Der Ukraine-Krieg und die lange Tradition der Täuschung
Den Feind zu täuschen ist grundlegende Kriegstaktik. Im Laufe der Geschichte wurden hierzu immer wieder Attrappen eingesetzt. Das ist heute in der Ukraine nicht anders.
Im August häuften sich auf Social-Media-Kanälen Berichte, dass das ukrainische Militär seine russischen Gegner auf dem Schlachtfeld überlistet habe – mit taktischen Täuschungsmanövern, wie sie so ähnlich schon im Altertum eingesetzt wurden.
Heutzutage geht es um HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System), leichte Mehrfachraketenwerfer aus den USA, die auf Lastwagen montiert und sehr beweglich sind. In Chats machten Videos die Runde, die offenbar zeigen, wie solche Systeme von Ukrainern gegen die russische Armee eingesetzt werden – mit durchschlagendem Erfolg.
Im August häuften sich auf Social-Media-Kanälen Berichte, dass das ukrainische Militär seine russischen Gegner auf dem Schlachtfeld überlistet habe – mit taktischen Täuschungsmanövern, wie sie so ähnlich schon im Altertum eingesetzt wurden.
In der Tat waren es solche Raketenwerfer, mit denen in der Südukraine hinter den russischen Linien offenbar große Munitions- und Treibstoffdepots getroffen wurden, mit möglicherweise verheerenden Folgen für den Nachschub der russischen Armee.
Taktik aus der Antike
Es folgten jedoch Medienberichte, dass die ukrainische Armee hölzerne HIMARS-Attrappen aufgestellt habe und damit erfolgreich russisches Raketenfeuer auf sich ziehe. Damit würden die Ukrainer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie sehen, wo die Russen ihre Raketenwerfer positioniert haben, und sie veranlassen sie, wertvolle Präzisionsraketen auf die Zerstörung bloßer Holzhaufen zu verschwenden, was den ukrainischen Truppen einen großen Vorteil gegenüber ihrem mächtigen Gegner verschaffen könnte.
Obwohl das ukrainische Täuschungsmanöver auf dem Nachbau von modernstem amerikanischem Kriegsgerät basiert, ist die Taktik an sich nicht neu.
Der chinesische General, Stratege und Philosoph Sun Tzu empfahl bereits im sechsten Jahrhundert v. Chr. eine ähnliche Vorgehensweise in seiner militärischen Abhandlung “Die Kunst des Krieges”. Er forderte die militärischen Befehlshaber auf, “Köder aufzustellen und Verwirrung vorzutäuschen” und damit den Feind dazu zu bringen, die gegnerische Streitkraft falsch einzuschätzen. “Die gesamte Kriegsführung beruht auf Täuschung”, schrieb Sun Tzu.
Das wusste auch der römische Feldherr und Staatsmann Julius Cäsar. Während des Gallischen Krieges, den römische Truppen um 50 v. Chr. im heutigen Frankreich und Belgien führten, stellte der Befehlshaber einen Teil seiner Legionäre so auf, dass sie wie eine große, schwerbewaffnete Armee wirkten. Cäsar beschreibt dann, wie er sich den gallischen Truppen näherte und sie vernichtete, während diese ihr Augenmerk auf die vermeintlich große Truppeneinheit im Lager gerichtet hatten.
Jahrhundertelang haben Militärbefehlshaber versucht, den Feind mit gefälschter Ausrüstung zu täuschen. Während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 bis 1865) setzten die Truppen der Südstaaten sogenannte “Quäker-Kanonen” ein. Das waren große, schwarz bemalte Baumstämme, die wie Kanonen aussahen, benannt nach der pazifistischen Religionsgemeinschaft der Quäker. Bei Centreville in Virginia errichtete General Robert E. Lee ausgedehnte Befestigungsanlagen mit vielen Reihen solcher Kanonenattrappen, die aus der Ferne wie eine stark befestigte Verteidigungslinie aussahen.
Nach der Erfindung des Verbrennungsmotors änderte sich das Kriegsgerät und somit auch die Attrappen, die auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kamen. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) gab es die ersten Panzer. Die britische Armee setzte sie als erste dazu ein, die Pattsituation des Stellungskrieges zu durchbrechen. Bald fertigten sowohl die Briten als auch die Deutschen Panzerattrappen aus Holz und bemaltem Sackleinen an, um eine größere Truppenstärke vorzutäuschen.
Obwohl motorisierte Militärmaschinen während des Ersten Weltkriegs auf breiter Front zum Einsatz kamen, waren doch nicht alle europäischen Armeen vollständig motorisiert. Pferde spielten immer noch eine wichtige Rolle, um Kriegsgerät und Nachschub über die Schlachtfelder zu transportieren. Also wurden auch Pferdeattrappen gebaut: Einfache Holzgestelle unter Wolldecken sollten die feindlichen Piloten bei ihren Aufklärungsflügen täuschen.
Während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) praktizierten beide Seiten Täuschungsmanöver in großem Maßstab. Bevor die Alliierten 1944 den Ärmelkanal überquerten und in der französischen Normandie landeten, hatten sie in England aufblasbare Panzer aufgestellt. Diese Attrappen führten die Wehrmacht in die Irre: Die deutschen Generäle waren überzeugt, die Invasion würde an einem anderen Küstenabschnitt stattfinden, und zogen einen erheblichen Teil ihrer Streitkräfte von den Stränden der Normandie ab.
Solche Täuschungsmanöver spielten eine so große Rolle, dass die US-Armee eine ganze Spezialeinheit aufstellte, die “23rd Headquarters Special Troops” – auch bekannt als “Ghost Army” – war eine reisende Roadshow der Täuschung. Bewaffnet mit aufblasbaren Panzern, Lastwagen und Flugzeugattrappen sowie leistungsstarken Lautsprechersystemen, die Tonaufnahmen von Truppen- und Fahrzeugbewegungen sendeten, führte die “Geisterarmee” weitreichende Täuschungsoperationen in Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxemburg durch und stand im Ruf, durch ihren Einsatz das Leben tausender US-Soldaten gerettet zu haben.
Auch nichtstaatliche Akteure setzen ähnliche Täuschungsmanöver ein. 2016 erbeutete die irakische Armee hölzerne Nachbildungen von militärischen Geländewagen und Panzern, die von der Terrormiliz Islamischer Staat gebaut worden waren, um das Feuer von US-Luftangriffen auf sich zu ziehen. Obwohl sie hauptsächlich aus Holz bestanden, sahen die nachgebauten Fahrzeuge aus der Ferne täuschend echt aus – bei einigen saßen sogar bärtige Schaufensterpuppen auf den Fahrersitzen, um das Bild zu vervollständigen.
In Ermangelung jeglicher Luftstreitkräfte hoffte der Islamische Staat, die Kampfflugzeuge des Gegners abzulenken. Die Attrappen lenkten auch vom realen Fuhrpark des IS ab, denn den Terroreinheiten war es gelungen, etliche Lastwagen, Panzer und Mannschaftswagen ihrer Gegner zu erbeuten.
Im August häuften sich auf Social-Media-Kanälen Berichte, dass das ukrainische Militär seine russischen Gegner auf dem Schlachtfeld überlistet habe – mit taktischen Täuschungsmanövern, wie sie so ähnlich schon im Altertum eingesetzt wurden.
Heutzutage geht es um HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System), leichte Mehrfachraketenwerfer aus den USA, die auf Lastwagen montiert und sehr beweglich sind. In Chats machten Videos die Runde, die offenbar zeigen, wie solche Systeme von Ukrainern gegen die russische Armee eingesetzt werden – mit durchschlagendem Erfolg.
Taktik aus der Antike
In der Tat waren es solche Raketenwerfer, mit denen in der Südukraine hinter den russischen Linien offenbar große Munitions- und Treibstoffdepots getroffen wurden, mit möglicherweise verheerenden Folgen für den Nachschub der russischen Armee.
Es folgten jedoch Medienberichte, dass die ukrainische Armee hölzerne HIMARS-Attrappen aufgestellt habe und damit erfolgreich russisches Raketenfeuer auf sich ziehe. Damit würden die Ukrainer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie sehen, wo die Russen ihre Raketenwerfer positioniert haben, und sie veranlassen sie, wertvolle Präzisionsraketen auf die Zerstörung bloßer Holzhaufen zu verschwenden, was den ukrainischen Truppen einen großen Vorteil gegenüber ihrem mächtigen Gegner verschaffen könnte.
Obwohl das ukrainische Täuschungsmanöver auf dem Nachbau von modernstem amerikanischem Kriegsgerät basiert, ist die Taktik an sich nicht neu.
Der chinesische General, Stratege und Philosoph Sun Tzu empfahl bereits im sechsten Jahrhundert v. Chr. eine ähnliche Vorgehensweise in seiner militärischen Abhandlung “Die Kunst des Krieges”. Er forderte die militärischen Befehlshaber auf, “Köder aufzustellen und Verwirrung vorzutäuschen” und damit den Feind dazu zu bringen, die gegnerische Streitkraft falsch einzuschätzen. “Die gesamte Kriegsführung beruht auf Täuschung”, schrieb Sun Tzu.
Erster Weltkrieg
Das wusste auch der römische Feldherr und Staatsmann Julius Cäsar. Während des Gallischen Krieges, den römische Truppen um 50 v. Chr. im heutigen Frankreich und Belgien führten, stellte der Befehlshaber einen Teil seiner Legionäre so auf, dass sie wie eine große, schwerbewaffnete Armee wirkten. Cäsar beschreibt dann, wie er sich den gallischen Truppen näherte und sie vernichtete, während diese ihr Augenmerk auf die vermeintlich große Truppeneinheit im Lager gerichtet hatten.
Zweiter Weltkrieg
Jahrhundertelang haben Militärbefehlshaber versucht, den Feind mit gefälschter Ausrüstung zu täuschen. Während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 bis 1865) setzten die Truppen der Südstaaten sogenannte “Quäker-Kanonen” ein. Das waren große, schwarz bemalte Baumstämme, die wie Kanonen aussahen, benannt nach der pazifistischen Religionsgemeinschaft der Quäker. Bei Centreville in Virginia errichtete General Robert E. Lee ausgedehnte Befestigungsanlagen mit vielen Reihen solcher Kanonenattrappen, die aus der Ferne wie eine stark befestigte Verteidigungslinie aussahen.
Nach der Erfindung des Verbrennungsmotors änderte sich das Kriegsgerät und somit auch die Attrappen, die auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kamen. Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) gab es die ersten Panzer. Die britische Armee setzte sie als erste dazu ein, die Pattsituation des Stellungskrieges zu durchbrechen. Bald fertigten sowohl die Briten als auch die Deutschen Panzerattrappen aus Holz und bemaltem Sackleinen an, um eine größere Truppenstärke vorzutäuschen.
Obwohl motorisierte Militärmaschinen während des Ersten Weltkriegs auf breiter Front zum Einsatz kamen, waren doch nicht alle europäischen Armeen vollständig motorisiert. Pferde spielten immer noch eine wichtige Rolle, um Kriegsgerät und Nachschub über die Schlachtfelder zu transportieren. Also wurden auch Pferdeattrappen gebaut: Einfache Holzgestelle unter Wolldecken sollten die feindlichen Piloten bei ihren Aufklärungsflügen täuschen.
Terrortaktik
Während des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) praktizierten beide Seiten Täuschungsmanöver in großem Maßstab. Bevor die Alliierten 1944 den Ärmelkanal überquerten und in der französischen Normandie landeten, hatten sie in England aufblasbare Panzer aufgestellt. Diese Attrappen führten die Wehrmacht in die Irre: Die deutschen Generäle waren überzeugt, die Invasion würde an einem anderen Küstenabschnitt stattfinden, und zogen einen erheblichen Teil ihrer Streitkräfte von den Stränden der Normandie ab.
Solche Täuschungsmanöver spielten eine so große Rolle, dass die US-Armee eine ganze Spezialeinheit aufstellte, die “23rd Headquarters Special Troops” – auch bekannt als “Ghost Army” – war eine reisende Roadshow der Täuschung. Bewaffnet mit aufblasbaren Panzern, Lastwagen und Flugzeugattrappen sowie leistungsstarken Lautsprechersystemen, die Tonaufnahmen von Truppen- und Fahrzeugbewegungen sendeten, führte die “Geisterarmee” weitreichende Täuschungsoperationen in Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxemburg durch und stand im Ruf, durch ihren Einsatz das Leben tausender US-Soldaten gerettet zu haben.
Auch nichtstaatliche Akteure setzen ähnliche Täuschungsmanöver ein. 2016 erbeutete die irakische Armee hölzerne Nachbildungen von militärischen Geländewagen und Panzern, die von der Terrormiliz Islamischer Staat gebaut worden waren, um das Feuer von US-Luftangriffen auf sich zu ziehen. Obwohl sie hauptsächlich aus Holz bestanden, sahen die nachgebauten Fahrzeuge aus der Ferne täuschend echt aus – bei einigen saßen sogar bärtige Schaufensterpuppen auf den Fahrersitzen, um das Bild zu vervollständigen.
In Ermangelung jeglicher Luftstreitkräfte hoffte der Islamische Staat, die Kampfflugzeuge des Gegners abzulenken. Die Attrappen lenkten auch vom realen Fuhrpark des IS ab, denn den Terroreinheiten war es gelungen, etliche Lastwagen, Panzer und Mannschaftswagen ihrer Gegner zu erbeuten.