Kultur

Zug statt Flieger: Über Nacht klimafreundlich ans Meer

Reisen per Nachtzug wird immer beliebter und jedes Jahr kommen neue Verbindungen hinzu. DW-Reporterin Lisa Stüve hat’s ausprobiert und ist mit dem Nachtzug von München bis nach Zagreb gefahren.

Im Münchener Ostbahnhof schlägt mir der Geruch von Leberkäse entgegen, der Nachtzug nach Zagreb steht bereits abfahrbereit an Gleis 12. Der Schaffner der kroatischen Bahngesellschaft HZPP weist mir in einer Mischung aus Deutsch, Kroatisch und Englisch den Weg zu meinem Liegewagen. Kurze Zeit später setzt sich der Zug ruckelnd in Bewegung Richtung Südosten.

Vom Chaos, das so oft an deutschen und europäischen Flughäfen herrscht,  ist im Nachtzug nichts zu spüren. Statt gereizter Stimmung, nervenaufreibendem Warten an der Sicherheitskontrolle oder ausgefallenen Flügen herrscht hier eine gespannte Vorfreude auf die bevorstehende Reise. Plaudernd und Bier trinkend stehe ich mit anderen Fahrgästen auf dem Gang, schnell entwickeln sich Gespräche über Nachtzug-Erfahrungen und die angestrebten Destinationen – im Flugzeug ein eher seltenes Erlebnis, da kommt es allerhöchstens zu einem gepflegten Austausch mit der Sitznachbarin.

Im Münchener Ostbahnhof schlägt mir der Geruch von Leberkäse entgegen, der Nachtzug nach Zagreb steht bereits abfahrbereit an Gleis 12. Der Schaffner der kroatischen Bahngesellschaft HZPP weist mir in einer Mischung aus Deutsch, Kroatisch und Englisch den Weg zu meinem Liegewagen. Kurze Zeit später setzt sich der Zug ruckelnd in Bewegung Richtung Südosten.

Im Nachtzug wird die Anreise Teil des Reiseerlebnisses

Es ist dieses andere Reisen, das den Nachtzug so besonders macht, das klingt immer wieder durch in den Gesprächen auf der Fahrt. Sich Zeit zu nehmen für die Anreise, so richtig zu verreisen und die Distanz zu spüren, dass sei so großartig am Nachtzug, findet Sarah, 37, aus Belgien, die ich auf der Fahrt treffe. 

Sarah ist mit ihrer Entdeckung der Langsamkeit beim Reisen nicht allein. Nachtzüge sind noch kein neues Massenphänomen, dafür fehlt es bisher an reizvollen Strecken und Angeboten, national und länderübergreifend. Aber die Idee, abends in den Zug zu steigen und am nächsten Tag ausgeschlafen und stressfrei am anderen Ende des Kontinents auszusteigen, erlebt eine Renaissance und gewinnt immer mehr Fans, erklären Wengert und Dauscher in ihrem aktuellen Buch Nachtzugreisen. Visionen von einem europaweiten Nachtzugnetz, das innereuropäische Flüge weitgehend überflüssig macht, hat Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen.

“Seit der Aufhebung vieler Corona-Restriktionen sind die Nachtzüge auf der Strecke München – Zagreb vor allem an den Sommerwochenenden ausgebucht”, sagt Ivana Cubelic aus der Unternehmenskommunikation der kroatischen Bahngesellschaft HZPP. Die Menschen haben nach zwei Jahren Nachholbedarf beim Reisen, so meldet es der Deutsche Reiseverband. Doch nicht nur die Lust aufs Reisen lässt die Nachfrage nach Nachtzugreisen steigen, auch das zunehmende Umweltbewusstsein.

Ich treffe eine Familie aus Berlin, die auf dem Weg nach Albanien ist. Hitzige Diskussionen über das Für und Wider des Reisens in Zeiten des Klimawandels am Frühstückstisch habe es gegeben, erzählen die Eltern Bianca und Thomas. Die Tochter ist Teil der Friday’s for Future Bewegung. Am Ende dann der Kompromiss: Hin mit Zug und Bus. Zurück mit dem Flieger.

Ismail aus Amsterdam, der schon seit früh um acht Uhr unterwegs ist, erklärt seine Entscheidung für den Nachtzug so: “In meinem Freundeskreis ist das Bewusstsein für die Klimakrise, die wir derzeit erleben, recht ausgeprägt. Manche sind strenger und fliegen gar nicht. Wenn ich mit ihnen reisen will, muss ich das befolgen.”

Die Distanz fühlen: Das Streckennetz

Abends in München einsteigen und morgens in Zagreb aussteigen, so lautet mein Plan. Von dort dann weiter mit dem Bus an die kroatische Adria-Küste. Von München nach Zagreb sind es knapp 550 Kilometer. 80 Euro kostet mich die Strecke von München nach Zagreb. Der Einfachheit halber habe ich das Ticket direkt über die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) gebucht. Meine Mitreisenden aus Weimar, Wido und Johannes, bemängeln, dass man für die Ticketbuchung schon sehr versiert sein müsse und ansonsten schnell aufgebe und eben doch das Auto nutze. Das System sei noch zu kompliziert. Das aber wird sich vielleicht bald ändern. Das europäische Nachtzug-Streckennetz soll nämlich in den kommenden Jahren ausgebaut und erweitert werden und auch bei der Kompatibilität internationaler Buchungen soll nachgeholfen werden. Die Deutsche Bahn macht mit, allerdings in Kooperation mit europäischen Partnerunternehmen, ohne eigene Waggons. 13 weitere europäische Metropolen sollen in den kommenden Jahren per Nachtzug erreichbar sein. Für Dezember 2023 sind die Strecken Berlin – Brüssel und Berlin – Paris geplant.

Die klimafreundliche Alternative

Im Nachtzug nach Zagreb sind sich die Reisenden einig, die Nachfrage wird weiter steigen. Nur müsse eben auch die Deutsche Bahn ihre Hausaufgaben machen, das Angebot besser bewerben und als wirkliche Alternative positionieren, wie es Alex aus Bonn ausdrückt, der mit Freunden auf Wanderurlaub nach Slowenien fährt. Auf dem Weg nach Kroatien wird der Zug zwei Mal in dem kleinen Nachbarland Halt machen.

Ökologisch sind die Vorteile des Zuges eindeutig: Wird die Strecke München – Zagreb auf der Schiene zurückgelegt, produziert das pro Fahrgast rund 20 Kilogramm CO2. Mit dem Flugzeug sind es, laut des Internet-Tools EcoPassenger, 130 Kilogramm. Aber Menschen entscheiden sich bekanntlich nicht nur aus ökologischen Gründen für Verkehrsmittel. Trotz aller Klimadebatten sind Flugreisen zwischen europäischen Großstädten oft billiger als eine Reise mit dem Nachtzug. Der Flugverkehr wird subventioniert: Verzicht auf die Kerosinsteuer und Wegfall der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Flügen sind nur zwei Gründe. 

Die Anreise ist Teil des Abenteuers

Für den Nachtzug sprechen aber nicht nur die CO2-Bilanz, sondern auch der Komfort und das Reiseerlebnis insgesamt. In der Nacht schlägt einmal kurz eine Tür, irgendwo quietscht ein Scharnier, dann höre ich nur noch das Rattern der Räder. Der Liegewagen ist einfach und funktional ausgestattet. Gestärkte Baumwoll-Laken, Kopfkissen, Wolldecke und Ohropax bringen mich durch die Nacht.

Auf dem Weg nach Zagreb habe ich Glück, das Sechser-Abteil habe ich für mich allein. Zwei Wochen später werde ich feststellen, dass das Schlaferlebnis im Waggon bei Vollbelegung etwas weniger romantisch und komfortabel ist. Mit einem leichten Schlaf kann das Abenteuer Nachtzug schnell zur durchwachten Nacht werden, sodass man weder frisch noch munter am Zielort ankommt.

Früh morgens ein Blick aus dem Fenster, draußen ziehen pittoreske Almwiesen vorbei, dahinter erheben sich recht imposante Berge. Das Frühstück ist, nun ja, auf das Wesentliche fokussiert. Es wird ein Croissant aus der Tüte gereicht und ein tiefschwarzer Kaffee. Der zieht mir die letzte Müdigkeit aus den Gliedern. Um kurz vor neun Uhr sind wir in Zagreb.

Als ich vom Hauptbahnhof zum nahen Busbahnhof laufe, wirkt die Stadt an diesem Sonntagmorgen wie ausgestorben. Am umtriebigen Busbahnhof beginnt die letzte Etappe meiner Reise: Mit dem Bus nach Zadar an die Küste. Nach weiteren drei Stunden werde ich für die fast 17-stündige Fahrt belohnt – mit einem Sprung ins klare Wasser der kroatischen Adria.

DW-Autorin Lisa Stüve vor dem Nachtzug nach Zagreb
Vollgepacktes Nachtzug-Abteil
Nachtzug-Fahrt von Berlin nach Zagreb

Im Münchener Ostbahnhof schlägt mir der Geruch von Leberkäse entgegen, der Nachtzug nach Zagreb steht bereits abfahrbereit an Gleis 12. Der Schaffner der kroatischen Bahngesellschaft HZPP weist mir in einer Mischung aus Deutsch, Kroatisch und Englisch den Weg zu meinem Liegewagen. Kurze Zeit später setzt sich der Zug ruckelnd in Bewegung Richtung Südosten.

Vom Chaos, das so oft an deutschen und europäischen Flughäfen herrscht,  ist im Nachtzug nichts zu spüren. Statt gereizter Stimmung, nervenaufreibendem Warten an der Sicherheitskontrolle oder ausgefallenen Flügen herrscht hier eine gespannte Vorfreude auf die bevorstehende Reise. Plaudernd und Bier trinkend stehe ich mit anderen Fahrgästen auf dem Gang, schnell entwickeln sich Gespräche über Nachtzug-Erfahrungen und die angestrebten Destinationen – im Flugzeug ein eher seltenes Erlebnis, da kommt es allerhöchstens zu einem gepflegten Austausch mit der Sitznachbarin.

Im Nachtzug wird die Anreise Teil des Reiseerlebnisses

Es ist dieses andere Reisen, das den Nachtzug so besonders macht, das klingt immer wieder durch in den Gesprächen auf der Fahrt. Sich Zeit zu nehmen für die Anreise, so richtig zu verreisen und die Distanz zu spüren, dass sei so großartig am Nachtzug, findet Sarah, 37, aus Belgien, die ich auf der Fahrt treffe. 

Sarah ist mit ihrer Entdeckung der Langsamkeit beim Reisen nicht allein. Nachtzüge sind noch kein neues Massenphänomen, dafür fehlt es bisher an reizvollen Strecken und Angeboten, national und länderübergreifend. Aber die Idee, abends in den Zug zu steigen und am nächsten Tag ausgeschlafen und stressfrei am anderen Ende des Kontinents auszusteigen, erlebt eine Renaissance und gewinnt immer mehr Fans, erklären Wengert und Dauscher in ihrem aktuellen Buch Nachtzugreisen. Visionen von einem europaweiten Nachtzugnetz, das innereuropäische Flüge weitgehend überflüssig macht, hat Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen.

“Seit der Aufhebung vieler Corona-Restriktionen sind die Nachtzüge auf der Strecke München – Zagreb vor allem an den Sommerwochenenden ausgebucht”, sagt Ivana Cubelic aus der Unternehmenskommunikation der kroatischen Bahngesellschaft HZPP. Die Menschen haben nach zwei Jahren Nachholbedarf beim Reisen, so meldet es der Deutsche Reiseverband. Doch nicht nur die Lust aufs Reisen lässt die Nachfrage nach Nachtzugreisen steigen, auch das zunehmende Umweltbewusstsein.

Ich treffe eine Familie aus Berlin, die auf dem Weg nach Albanien ist. Hitzige Diskussionen über das Für und Wider des Reisens in Zeiten des Klimawandels am Frühstückstisch habe es gegeben, erzählen die Eltern Bianca und Thomas. Die Tochter ist Teil der Friday’s for Future Bewegung. Am Ende dann der Kompromiss: Hin mit Zug und Bus. Zurück mit dem Flieger.

Ismail aus Amsterdam, der schon seit früh um acht Uhr unterwegs ist, erklärt seine Entscheidung für den Nachtzug so: “In meinem Freundeskreis ist das Bewusstsein für die Klimakrise, die wir derzeit erleben, recht ausgeprägt. Manche sind strenger und fliegen gar nicht. Wenn ich mit ihnen reisen will, muss ich das befolgen.”

Die Distanz fühlen: Das Streckennetz

Abends in München einsteigen und morgens in Zagreb aussteigen, so lautet mein Plan. Von dort dann weiter mit dem Bus an die kroatische Adria-Küste. Von München nach Zagreb sind es knapp 550 Kilometer. 80 Euro kostet mich die Strecke von München nach Zagreb. Der Einfachheit halber habe ich das Ticket direkt über die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) gebucht. Meine Mitreisenden aus Weimar, Wido und Johannes, bemängeln, dass man für die Ticketbuchung schon sehr versiert sein müsse und ansonsten schnell aufgebe und eben doch das Auto nutze. Das System sei noch zu kompliziert. Das aber wird sich vielleicht bald ändern. Das europäische Nachtzug-Streckennetz soll nämlich in den kommenden Jahren ausgebaut und erweitert werden und auch bei der Kompatibilität internationaler Buchungen soll nachgeholfen werden. Die Deutsche Bahn macht mit, allerdings in Kooperation mit europäischen Partnerunternehmen, ohne eigene Waggons. 13 weitere europäische Metropolen sollen in den kommenden Jahren per Nachtzug erreichbar sein. Für Dezember 2023 sind die Strecken Berlin – Brüssel und Berlin – Paris geplant.

Die klimafreundliche Alternative

Im Nachtzug nach Zagreb sind sich die Reisenden einig, die Nachfrage wird weiter steigen. Nur müsse eben auch die Deutsche Bahn ihre Hausaufgaben machen, das Angebot besser bewerben und als wirkliche Alternative positionieren, wie es Alex aus Bonn ausdrückt, der mit Freunden auf Wanderurlaub nach Slowenien fährt. Auf dem Weg nach Kroatien wird der Zug zwei Mal in dem kleinen Nachbarland Halt machen.

Ökologisch sind die Vorteile des Zuges eindeutig: Wird die Strecke München – Zagreb auf der Schiene zurückgelegt, produziert das pro Fahrgast rund 20 Kilogramm CO2. Mit dem Flugzeug sind es, laut des Internet-Tools EcoPassenger, 130 Kilogramm. Aber Menschen entscheiden sich bekanntlich nicht nur aus ökologischen Gründen für Verkehrsmittel. Trotz aller Klimadebatten sind Flugreisen zwischen europäischen Großstädten oft billiger als eine Reise mit dem Nachtzug. Der Flugverkehr wird subventioniert: Verzicht auf die Kerosinsteuer und Wegfall der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Flügen sind nur zwei Gründe. 

Die Anreise ist Teil des Abenteuers

Nachtzug-Fahrt von Berlin nach Zagreb

Für den Nachtzug sprechen aber nicht nur die CO2-Bilanz, sondern auch der Komfort und das Reiseerlebnis insgesamt. In der Nacht schlägt einmal kurz eine Tür, irgendwo quietscht ein Scharnier, dann höre ich nur noch das Rattern der Räder. Der Liegewagen ist einfach und funktional ausgestattet. Gestärkte Baumwoll-Laken, Kopfkissen, Wolldecke und Ohropax bringen mich durch die Nacht.

Auf dem Weg nach Zagreb habe ich Glück, das Sechser-Abteil habe ich für mich allein. Zwei Wochen später werde ich feststellen, dass das Schlaferlebnis im Waggon bei Vollbelegung etwas weniger romantisch und komfortabel ist. Mit einem leichten Schlaf kann das Abenteuer Nachtzug schnell zur durchwachten Nacht werden, sodass man weder frisch noch munter am Zielort ankommt.

Früh morgens ein Blick aus dem Fenster, draußen ziehen pittoreske Almwiesen vorbei, dahinter erheben sich recht imposante Berge. Das Frühstück ist, nun ja, auf das Wesentliche fokussiert. Es wird ein Croissant aus der Tüte gereicht und ein tiefschwarzer Kaffee. Der zieht mir die letzte Müdigkeit aus den Gliedern. Um kurz vor neun Uhr sind wir in Zagreb.

Als ich vom Hauptbahnhof zum nahen Busbahnhof laufe, wirkt die Stadt an diesem Sonntagmorgen wie ausgestorben. Am umtriebigen Busbahnhof beginnt die letzte Etappe meiner Reise: Mit dem Bus nach Zadar an die Küste. Nach weiteren drei Stunden werde ich für die fast 17-stündige Fahrt belohnt – mit einem Sprung ins klare Wasser der kroatischen Adria.

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