Mythos Flamengo – der Klub aus der Favela greift nach der Krone
Flamengo aus Rio de Janeiro greift im Finale der Copa Libertadores erneut nach der südamerikanischen Fußballkrone. Mehr als 40 Millionen Fans drücken dem legendären Klub die Daumen – darunter viele Bewohner der Favelas.
Eigentlich sind es noch knapp zwei Stunden bis zum Spielbeginn, doch Katia Ciline Pereira Lima hat es sich mit ihrer Familie mit ein paar Klappstühlen vor dem legendären Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro bequem gemacht und wartet auf den Einlass. Es geht gegen den FC Santos, den Klub von Pelé, bei dem auch die Karriere von PSG-Star Neymar begann. Doch das Herz von Katia Ciline schlägt nur für die “rot-schwarze Nation” wie sich die Anhängerschaft von Rios Kultklub Flamengo selbst nennt.
“Flamengo bedeutet alles für mich. Flamengo ist mein Volk, meine Liebe, meine Leidenschaft. Ich brenne für meine Mannschaft. Flamengo ist für mich das Beste der Welt“, erzählt die 31-jährige Altenpflegerin der DW.
Eigentlich sind es noch knapp zwei Stunden bis zum Spielbeginn, doch Katia Ciline Pereira Lima hat es sich mit ihrer Familie mit ein paar Klappstühlen vor dem legendären Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro bequem gemacht und wartet auf den Einlass. Es geht gegen den FC Santos, den Klub von Pelé, bei dem auch die Karriere von PSG-Star Neymar begann. Doch das Herz von Katia Ciline schlägt nur für die “rot-schwarze Nation” wie sich die Anhängerschaft von Rios Kultklub Flamengo selbst nennt.
Was es bedeutet, wenn Flamengo den Lebensinhalt dominiert, wird bei einem Blick auf ihren Zeitplan deutlich: Katia wohnt in Itaborai, einem Industrie-Vorort von Rio de Janeiro. Die Anreise zum Stadion dauert etwa anderthalb Stunden, weil das Spiel an diesem Abend spät angepfiffen wird, wird sie erst gegen 2 Uhr morgens wieder zu Hause sein. “Und morgen muss ich um 5 Uhr dann wieder raus zur Arbeit.” Die kurze Nacht nimmt Katia für das Erlebnis, Teil von Flamengo zu sein gerne in Kauf. Wegen der hohen Eintrittspreise muss sie die Spielbesuche allerdings auf ausgewählte Partien beschränken.
Griff nach Südamerikas Fußball-Krone
Am Samstag im Endspiel um die Copa Libertadores im Estadio Monumental in Guayaquil/Ecuador (17 Uhr Ortszeit/22 Uhr MESZ) spielt Flamengo im rein brasilianischen Finale gegen Athletico Paranaense aus Curitiba um Südamerikas Fußballkrone.
Fast jeder vierte Brasilianer wird die Daumen drücken, wenn der Klub aus Rio nach seinem dritten Copa-Libertadores-Titel nach 1981 und 2019 greift. Laut Erhebungen zählt der Klub in Brasilien rund 45 Millionen Fans und ist damit der beliebteste des Landes. Dahinter kommt mit rund 32 Millionen Anhängern Corinthians, der Lokalrivale des Copa-Siegers von 2020 und 2021 Palmeiras aus Brasiliens größter Stadt Sao Paulo.
“Die Klubs aus Sao Paulo und Rio de Janeiro haben die größte Anhängerschaft in Brasilien, das liegt auch daran, dass diese Metropolregionen in den letzten Jahrzehnten massiv gewachsen sind”, sagt Fußball-Historiker David Gomes der DW. “Die Popularität beruht auch darauf, dass es in jener Epoche, als das Fernsehen in Brasilien zum führenden Medium wurde, eine der erfolgreichsten Zeiten des Klubs [Flamengo, Anm. d. Red.] gab.”
Hinzu kommt Flamengos Heimspielstätte Maracanã – eines der berühmtesten Stadien der Welt. “Das Maracanã ist das große Symbol des brasilianischen Fußballs”, erklärt Gomes den Mythos des Stadions, das Ende der 1940er-Jahre für die Weltmeisterschaft 1950 gebaut wurde und in dem Flamengo viele Titel gewonnen hat.
Flamengo sei ein Klub, dessen Anhängerschaft mehrheitlich aus Armen, Schwarzen und der Favela-Bevölkerung besteht, erklärt Geschichts-Dozent Rubens (45), der sich in der antirassistischen Fan-Szene engagiert und dessen voller Name aus Gründen der persönlichen Sicherheit nicht genannt wird. Die Identifikation mit der Favela, den Armenvierteln in Brasiliens Städten, sei so groß, dass die Mannschaft auch das “Favela-Team” genannt werde.
“Wenn uns die Gegner schlagen, singen sie im Stadion “Ruhe in der Favela”, sagt Rubens. “Ich bin Lehrer, ich arbeite in der Favela Complexo Alemão und 90 Prozent meiner Schüler sind Flamenguistas.” Allerdings gebe es auch Schüler, die noch nie im Maracanã waren. Besuche dort sind für viele Menschen schlicht unerschwinglich – insbesondere seit der WM 2014, bei der Deutschland im Maracanã den Titel gegen Argentinien gewann. “Das Maracanã hat sich wegen der hohen Eintrittspreise zu einem Elite-Stadion entwickelt”, sagt Rubens.
Ähnlich sieht es Salino von einer antirassistischen Fan-Initiative, die sich dem Gedenken der vor knapp fünf Jahren ermordeten lesbischen afrobrasilianischen Kommunalpolitikerin Marielle Franco widmet. “Die Bedeutung von Flamengo für die brasilianische Gesellschaft besteht darin, dass der Klub heute eine Massenbewegung darstellt.” Deswegen sei der Klub auch so attraktiv für politische Einflussnahme.
Tatsächlich ist Flamengo so etwas wie ein Schmelztiegel der brasilianischen Bevölkerung. Im Stadion dominiert zwar inzwischen mehr und mehr die ökonomisch bessergestellte weiße Bevölkerungsschicht, doch auf der Straße sind es die Armen, die schlecht bezahlte Arbeiterschaft, die sich offen zu Flamengo bekennt. Wenn am Samstag das dritte rein brasilianische Copa-Finale in Folge stattfindet, dann werden sich nicht nur in Rio, sondern in ganz Brasilien Massen von Zuschauern vor den Bildschirmen der Bars und Restaurants versammeln. Und die meisten von ihnen hoffen auf ein nächstes erfolgreiches Kapitel in der Geschichte von Flamengo.
Eigentlich sind es noch knapp zwei Stunden bis zum Spielbeginn, doch Katia Ciline Pereira Lima hat es sich mit ihrer Familie mit ein paar Klappstühlen vor dem legendären Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro bequem gemacht und wartet auf den Einlass. Es geht gegen den FC Santos, den Klub von Pelé, bei dem auch die Karriere von PSG-Star Neymar begann. Doch das Herz von Katia Ciline schlägt nur für die “rot-schwarze Nation” wie sich die Anhängerschaft von Rios Kultklub Flamengo selbst nennt.
“Flamengo bedeutet alles für mich. Flamengo ist mein Volk, meine Liebe, meine Leidenschaft. Ich brenne für meine Mannschaft. Flamengo ist für mich das Beste der Welt“, erzählt die 31-jährige Altenpflegerin der DW.
Griff nach Südamerikas Fußball-Krone
Was es bedeutet, wenn Flamengo den Lebensinhalt dominiert, wird bei einem Blick auf ihren Zeitplan deutlich: Katia wohnt in Itaborai, einem Industrie-Vorort von Rio de Janeiro. Die Anreise zum Stadion dauert etwa anderthalb Stunden, weil das Spiel an diesem Abend spät angepfiffen wird, wird sie erst gegen 2 Uhr morgens wieder zu Hause sein. “Und morgen muss ich um 5 Uhr dann wieder raus zur Arbeit.” Die kurze Nacht nimmt Katia für das Erlebnis, Teil von Flamengo zu sein gerne in Kauf. Wegen der hohen Eintrittspreise muss sie die Spielbesuche allerdings auf ausgewählte Partien beschränken.
Am Samstag im Endspiel um die Copa Libertadores im Estadio Monumental in Guayaquil/Ecuador (17 Uhr Ortszeit/22 Uhr MESZ) spielt Flamengo im rein brasilianischen Finale gegen Athletico Paranaense aus Curitiba um Südamerikas Fußballkrone.
Fast jeder vierte Brasilianer wird die Daumen drücken, wenn der Klub aus Rio nach seinem dritten Copa-Libertadores-Titel nach 1981 und 2019 greift. Laut Erhebungen zählt der Klub in Brasilien rund 45 Millionen Fans und ist damit der beliebteste des Landes. Dahinter kommt mit rund 32 Millionen Anhängern Corinthians, der Lokalrivale des Copa-Siegers von 2020 und 2021 Palmeiras aus Brasiliens größter Stadt Sao Paulo.
“Die Klubs aus Sao Paulo und Rio de Janeiro haben die größte Anhängerschaft in Brasilien, das liegt auch daran, dass diese Metropolregionen in den letzten Jahrzehnten massiv gewachsen sind”, sagt Fußball-Historiker David Gomes der DW. “Die Popularität beruht auch darauf, dass es in jener Epoche, als das Fernsehen in Brasilien zum führenden Medium wurde, eine der erfolgreichsten Zeiten des Klubs [Flamengo, Anm. d. Red.] gab.”
Klub der Armen
Hinzu kommt Flamengos Heimspielstätte Maracanã – eines der berühmtesten Stadien der Welt. “Das Maracanã ist das große Symbol des brasilianischen Fußballs”, erklärt Gomes den Mythos des Stadions, das Ende der 1940er-Jahre für die Weltmeisterschaft 1950 gebaut wurde und in dem Flamengo viele Titel gewonnen hat.
Flamengo sei ein Klub, dessen Anhängerschaft mehrheitlich aus Armen, Schwarzen und der Favela-Bevölkerung besteht, erklärt Geschichts-Dozent Rubens (45), der sich in der antirassistischen Fan-Szene engagiert und dessen voller Name aus Gründen der persönlichen Sicherheit nicht genannt wird. Die Identifikation mit der Favela, den Armenvierteln in Brasiliens Städten, sei so groß, dass die Mannschaft auch das “Favela-Team” genannt werde.
“Wenn uns die Gegner schlagen, singen sie im Stadion “Ruhe in der Favela”, sagt Rubens. “Ich bin Lehrer, ich arbeite in der Favela Complexo Alemão und 90 Prozent meiner Schüler sind Flamenguistas.” Allerdings gebe es auch Schüler, die noch nie im Maracanã waren. Besuche dort sind für viele Menschen schlicht unerschwinglich – insbesondere seit der WM 2014, bei der Deutschland im Maracanã den Titel gegen Argentinien gewann. “Das Maracanã hat sich wegen der hohen Eintrittspreise zu einem Elite-Stadion entwickelt”, sagt Rubens.
Ähnlich sieht es Salino von einer antirassistischen Fan-Initiative, die sich dem Gedenken der vor knapp fünf Jahren ermordeten lesbischen afrobrasilianischen Kommunalpolitikerin Marielle Franco widmet. “Die Bedeutung von Flamengo für die brasilianische Gesellschaft besteht darin, dass der Klub heute eine Massenbewegung darstellt.” Deswegen sei der Klub auch so attraktiv für politische Einflussnahme.
Tatsächlich ist Flamengo so etwas wie ein Schmelztiegel der brasilianischen Bevölkerung. Im Stadion dominiert zwar inzwischen mehr und mehr die ökonomisch bessergestellte weiße Bevölkerungsschicht, doch auf der Straße sind es die Armen, die schlecht bezahlte Arbeiterschaft, die sich offen zu Flamengo bekennt. Wenn am Samstag das dritte rein brasilianische Copa-Finale in Folge stattfindet, dann werden sich nicht nur in Rio, sondern in ganz Brasilien Massen von Zuschauern vor den Bildschirmen der Bars und Restaurants versammeln. Und die meisten von ihnen hoffen auf ein nächstes erfolgreiches Kapitel in der Geschichte von Flamengo.