PEN Deutschland ehrt Meena Kandasamy
Die indische Autorin Meena Kandasamy schreibt über die Unterdrückung von Kasten und Frauen. Am 15. November wird sie vom PEN Deutschland mit dem Hermann-Kesten-Preis ausgezeichnet.
Überrascht sei sie gewesen, als sie im September von der Auszeichnung mit dem Hermann-Kesten-Preis erfuhr, sagt Meena Kandasamy im Gespräch mit der DW. An diesem Dienstag (15. November 2022) wird die indische Autorin in Darmstadt vom PEN Zentrum Deutschland mit dem renommierten Preis geehrt.
In Kandasamys Werken geht es um den Widerstand gegen Ungerechtigkeit, die sie seit ihrer Kindheit erfahren hat. Ihre Eltern stammen aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, im indischen Kastensystem gehörten sie der untersten Gruppe der hinduistischen Bevölkerung an.
Überrascht sei sie gewesen, als sie im September von der Auszeichnung mit dem Hermann-Kesten-Preis erfuhr, sagt Meena Kandasamy im Gespräch mit der DW. An diesem Dienstag (15. November 2022) wird die indische Autorin in Darmstadt vom PEN Zentrum Deutschland mit dem renommierten Preis geehrt.
Meena Kandasamys Mutter, die als Lehrerin am Indian Institute of Technology in der Stadt Chennai arbeitete, initiierte mehrere Gerichtsverfahren für bessere Arbeitsrechte und Löhne sowie für die Einführung vorgeschriebener Quoten für Angestellte und Studierende aus niederen Kasten. “Ich bin in diesem Umfeld aufgewachsen, und das hat mich enorm beeinflusst”, sagt die Autorin. Sie sei politisch erzogen worden.
“Poesie ist subversiv”
Um sich ausdrücken zu können, wählte Kandasamy, die die US-Autorin Sylvia Plath zu ihren Vorbildern zählt, zunächst das Genre der Lyrik. “Es gab so vieles, was ich nicht verarbeiten konnte, worüber ich nicht einfach schreiben konnte. Erst Gedichte haben mir dabei geholfen”, erklärt sie. Kandasamys erster Gedichtband mit dem Titel “Touch” erschien 2006, zwischen 2010 und 2018 folgten “Ms Militancy”, “#ThisPoemWillProvokeYou and Other Poems” und “We Are Not the Citizens”.
Ihre Gedichte richten sich gegen das hinduistische Patriarchat und die Darstellung heiliger Figuren. “Poesie ist subversiv”, sagt Kandasamy, die auf Autorinnen wie Margaret Atwood, Anne Sexton und Carol Ann Duffy verweist. Sie alle hätten alte Geschichten umgeschrieben.
“Es gibt diese Tradition feministischer Dichterinnen, die Mythen, Legenden und Märchen aufgreifen und sie auf eine sehr subversive, feministische Weise neu erzählen. Ich dachte, das sollte jemand für die Hindu-Epen und auch für die tamilischen Epen tun.” Diese alten Legenden seien zuvor stets von Männern überliefert worden.
Kandasamy schreibt auch Romane. Ihr Debüt “The Gypsy Goddess” (2014) handelt vom Massaker, das 1968 in Tamil Nadu von Grundbesitzern an Landarbeitern verübt wurde. Ihr 2017 erschienener Roman “When I Hit You: Or, A Portrait of the Writer as a Young Wife”, der von Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe erzählt, stand auf der Shortlist für den Women’s Prize 2018.
Auch Übersetzungen älterer, feministischer Texte sind für Meena Kandasamy ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen das Patriarchat. Sie hat Werke wie “Why Women Were Enslaved” (“Warum Frauen versklavt wurden”) des tamilischen Anti-Kasten-Aktivisten Periyar aus dem 20. Jahrhundert aus dem Tamilischen ins Englische übersetzt, ebenso wie Gedichte von vier tamilischen Dichterinnen.
Religions- und regierungskritische Stimmen setzen sich in Indien Gefahren aus. Zu den bekanntesten Fällen aus jüngster Zeit gehören die Ermordung der in Bangalore lebenden Journalistin Gauri Lankesh im Jahr 2017 und die Verhaftungen des Akademikers und Menschenrechtsaktivisten Anand Teltumbde aus Delhi und der in Shillong lebenden Journalistin und Aktivistin Patricia Mukhim im Jahr 2020. Anfang dieses Jahres wurde der Journalist Mohammed Zubair verhaftet, weil er angeblich gegen hinduistische Glaubensvorstellungen getwittert hatte.
Im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Indien seit dem ersten Bericht aus dem Jahr 2002 von Platz 80 auf aktuell Platz 150 verschlechtert. Kritiker der Regierung unter Premierminister Narendra Modi sagen, dass die Intoleranz durch den Nationalismus der rechten Regierung zugenommen habe.
Für Kandasamy ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch sie zur Zielscheibe der nationalen Traditionalisten wird: “Das ist ein bisschen wie mit Tarotkarten: Deine Karte wird kommen.”
Der Hermann-Kesten-Preis würdigt Persönlichkeiten, die sich im Sinne der Charta des internationalen PEN in besonderer Weise für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller und Journalistinnen einsetzen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Günter Grass, Anna Politkowskaya, Liu Xiaobo, Harold Pinter und Can Dündar.
Adaption aus dem Englischen: Torsten Landsberg.
Überrascht sei sie gewesen, als sie im September von der Auszeichnung mit dem Hermann-Kesten-Preis erfuhr, sagt Meena Kandasamy im Gespräch mit der DW. An diesem Dienstag (15. November 2022) wird die indische Autorin in Darmstadt vom PEN Zentrum Deutschland mit dem renommierten Preis geehrt.
In Kandasamys Werken geht es um den Widerstand gegen Ungerechtigkeit, die sie seit ihrer Kindheit erfahren hat. Ihre Eltern stammen aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, im indischen Kastensystem gehörten sie der untersten Gruppe der hinduistischen Bevölkerung an.
“Poesie ist subversiv”
Meena Kandasamys Mutter, die als Lehrerin am Indian Institute of Technology in der Stadt Chennai arbeitete, initiierte mehrere Gerichtsverfahren für bessere Arbeitsrechte und Löhne sowie für die Einführung vorgeschriebener Quoten für Angestellte und Studierende aus niederen Kasten. “Ich bin in diesem Umfeld aufgewachsen, und das hat mich enorm beeinflusst”, sagt die Autorin. Sie sei politisch erzogen worden.
Um sich ausdrücken zu können, wählte Kandasamy, die die US-Autorin Sylvia Plath zu ihren Vorbildern zählt, zunächst das Genre der Lyrik. “Es gab so vieles, was ich nicht verarbeiten konnte, worüber ich nicht einfach schreiben konnte. Erst Gedichte haben mir dabei geholfen”, erklärt sie. Kandasamys erster Gedichtband mit dem Titel “Touch” erschien 2006, zwischen 2010 und 2018 folgten “Ms Militancy”, “#ThisPoemWillProvokeYou and Other Poems” und “We Are Not the Citizens”.
Ihre Gedichte richten sich gegen das hinduistische Patriarchat und die Darstellung heiliger Figuren. “Poesie ist subversiv”, sagt Kandasamy, die auf Autorinnen wie Margaret Atwood, Anne Sexton und Carol Ann Duffy verweist. Sie alle hätten alte Geschichten umgeschrieben.
“Es gibt diese Tradition feministischer Dichterinnen, die Mythen, Legenden und Märchen aufgreifen und sie auf eine sehr subversive, feministische Weise neu erzählen. Ich dachte, das sollte jemand für die Hindu-Epen und auch für die tamilischen Epen tun.” Diese alten Legenden seien zuvor stets von Männern überliefert worden.
Regierungskritische Stimmen in Gefahr
Kandasamy schreibt auch Romane. Ihr Debüt “The Gypsy Goddess” (2014) handelt vom Massaker, das 1968 in Tamil Nadu von Grundbesitzern an Landarbeitern verübt wurde. Ihr 2017 erschienener Roman “When I Hit You: Or, A Portrait of the Writer as a Young Wife”, der von Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe erzählt, stand auf der Shortlist für den Women’s Prize 2018.
Auch Übersetzungen älterer, feministischer Texte sind für Meena Kandasamy ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen das Patriarchat. Sie hat Werke wie “Why Women Were Enslaved” (“Warum Frauen versklavt wurden”) des tamilischen Anti-Kasten-Aktivisten Periyar aus dem 20. Jahrhundert aus dem Tamilischen ins Englische übersetzt, ebenso wie Gedichte von vier tamilischen Dichterinnen.
Religions- und regierungskritische Stimmen setzen sich in Indien Gefahren aus. Zu den bekanntesten Fällen aus jüngster Zeit gehören die Ermordung der in Bangalore lebenden Journalistin Gauri Lankesh im Jahr 2017 und die Verhaftungen des Akademikers und Menschenrechtsaktivisten Anand Teltumbde aus Delhi und der in Shillong lebenden Journalistin und Aktivistin Patricia Mukhim im Jahr 2020. Anfang dieses Jahres wurde der Journalist Mohammed Zubair verhaftet, weil er angeblich gegen hinduistische Glaubensvorstellungen getwittert hatte.
Im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Indien seit dem ersten Bericht aus dem Jahr 2002 von Platz 80 auf aktuell Platz 150 verschlechtert. Kritiker der Regierung unter Premierminister Narendra Modi sagen, dass die Intoleranz durch den Nationalismus der rechten Regierung zugenommen habe.
Für Kandasamy ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch sie zur Zielscheibe der nationalen Traditionalisten wird: “Das ist ein bisschen wie mit Tarotkarten: Deine Karte wird kommen.”
Der Hermann-Kesten-Preis würdigt Persönlichkeiten, die sich im Sinne der Charta des internationalen PEN in besonderer Weise für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller und Journalistinnen einsetzen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen Günter Grass, Anna Politkowskaya, Liu Xiaobo, Harold Pinter und Can Dündar.
Adaption aus dem Englischen: Torsten Landsberg.