Minen in der Ukraine: “Die Bedrohung ist allgegenwärtig”
In der Ukraine sind ganze Regionen mit russischen Minen verseucht. Beim Räumen hilft auch Deutschland. Doch die Aufgabe ist gewaltig.
Trügerisch sei sie, die Ruhe im Wald von Browary, sagt Mairi Cunningham vom Halo Trust. Erst am Nachmittag sei sie dort gewesen, erzählt sie der DW am Telefon. “Es ist eine absolut friedliche, grüne Gegend im Nordosten von Kiew, in der man keine Spuren des Konflikts sieht. Ich hatte das Gefühl, weit weg zu sein vom Krieg in der Ukraine.”
Doch dort liegen Minen, seit hier Ende März heftige Kämpfe tobten. Den Vormarsch russischer Panzer auf die Hauptstadt Kiew konnte die ukrainische Armee zurückdrängen – die Minen sind geblieben.
Trügerisch sei sie, die Ruhe im Wald von Browary, sagt Mairi Cunningham vom Halo Trust. Erst am Nachmittag sei sie dort gewesen, erzählt sie der DW am Telefon. “Es ist eine absolut friedliche, grüne Gegend im Nordosten von Kiew, in der man keine Spuren des Konflikts sieht. Ich hatte das Gefühl, weit weg zu sein vom Krieg in der Ukraine.”
“Die Bedrohung ist allgegenwärtig und tödlich”, sagt Cunningham. Sie leitet das Ukraine-Programm des Halo Trust, der weltgrößten Hilfsorganisation zur Räumung von Landminen. “Hier in Browary konnten wir schon einige Flächen räumen, so dass die Menschen ein Stück weit zur Normalität zurückkehren können. Aber das Ausmaß des Problems ist riesig.”
Geld aus Deutschland
Die derzeit 480 Mitarbeiter des Halo Trust arbeiten sich Quadratmeter um Quadratmeter mit Metalldetektoren vor, erstellen Karten, entschärfen Minen und Sprengfallen. Nächstes Jahr will der Halo Trust 1200 Mitarbeiter in der Ukraine beschäftigen.
“Unser ukrainisches Team ist extrem engagiert, um den Wiederaufbau des Landes voranzubringen, trotz des anhaltenden Krieges”, sagt Cunningham. Aber natürlich könne diese Arbeit nicht ohne internationale Unterstützung stattfinden.
Finanzielle Hilfe aus Deutschland spiele dabei eine Schlüsselrolle, sagt Cunningham. Insgesamt hat Deutschland seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 8,4 Millionen Euro für die Minenräumung bereitgestellt, teilt ein Sprecher des Auswärtigen Amts der DW mit. Den größten Batzen davon erhält der Halo Trust mit sechs Millionen Euro. Daneben werden auch Handicap International und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) bei der Minenräumung unterstützt. Das Auswärtige Amt gehe von einem langfristig hohen Unterstützungsbedarf aus, so der Sprecher weiter.
Erst am 10. September hatte Außenministerin Annalena Baerbock ein Minenfeld nahe Kiew besucht, das vom Halo Trust geräumt wird. “Es ist wichtig, dass das Leben vor Ort hier weitergehen kann“, sagte Baerbock.
Daran arbeiten auch die Mitarbeiter der Ukrainian Deminers Association. “Zurzeit sind unsere Minenräumer in den Regionen Butscha und Tschernihiw im Einsatz”, erzählt Tymur Pistriuha am Telefon. Er leitet die kleine NGO, in der knapp 20 Minenräumer beschäftigt sind. Gerne würde er mehr Personal einstellen. “Jeden Tag bekomme ich Bewerbungen von Leuten, die als Minenräumer arbeiten möchten.” Aber die Mittel seien begrenzt.
Von der deutschen Regierung wünscht er sich, dass sie nicht nur große internationale Organisationen wie den Halo Trust unterstützt, sondern auch kleine ukrainische NGOs wie seine. Ein konkretes Beispiel hat er sofort parat: Seinen Minenräumern fehle es an Metalldetektoren – und in Deutschland würden exzellente Detektoren hergestellt. Davon hätte er gerne einige oder auch Roboterfahrzeuge zum Entschärfen von Minen.
Um zu illustrieren, wie groß die Aufgabe ist, schickt Tymur Pistriuha noch eine Karte: Demnach müssen – Stand 8. September – in der Ukraine knapp 139.000 Quadratkilometer Land auf Minen, Sprengfallen und Kampfmittelrückstände überprüft werden. Das ist eine Fläche größer als Griechenland. Nicht nur auf Feldern und in Wäldern liegen Minen – auch Haustüren, Waschmaschinen und Kinderspielzeug wurden von russischen Soldaten mit Sprengfallen präpariert.
Humanitäre Organisationen wie die Ukrainian Deminers Association oder der Halo Trust räumen Minen in Gebieten, in denen nicht mehr gekämpft wird. Nahe der Front sind militärische Einheiten für die Minenräumung zuständig. Auch dabei will Deutschland die Ukraine unterstützen. Dafür sollen etwa 20 ukrainische Soldaten zum Training in die Kampfmittelabwehrschule der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt im Süden Deutschlands kommen. Laut Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) will die Bundeswehr auch Material zur Verfügung stellen, “damit die Ukraine diesen Kampf führen kann gegen diesen widerlichen Einsatz von Waffen, nämlich Minen und Sprengfallen”.
Doch welches Material die Bundeswehr genau liefert, ist bislang unklar. Aus Sicherheitsgründen könnten keine Details genannt werden, teilte ein Sprecher des Heeres der DW mit. Bislang hat die Bundesregierung nur die Lieferung von vier ferngesteuerten Minenräumgeräten an die Ukraine bekannt gegeben.
Dabei könnte es sich um den ferngesteuerten Roboter “Teodor” handeln. “Teodor” sieht aus wie ein Mini-Panzer, nicht größer als ein Einkaufswagen. Mit seinem Greifarm kann er bis zu 100 Kilogramm schwere Gegenstände festhalten. Mit einem Hochdruckwasserstrahl, einem Bolzenschussgerät oder einer Schrotflinte kann er Sprengsätze unschädlich machen.
Schon vor dem russischen Angriff im Februar war die Ukraine stark von Minen und Munition belastet, teils aus den Weltkriegen, teils aus dem Krieg im Donbas seit 2014. Wie viele Minen in der Ukraine in Zukunft zu räumen sein werden, können auch Experten derzeit nicht abschätzen. “Die internationale Gemeinschaft muss wissen, dass eine gewaltige Herausforderung vor uns liegt” sagt Mairi Cunningham vom Halo Trust. “Es braucht einen langen Atem.”
Trügerisch sei sie, die Ruhe im Wald von Browary, sagt Mairi Cunningham vom Halo Trust. Erst am Nachmittag sei sie dort gewesen, erzählt sie der DW am Telefon. “Es ist eine absolut friedliche, grüne Gegend im Nordosten von Kiew, in der man keine Spuren des Konflikts sieht. Ich hatte das Gefühl, weit weg zu sein vom Krieg in der Ukraine.”
Doch dort liegen Minen, seit hier Ende März heftige Kämpfe tobten. Den Vormarsch russischer Panzer auf die Hauptstadt Kiew konnte die ukrainische Armee zurückdrängen – die Minen sind geblieben.
Geld aus Deutschland
“Die Bedrohung ist allgegenwärtig und tödlich”, sagt Cunningham. Sie leitet das Ukraine-Programm des Halo Trust, der weltgrößten Hilfsorganisation zur Räumung von Landminen. “Hier in Browary konnten wir schon einige Flächen räumen, so dass die Menschen ein Stück weit zur Normalität zurückkehren können. Aber das Ausmaß des Problems ist riesig.”
Die derzeit 480 Mitarbeiter des Halo Trust arbeiten sich Quadratmeter um Quadratmeter mit Metalldetektoren vor, erstellen Karten, entschärfen Minen und Sprengfallen. Nächstes Jahr will der Halo Trust 1200 Mitarbeiter in der Ukraine beschäftigen.
“Unser ukrainisches Team ist extrem engagiert, um den Wiederaufbau des Landes voranzubringen, trotz des anhaltenden Krieges”, sagt Cunningham. Aber natürlich könne diese Arbeit nicht ohne internationale Unterstützung stattfinden.
Finanzielle Hilfe aus Deutschland spiele dabei eine Schlüsselrolle, sagt Cunningham. Insgesamt hat Deutschland seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 8,4 Millionen Euro für die Minenräumung bereitgestellt, teilt ein Sprecher des Auswärtigen Amts der DW mit. Den größten Batzen davon erhält der Halo Trust mit sechs Millionen Euro. Daneben werden auch Handicap International und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) bei der Minenräumung unterstützt. Das Auswärtige Amt gehe von einem langfristig hohen Unterstützungsbedarf aus, so der Sprecher weiter.
Metalldetektoren sind Mangelware
Erst am 10. September hatte Außenministerin Annalena Baerbock ein Minenfeld nahe Kiew besucht, das vom Halo Trust geräumt wird. “Es ist wichtig, dass das Leben vor Ort hier weitergehen kann“, sagte Baerbock.
Räumung ist langwierig
Daran arbeiten auch die Mitarbeiter der Ukrainian Deminers Association. “Zurzeit sind unsere Minenräumer in den Regionen Butscha und Tschernihiw im Einsatz”, erzählt Tymur Pistriuha am Telefon. Er leitet die kleine NGO, in der knapp 20 Minenräumer beschäftigt sind. Gerne würde er mehr Personal einstellen. “Jeden Tag bekomme ich Bewerbungen von Leuten, die als Minenräumer arbeiten möchten.” Aber die Mittel seien begrenzt.
Von der deutschen Regierung wünscht er sich, dass sie nicht nur große internationale Organisationen wie den Halo Trust unterstützt, sondern auch kleine ukrainische NGOs wie seine. Ein konkretes Beispiel hat er sofort parat: Seinen Minenräumern fehle es an Metalldetektoren – und in Deutschland würden exzellente Detektoren hergestellt. Davon hätte er gerne einige oder auch Roboterfahrzeuge zum Entschärfen von Minen.
Um zu illustrieren, wie groß die Aufgabe ist, schickt Tymur Pistriuha noch eine Karte: Demnach müssen – Stand 8. September – in der Ukraine knapp 139.000 Quadratkilometer Land auf Minen, Sprengfallen und Kampfmittelrückstände überprüft werden. Das ist eine Fläche größer als Griechenland. Nicht nur auf Feldern und in Wäldern liegen Minen – auch Haustüren, Waschmaschinen und Kinderspielzeug wurden von russischen Soldaten mit Sprengfallen präpariert.
Humanitäre Organisationen wie die Ukrainian Deminers Association oder der Halo Trust räumen Minen in Gebieten, in denen nicht mehr gekämpft wird. Nahe der Front sind militärische Einheiten für die Minenräumung zuständig. Auch dabei will Deutschland die Ukraine unterstützen. Dafür sollen etwa 20 ukrainische Soldaten zum Training in die Kampfmittelabwehrschule der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt im Süden Deutschlands kommen. Laut Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) will die Bundeswehr auch Material zur Verfügung stellen, “damit die Ukraine diesen Kampf führen kann gegen diesen widerlichen Einsatz von Waffen, nämlich Minen und Sprengfallen”.
Doch welches Material die Bundeswehr genau liefert, ist bislang unklar. Aus Sicherheitsgründen könnten keine Details genannt werden, teilte ein Sprecher des Heeres der DW mit. Bislang hat die Bundesregierung nur die Lieferung von vier ferngesteuerten Minenräumgeräten an die Ukraine bekannt gegeben.
Dabei könnte es sich um den ferngesteuerten Roboter “Teodor” handeln. “Teodor” sieht aus wie ein Mini-Panzer, nicht größer als ein Einkaufswagen. Mit seinem Greifarm kann er bis zu 100 Kilogramm schwere Gegenstände festhalten. Mit einem Hochdruckwasserstrahl, einem Bolzenschussgerät oder einer Schrotflinte kann er Sprengsätze unschädlich machen.
Schon vor dem russischen Angriff im Februar war die Ukraine stark von Minen und Munition belastet, teils aus den Weltkriegen, teils aus dem Krieg im Donbas seit 2014. Wie viele Minen in der Ukraine in Zukunft zu räumen sein werden, können auch Experten derzeit nicht abschätzen. “Die internationale Gemeinschaft muss wissen, dass eine gewaltige Herausforderung vor uns liegt” sagt Mairi Cunningham vom Halo Trust. “Es braucht einen langen Atem.”