Warum Gerüche Erinnerungen hervorrufen
Manche Düfte rütteln Erinnerungen wach und lösen starke Emotionen aus. Was dabei im Gehirn passiert – und wie Mediziner und Unternehmer versuchen, dieses Wissen zu nutzen.
In der Sekunde, in der Swann den Geruch von frisch gebackenen Madeleines und Lindenblütentee aufsog, “zuckte er zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in ihm vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand, hatte ihn durchströmt. (…) Und dann mit einem Male war die Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine, die ihm am Sonntagmorgen seine Tante Léonie anbot, nachdem sie sie in ihren Tee getaucht hatte.”
Diese Zeilen schrieb der französische Schriftsteller Marcel Proust in seinem Roman “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” von 1910. Proust drückte damit aus, was vielen Menschen schon einmal passiert ist: Ein Duft ruft eine lebhafte Erinnerung an ein Ereignis hervor, das bereits weit in der Vergangenheit liegt.
In der Sekunde, in der Swann den Geruch von frisch gebackenen Madeleines und Lindenblütentee aufsog, “zuckte er zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in ihm vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand, hatte ihn durchströmt. (…) Und dann mit einem Male war die Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine, die ihm am Sonntagmorgen seine Tante Léonie anbot, nachdem sie sie in ihren Tee getaucht hatte.”
Dieses Phänomen wird seit jeher “Proust-Effekt” oder auch “Madeleine-Effekt” genannt.
Hirnforscher sind dem Proust-Effekt auf der Spur
Aber warum ist das so? Warum kramt das Gehirn plötzlich fast vergessene Erinnerungen und starke Emotionen hervor, wenn wir bestimmte Gerüche wahrnehmen?
“Potenziell kann jeder Reiz eine Erinnerung oder eine Emotion hervorrufen”, sagt Christina Bermeitinger, Psychologin und Professorin an der Universität Hildesheim. “Das ist nicht spezifisch für Gerüche.” Auch ein bestimmtes Geräusch oder ein Geschmack können Erinnerungen wecken.
Und doch zeigen wissenschaftliche Studien, dass sich das Riechen von anderen Sinnen abhebt. Die durch Düfte hervorgerufenen Erinnerungen reichen nachweislich besonders weit zurück, sind intensiver und oftmals auch positiver. Ein Blick ins Gehirn gibt Hinweise darauf, warum das so ist.
“Die primäre Geruchswahrnehmung liegt im Gehirn räumlich nah an der Amygdala”, erklärt Bermeitinger. Diese sitzt im unteren Bereich des Gehirns und wird wegen ihres ovalen Aussehens auch Mandelkern genannt. “Das Areal ist grob gesagt für Emotionen zuständig”, so die Psychologin.
Emotionen wie etwa Freude und Geborgenheit sind der Schlüssel zur Erinnerung. Unser Gehirn beurteilt Gerüche zunächst nach diesen Gefühlsregungen. “Über die zugehörigen Emotionen können Gerüche dann einen Zugang zur Erinnerung bieten”, sagt Bermeitinger.
Denn anschließend wird der benachbarte Hippocampus aktiviert. Das ist eine Region, in der unser Gehirn Erlebnisse verarbeitet und Erinnerungen formt.
So ähnlich erging es dem Protagonisten Swann in Prousts Roman: Als der Duft von frischgebackenen Madeleines und Tee in seine Nase strömte, machte sich zunächst ein Glücksgefühl in ihm breit. Anschließend erinnerte er sich an seine Tante.
Aber warum verschaltet das Gehirn Gerüche derart mit Emotionen und Erinnerungen? Darüber rätseln Forschende schon lange. “Eine Erklärung könnte sein, dass uns Gerüche vor gefährlichen Situationen fernhalten”, sagt Bermeitinger.
Wer etwa Gas oder etwas Verbranntes riecht, bei dem wird die Emotion “Angst” hervorgerufen, und die Erinnerung sagt einem, was in solchen Fällen zu tun ist. Die Folge: Wir reagieren sofort, indem wir zum Beispiel die Feuerwehr rufen oder einfach flüchten.
Gerüche können also auch negative Emotionen und Erinnerungen hervorrufen. So geht es oftmals Menschen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden.
So gibt es Berichte von Veteranen, die beim Geruch von Benzin plötzlich zurück in die Kriegssituation katapultiert werden und Gefechte noch einmal durchleben, als wären sie wieder hautnah dabei.
Forschende versuchen zunehmend, das Wissen über Gerüche und Erinnerungen zu nutzen und Menschen auf diese Art zu helfen.
So bringen Mediziner PTBS-Patienten zum Beispiel dazu, an Kaffeebohnen zu riechen, wenn eine negative Erinnerung aufkommt. Die Betroffenen sollen so in der Gegenwart bleiben, statt in die Vergangenheit abzutauchen.
Gerüche können also verschiedene intensive Erinnerungen hervorrufen. Andersherum kann ein Verlust des Geruchssinns ein frühes Anzeichen für Gedächtnisverlust und Alzheimer sein.
“Auch bei der Behandlung von Demenzerkrankten lassen sich Gerüche einsetzen”, erklärt Psychologin Bermeitinger. Ärzte versuchen auf diesem Weg, vergessene Erinnerungen der Patienten wachzurütteln.
Und auch jenseits der Medizin wissen Menschen, wie sie sich Düfte zunutze machen können. In der Kriminologie werden Gerüche zum Beispiel bei Befragungen von Augenzeugen eingesetzt. Die Kommissare erhoffen sich davon, dass sich die Zeugen so detaillierter an ein Verbrechen erinnern können.
In der Unterhaltungsbranche gibt es ebenfalls Versuche, Gerüche einzusetzen. Es gab Experimente mit sogenannten 4D-Kinos, in denen die Zuschauer den Film nicht nur sehen, sondern auch riechen konnten.
In der Sekunde, in der Swann den Geruch von frisch gebackenen Madeleines und Lindenblütentee aufsog, “zuckte er zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in ihm vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand, hatte ihn durchströmt. (…) Und dann mit einem Male war die Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine, die ihm am Sonntagmorgen seine Tante Léonie anbot, nachdem sie sie in ihren Tee getaucht hatte.”
Diese Zeilen schrieb der französische Schriftsteller Marcel Proust in seinem Roman “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” von 1910. Proust drückte damit aus, was vielen Menschen schon einmal passiert ist: Ein Duft ruft eine lebhafte Erinnerung an ein Ereignis hervor, das bereits weit in der Vergangenheit liegt.
Hirnforscher sind dem Proust-Effekt auf der Spur
Dieses Phänomen wird seit jeher “Proust-Effekt” oder auch “Madeleine-Effekt” genannt.
Aber warum ist das so? Warum kramt das Gehirn plötzlich fast vergessene Erinnerungen und starke Emotionen hervor, wenn wir bestimmte Gerüche wahrnehmen?
“Potenziell kann jeder Reiz eine Erinnerung oder eine Emotion hervorrufen”, sagt Christina Bermeitinger, Psychologin und Professorin an der Universität Hildesheim. “Das ist nicht spezifisch für Gerüche.” Auch ein bestimmtes Geräusch oder ein Geschmack können Erinnerungen wecken.
Und doch zeigen wissenschaftliche Studien, dass sich das Riechen von anderen Sinnen abhebt. Die durch Düfte hervorgerufenen Erinnerungen reichen nachweislich besonders weit zurück, sind intensiver und oftmals auch positiver. Ein Blick ins Gehirn gibt Hinweise darauf, warum das so ist.
Emotionen und Gerüche sind im Gehirn eng miteinander verknüpft
“Die primäre Geruchswahrnehmung liegt im Gehirn räumlich nah an der Amygdala”, erklärt Bermeitinger. Diese sitzt im unteren Bereich des Gehirns und wird wegen ihres ovalen Aussehens auch Mandelkern genannt. “Das Areal ist grob gesagt für Emotionen zuständig”, so die Psychologin.
Positive und negative Erinnerungen
Emotionen wie etwa Freude und Geborgenheit sind der Schlüssel zur Erinnerung. Unser Gehirn beurteilt Gerüche zunächst nach diesen Gefühlsregungen. “Über die zugehörigen Emotionen können Gerüche dann einen Zugang zur Erinnerung bieten”, sagt Bermeitinger.
Denn anschließend wird der benachbarte Hippocampus aktiviert. Das ist eine Region, in der unser Gehirn Erlebnisse verarbeitet und Erinnerungen formt.
So ähnlich erging es dem Protagonisten Swann in Prousts Roman: Als der Duft von frischgebackenen Madeleines und Tee in seine Nase strömte, machte sich zunächst ein Glücksgefühl in ihm breit. Anschließend erinnerte er sich an seine Tante.
Wie Mediziner Gerüche nutzen
Aber warum verschaltet das Gehirn Gerüche derart mit Emotionen und Erinnerungen? Darüber rätseln Forschende schon lange. “Eine Erklärung könnte sein, dass uns Gerüche vor gefährlichen Situationen fernhalten”, sagt Bermeitinger.
Wer etwa Gas oder etwas Verbranntes riecht, bei dem wird die Emotion “Angst” hervorgerufen, und die Erinnerung sagt einem, was in solchen Fällen zu tun ist. Die Folge: Wir reagieren sofort, indem wir zum Beispiel die Feuerwehr rufen oder einfach flüchten.
Virtuelles Riechen
Gerüche können also auch negative Emotionen und Erinnerungen hervorrufen. So geht es oftmals Menschen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden.
So gibt es Berichte von Veteranen, die beim Geruch von Benzin plötzlich zurück in die Kriegssituation katapultiert werden und Gefechte noch einmal durchleben, als wären sie wieder hautnah dabei.
Forschende versuchen zunehmend, das Wissen über Gerüche und Erinnerungen zu nutzen und Menschen auf diese Art zu helfen.
So bringen Mediziner PTBS-Patienten zum Beispiel dazu, an Kaffeebohnen zu riechen, wenn eine negative Erinnerung aufkommt. Die Betroffenen sollen so in der Gegenwart bleiben, statt in die Vergangenheit abzutauchen.
Gerüche können also verschiedene intensive Erinnerungen hervorrufen. Andersherum kann ein Verlust des Geruchssinns ein frühes Anzeichen für Gedächtnisverlust und Alzheimer sein.
“Auch bei der Behandlung von Demenzerkrankten lassen sich Gerüche einsetzen”, erklärt Psychologin Bermeitinger. Ärzte versuchen auf diesem Weg, vergessene Erinnerungen der Patienten wachzurütteln.
Und auch jenseits der Medizin wissen Menschen, wie sie sich Düfte zunutze machen können. In der Kriminologie werden Gerüche zum Beispiel bei Befragungen von Augenzeugen eingesetzt. Die Kommissare erhoffen sich davon, dass sich die Zeugen so detaillierter an ein Verbrechen erinnern können.
In der Unterhaltungsbranche gibt es ebenfalls Versuche, Gerüche einzusetzen. Es gab Experimente mit sogenannten 4D-Kinos, in denen die Zuschauer den Film nicht nur sehen, sondern auch riechen konnten.
Das kam bei vielen Kinobesuchern jedoch nicht gut an: Einige bekamen zu wenig von den eingeströmten Gerüchen mit, andere erlebten Niesattacken.
In den vergangenen Jahren wurden Virtual Reality (VR)-Brillen entwickelt, die auch Gerüche ausströmen können. Dazu analysieren Ingenieure Düfte nach ihren chemischen Komponenten und stellen sie künstlich her. Diese werden in Kartuschen verpackt und anschließend in die Brille eingebaut.
In den vergangenen Jahren wurden Virtual Reality (VR)-Brillen entwickelt, die auch Gerüche ausströmen können. Dazu analysieren Ingenieure Düfte nach ihren chemischen Komponenten und stellen sie künstlich her. Diese werden in Kartuschen verpackt und anschließend in die Brille eingebaut.