergleich zu anderen Regionen recht glimpflich davonkam, auch wenn man eine statistische Untererfassung der Infektionsfälle berücksichtigt. Bemerkbar machen wird sich die Pandemie in den kommenden Erhebungen zur gesunden Lebenserwartung wohl aber doch, sagt WHO-Mitarbeiter Prebo Barango: “Es hat in manchen Ländern einige Fortschritte zunichte gemacht, die durch die Stärkung der Gesundheitssysteme erzielt wurden, oder zumindest zu einer Stagnation geführt.”

Versorgungsstrukturen sind vorhanden, aber für viele nicht bezahlbar

Der gestiegene Druck auf das Gesundheitssystem wegen COVID-Erkrankungen und sehr strenge Social-Distancing-Maßnahmen in einigen Ländern erschwerten vielerorts den Zugang zu Behandlungen, Operationen und Arztgesprächen.

Grundsätzlich lobt die WHO jedoch in ihrem Bericht, dass die Abdeckung mit Gesundheitsleistungen sich seit 2000 deutlich verbessert habe. Doch mahnt sie zugleich, dass immer noch viele Haushalte mehr als zehn Prozent ihres Budgets für ihre Gesundheit ausgeben müssen; die WHO definiert diesen Grenzwert als “katastrophal”.

“Der Zugang ist besser geworden”, sagt auch Nyagero im DW-Interview. “Aber die zweite Frage ist: Ist der Zugang auch bezahlbar? Hier sollten Alternativen geprüft werden, zum Beispiel allgemeine Krankenversicherungen, die vom Staat subventioniert werden. Das verbessert den Zugang weiter.” Ruanda etwa bietet seit Jahren eine allgemeine Krankenversicherung an – das ist in Afrika aber eher eine Ausnahme als die Regel.

Die WHO sowie die nationalen Gesundheitsministerien arbeiten zudem daran, mehr Behandlungsmöglichkeiten in die Fläche zu bringen, sagt Barango: “Für die ländliche und die arme städtische Bevölkerung ist der Zugang begrenzt. Jetzt wollen wir darauf hinwirken, dass Einrichtungen auf Bezirksebene mehr Behandlungen stemmen können.” Barango räumt ein, dass dafür große Investitionen erforderlich sind, die letztlich aber großen Effekt hätten. 

Afrika Elfenbeinküste Fastfood

Amref-Forschungsdirektor Josephat Nyagero rechnet mit einem weiter starken Wachstum auf dem Kontinent: “Die Zugewinne und Verbesserungen können wohl gehalten werden. Es kann zu Unterbrechungen kommen, aber ich erwarte eine Situation, in der Afrika sichtbar weiter zum globalen Durchschnitt aufschließt.”

Janet Ngetichs Tochter ist inzwischen drei Jahre alt und hat dank “Linda Mama” schon einige kostenlose Schutzimpfungen erhalten. Die ersten Schritte in Richtung eines langen, gesunden Lebens sind getan.

Mitarbeit: Waiko Mbogho (Nakuru)

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"