Die Macht der Liebe – was uns bewegt
Was haben ein Gehstock, ein seltsames Hochzeitskleid und ein Pferdeskelett mit Liebe zu tun? Eine Ausstellung verrät es – und offenbart dabei höchste Glückseligkeit und tiefste Abgründe.
Liebe: Warum hat dieses Wort mit fünf Buchstaben die Menschen zu unendlich vielen Liedern, Filmen, Gedichten und Prosawerken inspiriert? Und wie bringt dieses Gefühl sie dazu, völlig durchzudrehen, im Guten wie im Schlechten?
Diese Fragen stellt die Ausstellung “Liebe. Was uns bewegt”, die am 14. Oktober im Haus der Geschichte im baden-württembergischen Stuttgart eröffnet wird. Die Schau ist der dritte Teil einer Ausstellungstrilogie, die sich mit menschlichen Gefühlen beschäftigt – waren es zuvor die Gier und der Hass, geht es nun um das – vermeintlich – schönste der Gefühle. Die Liebe aber beschert nicht nur Glückseligkeit, sie reißt Menschen auch in tiefste Abgründe.
Liebe: Warum hat dieses Wort mit fünf Buchstaben die Menschen zu unendlich vielen Liedern, Filmen, Gedichten und Prosawerken inspiriert? Und wie bringt dieses Gefühl sie dazu, völlig durchzudrehen, im Guten wie im Schlechten?
Die 40 Liebesgeschichten in der Ausstellung erzählen von Kämpfen gegen Vorurteile, von Liebe über soziale oder politische Grenzen hinweg und auch von blinder patriotischer Liebe. Zudem geht es um Menschen, die ihr Leben der Nächstenliebe oder dem Schutz der Erde gewidmet haben und dabei alles riskieren.
Liebe ist vielschichtig
Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage im In- und Ausland könnten die Relevanz der Ausstellung und die Themen, die sie aufwirft, nicht offensichtlicher sein, sagt Ausstellungsleiter Rainer Schimpf.
“Die Corona-Pandemie hat tiefe Wunden zurückgelassen. Die politische Auseinandersetzung im Land wird zunehmend von Angst, Hass und Unversöhnlichkeit geprägt”, so Schimpf im DW-Gespräch. Gleichzeitig tobe in Europa ein brutaler Krieg, von der Erderwärmung und deren Folgen für die Menschheit ganz zu schweigen. “Das Bedürfnis nach Zuwendung und Wertschätzung ist in dieser Situation vielleicht so groß wie schon lange nicht mehr”, glaubt er.
Mit Blick auf die beiden vorangegangenen Ausstellungen zu Gier und Hass erklärt Schimpf, dass die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher zumeist positiv waren. “Es schien so, als wenn viele Menschen vor allem vom Hass geradezu bedrückt seien und nach Antworten suchen, wie dieser überwunden werden könne”, sagt Schimpf. In der Ausstellung konnten dazu auch direkt Botschaften zurückgelassen werden. “Wir waren völlig überrascht davon, wie stark die Resonanz war. Das übertraf bei weitem die sonstigen Eintragungen im Besucher*innenbuch.”
Die Geschichten in der aktuellen Ausstellung zeigten deutlich, was Liebe alles möglich machen könne, so Schimpf weiter. “Auch in Situationen der Verzweiflung und Ausweglosigkeit kann Liebe Menschen zu Handlungen bewegen, die sie sich vielleicht selbst gar nicht zugetraut hätten. Liebe kann Grenzen überschreiten – und dies in mehrfachem Sinne.” Schimpf unterstreicht, dass die Ausstellung bei allen Emotionen dennoch nicht allzu rührselig sei: “Wir verschweigen nicht die Irrwege und Abgründe, in die Liebe auch führen kann. Aber letztlich ist dies selbstverständlich eine Ausstellung, die Hoffnung machen soll, dass der Hass nicht das letzte Wort hat.”
Zu den auffälligsten Exponaten gehört ein Hochzeitskleid, das eine deutsche Lehrerin in Ravensburg aus Kopien amtlicher Dokumente entworfen hat – aus Frustration darüber, dass sie ihren Partner aus Gambia nicht offiziell heiraten konnte, weil die Bürokratie dem Paar unendlich viele Steine in den Weg legte.
Die Skelettreste eines Araberhengstes namens Goumousch Bourno zeugen von der Liebe des württembergischen Königs Wilhelm I. zu seiner Frau Katharina Pawlowna, die er 1816 heiratete. Als Schwester des russischen Zaren hatte sie eine beträchtliche Mitgift mitgebracht und mit ihrem sozialen Engagement die Herzen des Volkes erobert. Der Hengst war in ihrem Namen in Damaskus für die königlichen Stallungen gekauft worden, jedoch erlebte sie seine Ankunft nicht mehr. Ihr Mann ließ jedoch das Pferdeskelett zu ihrem Andenken aufbewahren.
Zwei der Geschichten, die Ausstellungsleiter Rainer Schimpf besonders bewegten, haben mit Krieg zu tun. Die eine handelt von Berthold von Deimling, den Schimpf als Prototyp eines bedenken- und rücksichtslosen Generals im deutschen Kaiserreich und Ersten Weltkrieg bezeichnete. “Er opferte Tausende junger Männer für seinen Ruhm. Nach dem Krieg wandelte er sich jedoch vom Kriegstreiber zum Pazifisten.” Zur Verwunderung seiner Zeitgenossen habe ausgerechnet er die Versöhnung mit dem “Erzfeind” Frankreich gesucht.
Die andere Liebesgeschichte betrifft Kinder, die von deutschen Frauen und Soldaten der Besatzungsmächte – nämlich der USA, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Sowjetunion – nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland geboren wurden.
Schimpf erzählt die Geschichte einer Frau, die 1947 in der französischen Besatzungszone in Südwestdeutschland zur Welt kam. Ihr Vater war ein französischer Soldat, der 1949 in die Heimat zurückkehrte. Ihre Mutter starb früh. Die Suche nach ihrem Vater ließ sie nie los. Jahrzehnte später stellte sie Familienfotos auf eine Website, auf denen jemand ihren Vater erkannte. Dies führte sie schließlich zu seinem Grab in Frankreich und zu einem Treffen mit ihrer französischen Halbschwester. “Man könnte diese Geschichte leicht auf die anderen Besatzungszonen übertragen. Ganz Deutschland war in vier Zonen aufgeteilt, daher gibt es diese Fälle überall im Land”, erklärt Schimpf. “Bis heute suchen Menschen nach ihren Vätern, die als Besatzungssoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland gekommen waren. Die Frage und die Sehnsucht nach der väterlichen Liebe lässt sie bis ins fortgeschrittene Alter nicht ruhen.”
Auch Mut ist ein Zeichen von Liebe. Eine Geschichte erzählt von einer 82-jährigen Frau, die einer anderen zu Hilfe kam, als diese von ihrem Partner körperlich angegriffen wurde. Die Rentnerin schlug mit ihrem Gehstock so lange auf den Täter ein, bis der von seinem Opfer abließ. Die Polizei ging davon aus, dass das schnelle Eingreifen der alten Dame die Frau vor lebensbedrohlichen Verletzungen gerettet hat.
Und schließlich bedeutet Liebe auch Vergebung. Im Oktober 2016 wurde die Medizinstudentin Maria Ladenburger in Freiburg von einem afghanischen Flüchtling ermordet. Ihre Eltern riefen zur Besonnenheit auf, sie wollten nicht mit Hass und Hetze auf die Tat reagieren. Stattdessen gründeten sie in Gedenken an ihre Tochter eine Stiftung, um Studierenden in Not zu helfen.
Die Ausstellung “Liebe: Was uns bewegt” ist vom 14. Oktober 2022 bis zum 23. Juli 2023 im Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg zu sehen.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.
Liebe: Warum hat dieses Wort mit fünf Buchstaben die Menschen zu unendlich vielen Liedern, Filmen, Gedichten und Prosawerken inspiriert? Und wie bringt dieses Gefühl sie dazu, völlig durchzudrehen, im Guten wie im Schlechten?
Diese Fragen stellt die Ausstellung “Liebe. Was uns bewegt”, die am 14. Oktober im Haus der Geschichte im baden-württembergischen Stuttgart eröffnet wird. Die Schau ist der dritte Teil einer Ausstellungstrilogie, die sich mit menschlichen Gefühlen beschäftigt – waren es zuvor die Gier und der Hass, geht es nun um das – vermeintlich – schönste der Gefühle. Die Liebe aber beschert nicht nur Glückseligkeit, sie reißt Menschen auch in tiefste Abgründe.
Liebe ist vielschichtig
Die 40 Liebesgeschichten in der Ausstellung erzählen von Kämpfen gegen Vorurteile, von Liebe über soziale oder politische Grenzen hinweg und auch von blinder patriotischer Liebe. Zudem geht es um Menschen, die ihr Leben der Nächstenliebe oder dem Schutz der Erde gewidmet haben und dabei alles riskieren.
Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage im In- und Ausland könnten die Relevanz der Ausstellung und die Themen, die sie aufwirft, nicht offensichtlicher sein, sagt Ausstellungsleiter Rainer Schimpf.
“Die Corona-Pandemie hat tiefe Wunden zurückgelassen. Die politische Auseinandersetzung im Land wird zunehmend von Angst, Hass und Unversöhnlichkeit geprägt”, so Schimpf im DW-Gespräch. Gleichzeitig tobe in Europa ein brutaler Krieg, von der Erderwärmung und deren Folgen für die Menschheit ganz zu schweigen. “Das Bedürfnis nach Zuwendung und Wertschätzung ist in dieser Situation vielleicht so groß wie schon lange nicht mehr”, glaubt er.
Mit Blick auf die beiden vorangegangenen Ausstellungen zu Gier und Hass erklärt Schimpf, dass die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher zumeist positiv waren. “Es schien so, als wenn viele Menschen vor allem vom Hass geradezu bedrückt seien und nach Antworten suchen, wie dieser überwunden werden könne”, sagt Schimpf. In der Ausstellung konnten dazu auch direkt Botschaften zurückgelassen werden. “Wir waren völlig überrascht davon, wie stark die Resonanz war. Das übertraf bei weitem die sonstigen Eintragungen im Besucher*innenbuch.”
Großes Interesse an großen Gefühlen
Die Geschichten in der aktuellen Ausstellung zeigten deutlich, was Liebe alles möglich machen könne, so Schimpf weiter. “Auch in Situationen der Verzweiflung und Ausweglosigkeit kann Liebe Menschen zu Handlungen bewegen, die sie sich vielleicht selbst gar nicht zugetraut hätten. Liebe kann Grenzen überschreiten – und dies in mehrfachem Sinne.” Schimpf unterstreicht, dass die Ausstellung bei allen Emotionen dennoch nicht allzu rührselig sei: “Wir verschweigen nicht die Irrwege und Abgründe, in die Liebe auch führen kann. Aber letztlich ist dies selbstverständlich eine Ausstellung, die Hoffnung machen soll, dass der Hass nicht das letzte Wort hat.”
Von Bürokratie und einem toten Pferd
Zu den auffälligsten Exponaten gehört ein Hochzeitskleid, das eine deutsche Lehrerin in Ravensburg aus Kopien amtlicher Dokumente entworfen hat – aus Frustration darüber, dass sie ihren Partner aus Gambia nicht offiziell heiraten konnte, weil die Bürokratie dem Paar unendlich viele Steine in den Weg legte.
Die Skelettreste eines Araberhengstes namens Goumousch Bourno zeugen von der Liebe des württembergischen Königs Wilhelm I. zu seiner Frau Katharina Pawlowna, die er 1816 heiratete. Als Schwester des russischen Zaren hatte sie eine beträchtliche Mitgift mitgebracht und mit ihrem sozialen Engagement die Herzen des Volkes erobert. Der Hengst war in ihrem Namen in Damaskus für die königlichen Stallungen gekauft worden, jedoch erlebte sie seine Ankunft nicht mehr. Ihr Mann ließ jedoch das Pferdeskelett zu ihrem Andenken aufbewahren.
Zwei der Geschichten, die Ausstellungsleiter Rainer Schimpf besonders bewegten, haben mit Krieg zu tun. Die eine handelt von Berthold von Deimling, den Schimpf als Prototyp eines bedenken- und rücksichtslosen Generals im deutschen Kaiserreich und Ersten Weltkrieg bezeichnete. “Er opferte Tausende junger Männer für seinen Ruhm. Nach dem Krieg wandelte er sich jedoch vom Kriegstreiber zum Pazifisten.” Zur Verwunderung seiner Zeitgenossen habe ausgerechnet er die Versöhnung mit dem “Erzfeind” Frankreich gesucht.
Liebe in Zeiten des Krieges
Die andere Liebesgeschichte betrifft Kinder, die von deutschen Frauen und Soldaten der Besatzungsmächte – nämlich der USA, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Sowjetunion – nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland geboren wurden.
Schimpf erzählt die Geschichte einer Frau, die 1947 in der französischen Besatzungszone in Südwestdeutschland zur Welt kam. Ihr Vater war ein französischer Soldat, der 1949 in die Heimat zurückkehrte. Ihre Mutter starb früh. Die Suche nach ihrem Vater ließ sie nie los. Jahrzehnte später stellte sie Familienfotos auf eine Website, auf denen jemand ihren Vater erkannte. Dies führte sie schließlich zu seinem Grab in Frankreich und zu einem Treffen mit ihrer französischen Halbschwester. “Man könnte diese Geschichte leicht auf die anderen Besatzungszonen übertragen. Ganz Deutschland war in vier Zonen aufgeteilt, daher gibt es diese Fälle überall im Land”, erklärt Schimpf. “Bis heute suchen Menschen nach ihren Vätern, die als Besatzungssoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland gekommen waren. Die Frage und die Sehnsucht nach der väterlichen Liebe lässt sie bis ins fortgeschrittene Alter nicht ruhen.”
Zivilcourage und Vergebung
Auch Mut ist ein Zeichen von Liebe. Eine Geschichte erzählt von einer 82-jährigen Frau, die einer anderen zu Hilfe kam, als diese von ihrem Partner körperlich angegriffen wurde. Die Rentnerin schlug mit ihrem Gehstock so lange auf den Täter ein, bis der von seinem Opfer abließ. Die Polizei ging davon aus, dass das schnelle Eingreifen der alten Dame die Frau vor lebensbedrohlichen Verletzungen gerettet hat.
Und schließlich bedeutet Liebe auch Vergebung. Im Oktober 2016 wurde die Medizinstudentin Maria Ladenburger in Freiburg von einem afghanischen Flüchtling ermordet. Ihre Eltern riefen zur Besonnenheit auf, sie wollten nicht mit Hass und Hetze auf die Tat reagieren. Stattdessen gründeten sie in Gedenken an ihre Tochter eine Stiftung, um Studierenden in Not zu helfen.
Die Ausstellung “Liebe: Was uns bewegt” ist vom 14. Oktober 2022 bis zum 23. Juli 2023 im Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg zu sehen.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch.