Treffen auf Bali: Zerreißprobe für die G20
Ukraine-Krieg, Energie- und Nahrungsmittelkrisen, Rezessionsängste – auf dem Gipfel der G20 auf Bali zeigt sich der tiefe Graben zwischen Russland, China und dem Westen. Trotzdem ist dieses Treffen wichtig und sinnvoll.
In normalen Zeiten gilt die Insel Bali als Ferienparadies unter Palmen. In dieser Woche ist sie der Treffpunkt von zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt. Die G20 kommen hier vom 15. bis 16. November zu ihrem jährlichen Treffen der Staats- und Regierungschefs zusammen. Für den Gastgeber Indonesien, der derzeit den G20 Vorsitz hat, gilt das Event als eine Art Coming-Out-Party auf der Weltbühne der Politik.
Unter anderem nehmen US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping am Gipfel teil, beide trafen sich bereits am Montag zu einem bilateralen Gespräch. Nicht mit dabei sein wird der russische Präsident Wladimir Putin.
In normalen Zeiten gilt die Insel Bali als Ferienparadies unter Palmen. In dieser Woche ist sie der Treffpunkt von zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt. Die G20 kommen hier vom 15. bis 16. November zu ihrem jährlichen Treffen der Staats- und Regierungschefs zusammen. Für den Gastgeber Indonesien, der derzeit den G20 Vorsitz hat, gilt das Event als eine Art Coming-Out-Party auf der Weltbühne der Politik.
Die Erwartungen an den Gipfel sind nur gering, denn der Krieg in der Ukraine hat die Weltwirtschaft schwer getroffen, was Rezessionsängste schürt, und die schon vorher bestehenden Spaltungen unter den G20-Mitgliedern vertieft.
G20 muss Funktionsfähigkeit zeigen
“Die wirkliche Herausforderung für diesen G20-Gipfel ist nicht so sehr ein bestimmtes Ergebnis oder eine Einigung zu einem bestimmten Thema – ich glaube nicht, dass sie als G20 zu einem Konsens kommen werden. Die Frage ist, ob das Gremium weiterhin funktionieren kann”, sagt Josh Lipsky, Senior Director des GeoEconomics Center des Atlantic Council.
Die G20, die 1999 als Gruppe der Finanzminister gegründet wurde und dann während der Weltfinanzkrise 2008 zur Gruppe der Staats- und Regierungschefs zur Bewältigung von Wirtschaftskrisen und Konjunkturabschwüngen wurde, hat sich in diesem Jahr schwergetan, einen Konsens zu finden. Dabei ging es um dringende Fragen, beispielsweise wie sich die Wirtschaft nach der Pandemie erholen kann, und wie die Energie- und Nahrungsmittelkrisen bewältigt werden können.
“Wenn die G20 in diesen Zeiten großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten für die Industrie- und Schwellenländer sowie die Länder mit niedrigem Einkommen nicht zusammenkommen und funktionieren kann, dann ist grundsätzlich die Effektivität der Gruppe in Frage gestellt”, so Lipsky uzr DW. “Die G20 stehen vor der Hausforderung, beweisen, dass sie immer noch funktionsfähig sind.”
Auch wenn er nicht persönlich erscheinen wird, liegt der Schatten Putins über dem diesjährigen Treffen. Noch im August hatte der indonesische Präsident Joko Widodo nach seinem Besuch in Moskau bestätigt, dass Putin an dem Treffen teilnehmen würde. Experten für internationale Beziehungen hatten gemutmaßt, dass Putin den Gipfel nutzen könnte, um seinem Volk zu zeigen, dass er nach wie vor eine starke Führungspersönlichkeit und keineswegs isoliert ist. Außerdem wurde befürchtet, er könne auf dem Treffen versuchen, einen Keil zwischen die westlichen Unterstützer der Ukraine zu treiben.
Nun meinen die Experten, Putin komme deswegen nicht nach Bali, um sich nicht noch einmal von anderen Staats- und Regierungschefs belehren zu lassen, wie bei den G20-Gipfeln 2014 und 2015 nach der Annexion der Krim durch Russland.
“Putin war wahrscheinlich durch Xis Rüge beim Treffen in Samarkand und Xis jüngste Erklärung mit Olaf Scholz, den Einsatz von Atomwaffen betreffend, aufgebracht. Ohne Xis Unterstützung wird er keine andere Nation finden, die seine Position verteidigt”, sagt James Carouso, leitender Berater am Center for Strategic and International Studies und ehemaliger Beamter des US-Außenministeriums. “Außerdem wird er für die Zerstörung der zivilen Infrastruktur der Ukraine kritisiert werden, was ein Kriegsverbrechen ist”, so Carouso im Gespräch mit der DW. Durch Putins Abwesenheit sei es für die Gipfelteilnehmerinnen und -teilnehmer aber einfacher, sich auf wirtschaftliche Fragen zu konzentrieren.
“Ich weiß, dass Jokowi [der indonesische Präsident, Anm. d. Red.] wirklich wollte, dass alle Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Aber in Anbetracht der Situation ist dies die bessere Lösung für ihn”, meinte Lipsky.
Da Putin nicht anwesend ist, fand einer der Höhepunkte des Bali-Treffens schon vor Gipfelbeginn am Montag statt: das erste persönliche Treffen von US-Präsident Biden mit Chinas Xi. Zwischen den beiden führenden Wirtschaftsnationen der Welt gibt es seit längerem Spannungen in Bezug auf den bilateralen Handel und den Status von Taiwan. Biden hatte im Vorfeld erklärt, auf dem Gipfel keine “grundlegenden Zugeständnisse” zu machen.
“Selbst wenn Biden und Xi sich nicht auf etwas Wesentliches einigen können, so ist es doch ein Treffen der beiden Politiker von Angesicht zu Angesicht. Die Wiedereröffnung eines solchen direkten Kommunikationskanals ist wichtig”, so Lipsky.
Vor allem aber hat der Einmarsch Russlands in die Ukraine die G20 gespalten. Auf der einen Seite stehen die genannten Zaungäste wie Indien und Südafrika, die sich zwischen Russland und der Ukraine positioniert haben, auf der anderen Seite die Gruppe der Sieben (G7) sowie Australien und Südkorea.
So hat sich Jakarta schwergetan, die Gruppe dazu zu bringen, einen Entwurf zum offiziellen Kommuniqué zu den vorrangigen Themen seiner Präsidentschaft wie Energiewende und Klima zu verfassen. Selbst die Mitglieder zu einer gemeinsamen Haltung zu Themen wie Nahrungsmittel- und Energiesicherheit zu bringen, war eine Herausforderung.
“Wenn die Erde unter einem wackelt und man in der Lage ist, an derselben Stelle zu stehen, ist das eine große Leistung”, sagt Manjeet Kripalani, Geschäftsführer der in Mumbai ansässigen Denkfabrik Gateway House im Gespräch mit der DW. “Vielleicht machen die G20 keine großen Fortschritte, aber es ist schon eine Leistung [von Seiten Indonesiens, Anm. d. R.], unter den aktuellen geopolitischen Umständen stehen zu bleiben.”
“Es ist schwer zu sagen, wie die Verhandlungen verlaufen werden, aber bei heiklen Themen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Verhandlungen in den eigentlichen Gipfel hineinreichen werden”, heißt es in deutschen Regierungskreisen. “Die geopolitische Situation ist schwierig und auch in Bezug auf Lebensmittelsicherheit und die Energiepreise gibt es unterschiedliche Einschätzungen über die Ursachen der Krisen und wie das Ganze formuliert werden sollte.”
Shinta Kamdani, die Vorsitzende von Business 20 – dem Wirtschaftsdialogforum der G20 – warnt jedoch davor, den Erfolg des Gipfels davon abhängig zu machen, ob es eine gemeinsame Abschlusserklärung gibt oder nicht. Es gäbe zudem einen wertvollen Austausch während der bilateralen Treffen und Nebenveranstaltungen zu den Themen Gesundheitsversorgung, Energie, Schuldenkrise und anderen Themen, sagt sie im DW-Interview.
“Unabhängig von einer Abschlusserklärung müssen wir auch die Themen sehen, auf die sich alle Länder geeinigt haben. Wir müssen anerkennen, dass dieser Prozess stattgefunden hat”, so die indonesische Unternehmerin.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.
In normalen Zeiten gilt die Insel Bali als Ferienparadies unter Palmen. In dieser Woche ist sie der Treffpunkt von zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt. Die G20 kommen hier vom 15. bis 16. November zu ihrem jährlichen Treffen der Staats- und Regierungschefs zusammen. Für den Gastgeber Indonesien, der derzeit den G20 Vorsitz hat, gilt das Event als eine Art Coming-Out-Party auf der Weltbühne der Politik.
Unter anderem nehmen US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping am Gipfel teil, beide trafen sich bereits am Montag zu einem bilateralen Gespräch. Nicht mit dabei sein wird der russische Präsident Wladimir Putin.
G20 muss Funktionsfähigkeit zeigen
Die Erwartungen an den Gipfel sind nur gering, denn der Krieg in der Ukraine hat die Weltwirtschaft schwer getroffen, was Rezessionsängste schürt, und die schon vorher bestehenden Spaltungen unter den G20-Mitgliedern vertieft.
“Die wirkliche Herausforderung für diesen G20-Gipfel ist nicht so sehr ein bestimmtes Ergebnis oder eine Einigung zu einem bestimmten Thema – ich glaube nicht, dass sie als G20 zu einem Konsens kommen werden. Die Frage ist, ob das Gremium weiterhin funktionieren kann”, sagt Josh Lipsky, Senior Director des GeoEconomics Center des Atlantic Council.
Die G20, die 1999 als Gruppe der Finanzminister gegründet wurde und dann während der Weltfinanzkrise 2008 zur Gruppe der Staats- und Regierungschefs zur Bewältigung von Wirtschaftskrisen und Konjunkturabschwüngen wurde, hat sich in diesem Jahr schwergetan, einen Konsens zu finden. Dabei ging es um dringende Fragen, beispielsweise wie sich die Wirtschaft nach der Pandemie erholen kann, und wie die Energie- und Nahrungsmittelkrisen bewältigt werden können.
“Wenn die G20 in diesen Zeiten großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten für die Industrie- und Schwellenländer sowie die Länder mit niedrigem Einkommen nicht zusammenkommen und funktionieren kann, dann ist grundsätzlich die Effektivität der Gruppe in Frage gestellt”, so Lipsky uzr DW. “Die G20 stehen vor der Hausforderung, beweisen, dass sie immer noch funktionsfähig sind.”
Putins Abwesenheit könnte Bali-Gipfel erleichtern
Auch wenn er nicht persönlich erscheinen wird, liegt der Schatten Putins über dem diesjährigen Treffen. Noch im August hatte der indonesische Präsident Joko Widodo nach seinem Besuch in Moskau bestätigt, dass Putin an dem Treffen teilnehmen würde. Experten für internationale Beziehungen hatten gemutmaßt, dass Putin den Gipfel nutzen könnte, um seinem Volk zu zeigen, dass er nach wie vor eine starke Führungspersönlichkeit und keineswegs isoliert ist. Außerdem wurde befürchtet, er könne auf dem Treffen versuchen, einen Keil zwischen die westlichen Unterstützer der Ukraine zu treiben.
Erstes persönliches Treffen von Biden und Xi
Nun meinen die Experten, Putin komme deswegen nicht nach Bali, um sich nicht noch einmal von anderen Staats- und Regierungschefs belehren zu lassen, wie bei den G20-Gipfeln 2014 und 2015 nach der Annexion der Krim durch Russland.
“Putin war wahrscheinlich durch Xis Rüge beim Treffen in Samarkand und Xis jüngste Erklärung mit Olaf Scholz, den Einsatz von Atomwaffen betreffend, aufgebracht. Ohne Xis Unterstützung wird er keine andere Nation finden, die seine Position verteidigt”, sagt James Carouso, leitender Berater am Center for Strategic and International Studies und ehemaliger Beamter des US-Außenministeriums. “Außerdem wird er für die Zerstörung der zivilen Infrastruktur der Ukraine kritisiert werden, was ein Kriegsverbrechen ist”, so Carouso im Gespräch mit der DW. Durch Putins Abwesenheit sei es für die Gipfelteilnehmerinnen und -teilnehmer aber einfacher, sich auf wirtschaftliche Fragen zu konzentrieren.
“Ich weiß, dass Jokowi [der indonesische Präsident, Anm. d. Red.] wirklich wollte, dass alle Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Aber in Anbetracht der Situation ist dies die bessere Lösung für ihn”, meinte Lipsky.
Ringen um gemeinsame Haltung in schwierigen Zeiten
Da Putin nicht anwesend ist, fand einer der Höhepunkte des Bali-Treffens schon vor Gipfelbeginn am Montag statt: das erste persönliche Treffen von US-Präsident Biden mit Chinas Xi. Zwischen den beiden führenden Wirtschaftsnationen der Welt gibt es seit längerem Spannungen in Bezug auf den bilateralen Handel und den Status von Taiwan. Biden hatte im Vorfeld erklärt, auf dem Gipfel keine “grundlegenden Zugeständnisse” zu machen.
“Selbst wenn Biden und Xi sich nicht auf etwas Wesentliches einigen können, so ist es doch ein Treffen der beiden Politiker von Angesicht zu Angesicht. Die Wiedereröffnung eines solchen direkten Kommunikationskanals ist wichtig”, so Lipsky.
Eine Abschlusserklärung ist nicht alles
Vor allem aber hat der Einmarsch Russlands in die Ukraine die G20 gespalten. Auf der einen Seite stehen die genannten Zaungäste wie Indien und Südafrika, die sich zwischen Russland und der Ukraine positioniert haben, auf der anderen Seite die Gruppe der Sieben (G7) sowie Australien und Südkorea.
So hat sich Jakarta schwergetan, die Gruppe dazu zu bringen, einen Entwurf zum offiziellen Kommuniqué zu den vorrangigen Themen seiner Präsidentschaft wie Energiewende und Klima zu verfassen. Selbst die Mitglieder zu einer gemeinsamen Haltung zu Themen wie Nahrungsmittel- und Energiesicherheit zu bringen, war eine Herausforderung.
“Wenn die Erde unter einem wackelt und man in der Lage ist, an derselben Stelle zu stehen, ist das eine große Leistung”, sagt Manjeet Kripalani, Geschäftsführer der in Mumbai ansässigen Denkfabrik Gateway House im Gespräch mit der DW. “Vielleicht machen die G20 keine großen Fortschritte, aber es ist schon eine Leistung [von Seiten Indonesiens, Anm. d. R.], unter den aktuellen geopolitischen Umständen stehen zu bleiben.”
“Es ist schwer zu sagen, wie die Verhandlungen verlaufen werden, aber bei heiklen Themen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Verhandlungen in den eigentlichen Gipfel hineinreichen werden”, heißt es in deutschen Regierungskreisen. “Die geopolitische Situation ist schwierig und auch in Bezug auf Lebensmittelsicherheit und die Energiepreise gibt es unterschiedliche Einschätzungen über die Ursachen der Krisen und wie das Ganze formuliert werden sollte.”
Shinta Kamdani, die Vorsitzende von Business 20 – dem Wirtschaftsdialogforum der G20 – warnt jedoch davor, den Erfolg des Gipfels davon abhängig zu machen, ob es eine gemeinsame Abschlusserklärung gibt oder nicht. Es gäbe zudem einen wertvollen Austausch während der bilateralen Treffen und Nebenveranstaltungen zu den Themen Gesundheitsversorgung, Energie, Schuldenkrise und anderen Themen, sagt sie im DW-Interview.
“Unabhängig von einer Abschlusserklärung müssen wir auch die Themen sehen, auf die sich alle Länder geeinigt haben. Wir müssen anerkennen, dass dieser Prozess stattgefunden hat”, so die indonesische Unternehmerin.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.