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Italien: Auf Wahlkampftour mit Giorgia Meloni

Die Rechtspopulistin Giorgia Meloni greift in Italien nach der Macht. Im Wahlkampf punktet sie mit einfachen Botschaften. Ihre Partei aber wird ihr postfaschistisches Erbe nicht los.

Auf dem Bildschirm neben der Bühne läuft ein Video mit der Kandidatin in der Endlosschleife. Giorgia Meloni lächelt darauf unentwegt, schüttelt Hände. Ihre Stimme dröhnt über der Piazza del Carmine, die sich mit immer mehr Menschen füllt. Sie alle sind nach Cagliari, in die größte Stadt Sardiniens, gekommen, um der Frau zuzuhören, die die besten Karten hat, Italiens nächste Regierungschefin zu werden – und die erste Frau in diesem Amt. Bei den jüngsten Umfragen vor den Parlamentswahlen am 25. September wurde sie als Favoritin gehandelt. 

Mercedes Usai ist früh angereist, um einen Platz möglichst nah an der Bühne zu ergattern. Jetzt steht sie dort in der ersten Reihe. Ihre Augen glänzen. “Ich glaube an Giorgia! Ich vertraue in ihre Stärke”, sagt die 49-jährige. Mercedes Usai ist Mitglied der rechts-nationalistischen Brüder Italiens (“Fratelli d’Italia”), der Partei, die Giorgia Meloni anführt. Sie ist fest davon überzeugt, dass Italien eine Wende bevorsteht – eine Wende zugunsten von Arbeitern, Studenten, italienischen Geschäftsleuten. Die Italiener immer an die allererste Stelle zu setzen, das ist das Versprechen von Giorgia Meloni.

Auf dem Bildschirm neben der Bühne läuft ein Video mit der Kandidatin in der Endlosschleife. Giorgia Meloni lächelt darauf unentwegt, schüttelt Hände. Ihre Stimme dröhnt über der Piazza del Carmine, die sich mit immer mehr Menschen füllt. Sie alle sind nach Cagliari, in die größte Stadt Sardiniens, gekommen, um der Frau zuzuhören, die die besten Karten hat, Italiens nächste Regierungschefin zu werden – und die erste Frau in diesem Amt. Bei den jüngsten Umfragen vor den Parlamentswahlen am 25. September wurde sie als Favoritin gehandelt. 

“Ich arbeite als Putzfrau für ein privates Unternehmen und zugleich als Aushilfslehrerin in einer Grundschule”, erzählt Mercedes Usai. Sie brauche zwei Jobs “um zu überleben”, denn mit dem Geld auszukommen, werde immer schwieriger, beklagt sich die Italienerin. Sie schaffe es kaum, die Hypothek auf ihr Haus zu zahlen.

Giorgia Melonis Strategie geht auf

Viele, die in Cagliari oder anderen Städten Italiens Wahlkampfveranstaltungen der Rechtspopulistin Meloni besuchen, erzählen ähnliche Geschichten. Die steigenden Energiepreise und die Inflation machen ihnen zu schaffen. Die Angst ist groß, den Job zu verlieren. Der politischen Klasse des Landes traut hier keiner. Melonis bisherige Strategie, jegliche Regierungsbeteiligung abzulehnen, und sich selbst treu zu bleiben als einzige Oppositionspartei, scheint jetzt aufzugehen. Unzufrieden mit allen anderen Parteien, sind viele offenbar bereit, Meloni zu wählen.

Auf einmal wird die Musik lauter. Hinter der Bühne zieht die Polizei ihre Kräfte zusammen. Dann ist sie da. Giorgia Meloni – ganz in weiß gekleidet – betritt die Bühne. “Guten Abend”, ruft sie der Menge zu. Die 45-jährige zeigt sich angriffslustig, manchmal sarkastisch und immer klar in ihren Botschaften. Ihre Auftritte scheinen stets dem gleichen Muster zu folgen.

Meloni redet frei – eine Stunde lang. Sie zieht über ihre politischen Gegner her, die sie als Monster, als Rassistin darstellen würden. Sie wettert gegen die angeblich unfähige Europäische Union, die zwar den Alltag der Europäer bis ins kleinste Detail regulieren wolle, aber nicht in der Lage sei, die Energiekrise in den Griff zu bekommen. Das große Kapital und die liberalen Eliten – so ganz genau möchte Meloni sich da offenbar nicht festlegen – “sie” seien für all das verantwortlich, was in Italien schiefläuft. Allen voran in Sachen Immigration und Flüchtlingspolitik.

“Habt Ihr die Bilder von ukrainischen Flüchtlingen gesehen? Es sind Frauen und Kinder, die vor dem Krieg fliehen”, sagt die Rechtsaußen-Kandidatin gern bei ihren Auftritten. Die Menschen, die über das Mittelmeer nach Italien kommen würden, seien aber meistens Männer. Was laufe da schief, fragt Meloni, und liefert gleich selbst die Erklärungen: “Vielleicht laufen die Männer gar nicht vor einem Krieg weg? Oder haben sie ihre Frauen und Kinder etwa zurückgelassen, damit sie Krieg führen?”

Im Wahlkampf hatte Meloni ein Video verbreitet, das eine mutmaßliche Vergewaltigung einer Ukrainerin durch einen Afrikaner zeigen soll. Für sie ein Beweis für die prekäre Sicherheitslage in Italien. Als sie dafür massiv kritisiert wurde, ging Meloni zum Gegenangriff über und warf der Linken vor, mit vergewaltigten Frauen nur dann solidarisch zu sein, wenn der Angreifer ein Italiener sei, und “kein illegaler Migrant”.

Die 45-jährige Rechtspopulistin scheut also nicht vor Kontroversen zurück. Aber meistens ist sie im Wahlkampf bemüht, gemäßigt und sogar staatstragend aufzutreten. Die Brüder Italiens drängen nicht mehr auf einen Austritt Italiens aus der EU, betonen ihre Solidarität mit der Ukraine. In einer Ansprache an internationale Medien versuchte Giorgia Meloni, sich vom faschistischen Erbe ihrer Partei zu distanzieren, indem sie beteuerte, dass der Faschismus für die italienische Rechte seit Jahrzehnten zur Geschichte gehöre.

Paolo Berizzi aber nimmt ihr das nicht ab. Seit Jahren erforscht der Reporter der Zeitung La Repubblica – wegen seiner Arbeit unter Polizeischutz – das Phänomen des Neofaschismus in Italien. Die Brüder Italiens seien immer noch von Anhängern des ehemaligen Diktators Mussolini unterwandert, sagt Berizzi. Er hält es für keinen Zufall, dass die trikolore Flamme, die in Italien gemeinhin als neofaschistisches Symbol gilt, zum Parteilogo erwählt wurde. Innerhalb der Partei gebe es “viele Beispiele, darunter führende Parteipersönlichkeiten, die eng mit der faschistischen Vergangenheit verbunden sind.” Es gebe Abgeordnete und sogar Leute in Melonis innerem Zirkel, sagt Berizzi, die in sozialen Netzwerken immer wieder faschistische Parolen verwendeten.

Auf der Piazza del Carmine in Cagliari wird Melonis Wahlkampfauftritt unterdessen abrupt unterbrochen. Allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz stürmt ein Aktivist auf die Bühne, um dort eine Regenbogenfahne zu entfalten. “Lasst ihn sprechen,” ruft Meloni den Polizisten zu, die den Mann abführen wollen. “Ich möchte das Recht haben, zu heiraten und Kinder zu adoptieren”, fordert der Protestierende. “Ok. Du willst viele Sachen. Jeder möchte etwas”, antwortet ihm Meloni.

Ob der Zwischenfall echt oder inszeniert ist, ist schwer zu sagen. Aber auch andere Demonstranten versammeln sich immer wieder unweit der Bühne, darunter auch einige LGBTQ-Aktivisten. Sie sagen, sie haben Angst vor Meloni, die sie als Postfaschistin bezeichnen. “Unsere Angst ist, dass wir in der Zeit zurückgehen. Dass wir, statt unsere Rechte zu verbessern und progressive Ideen voranzutreiben, in eine Ära zurückversetzt werden, die wir fürchten.”

Melonis Anhänger vor der Bühne scheint das alles nicht zu stören. Mercedes Usai – immer noch in der ersten Reihe ausharrend – scheint jedes Wort der Rechtspopulistin aufzusaugen. Nach dem Ende der Veranstaltung bleibt sie noch lange auf dem Platz stehen, um Selfis mit ihren Freunden aufzunehmen. “Giorgia hat uns alle hier glücklich gemacht mit ihrem Auftritt”, sagt die Sardin.

Ob es sie stört, dass Meloni von den Demonstranten als Faschistin bezeichnet wird? Mercedes Usai schüttelt heftig mit dem Kopf und sagt: “Wenn sie uns Faschisten nennen – dann sage ich wie Giorgia Meloni: Ist mir egal!” Die Kandidatin selbst mag an dem Abend solche Fragen nicht beantworten. “Werden Sie Neofaschisten aus ihrer Partei entfernen?” wollen wir von ihr wissen. Meloni aber steigt wortlos in ihren Wagen, begleitet von “Giorgia, Giorgia” Rufen ihrer Anhänger.

Mercedes Usai beim Wahlkampf
Italien: Anhänger während des Wahlkampfes in Cagliari

Auf dem Bildschirm neben der Bühne läuft ein Video mit der Kandidatin in der Endlosschleife. Giorgia Meloni lächelt darauf unentwegt, schüttelt Hände. Ihre Stimme dröhnt über der Piazza del Carmine, die sich mit immer mehr Menschen füllt. Sie alle sind nach Cagliari, in die größte Stadt Sardiniens, gekommen, um der Frau zuzuhören, die die besten Karten hat, Italiens nächste Regierungschefin zu werden – und die erste Frau in diesem Amt. Bei den jüngsten Umfragen vor den Parlamentswahlen am 25. September wurde sie als Favoritin gehandelt. 

Mercedes Usai ist früh angereist, um einen Platz möglichst nah an der Bühne zu ergattern. Jetzt steht sie dort in der ersten Reihe. Ihre Augen glänzen. “Ich glaube an Giorgia! Ich vertraue in ihre Stärke”, sagt die 49-jährige. Mercedes Usai ist Mitglied der rechts-nationalistischen Brüder Italiens (“Fratelli d’Italia”), der Partei, die Giorgia Meloni anführt. Sie ist fest davon überzeugt, dass Italien eine Wende bevorsteht – eine Wende zugunsten von Arbeitern, Studenten, italienischen Geschäftsleuten. Die Italiener immer an die allererste Stelle zu setzen, das ist das Versprechen von Giorgia Meloni.

Giorgia Melonis Strategie geht auf

“Ich arbeite als Putzfrau für ein privates Unternehmen und zugleich als Aushilfslehrerin in einer Grundschule”, erzählt Mercedes Usai. Sie brauche zwei Jobs “um zu überleben”, denn mit dem Geld auszukommen, werde immer schwieriger, beklagt sich die Italienerin. Sie schaffe es kaum, die Hypothek auf ihr Haus zu zahlen.

Viele, die in Cagliari oder anderen Städten Italiens Wahlkampfveranstaltungen der Rechtspopulistin Meloni besuchen, erzählen ähnliche Geschichten. Die steigenden Energiepreise und die Inflation machen ihnen zu schaffen. Die Angst ist groß, den Job zu verlieren. Der politischen Klasse des Landes traut hier keiner. Melonis bisherige Strategie, jegliche Regierungsbeteiligung abzulehnen, und sich selbst treu zu bleiben als einzige Oppositionspartei, scheint jetzt aufzugehen. Unzufrieden mit allen anderen Parteien, sind viele offenbar bereit, Meloni zu wählen.

Auf einmal wird die Musik lauter. Hinter der Bühne zieht die Polizei ihre Kräfte zusammen. Dann ist sie da. Giorgia Meloni – ganz in weiß gekleidet – betritt die Bühne. “Guten Abend”, ruft sie der Menge zu. Die 45-jährige zeigt sich angriffslustig, manchmal sarkastisch und immer klar in ihren Botschaften. Ihre Auftritte scheinen stets dem gleichen Muster zu folgen.

Meloni redet frei – eine Stunde lang. Sie zieht über ihre politischen Gegner her, die sie als Monster, als Rassistin darstellen würden. Sie wettert gegen die angeblich unfähige Europäische Union, die zwar den Alltag der Europäer bis ins kleinste Detail regulieren wolle, aber nicht in der Lage sei, die Energiekrise in den Griff zu bekommen. Das große Kapital und die liberalen Eliten – so ganz genau möchte Meloni sich da offenbar nicht festlegen – “sie” seien für all das verantwortlich, was in Italien schiefläuft. Allen voran in Sachen Immigration und Flüchtlingspolitik.

Als “Monster” dargestellt

“Habt Ihr die Bilder von ukrainischen Flüchtlingen gesehen? Es sind Frauen und Kinder, die vor dem Krieg fliehen”, sagt die Rechtsaußen-Kandidatin gern bei ihren Auftritten. Die Menschen, die über das Mittelmeer nach Italien kommen würden, seien aber meistens Männer. Was laufe da schief, fragt Meloni, und liefert gleich selbst die Erklärungen: “Vielleicht laufen die Männer gar nicht vor einem Krieg weg? Oder haben sie ihre Frauen und Kinder etwa zurückgelassen, damit sie Krieg führen?”

Gegen Migranten aus dem globalen Süden

Im Wahlkampf hatte Meloni ein Video verbreitet, das eine mutmaßliche Vergewaltigung einer Ukrainerin durch einen Afrikaner zeigen soll. Für sie ein Beweis für die prekäre Sicherheitslage in Italien. Als sie dafür massiv kritisiert wurde, ging Meloni zum Gegenangriff über und warf der Linken vor, mit vergewaltigten Frauen nur dann solidarisch zu sein, wenn der Angreifer ein Italiener sei, und “kein illegaler Migrant”.

Die 45-jährige Rechtspopulistin scheut also nicht vor Kontroversen zurück. Aber meistens ist sie im Wahlkampf bemüht, gemäßigt und sogar staatstragend aufzutreten. Die Brüder Italiens drängen nicht mehr auf einen Austritt Italiens aus der EU, betonen ihre Solidarität mit der Ukraine. In einer Ansprache an internationale Medien versuchte Giorgia Meloni, sich vom faschistischen Erbe ihrer Partei zu distanzieren, indem sie beteuerte, dass der Faschismus für die italienische Rechte seit Jahrzehnten zur Geschichte gehöre.

Paolo Berizzi aber nimmt ihr das nicht ab. Seit Jahren erforscht der Reporter der Zeitung La Repubblica – wegen seiner Arbeit unter Polizeischutz – das Phänomen des Neofaschismus in Italien. Die Brüder Italiens seien immer noch von Anhängern des ehemaligen Diktators Mussolini unterwandert, sagt Berizzi. Er hält es für keinen Zufall, dass die trikolore Flamme, die in Italien gemeinhin als neofaschistisches Symbol gilt, zum Parteilogo erwählt wurde. Innerhalb der Partei gebe es “viele Beispiele, darunter führende Parteipersönlichkeiten, die eng mit der faschistischen Vergangenheit verbunden sind.” Es gebe Abgeordnete und sogar Leute in Melonis innerem Zirkel, sagt Berizzi, die in sozialen Netzwerken immer wieder faschistische Parolen verwendeten.

Keine Scheu vor Kontroversen

Auf der Piazza del Carmine in Cagliari wird Melonis Wahlkampfauftritt unterdessen abrupt unterbrochen. Allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz stürmt ein Aktivist auf die Bühne, um dort eine Regenbogenfahne zu entfalten. “Lasst ihn sprechen,” ruft Meloni den Polizisten zu, die den Mann abführen wollen. “Ich möchte das Recht haben, zu heiraten und Kinder zu adoptieren”, fordert der Protestierende. “Ok. Du willst viele Sachen. Jeder möchte etwas”, antwortet ihm Meloni.

Ob der Zwischenfall echt oder inszeniert ist, ist schwer zu sagen. Aber auch andere Demonstranten versammeln sich immer wieder unweit der Bühne, darunter auch einige LGBTQ-Aktivisten. Sie sagen, sie haben Angst vor Meloni, die sie als Postfaschistin bezeichnen. “Unsere Angst ist, dass wir in der Zeit zurückgehen. Dass wir, statt unsere Rechte zu verbessern und progressive Ideen voranzutreiben, in eine Ära zurückversetzt werden, die wir fürchten.”

Die Angst vor der Rückkehr in eine dunkle Ära

Melonis Anhänger vor der Bühne scheint das alles nicht zu stören. Mercedes Usai – immer noch in der ersten Reihe ausharrend – scheint jedes Wort der Rechtspopulistin aufzusaugen. Nach dem Ende der Veranstaltung bleibt sie noch lange auf dem Platz stehen, um Selfis mit ihren Freunden aufzunehmen. “Giorgia hat uns alle hier glücklich gemacht mit ihrem Auftritt”, sagt die Sardin.

Entzückte Anhänger, besorgte Demonstranten

Ob es sie stört, dass Meloni von den Demonstranten als Faschistin bezeichnet wird? Mercedes Usai schüttelt heftig mit dem Kopf und sagt: “Wenn sie uns Faschisten nennen – dann sage ich wie Giorgia Meloni: Ist mir egal!” Die Kandidatin selbst mag an dem Abend solche Fragen nicht beantworten. “Werden Sie Neofaschisten aus ihrer Partei entfernen?” wollen wir von ihr wissen. Meloni aber steigt wortlos in ihren Wagen, begleitet von “Giorgia, Giorgia” Rufen ihrer Anhänger.

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