Was es mit weiblicher Macht auf sich hat
Seit 3000 Jahren beherrschen Göttinnen und Geister das spirituelle Leben auf sechs Kontinenten. Was können wir von ihnen lernen? Eine Ausstellung im British Museum geht der Frage nach.
Auf Hawaii ist eine Frau für die Vulkane zuständig: Pele, deren Namen man besser nicht laut ausspricht, wenn man sie nicht verärgern will. Sie nimmt gern die Form von Lava an, rauscht über die Insel hinweg und zerstört alles, was sich ihr in den Weg stellt. Gleichzeitig macht sie damit aber die Böden auch wieder fruchtbar für neues Leben.
In den drei monotheistischen Religionen gibt es nur wenig Platz für Frauen: Gott wird im Christentum, im Islam und im Judentum männlich gedacht. Das prägt seit rund 2000 Jahren alle Darstellungen des Göttlichen in Europa und Nordamerika. Eine der wohl berühmtesten Darstellungen des christlichen Gottes stammt vom Renaissance-Maler Michelangelo: Ein Teil seines Deckenfreskos in der Sixtinischen Kapelle zeigt Gottvater als alten, bärtigen, weißen Mann, der Adam die Hand entgegenstreckt, um ihn zum Leben zu erwecken.
Auf Hawaii ist eine Frau für die Vulkane zuständig: Pele, deren Namen man besser nicht laut ausspricht, wenn man sie nicht verärgern will. Sie nimmt gern die Form von Lava an, rauscht über die Insel hinweg und zerstört alles, was sich ihr in den Weg stellt. Gleichzeitig macht sie damit aber die Böden auch wieder fruchtbar für neues Leben.
Dieser Ikone der abendländischen Kunstgeschichte möchte Belinda Crerar, Kuratorin am British Museum etwas entgegensetzen. In der von ihr ko-kuratierten Ausstellung “Feminine Power” (deutsch: “Weibliche Macht”) rückt sie deshalb Göttinnen in der Mittelpunkt, und zwar nicht nur aus der Antike, sondern aus der ganzen Welt.
Göttinnen und Geister rücken in den Vordergrund
“Das British Museum hat eines mit den vielen anderen großen Kulturinstitutionen gemein”, so Crerar im Gespräch mit der DW. In der lichtdurchfluteten Eingangshalle des British Museum in London erklärt sie: “Wir haben Frauen in unseren Ausstellungen bisher nicht genügend in den Vordergrund gerückt. Diese Ausstellung ist ein Versuch, das auszugleichen.”
Deshalb trifft man in “Feminine Power” zum Beispiel auch auf Sedna, die Herrin der Wassertiere bei den Inuit in der Arktis. Nur die oder dem sie wohlgesonnen ist, hat bei der Jagd gute Chancen. Ist sie einmal verärgert, bleibt nur eines: Schamane müssen ihr Haar kämmen, bis es glatt, seidig und sie besänftigt ist.
Die Objekte stammen von sechs Kontinenten und aus verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte. Das “Barley-Relief”, das die altbabylonische Göttin Ischtar darstellt, ist über 3500 Jahre alt. Eine Ikone der indischen Göttin Kali hingegen wurde speziell für die Ausstellung von einem Ikonenkünstler in Kalkutta angefertigt.
Dabei wird klar: die westliche Vorstellung von traditioneller Weiblichkeit, die sich durch Schönheit, Bescheidenheit und Passivität ausdrückt, dargestellt durch eine berühmte Statue der römischen Göttin Venus, die mit der einen Hand die nackten Brüste und mit der anderen ihre Vulva bedeckt, ist eher die Ausnahme als die Regel. Kali trägt abgeschnittene Köpfe und Gliedmaßen mit sich, Ischtar zeichnet sich als Göttin für Sex, Liebe und den Krieg verantwortlich.
Lebensbereiche, die im Westen spätestens seit dem 19. Jahrhundert häufig als traditionell “männlich” betrachtet wurden, oblagen in der frühen Menschheitsgeschichte im Gegenteil gerade den weiblichen Göttinnen, Geistern oder anderen Wesen, die sich häufig auch zwischen den Geschlechtern bewegten, genau wie ihre männlichen Kollegen – heute würde man das non-binär nennen.
Mit der Verbreitung der monotheistischen Weltreligionen ab dem letzten Jahrtausend vor Christus wurde weibliche spirituelle Macht ins Abseits gestellt, sogar als boshaft betrachtet. Bekannte Geister aus Mesopotamien wurden zu sündigen Bösewichten umgedeutet: So zum Beispiel Lilith, die der Legende nach als erste Frau Adams gilt. Lilith wehrte sich im Garten Eden gegen ihren Mann Adam und gesellte sich stattdessen zum Teufel in die Hölle.
Das änderte sich im Westen erst wieder ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so Crerar. “Dass Lilith den Garten Eden verließ, statt sich ihrem Ehemann zu unterwerfen, wurde sie als dämonisch und gefährlich verunglimpft. Inzwischen wird sie hingegen als emanzipatorisch gefeiert.” Es stärke Frauen in ihrem Kampf für mehr Gleichberechtigung, gerade weibliche Künstlerinnen greifen das Lilith-Motiv gern auf. Eine Skulptur Liliths aus dem Jahr 1994 der Künstlerin Kiki Smith befindet sich in der Ausstellung in direkter Nachbarschaft zur Darstellung der beschämten Venus.
Nachdem mächtige Frauen im Westen zu sündigen Bösewichten umgedeutet wurden und erst seit dem vergangenen Jahrhundert langsam wieder zu ihrem Recht kommen, erfreut sich eine Göttin wie Kali wieder großer Beliebtheit. Sie sei eine der meistverehrtesten Göttinnen im heutigen Indien, so Crerar.
Die abgetrennten Köpfe und Gliedmaßen, die sie bei sich trägt, symbolisieren übrigens nicht Gewaltexzesse, sondern die Möglichkeit, alte Egos hinter sich zu lassen und zu größerer Weisheit zu gelangen. So erklären es praktizierende Hindus in der Ausstellung, mit der die Kuratorin zusammengearbeitet hat.
Crerar betont, sie habe während der Entwicklung der Ausstellung vor allen Dingen eines gelernt: “Es gibt mehr als nur eine Definition von Weiblichkeit im globalen Kontext.”
Es habe in der Vergangenheit und auf verschiedenen Kontinenten unterschiedliche Konzepte von Weiblichkeit gegeben. Diese Offenheit könne uns auch in der Gegenwart helfen. “Die weltweiten und historischen Unterschiede sollten wir feiern.”
Auf Hawaii ist eine Frau für die Vulkane zuständig: Pele, deren Namen man besser nicht laut ausspricht, wenn man sie nicht verärgern will. Sie nimmt gern die Form von Lava an, rauscht über die Insel hinweg und zerstört alles, was sich ihr in den Weg stellt. Gleichzeitig macht sie damit aber die Böden auch wieder fruchtbar für neues Leben.
In den drei monotheistischen Religionen gibt es nur wenig Platz für Frauen: Gott wird im Christentum, im Islam und im Judentum männlich gedacht. Das prägt seit rund 2000 Jahren alle Darstellungen des Göttlichen in Europa und Nordamerika. Eine der wohl berühmtesten Darstellungen des christlichen Gottes stammt vom Renaissance-Maler Michelangelo: Ein Teil seines Deckenfreskos in der Sixtinischen Kapelle zeigt Gottvater als alten, bärtigen, weißen Mann, der Adam die Hand entgegenstreckt, um ihn zum Leben zu erwecken.
Göttinnen und Geister rücken in den Vordergrund
Dieser Ikone der abendländischen Kunstgeschichte möchte Belinda Crerar, Kuratorin am British Museum etwas entgegensetzen. In der von ihr ko-kuratierten Ausstellung “Feminine Power” (deutsch: “Weibliche Macht”) rückt sie deshalb Göttinnen in der Mittelpunkt, und zwar nicht nur aus der Antike, sondern aus der ganzen Welt.
“Das British Museum hat eines mit den vielen anderen großen Kulturinstitutionen gemein”, so Crerar im Gespräch mit der DW. In der lichtdurchfluteten Eingangshalle des British Museum in London erklärt sie: “Wir haben Frauen in unseren Ausstellungen bisher nicht genügend in den Vordergrund gerückt. Diese Ausstellung ist ein Versuch, das auszugleichen.”
Deshalb trifft man in “Feminine Power” zum Beispiel auch auf Sedna, die Herrin der Wassertiere bei den Inuit in der Arktis. Nur die oder dem sie wohlgesonnen ist, hat bei der Jagd gute Chancen. Ist sie einmal verärgert, bleibt nur eines: Schamane müssen ihr Haar kämmen, bis es glatt, seidig und sie besänftigt ist.
Die Objekte stammen von sechs Kontinenten und aus verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte. Das “Barley-Relief”, das die altbabylonische Göttin Ischtar darstellt, ist über 3500 Jahre alt. Eine Ikone der indischen Göttin Kali hingegen wurde speziell für die Ausstellung von einem Ikonenkünstler in Kalkutta angefertigt.
Viele Arten, weiblich zu sein
Dabei wird klar: die westliche Vorstellung von traditioneller Weiblichkeit, die sich durch Schönheit, Bescheidenheit und Passivität ausdrückt, dargestellt durch eine berühmte Statue der römischen Göttin Venus, die mit der einen Hand die nackten Brüste und mit der anderen ihre Vulva bedeckt, ist eher die Ausnahme als die Regel. Kali trägt abgeschnittene Köpfe und Gliedmaßen mit sich, Ischtar zeichnet sich als Göttin für Sex, Liebe und den Krieg verantwortlich.
Göttinnen kommen wieder zu ihrem Recht
Lebensbereiche, die im Westen spätestens seit dem 19. Jahrhundert häufig als traditionell “männlich” betrachtet wurden, oblagen in der frühen Menschheitsgeschichte im Gegenteil gerade den weiblichen Göttinnen, Geistern oder anderen Wesen, die sich häufig auch zwischen den Geschlechtern bewegten, genau wie ihre männlichen Kollegen – heute würde man das non-binär nennen.
Mit der Verbreitung der monotheistischen Weltreligionen ab dem letzten Jahrtausend vor Christus wurde weibliche spirituelle Macht ins Abseits gestellt, sogar als boshaft betrachtet. Bekannte Geister aus Mesopotamien wurden zu sündigen Bösewichten umgedeutet: So zum Beispiel Lilith, die der Legende nach als erste Frau Adams gilt. Lilith wehrte sich im Garten Eden gegen ihren Mann Adam und gesellte sich stattdessen zum Teufel in die Hölle.
Das änderte sich im Westen erst wieder ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, so Crerar. “Dass Lilith den Garten Eden verließ, statt sich ihrem Ehemann zu unterwerfen, wurde sie als dämonisch und gefährlich verunglimpft. Inzwischen wird sie hingegen als emanzipatorisch gefeiert.” Es stärke Frauen in ihrem Kampf für mehr Gleichberechtigung, gerade weibliche Künstlerinnen greifen das Lilith-Motiv gern auf. Eine Skulptur Liliths aus dem Jahr 1994 der Künstlerin Kiki Smith befindet sich in der Ausstellung in direkter Nachbarschaft zur Darstellung der beschämten Venus.
Es gibt nicht nur eine Art von Weiblichkeit
Nachdem mächtige Frauen im Westen zu sündigen Bösewichten umgedeutet wurden und erst seit dem vergangenen Jahrhundert langsam wieder zu ihrem Recht kommen, erfreut sich eine Göttin wie Kali wieder großer Beliebtheit. Sie sei eine der meistverehrtesten Göttinnen im heutigen Indien, so Crerar.
Die abgetrennten Köpfe und Gliedmaßen, die sie bei sich trägt, symbolisieren übrigens nicht Gewaltexzesse, sondern die Möglichkeit, alte Egos hinter sich zu lassen und zu größerer Weisheit zu gelangen. So erklären es praktizierende Hindus in der Ausstellung, mit der die Kuratorin zusammengearbeitet hat.
Crerar betont, sie habe während der Entwicklung der Ausstellung vor allen Dingen eines gelernt: “Es gibt mehr als nur eine Definition von Weiblichkeit im globalen Kontext.”
Es habe in der Vergangenheit und auf verschiedenen Kontinenten unterschiedliche Konzepte von Weiblichkeit gegeben. Diese Offenheit könne uns auch in der Gegenwart helfen. “Die weltweiten und historischen Unterschiede sollten wir feiern.”