Portugals Nächte sind viel zu hell
Portugals Lichtverschmutzung ist vier Mal größer als die deutsche. Trotzdem rüsten viele Kommunen lichttechnisch immer weiter auf, vor allem mit stromsparenden LED-Straßenlampen. Angeblich, weil es die Bürger so wollen.
“Mehr Licht!” Das waren angeblich Goethes letzte Worte. Und das fordern heute auch viele Portugiesen. Dabei haben sie eigentlich schon viel zu viel davon: Laut Studien ist der sogenannte Lichtausstoß pro Person in Portugal etwa vier Mal so hoch wie in Deutschland. Auch, weil wegen der hohen Strompreise in allen Gemeinden jetzt vergleichsweise sparesame LED-Straßenlampen installiert werden.
“Wir laufen Gefahr, mit weniger Energiekosten die Lichtverschmutzung noch zu erhöhen”, warnt der Forscher Raul Lima. “In der Stadt gibt es zu viele dunkle Ecken. Ich will mehr Licht”, fordert dagegen die Kioskbesitzerin Isabel Nascimento im mittelportugiesischen Celorico da Beira.
“Mehr Licht!” Das waren angeblich Goethes letzte Worte. Und das fordern heute auch viele Portugiesen. Dabei haben sie eigentlich schon viel zu viel davon: Laut Studien ist der sogenannte Lichtausstoß pro Person in Portugal etwa vier Mal so hoch wie in Deutschland. Auch, weil wegen der hohen Strompreise in allen Gemeinden jetzt vergleichsweise sparesame LED-Straßenlampen installiert werden.
Rund 7000 Einwohner hat der Landkreis an der spanischen Grenze und fast genauso viele Straßenlaternen. Viele kleine, halbverlassene Dörfer und auch die Kreisstadt selbst leiden seit Jahren unter galoppierender Landflucht in die Ballungszentren im Küstenstreifen.
Kein Problembewusstsein
Lichttechnisch jedoch ist Celorico da Beira auf dem letzten Stand. “Wir sind der erste Landkreis Portugals, der die öffentliche Beleuchtung vollständig auf LED-Lampen umgestellt hat”, erklärt Ricardo Sousa von der Kreisverwaltung stolz. Und obwohl es statistisch gesehen eine Straßenlampe pro Einwohner gibt, gingen bei ihm trotzdem jede Woche zahlreiche Bitten um mehr Beleuchtung ein: “Über zu viel Licht hat sich hier noch niemand beschwert, es ist immer nur das Gegenteil.”
Dabei ist es in dem 2500-Einwohner-Kreisstädtchen nachts alles andere als finster: Die kopfsteingepflasterten engen Gassen der Altstadt rund um die Burg erhellen LED-Lampen, die an den alten Granithäusern angebracht wurden, die Nacht mit einem rund 4000-Kelvin-kalten, aber umso helleren Licht – oft im Abstand von weniger als zehn Metern. “Das ist gut so, früher war es viel dunkler”, sagt eine Anwohnerin. “Lichtverschmutzung, was soll das denn sein?”, fragt sie noch, bevor sie schulterzuckend wieder in ihrem Haus verschwindet.
“Es gibt in Portugal noch kein Bewusstsein in Sachen Lichtverschmutzung”, bestätigt der Physiker Raul Lima von der Fachhochschule Porto. Er ist der vielleicht einzige Wissenschaftler, der in Portugal das Problem seit Jahren erforscht. “Wohl auch, weil es hier noch in den 1980er Jahren viele Orte gab, die weder Strom noch Straßenbeleuchtung hatten. Für viele bedeutet darum mehr Licht in der Nacht Fortschritt und Sicherheit.”
Auch wenn der Zusammenhang von Sicherheit und Straßenbeleuchtung wissenschaftlich nicht erwiesen sei, handelten die meisten Gemeinden noch immer nach dem Prinzip ‘viel hilft viel’. Obwohl inzwischen die Schäden für die Umwelt und die menschliche Gesundheit durch Studien aus anderen Ländern klar belegt seien. “Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht”, gibt sogar Ricardo Sousa von der Kreisverwaltung Celorico da Beira zu.
Und so machen Portugals Kommunalpolitiker – natürlich mit EU-Zuschüssen – mit immer mehr Licht die Nacht zum Tage: Mit zu viel Straßenbeleuchtung und Neon-Leuchtreklamen in den Großstädten und mit modernen, stromsparenden LED-Lampen auf den Dörfern. Es gibt zwar Minimalvorschriften für die Straßenbeleuchtung, aber keine Obergrenzen. Und natürlich auch keine staatliche Behörde, die bei Exzessen einschreiten könnte. Immerhin habe das Parlament 2019 eine Resolution gefasst, nach der eine Kommission gegründet werden sollte, die die Lichtverschmutzung untersuchen sollte, erklärt der Lichtforscher Lima. Geschehen sei seitdem jedoch nichts.
Das stimmt nicht ganz: In dem Dörfchen Salgueirais im Landkreis Celorico da Beira leuchten jetzt aus LED-Lampen in der Nacht. Die seien, wie in allen Dörfern des Kreises nach der Regel ‘eine Lampe pro Haustür’ angebracht worden, so der Beleuchtungsbeauftragte Sousa. Dass viele der Häuser inzwischen verlassen sind oder sich nur noch Ruinen hinter manchen Türen auftun, scheinen die Kreisarbeiter dabei jedoch vergessen zu haben: “Obwohl hier nur drei Personen leben, stehen jetzt vier Lampen um mein Haus”, klagt Cecilia Lisboa. “Nachts kann ich auf der Straße Zeitung lesen, es ist taghell.” Schlafen könne sie sie nur noch, wen sie die traditionellen Holzjalousien völlig verschließe. “Das ist doch kein Fortschritt!”
Fortschritt schon, aber falsch umgesetzt, stellt der pensionierte Ingenieur und Fachhochschuldozent Pedro Gomes Almeida fest, der ein Haus in der LED-Licht durchfluteten Altstadt von Celorico da Beira besitzt. Viele Straßenlaternen seien zu hoch und in einem falschen Winkel angebracht, verursachten darum zu viel Streulicht. Andere LED-Lampen seien überflüssig und alle hätten mit 4000 Kelvin und mehr ganz einfach die falsche, weil zu kalte Lichttemperatur.
“Natürlich gibt es auch angenehmere und wärmere, bernsteinfarbene LED-Straßenleuchten. Aber die sind teurer und werden darum nicht gekauft”, stellt Gomes Almeida fest. Ein Fehler, der sich in Zukunft rächen dürfte, warnt Raul Lima von der Fachhochschule Porto. Denn schon in wenigen Jahren, wenn das Problem der Lichtverschmutzung den Portugiesen bewusster werde, müssten die erst jetzt gekauften LED-Lampen dann durch neue, wärmere ersetzt werden.
Im Augenblick aber freut sich Pedro Sousa von der Kreisverwaltung Celorico da Beira noch über die LED-Revolution im Landkreis, schließlich gibt es dort jetzt mehr Licht für weniger Geld: Seine Stromrechnung von stolzen 500.000 Euro im Jahr ist um mehr als 50.000 Euro gesunken. Auch, weil er alle Lampen, weil sie so hell sind, mit nur der Hälfte ihrer Kapazität fährt. Eigentlich wäre noch viel mehr Licht im Landkreis Celorico da Beira möglich. Dunkler könnte man sie übrigens auch stellen.
“Mehr Licht!” Das waren angeblich Goethes letzte Worte. Und das fordern heute auch viele Portugiesen. Dabei haben sie eigentlich schon viel zu viel davon: Laut Studien ist der sogenannte Lichtausstoß pro Person in Portugal etwa vier Mal so hoch wie in Deutschland. Auch, weil wegen der hohen Strompreise in allen Gemeinden jetzt vergleichsweise sparesame LED-Straßenlampen installiert werden.
“Wir laufen Gefahr, mit weniger Energiekosten die Lichtverschmutzung noch zu erhöhen”, warnt der Forscher Raul Lima. “In der Stadt gibt es zu viele dunkle Ecken. Ich will mehr Licht”, fordert dagegen die Kioskbesitzerin Isabel Nascimento im mittelportugiesischen Celorico da Beira.
Kein Problembewusstsein
Rund 7000 Einwohner hat der Landkreis an der spanischen Grenze und fast genauso viele Straßenlaternen. Viele kleine, halbverlassene Dörfer und auch die Kreisstadt selbst leiden seit Jahren unter galoppierender Landflucht in die Ballungszentren im Küstenstreifen.
Lichttechnisch jedoch ist Celorico da Beira auf dem letzten Stand. “Wir sind der erste Landkreis Portugals, der die öffentliche Beleuchtung vollständig auf LED-Lampen umgestellt hat”, erklärt Ricardo Sousa von der Kreisverwaltung stolz. Und obwohl es statistisch gesehen eine Straßenlampe pro Einwohner gibt, gingen bei ihm trotzdem jede Woche zahlreiche Bitten um mehr Beleuchtung ein: “Über zu viel Licht hat sich hier noch niemand beschwert, es ist immer nur das Gegenteil.”
Dabei ist es in dem 2500-Einwohner-Kreisstädtchen nachts alles andere als finster: Die kopfsteingepflasterten engen Gassen der Altstadt rund um die Burg erhellen LED-Lampen, die an den alten Granithäusern angebracht wurden, die Nacht mit einem rund 4000-Kelvin-kalten, aber umso helleren Licht – oft im Abstand von weniger als zehn Metern. “Das ist gut so, früher war es viel dunkler”, sagt eine Anwohnerin. “Lichtverschmutzung, was soll das denn sein?”, fragt sie noch, bevor sie schulterzuckend wieder in ihrem Haus verschwindet.
“Es gibt in Portugal noch kein Bewusstsein in Sachen Lichtverschmutzung”, bestätigt der Physiker Raul Lima von der Fachhochschule Porto. Er ist der vielleicht einzige Wissenschaftler, der in Portugal das Problem seit Jahren erforscht. “Wohl auch, weil es hier noch in den 1980er Jahren viele Orte gab, die weder Strom noch Straßenbeleuchtung hatten. Für viele bedeutet darum mehr Licht in der Nacht Fortschritt und Sicherheit.”
Lichtverschmutzung ohne Kontrolle
Auch wenn der Zusammenhang von Sicherheit und Straßenbeleuchtung wissenschaftlich nicht erwiesen sei, handelten die meisten Gemeinden noch immer nach dem Prinzip ‘viel hilft viel’. Obwohl inzwischen die Schäden für die Umwelt und die menschliche Gesundheit durch Studien aus anderen Ländern klar belegt seien. “Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht”, gibt sogar Ricardo Sousa von der Kreisverwaltung Celorico da Beira zu.
Mehr Licht für weniger Geld
Und so machen Portugals Kommunalpolitiker – natürlich mit EU-Zuschüssen – mit immer mehr Licht die Nacht zum Tage: Mit zu viel Straßenbeleuchtung und Neon-Leuchtreklamen in den Großstädten und mit modernen, stromsparenden LED-Lampen auf den Dörfern. Es gibt zwar Minimalvorschriften für die Straßenbeleuchtung, aber keine Obergrenzen. Und natürlich auch keine staatliche Behörde, die bei Exzessen einschreiten könnte. Immerhin habe das Parlament 2019 eine Resolution gefasst, nach der eine Kommission gegründet werden sollte, die die Lichtverschmutzung untersuchen sollte, erklärt der Lichtforscher Lima. Geschehen sei seitdem jedoch nichts.
Das stimmt nicht ganz: In dem Dörfchen Salgueirais im Landkreis Celorico da Beira leuchten jetzt aus LED-Lampen in der Nacht. Die seien, wie in allen Dörfern des Kreises nach der Regel ‘eine Lampe pro Haustür’ angebracht worden, so der Beleuchtungsbeauftragte Sousa. Dass viele der Häuser inzwischen verlassen sind oder sich nur noch Ruinen hinter manchen Türen auftun, scheinen die Kreisarbeiter dabei jedoch vergessen zu haben: “Obwohl hier nur drei Personen leben, stehen jetzt vier Lampen um mein Haus”, klagt Cecilia Lisboa. “Nachts kann ich auf der Straße Zeitung lesen, es ist taghell.” Schlafen könne sie sie nur noch, wen sie die traditionellen Holzjalousien völlig verschließe. “Das ist doch kein Fortschritt!”
Fortschritt schon, aber falsch umgesetzt, stellt der pensionierte Ingenieur und Fachhochschuldozent Pedro Gomes Almeida fest, der ein Haus in der LED-Licht durchfluteten Altstadt von Celorico da Beira besitzt. Viele Straßenlaternen seien zu hoch und in einem falschen Winkel angebracht, verursachten darum zu viel Streulicht. Andere LED-Lampen seien überflüssig und alle hätten mit 4000 Kelvin und mehr ganz einfach die falsche, weil zu kalte Lichttemperatur.
“Natürlich gibt es auch angenehmere und wärmere, bernsteinfarbene LED-Straßenleuchten. Aber die sind teurer und werden darum nicht gekauft”, stellt Gomes Almeida fest. Ein Fehler, der sich in Zukunft rächen dürfte, warnt Raul Lima von der Fachhochschule Porto. Denn schon in wenigen Jahren, wenn das Problem der Lichtverschmutzung den Portugiesen bewusster werde, müssten die erst jetzt gekauften LED-Lampen dann durch neue, wärmere ersetzt werden.
Im Augenblick aber freut sich Pedro Sousa von der Kreisverwaltung Celorico da Beira noch über die LED-Revolution im Landkreis, schließlich gibt es dort jetzt mehr Licht für weniger Geld: Seine Stromrechnung von stolzen 500.000 Euro im Jahr ist um mehr als 50.000 Euro gesunken. Auch, weil er alle Lampen, weil sie so hell sind, mit nur der Hälfte ihrer Kapazität fährt. Eigentlich wäre noch viel mehr Licht im Landkreis Celorico da Beira möglich. Dunkler könnte man sie übrigens auch stellen.