Meinung: Wie die britische Monarchie das Land zusammenhält
Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. fühlen sich Republikaner in Großbritannien im Aufwind. DW-Autor Sertan Sanderson ist überzeugt, dass das Land die Monarchie mehr denn je benötigt, um nicht zu zerbrechen.
Nach dem Tod der Queen werden von Perth in Australien bis Perth in Schottland wieder Rufe nach Revolution und der Errichtung einer Republik laut. Solche Gedankenexperimente sind in einer jeden Demokratie ein legitimer Zeitvertreib. Doch ich bin der Meinung, dass für das Vereinigte Königreich nur die konstitutionelle Monarchie den Weg in die Zukunft weist. Das könnte auch für andere Länder gelten.
Es ist offensichtlich, dass wir eine Führungspersönlichkeit verloren haben, wie es sie heutzutage kaum noch gibt: Eine Frau, die, obwohl sie selbst nie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machte, über Jahrzehnte als Staatsoberhaupt Einfluss auf das politische Geschehen nahm, die, obwohl sie keinen Pass besaß, die Macht der sanften Diplomatie neu definierte.
Nach dem Tod der Queen werden von Perth in Australien bis Perth in Schottland wieder Rufe nach Revolution und der Errichtung einer Republik laut. Solche Gedankenexperimente sind in einer jeden Demokratie ein legitimer Zeitvertreib. Doch ich bin der Meinung, dass für das Vereinigte Königreich nur die konstitutionelle Monarchie den Weg in die Zukunft weist. Das könnte auch für andere Länder gelten.
Während ihres langen Lebens bereiste Königin Elizabeth II. über 100 Länder und mit jeder Hand, die sie schüttelte, mit jedem einnehmenden Lächeln, drang sie weiter in die Ecken des Commonwealth und der übrigen Welt vor und begann den Versuch, sich der Vergangenheit zu stellen und diese aufzuarbeiten. Sie bereitete das Feld, auf dem sich Moderne und Monarchie begegnen konnten und führte auf diesem Weg mit Hingabe, Leidenschaft und Würde. Während die gesamte postkoloniale Welt radikale Veränderungen durchlief, war sie immer bemüht, den Aufbau von Nationen zu unterstützen.
Die ultimative Matriarchin
Mit jeder ehemaligen Kolonie, die ihre Unabhängigkeit erklärte, schrumpfte Großbritanniens Rolle von der eines Imperiums zu der eines Schiedsrichters. Doch es gab auch gute Zeiten für die Queen in den 70 Jahren, in denen sie eine Lawine von sozialen Veränderungen sowohl daheim als auch im Ausland an sich vorbeiziehen sah.
Als ihr Reich, über dem die Sonne nie unterging, in die letzte Phase des Empires eintrat, öffnete sie der Öffentlichkeit immer mehr Bereiche ihres eigenen Lebens. Denn die Faszination des Empires musste durch die ihrer eigenen Familie ersetzt werden, damit die Öffentlichkeit weiter an die Monarchie glaubte. Fernsehkameras drangen in die Hallen von Buckingham Palace ein und gewährten der Öffentlichkeit Einblick in eine Welt der Privilegien, die über Jahrhunderte von Geheimnissen umhüllt geblieben war.
Später erklärte sie sich nicht nur bereit, Steuern auf ihre Privateinkünfte zu zahlen. Als ein Feuer im Jahr 1992 große Teile ihres geliebten Windsor Castles zerstörte, beschloss sie, neue Wege zu finden, um die Reparaturen aus eigener Tasche zu bezahlen. Es wäre zu viel gesagt, dass sie “eine von uns” wurde, doch immerhin gelang es ihr, zu beweisen, dass sie nicht selbstgerecht war.
Immer wieder zeichnete sich die Queen durch ihre besonnene und ausgewogene Haltung aus, die im deutlichen Gegensatz zu einer fehlenden verlässlichen politischen Führung im eigenen Land stand. Allein in den letzten zehn Jahren erlebte das Land die schwachen Kabinette von vier Premierministern. Dieses Jahrzehnt war unter jedem dieser Premierminister von sozialer Spaltung und Misstönen geprägt. Ob schottisches Unabhängigkeitsreferendum, Brexit oder der Umgang mit COVID-19, Großbritannien scheint jedes Gefühl für sozialen Zusammenhalt oder gesellschaftlichen Konsens abhanden gekommen zu sein. Doch die Queen blieb die seltene Konstante, der Klebstoff, der das Vereinigte Königreich zusammenhielt.
Doch gibt es auch ohne Zweifel in und mit der königlichen Familie jede Menge Probleme. Einige der nicht ganz so liebenswürdigen Mitglieder des Clans scheinen von einem Fettnäpfchen zum nächsten zu stolpern. Doch darum geht es nicht. Natürlich gibt es auch innerhalb der königlichen Familie Probleme. Es ist schließlich eine Familie. Aber diese Familiendynamik, die Streitereien und die damit einhergehenden Spekulationen in der Boulevardpresse (und heutzutage in den sozialen Medien), all das erinnert uns doch daran, dass diese Menschen, diese Prinzen und Prinzessinnen, eben Menschen sind.
Sie mögen in Palästen wohnen, die auf dem Rücken großer Teile des Rests der Welt erbaut wurden. Darüber kann man streiten, darüber sollte man streiten. Und wir können darüber streiten, was denn überhaupt der Sinn und Zweck einer konstitutionellen Monarchie sein mag. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Krone, die aus den gestohlenen Reichtümern Afrikas und anderer Kontinente geformt wurde, auch für Versöhnung, Annäherung und sogar Wiedergutmachung steht. Sie steht für jahrzehntelange Bemühungen, das Unrecht von Jahrhunderten zurechtzubiegen und dafür, Wandel zu bewirken, ohne dabei für Aufruhr zu sorgen.
Jene, die den Tod der Königin zum Anlass nehmen, eine Revolution zu fordern, scheinen zu vergessen, wie viele Veränderungen zu Lebzeiten von Königin Elizabeth II. stattgefunden haben, und wie sie diese Veränderungen als Staatsoberhaupt, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens, ikonisches Aushängeschild und Mutter eines Familienclans gemeistert hat.
Als sie 1952 den Thron bestieg, erklärte man die Königin zu einer Dienerin Gottes. Ich möchte behaupten, dass sie es geschafft hat, diese Definition der Monarchie im Alleingang zu ändern. Dank ihres unbeirrbaren Einsatzes werden künftige Herrscher ihre Pflichten als Diener des Volkes erfüllen müssen.
Für mich ist dieses Versprechen zu dienen der ultimative Akt der Demokratie, doch für König Charles III. könnte es eine Last bedeuten, die schwerer wiegt als die Krone, die ab dem Moment der Krönung auf seinem Haupt ruhen wird.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.
Nach dem Tod der Queen werden von Perth in Australien bis Perth in Schottland wieder Rufe nach Revolution und der Errichtung einer Republik laut. Solche Gedankenexperimente sind in einer jeden Demokratie ein legitimer Zeitvertreib. Doch ich bin der Meinung, dass für das Vereinigte Königreich nur die konstitutionelle Monarchie den Weg in die Zukunft weist. Das könnte auch für andere Länder gelten.
Es ist offensichtlich, dass wir eine Führungspersönlichkeit verloren haben, wie es sie heutzutage kaum noch gibt: Eine Frau, die, obwohl sie selbst nie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machte, über Jahrzehnte als Staatsoberhaupt Einfluss auf das politische Geschehen nahm, die, obwohl sie keinen Pass besaß, die Macht der sanften Diplomatie neu definierte.
Die ultimative Matriarchin
Während ihres langen Lebens bereiste Königin Elizabeth II. über 100 Länder und mit jeder Hand, die sie schüttelte, mit jedem einnehmenden Lächeln, drang sie weiter in die Ecken des Commonwealth und der übrigen Welt vor und begann den Versuch, sich der Vergangenheit zu stellen und diese aufzuarbeiten. Sie bereitete das Feld, auf dem sich Moderne und Monarchie begegnen konnten und führte auf diesem Weg mit Hingabe, Leidenschaft und Würde. Während die gesamte postkoloniale Welt radikale Veränderungen durchlief, war sie immer bemüht, den Aufbau von Nationen zu unterstützen.
Mit jeder ehemaligen Kolonie, die ihre Unabhängigkeit erklärte, schrumpfte Großbritanniens Rolle von der eines Imperiums zu der eines Schiedsrichters. Doch es gab auch gute Zeiten für die Queen in den 70 Jahren, in denen sie eine Lawine von sozialen Veränderungen sowohl daheim als auch im Ausland an sich vorbeiziehen sah.
Als ihr Reich, über dem die Sonne nie unterging, in die letzte Phase des Empires eintrat, öffnete sie der Öffentlichkeit immer mehr Bereiche ihres eigenen Lebens. Denn die Faszination des Empires musste durch die ihrer eigenen Familie ersetzt werden, damit die Öffentlichkeit weiter an die Monarchie glaubte. Fernsehkameras drangen in die Hallen von Buckingham Palace ein und gewährten der Öffentlichkeit Einblick in eine Welt der Privilegien, die über Jahrhunderte von Geheimnissen umhüllt geblieben war.
Später erklärte sie sich nicht nur bereit, Steuern auf ihre Privateinkünfte zu zahlen. Als ein Feuer im Jahr 1992 große Teile ihres geliebten Windsor Castles zerstörte, beschloss sie, neue Wege zu finden, um die Reparaturen aus eigener Tasche zu bezahlen. Es wäre zu viel gesagt, dass sie “eine von uns” wurde, doch immerhin gelang es ihr, zu beweisen, dass sie nicht selbstgerecht war.
Ende des Empires
Immer wieder zeichnete sich die Queen durch ihre besonnene und ausgewogene Haltung aus, die im deutlichen Gegensatz zu einer fehlenden verlässlichen politischen Führung im eigenen Land stand. Allein in den letzten zehn Jahren erlebte das Land die schwachen Kabinette von vier Premierministern. Dieses Jahrzehnt war unter jedem dieser Premierminister von sozialer Spaltung und Misstönen geprägt. Ob schottisches Unabhängigkeitsreferendum, Brexit oder der Umgang mit COVID-19, Großbritannien scheint jedes Gefühl für sozialen Zusammenhalt oder gesellschaftlichen Konsens abhanden gekommen zu sein. Doch die Queen blieb die seltene Konstante, der Klebstoff, der das Vereinigte Königreich zusammenhielt.
Um des lieben Friedens willen
Doch gibt es auch ohne Zweifel in und mit der königlichen Familie jede Menge Probleme. Einige der nicht ganz so liebenswürdigen Mitglieder des Clans scheinen von einem Fettnäpfchen zum nächsten zu stolpern. Doch darum geht es nicht. Natürlich gibt es auch innerhalb der königlichen Familie Probleme. Es ist schließlich eine Familie. Aber diese Familiendynamik, die Streitereien und die damit einhergehenden Spekulationen in der Boulevardpresse (und heutzutage in den sozialen Medien), all das erinnert uns doch daran, dass diese Menschen, diese Prinzen und Prinzessinnen, eben Menschen sind.
Sie mögen in Palästen wohnen, die auf dem Rücken großer Teile des Rests der Welt erbaut wurden. Darüber kann man streiten, darüber sollte man streiten. Und wir können darüber streiten, was denn überhaupt der Sinn und Zweck einer konstitutionellen Monarchie sein mag. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Krone, die aus den gestohlenen Reichtümern Afrikas und anderer Kontinente geformt wurde, auch für Versöhnung, Annäherung und sogar Wiedergutmachung steht. Sie steht für jahrzehntelange Bemühungen, das Unrecht von Jahrhunderten zurechtzubiegen und dafür, Wandel zu bewirken, ohne dabei für Aufruhr zu sorgen.
Jene, die den Tod der Königin zum Anlass nehmen, eine Revolution zu fordern, scheinen zu vergessen, wie viele Veränderungen zu Lebzeiten von Königin Elizabeth II. stattgefunden haben, und wie sie diese Veränderungen als Staatsoberhaupt, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens, ikonisches Aushängeschild und Mutter eines Familienclans gemeistert hat.
Königliche Schmerzen
Als sie 1952 den Thron bestieg, erklärte man die Königin zu einer Dienerin Gottes. Ich möchte behaupten, dass sie es geschafft hat, diese Definition der Monarchie im Alleingang zu ändern. Dank ihres unbeirrbaren Einsatzes werden künftige Herrscher ihre Pflichten als Diener des Volkes erfüllen müssen.
Für mich ist dieses Versprechen zu dienen der ultimative Akt der Demokratie, doch für König Charles III. könnte es eine Last bedeuten, die schwerer wiegt als die Krone, die ab dem Moment der Krönung auf seinem Haupt ruhen wird.
Pflichtbewusstsein und Pflichterfüllung
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.