Die Sammelleidenschaft der Rothschild-Frauen
Mäzenin, Erbin, Spenderin. Eine Ausstellung in Lüttich zeigt eine bislang wenig bekannte Seite der Frauen aus der Rothschild-Dynastie.
Seit dem 19. Jahrhundert steht der Name Rothschild für Erfolg in der Finanzwelt, aber auch für intellektuellen und künstlerischen Reichtum. Während die Männer der aus dem jüdischen Ghetto in Frankfurt stammenden Familie auf dem Geld-Parkett brillierten, hielten hinter den Kulissen die Frauen die Fäden in der Hand. Jetzt ist ihnen eine ungewöhnliche Ausstellung gewidmet. Das Museum La Boverie im belgischen Lüttich präsentiert in Kooperation mit dem Pariser Museum Louvre neun Frauen aus dem französischen Zweig der Familien-Dynastie. Die Schau “Sammlerinnen der Familie Rothschild. Außergewöhnliche Mäzeninnen und Spenderinnen” ist noch bis zum 26. Februar 2023 zu sehen.
Neben Kunstgegenständen geben ihre Biografien, die in den letzten 200 Jahren angesiedelt sind, Aufschluss über den jeweiligen Zeitgeist. “Viele der oft übersehenen Rothschild-Frauen waren Frauen mit Talent, Geist und Überzeugungen, sie waren Schlüsselfiguren im kulturellen Leben sowie Wohltäterinnen für zahlreiche Museen”, schreibt die Generaldirektorin des Louvre, Laurence des Cars, in ihrer Katalogeinführung. Mehr als 130.000 Werke vermachten sie durch Schenkungen oder Vermächtnisse den französischen Museen. Eine Auswahl von 350 aus etwa 30 Institutionen und privaten Sammlungen des Landes lädt nun zum Rundgang ein.
Seit dem 19. Jahrhundert steht der Name Rothschild für Erfolg in der Finanzwelt, aber auch für intellektuellen und künstlerischen Reichtum. Während die Männer der aus dem jüdischen Ghetto in Frankfurt stammenden Familie auf dem Geld-Parkett brillierten, hielten hinter den Kulissen die Frauen die Fäden in der Hand. Jetzt ist ihnen eine ungewöhnliche Ausstellung gewidmet. Das Museum La Boverie im belgischen Lüttich präsentiert in Kooperation mit dem Pariser Museum Louvre neun Frauen aus dem französischen Zweig der Familien-Dynastie. Die Schau “Sammlerinnen der Familie Rothschild. Außergewöhnliche Mäzeninnen und Spenderinnen” ist noch bis zum 26. Februar 2023 zu sehen.
Darunter sind Gemälde von Cézanne, Renoir und Delacroix, Skulpturen, Schmuck und Porzellan, Möbel, afrikanische und fernöstliche Kunst sowie Pfeifen oder Streichholzschachteln. Letztere waren bevorzugte Sammelobjekte von Alice de Rothschild (1847 Frankfurt a. Main bis 1922 Paris). Dazu muss man wissen, dass Streichhölzer zu jener Zeit noch etwas Besonderes waren. Sie wurden erst ab 1832 industriell hergestellt und ab 1871 in Frankreich sogar besteuert, um die öffentlichen Finanzen, die vom Deutsch-Französischen Krieg strapaziert waren, aufzubessern. Rothschilds Schachteln zeigen Dekors, die zum Teil moralische oder gar frivole Szenen zum Inhalt haben.
Laurence des Cars: “Schlüsselfiguren im kulturellen Leben”
Streichholzschachteln gehörten sicherlich zu den Dingen, die Frauen vor 150 Jahren verhältnismäßig leicht sammeln konnten. Schwieriger war es mit der Kunst. Im 19. Jahrhundert unterstanden die Frauen rechtlich ihrem Vater oder Ehemann. Sie hatten kein Recht auf privates Eigentum. Im Haushalt waren sie für Dekoratives zuständig.
Das Sammeln von Objekten ermöglichte ihnen eine gewisse persönliche Emanzipation und legitimierte zugleich die gesellschaftliche Position, um als Mäzenin in Erscheinung zu treten. Doch die Rothschild-Frauen wurden oft nur im Rahmen von Schenkungen und Anschaffungen ihrer Ehemänner erwähnt. Interessierte man sich für sie, dann nur, um ihre Sensibilität und Großzügigkeit hervorzuheben – im Gegensatz zu den Männern, deren Wissen, Spezialisierung und Profession im Vordergrund standen.
Mit Alices Nichte, Béatrice de Rothschild (1864 Paris bis 1934 Davos) rückt ein anderer Typ Frau in den gesellschaftlichen Fokus. Nur ein Jahr nach der Trennung von ihrem Ehemann Maurice Ephrussi, einem Milliardär russischer Abstammung, erbt Béatrice einen Teil des Vermögens ihres Vaters. Darauf lässt sich im wahrsten Wortsinn bauen. So lässt die selbstbewusste Mittvierzigerin auf der südfranzösischen Halbinsel Cap Ferrat eine prächtige Villa im Stil der Renaissance errichten. Eigenhändig und autoritär plant sie Fassaden, Gärten und Inneneinrichtung.
In der Tradition der Rothschilds stehend, ist auch Béatrice eine eklektische Sammlerin. Sie erwirbt Gemälde französischer Impressionisten und weitere aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Außerdem verzieren kostbare Teppiche, Möbel und Porzellanobjekte ihr neues Heim. Am Ende wohnt sie nur kurz in dem Haus. 1933 vermacht sie es samt Kunstsammlung der französischen Akademie der Schönen Künste mit dem Wunsch, dort ein Museum einzurichten.
Mit Alix de Rothschild (1911 Frankfurt/Main bis 1982 Reux) tritt erstmals eine Sammlerin auf den Plan, die sich als Förderin von zeitgenössischer Kunst positioniert. Alix entstammt dem deutschen Zweig der Rothschilds in Frankfurt. 1929 heiratet sie Kurt Krahmer, einen Bankdirektor aus Dresden, der sieben Jahre später stirbt. Sie verlässt Nazi-Deutschland und heiratet in Paris ihren Cousin Guy de Rothschild. 1941 flieht das Paar vor den Nazis nach New York.
Nach Kriegsende kehrt Alix de Rothschild bis zu ihrer Scheidung 1956 nach Paris zurück. Sie wird Mäzenin für den heute bekannten israelischen Maler Avigdor Arikha und fördert andere Künstler durch Ankäufe und Ausstellungen. In Reux (Normandie) verwaltet sie ab 1974 fast 30 Jahre lang als Bürgermeisterin die Gemeinde. Als Kunstkennerin ist ihre Expertise auch in verschiedenen musealen Freundeskreisen gefragt.
1962 wird sie Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde des anthropologischen Musée de l´Homme in Paris. Außerdem übergibt sie zahlreiche Werke an die Museen von Le Havre und Caen und andere Kunsthäuser. Für ihren Einsatz erhält sie mehrere französische Auszeichnungen (“Chevaliers”). Nach ihrem Tod wird ihre über 2000 Exponate fassende Sammlung, die vor allem der Zweiten Schule von Paris zuzurechnen ist, zu einem Großteil auf mehrere Museen verteilt.
Mit der Bankierstochter Liliane Fould-Springer (1916 Paris bis 2003 Abtei von Royaumont) wird die Jüngste der in Lüttich präsentierten Kunstsammlerinnen vorgestellt. 1942 heiratet sie ihren Kindheitsfreund Élie de Rothschild per Ferntrauung, da sich dieser zu diesem Zeitpunkt in deutscher Gefangenschaft befindet. Im Lauf der Jahre sammelt sie bevorzugt Kunstwerke und Möbelstücke aus dem Besitz der französischen Königin Marie-Antoinette. Ab den 1960er-Jahren spendet Liliane de Rothschild dem Pariser Museum Carnavalet, dem Schloss von Versailles, dem Nationalen Keramikmuseum von Sèvres sowie einigen Provinzmuseen regelmäßig Kunstwerke.
Allgemein haben Rothschild-Schenkungen in Frankreich über 300 Museen mit Zehntausenden von Werken bereichert. Auch die dunklen Jahre des Nationalsozialismus, in denen die Rothschilds zum Symbol für antisemitische Verfolgung und Enteignung wurden, konnten ihrem künstlerischen Engagement keinen Abbruch tun.
Seit dem 19. Jahrhundert steht der Name Rothschild für Erfolg in der Finanzwelt, aber auch für intellektuellen und künstlerischen Reichtum. Während die Männer der aus dem jüdischen Ghetto in Frankfurt stammenden Familie auf dem Geld-Parkett brillierten, hielten hinter den Kulissen die Frauen die Fäden in der Hand. Jetzt ist ihnen eine ungewöhnliche Ausstellung gewidmet. Das Museum La Boverie im belgischen Lüttich präsentiert in Kooperation mit dem Pariser Museum Louvre neun Frauen aus dem französischen Zweig der Familien-Dynastie. Die Schau “Sammlerinnen der Familie Rothschild. Außergewöhnliche Mäzeninnen und Spenderinnen” ist noch bis zum 26. Februar 2023 zu sehen.
Neben Kunstgegenständen geben ihre Biografien, die in den letzten 200 Jahren angesiedelt sind, Aufschluss über den jeweiligen Zeitgeist. “Viele der oft übersehenen Rothschild-Frauen waren Frauen mit Talent, Geist und Überzeugungen, sie waren Schlüsselfiguren im kulturellen Leben sowie Wohltäterinnen für zahlreiche Museen”, schreibt die Generaldirektorin des Louvre, Laurence des Cars, in ihrer Katalogeinführung. Mehr als 130.000 Werke vermachten sie durch Schenkungen oder Vermächtnisse den französischen Museen. Eine Auswahl von 350 aus etwa 30 Institutionen und privaten Sammlungen des Landes lädt nun zum Rundgang ein.
Laurence des Cars: “Schlüsselfiguren im kulturellen Leben”
Darunter sind Gemälde von Cézanne, Renoir und Delacroix, Skulpturen, Schmuck und Porzellan, Möbel, afrikanische und fernöstliche Kunst sowie Pfeifen oder Streichholzschachteln. Letztere waren bevorzugte Sammelobjekte von Alice de Rothschild (1847 Frankfurt a. Main bis 1922 Paris). Dazu muss man wissen, dass Streichhölzer zu jener Zeit noch etwas Besonderes waren. Sie wurden erst ab 1832 industriell hergestellt und ab 1871 in Frankreich sogar besteuert, um die öffentlichen Finanzen, die vom Deutsch-Französischen Krieg strapaziert waren, aufzubessern. Rothschilds Schachteln zeigen Dekors, die zum Teil moralische oder gar frivole Szenen zum Inhalt haben.
Streichholzschachteln gehörten sicherlich zu den Dingen, die Frauen vor 150 Jahren verhältnismäßig leicht sammeln konnten. Schwieriger war es mit der Kunst. Im 19. Jahrhundert unterstanden die Frauen rechtlich ihrem Vater oder Ehemann. Sie hatten kein Recht auf privates Eigentum. Im Haushalt waren sie für Dekoratives zuständig.
Das Sammeln von Objekten ermöglichte ihnen eine gewisse persönliche Emanzipation und legitimierte zugleich die gesellschaftliche Position, um als Mäzenin in Erscheinung zu treten. Doch die Rothschild-Frauen wurden oft nur im Rahmen von Schenkungen und Anschaffungen ihrer Ehemänner erwähnt. Interessierte man sich für sie, dann nur, um ihre Sensibilität und Großzügigkeit hervorzuheben – im Gegensatz zu den Männern, deren Wissen, Spezialisierung und Profession im Vordergrund standen.
Mit Alices Nichte, Béatrice de Rothschild (1864 Paris bis 1934 Davos) rückt ein anderer Typ Frau in den gesellschaftlichen Fokus. Nur ein Jahr nach der Trennung von ihrem Ehemann Maurice Ephrussi, einem Milliardär russischer Abstammung, erbt Béatrice einen Teil des Vermögens ihres Vaters. Darauf lässt sich im wahrsten Wortsinn bauen. So lässt die selbstbewusste Mittvierzigerin auf der südfranzösischen Halbinsel Cap Ferrat eine prächtige Villa im Stil der Renaissance errichten. Eigenhändig und autoritär plant sie Fassaden, Gärten und Inneneinrichtung.
Sammeln als Emanzipation
In der Tradition der Rothschilds stehend, ist auch Béatrice eine eklektische Sammlerin. Sie erwirbt Gemälde französischer Impressionisten und weitere aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Außerdem verzieren kostbare Teppiche, Möbel und Porzellanobjekte ihr neues Heim. Am Ende wohnt sie nur kurz in dem Haus. 1933 vermacht sie es samt Kunstsammlung der französischen Akademie der Schönen Künste mit dem Wunsch, dort ein Museum einzurichten.
Wohnsitz voller Schätze auf Cap Ferrat
Mit Alix de Rothschild (1911 Frankfurt/Main bis 1982 Reux) tritt erstmals eine Sammlerin auf den Plan, die sich als Förderin von zeitgenössischer Kunst positioniert. Alix entstammt dem deutschen Zweig der Rothschilds in Frankfurt. 1929 heiratet sie Kurt Krahmer, einen Bankdirektor aus Dresden, der sieben Jahre später stirbt. Sie verlässt Nazi-Deutschland und heiratet in Paris ihren Cousin Guy de Rothschild. 1941 flieht das Paar vor den Nazis nach New York.
Nach Kriegsende kehrt Alix de Rothschild bis zu ihrer Scheidung 1956 nach Paris zurück. Sie wird Mäzenin für den heute bekannten israelischen Maler Avigdor Arikha und fördert andere Künstler durch Ankäufe und Ausstellungen. In Reux (Normandie) verwaltet sie ab 1974 fast 30 Jahre lang als Bürgermeisterin die Gemeinde. Als Kunstkennerin ist ihre Expertise auch in verschiedenen musealen Freundeskreisen gefragt.
1962 wird sie Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde des anthropologischen Musée de l´Homme in Paris. Außerdem übergibt sie zahlreiche Werke an die Museen von Le Havre und Caen und andere Kunsthäuser. Für ihren Einsatz erhält sie mehrere französische Auszeichnungen (“Chevaliers”). Nach ihrem Tod wird ihre über 2000 Exponate fassende Sammlung, die vor allem der Zweiten Schule von Paris zuzurechnen ist, zu einem Großteil auf mehrere Museen verteilt.
Alix von Rothschild: Mäzenin von Avigdor Arikha
Mit der Bankierstochter Liliane Fould-Springer (1916 Paris bis 2003 Abtei von Royaumont) wird die Jüngste der in Lüttich präsentierten Kunstsammlerinnen vorgestellt. 1942 heiratet sie ihren Kindheitsfreund Élie de Rothschild per Ferntrauung, da sich dieser zu diesem Zeitpunkt in deutscher Gefangenschaft befindet. Im Lauf der Jahre sammelt sie bevorzugt Kunstwerke und Möbelstücke aus dem Besitz der französischen Königin Marie-Antoinette. Ab den 1960er-Jahren spendet Liliane de Rothschild dem Pariser Museum Carnavalet, dem Schloss von Versailles, dem Nationalen Keramikmuseum von Sèvres sowie einigen Provinzmuseen regelmäßig Kunstwerke.
Allgemein haben Rothschild-Schenkungen in Frankreich über 300 Museen mit Zehntausenden von Werken bereichert. Auch die dunklen Jahre des Nationalsozialismus, in denen die Rothschilds zum Symbol für antisemitische Verfolgung und Enteignung wurden, konnten ihrem künstlerischen Engagement keinen Abbruch tun.