Abschluss des Beethovenfestes: Klassik anders hören
Ein Festival der besonderen Art begeisterte das Publikum mit überraschenden Effekten und einer großen Symphonie Fantastique zum Abschluss. Dabei ging es nicht um Effekthascherei.
Von zarten Tönen bis hin zu aufwühlenden Orchesterpassagen: Bei Hector Berlioz’ “Symphonie Fantastique” hielt es die Zuschauer zum Abschluss des Beethovenfestes 2022 nicht mehr auf den Stühlen. Sie applaudierten mit Standing Ovations: Das Orchester hatte diese gigantische Sinfonie rund 45 Minuten lang auswendig gespielt.
Überraschende Konzerterlebnisse waren beim Beethovenfest Programm. Drei Wochen lang hatten nationale und internationale Künstler, Menschen mit diversen Identitäten, körperlichen Einschränkungen und aus unterschiedlichen Kulturen und Musikrichtungen rund 100 abwechslungsreiche und ungewöhnlichen Konzertformate geboten. Zwar hat die Corona-Pandemie auch beim Beethovenfest ihre Spuren hinterlassen, was die Auslastung der Konzerte anbelangt, dennoch freute sich Intendant Steven Walter über ein geglücktes Festival, das erstmals unter seiner Regie stand. “Wir können sehr zufrieden sein. Es gab tolle Konzerte und Erlebnisse mit dem Publikum und die große Bandbreite der Formate ist sehr gut aufgegangen.”
Von zarten Tönen bis hin zu aufwühlenden Orchesterpassagen: Bei Hector Berlioz’ “Symphonie Fantastique” hielt es die Zuschauer zum Abschluss des Beethovenfestes 2022 nicht mehr auf den Stühlen. Sie applaudierten mit Standing Ovations: Das Orchester hatte diese gigantische Sinfonie rund 45 Minuten lang auswendig gespielt.
Beim Abschlusskonzert begeisterten zunächst die Stars René Capuçon an der Geige, Kit Armstrong am Klavier und Julia Hagen am Violoncello. Mit dem Londoner Aurora Orchestra spielten die drei ein ausgefeiltes und fein aufeinander abgestimmtes Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven. Die spontanen Standing Ovations galten am Ende der “Symphonie Fantastique” von Hector Berlioz. Jedes Jahr nehmen sich die Musikerinnen und Musiker ein großes Werk vor, das sie auswendig spielen.
Der Eventcharakter ist wichtig
Das gebe dem Publikum ein anderes Hörerlebnis, so Dirigent Nicholas Collon im Gespräch mit der DW. “Seit acht Jahren spielen wir auswendig, das verändert bei allen die Beziehung zum Stück.” So könnten die Spieler untereinander und mit dem Publikum in einer außergewöhnlichen und einzigartigen Art und Weise kommunizieren, da sie nicht in die Noten schauen müssten. “Uns geht es nicht um den Wow-Effekt. Das auswendige Spiel hilft, die Musik auf eine tiefere Art zu verstehen.”
Und doch war dieser Wow-Effekt da – ganz im Sinne von Intendant Steven Walter, der immer wieder betont, dass die heutige Erlebnisgesellschaft andere Anforderungen an Konzerte und Events stellt als noch vor 150 Jahren. “Der Eventcharakter im positiven Sinne wird das Beethovenfest auch zukünftig weiter begleiten. Alles was eine Einzigartigkeit ausstrahlt, funktioniert beim Publikum sehr gut”, sagte Steven Walter im Gespräch mit der DW.
Zu den besonderen Klangerlebnissen des Festivals gehörte auch das “Dunkelkonzert”, das blinde und sehbehinderte Menschen mit dem “Vision String Quartett” ausgearbeitet hatten. In kompletter Dunkelheit konnte man die Musik viel intensiver wahrnehmen. Unter der großen Bewunderung der Zuschauer spielte das Quartett auswendig. Das Beethovenfest wurde im Zuge dieses Projekts für den Inklusionspreis Nordrhein-Westfalen nominiert.
Außergewöhnliche Musikerlebnisse gab es auch im 162 Meter hohen Posttower in Bonn, in dem die Besucherinnen und Besucher mit den Hochgeschwindigkeits-Aufzügen Musik im wahrsten Sinne des Wortes “erfahren” konnten. Auf mehreren Etagen der DAX-Konzernzentrale der Post gab es einen Abend mit klassischen und zeitgenössischen Konzerten, teils in schwindelnder Höhe, zwischen denen sich die Menschen bewegen konnten.
Doch es geht Steven Walter nicht um Effekthascherei. Im Gegenteil, Musik hat für ihn immer mit politischen und gesellschaftlichen Fragen zu tun, seien es Themen wie Krieg, Klima, Rassismus oder Diversity. So spielten Musikerinnen und Musiker des “Podium Esslingen” im Post-Tower auch Bearbeitungen des afroamerikanischen Komponisten Julius Eastman. Er zählt zu den Avantgardisten der sogenannten “minimalen Musik” der 1980er Jahre.
Eastman war homosexuell und sagte selbst einmal: “Was ich mir wünsche, ist, in vollen Zügen das zu sein, was ich bin: in vollen Zügen Schwarz, in vollen Zügen Musiker, in vollen Zügen Homosexueller.” 1990 verstarb er mit 50 Jahren an übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum. Seine Musik erfährt zurzeit ein Revival.
Zwei seiner Werke für vier Klaviere, “Gay Guerilla” und “Evil Nigger”, wurden auch in der Bonner Villa Hammerschmidt, dem zweiten Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, gespielt. Ein Statement, bei dem dichte Tremoli zwischen vier Räumen, die über Lautsprecher miteinander verbunden waren, einen anschwellenden bis ohrenbetäubenden Klangteppich entfalteten.
An einem anderen Ort der Demokratie war das Campus-Konzert der Deutschen Welle zu Gast. Musikerinnen aus Deutschland, der Ukraine und Belarus gaben ein gemeinsames Friedenskonzert. Darunter auch der “Volny Chor” aus Belarus. Angefangen hatte die Gruppe als Protestbewegung gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Er stufte den Chor als feindliche Organisation ein. Um nicht erkannt zu werden, treten die Chormitglieder maskiert auf. “Lukaschenko macht regelrecht Jagd auf uns”, erzählt ein Chormitglied in einem Filmbeitrag der DW. “Wir werden inhaftiert und gefoltert. Sie wollen uns zwingen, unsere Brüder zu verraten.” Lukaschenko kenne keine Gnade.
Intendant Steven Walter liegen die Menschen am Herzen. Nicht umsonst hatte er das Motto “Alle Menschen” gewählt, entlehnt aus Schillers Ode “An die Freude”, die Ludwig van Beethoven im Chorsatz seiner neunten Sinfonie verarbeitet hat.
Das Thema Diversität wird das Team des Beethovenfestes auf vielen Ebenen noch weiter begleiten. “Es geht auch darum, dass wir lernen, vielfältig zu kommunizieren”, sagt Walter. “Ich glaube, das ist einer der Hauptgründe, warum es nicht so gelingt, klassische Musik allgemein anschlussfähig zu machen.” Das Team versucht, mit einfacher Sprache und verschiedenen Medien ein breiteres Publikum zu erreichen. “Das ist ja das Ziel am Ende des Tages: dass wir es schaffen, das Beethovenfest in die Mitte der Gesellschaft zu holen.” Kreativ und innovativ will das Team auch im nächsten Jahr wieder ein Programm für alle schaffen – und für neue Überraschungen sorgen.
Das Abschlusskonzert sowie weitere Konzerte des Beethovenfestes können Sie auf dem Youtube Kanal “DW Classical Music” nachhören.
Von zarten Tönen bis hin zu aufwühlenden Orchesterpassagen: Bei Hector Berlioz’ “Symphonie Fantastique” hielt es die Zuschauer zum Abschluss des Beethovenfestes 2022 nicht mehr auf den Stühlen. Sie applaudierten mit Standing Ovations: Das Orchester hatte diese gigantische Sinfonie rund 45 Minuten lang auswendig gespielt.
Überraschende Konzerterlebnisse waren beim Beethovenfest Programm. Drei Wochen lang hatten nationale und internationale Künstler, Menschen mit diversen Identitäten, körperlichen Einschränkungen und aus unterschiedlichen Kulturen und Musikrichtungen rund 100 abwechslungsreiche und ungewöhnlichen Konzertformate geboten. Zwar hat die Corona-Pandemie auch beim Beethovenfest ihre Spuren hinterlassen, was die Auslastung der Konzerte anbelangt, dennoch freute sich Intendant Steven Walter über ein geglücktes Festival, das erstmals unter seiner Regie stand. “Wir können sehr zufrieden sein. Es gab tolle Konzerte und Erlebnisse mit dem Publikum und die große Bandbreite der Formate ist sehr gut aufgegangen.”
Der Eventcharakter ist wichtig
Beim Abschlusskonzert begeisterten zunächst die Stars René Capuçon an der Geige, Kit Armstrong am Klavier und Julia Hagen am Violoncello. Mit dem Londoner Aurora Orchestra spielten die drei ein ausgefeiltes und fein aufeinander abgestimmtes Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven. Die spontanen Standing Ovations galten am Ende der “Symphonie Fantastique” von Hector Berlioz. Jedes Jahr nehmen sich die Musikerinnen und Musiker ein großes Werk vor, das sie auswendig spielen.
Das gebe dem Publikum ein anderes Hörerlebnis, so Dirigent Nicholas Collon im Gespräch mit der DW. “Seit acht Jahren spielen wir auswendig, das verändert bei allen die Beziehung zum Stück.” So könnten die Spieler untereinander und mit dem Publikum in einer außergewöhnlichen und einzigartigen Art und Weise kommunizieren, da sie nicht in die Noten schauen müssten. “Uns geht es nicht um den Wow-Effekt. Das auswendige Spiel hilft, die Musik auf eine tiefere Art zu verstehen.”
Und doch war dieser Wow-Effekt da – ganz im Sinne von Intendant Steven Walter, der immer wieder betont, dass die heutige Erlebnisgesellschaft andere Anforderungen an Konzerte und Events stellt als noch vor 150 Jahren. “Der Eventcharakter im positiven Sinne wird das Beethovenfest auch zukünftig weiter begleiten. Alles was eine Einzigartigkeit ausstrahlt, funktioniert beim Publikum sehr gut”, sagte Steven Walter im Gespräch mit der DW.
Zu den besonderen Klangerlebnissen des Festivals gehörte auch das “Dunkelkonzert”, das blinde und sehbehinderte Menschen mit dem “Vision String Quartett” ausgearbeitet hatten. In kompletter Dunkelheit konnte man die Musik viel intensiver wahrnehmen. Unter der großen Bewunderung der Zuschauer spielte das Quartett auswendig. Das Beethovenfest wurde im Zuge dieses Projekts für den Inklusionspreis Nordrhein-Westfalen nominiert.
Andere Orte, andere Klänge
Außergewöhnliche Musikerlebnisse gab es auch im 162 Meter hohen Posttower in Bonn, in dem die Besucherinnen und Besucher mit den Hochgeschwindigkeits-Aufzügen Musik im wahrsten Sinne des Wortes “erfahren” konnten. Auf mehreren Etagen der DAX-Konzernzentrale der Post gab es einen Abend mit klassischen und zeitgenössischen Konzerten, teils in schwindelnder Höhe, zwischen denen sich die Menschen bewegen konnten.
Musik ist auch Politik
Doch es geht Steven Walter nicht um Effekthascherei. Im Gegenteil, Musik hat für ihn immer mit politischen und gesellschaftlichen Fragen zu tun, seien es Themen wie Krieg, Klima, Rassismus oder Diversity. So spielten Musikerinnen und Musiker des “Podium Esslingen” im Post-Tower auch Bearbeitungen des afroamerikanischen Komponisten Julius Eastman. Er zählt zu den Avantgardisten der sogenannten “minimalen Musik” der 1980er Jahre.
Eastman war homosexuell und sagte selbst einmal: “Was ich mir wünsche, ist, in vollen Zügen das zu sein, was ich bin: in vollen Zügen Schwarz, in vollen Zügen Musiker, in vollen Zügen Homosexueller.” 1990 verstarb er mit 50 Jahren an übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum. Seine Musik erfährt zurzeit ein Revival.
Zwei seiner Werke für vier Klaviere, “Gay Guerilla” und “Evil Nigger”, wurden auch in der Bonner Villa Hammerschmidt, dem zweiten Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, gespielt. Ein Statement, bei dem dichte Tremoli zwischen vier Räumen, die über Lautsprecher miteinander verbunden waren, einen anschwellenden bis ohrenbetäubenden Klangteppich entfalteten.
Die Menschen sind wichtig
An einem anderen Ort der Demokratie war das Campus-Konzert der Deutschen Welle zu Gast. Musikerinnen aus Deutschland, der Ukraine und Belarus gaben ein gemeinsames Friedenskonzert. Darunter auch der “Volny Chor” aus Belarus. Angefangen hatte die Gruppe als Protestbewegung gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Er stufte den Chor als feindliche Organisation ein. Um nicht erkannt zu werden, treten die Chormitglieder maskiert auf. “Lukaschenko macht regelrecht Jagd auf uns”, erzählt ein Chormitglied in einem Filmbeitrag der DW. “Wir werden inhaftiert und gefoltert. Sie wollen uns zwingen, unsere Brüder zu verraten.” Lukaschenko kenne keine Gnade.
Intendant Steven Walter liegen die Menschen am Herzen. Nicht umsonst hatte er das Motto “Alle Menschen” gewählt, entlehnt aus Schillers Ode “An die Freude”, die Ludwig van Beethoven im Chorsatz seiner neunten Sinfonie verarbeitet hat.
Das Thema Diversität wird das Team des Beethovenfestes auf vielen Ebenen noch weiter begleiten. “Es geht auch darum, dass wir lernen, vielfältig zu kommunizieren”, sagt Walter. “Ich glaube, das ist einer der Hauptgründe, warum es nicht so gelingt, klassische Musik allgemein anschlussfähig zu machen.” Das Team versucht, mit einfacher Sprache und verschiedenen Medien ein breiteres Publikum zu erreichen. “Das ist ja das Ziel am Ende des Tages: dass wir es schaffen, das Beethovenfest in die Mitte der Gesellschaft zu holen.” Kreativ und innovativ will das Team auch im nächsten Jahr wieder ein Programm für alle schaffen – und für neue Überraschungen sorgen.
Das Abschlusskonzert sowie weitere Konzerte des Beethovenfestes können Sie auf dem Youtube Kanal “DW Classical Music” nachhören.