Afrika: Das stille Leiden der Frauen
Auf keinem Kontinent ist geschlechtsspezifische Gewalt so stark ausgeprägt wie in Afrika. Viele Frauen werden geschlagen, vergewaltigt oder genitalverstümmelt. Besonders hoch sind die Zahlen in West- und Zentralafrika.
Das gesamte Ausmaß von geschlechtsspezifischer Gewalt liegt im Dunkeln, da viele Opfer von Übergriffen diese nicht zur Anzeige bringen. Die Organisation Refela, ein Netzwerk von Frauen in politischen Ämtern in Afrika, geht aber davon aus, dass mehr als 40 Prozent der Frauen in Westafrika und 65 Prozent der Frauen in Zentralafrika bereits Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt wurden – bei einem weltweiten Durchschnitt von 30 Prozent. Wie in anderen Weltregionen ereignet sich eine Vielzahl der Fälle in der Ehe oder im weiteren privaten Umfeld.
So gar nichts Privates hatte hingegen ein Fall, der im westafrikanischen Senegal zuletzt Schlagzeilen machte. Dort stehen sich Adji Sarr, Angestellte eines Schönheitssalons, und Ousmane Sonko, einer der mächtigsten Politiker des Landes und Präsidentschaftskandidat für die Wahlen 2024, gegenüber. Sarr beschuldigt Sonko, sie zwischen 2020 und 2021 mehrfach vergewaltigt zu haben.
Das gesamte Ausmaß von geschlechtsspezifischer Gewalt liegt im Dunkeln, da viele Opfer von Übergriffen diese nicht zur Anzeige bringen. Die Organisation Refela, ein Netzwerk von Frauen in politischen Ämtern in Afrika, geht aber davon aus, dass mehr als 40 Prozent der Frauen in Westafrika und 65 Prozent der Frauen in Zentralafrika bereits Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt wurden – bei einem weltweiten Durchschnitt von 30 Prozent. Wie in anderen Weltregionen ereignet sich eine Vielzahl der Fälle in der Ehe oder im weiteren privaten Umfeld.
Der Fall, der zurzeit vor Gericht verhandelt wird, ist zu einer Zerreißprobe für das Land geworden, das eigentlich als Insel der Demokratie inmitten einer krisengeplagten Region gilt. Denn zahlreiche Anhänger der politischen Opposition wollen sich ihren Hoffnungsträger nicht nehmen lassen und bezichtigen das Regierungslager von Präsident Macky Sall des Komplotts. Als sich Sonko im März zunächst weigerte, zu einer Anhörung zu erscheinen, kam es zu Tumulten, bei denen mindestens 14 Menschen getötet wurden.
Der Fall Adji Sarr
Ousmane Sonko ist inzwischen die parlamentarische Immunität entzogen worden, im November ist er ein erstes Mal vor Gericht erschienen. Sarr hingegen steht unter Personenschutz. Der Fall zeigte, in welchem Ausmaß ein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer fehlendem Mitgefühl bis hin zu blankem Hass und Gewaltbereitschaft ausgesetzt sein kann – und er offenbarte das Schweigen der Frauenrechtlerinnen in einem angstbehafteten Klima.
Dabei hatten diese im Senegal Pionierarbeit geleistet. Hier begründete die Forscherin und Feministin Ndèye Fatou Kane 2018 den Hashtag #balancetonsaisai (übersetzt in etwa “Setz den Perversen vor die Tür”), eine erste westafrikanische Antwort auf #MeToo. Zuvor hatte eine Serie von Vergewaltigungen und Frauenmorden das Land erschüttert.
Doch das Wort macht nur langsam die Runde. Laut einem jüngsten Bericht von Amnesty International geben 23 Prozent der Frauen in Guinea an, vergewaltigt worden zu sein. Nur jede vierte teilte diese Erfahrung mit einer weiteren Person und gerade einmal fünf Prozent brachten das Geschehene zur Anzeige. Wie überall auf der Welt fürchten viele Frauen das Stigma und Straffreiheit für ihre Peiniger, haben Angst, von der Familie verstoßen zu werden – oder schlimmer noch, bewerten diese Gewalt als “normal”.
Der Senegal schneidet indes, abseits der unrühmlichen Entwicklungen im Fall Adji Sarr, eher gut ab, wenn es um den Kampf gegen genderbasierte Gewalt geht. So wurde unter dem Namen Bajenu Gox ein Patensystem für Wachsamkeit in der Nachbarschaft ins Leben gerufen, das als Modellprojekt gehandelt wird.
Dennoch sei die Situation “besorgniserregend”, sagt Khaita Sylla, deren Organisation Dafadoy (“Es reicht!” auf Wolof) sich dem Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt verschrieben hat. “2021 haben die acht Büros der senegalesischen Juristinnenvereinigung AJS 288 Fälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen registriert – gegenüber 57 Fällen von Gewalt an Jungen”, sagt Sylla.
In der benachbarten Sahelzone hat indes die Gewalt gegenüber Frauen deutlich zugenommen – eine Folge der jahrelangen bewaffneten Konflikte, deren erste Opfer Frauen und Kinder sind. In vielen Ländern haben Frauen zudem einen wenig emanzipierten Status. Das gilt etwa für Mali: Dort geht die Organisation Refela davon aus, dass 91 Prozent der Frauen Opfer von Genitalverstümmelung wurden und 55 Prozent verheiratet werden, bevor sie das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.
Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Frauen zwischen 20 und 24 Jahren in Westafrika waren verheiratet, bevor sie ihren 20. Geburtstag erreicht haben. Im Niger trifft das gar auf neun von zehn Frauen zu. Das ist entscheidend, wenn man bedenkt, dass das häusliche Umfeld einen großen Anteil der geschlechtsspezifischen Gewalt ausmacht: Laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation finden weltweit acht von zehn Fällen von physischer oder sexualisierter Gewalt in einer Partnerschaft statt.
Besonders schwer wiegt die Vergewaltigung von Kindern. Im Fall Guinea beruft sich Amnesty International auf Zahlen der nationalen Polizei, demnach ist ein Drittel aller 2021 erfassten Vergewaltigungen an Kindern unter 13 Jahren verübt worden. In der Elfenbeinküste beruft sich Refela auf Statistiken, die zwischen 2012 und 2015 rund 800 Vergewaltigungen von Minderjährigen anführen.
In der Demokratischen Republik Kongo schließlich kommt Vergewaltigung auch von Kindern regelmäßig als Mittel der Kriegsführung zum Einsatz. Nicht zufällig findet sich hier auch das Panzi-Krankenhaus von dem vielfach preisgekrönten Gynäkologen Denis Mukwege, der sich auf die Behandlung von Vergewaltigungsopfern spezialisiert hat.
Das gesamte Ausmaß von geschlechtsspezifischer Gewalt liegt im Dunkeln, da viele Opfer von Übergriffen diese nicht zur Anzeige bringen. Die Organisation Refela, ein Netzwerk von Frauen in politischen Ämtern in Afrika, geht aber davon aus, dass mehr als 40 Prozent der Frauen in Westafrika und 65 Prozent der Frauen in Zentralafrika bereits Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt wurden – bei einem weltweiten Durchschnitt von 30 Prozent. Wie in anderen Weltregionen ereignet sich eine Vielzahl der Fälle in der Ehe oder im weiteren privaten Umfeld.
So gar nichts Privates hatte hingegen ein Fall, der im westafrikanischen Senegal zuletzt Schlagzeilen machte. Dort stehen sich Adji Sarr, Angestellte eines Schönheitssalons, und Ousmane Sonko, einer der mächtigsten Politiker des Landes und Präsidentschaftskandidat für die Wahlen 2024, gegenüber. Sarr beschuldigt Sonko, sie zwischen 2020 und 2021 mehrfach vergewaltigt zu haben.
Der Fall Adji Sarr
Der Fall, der zurzeit vor Gericht verhandelt wird, ist zu einer Zerreißprobe für das Land geworden, das eigentlich als Insel der Demokratie inmitten einer krisengeplagten Region gilt. Denn zahlreiche Anhänger der politischen Opposition wollen sich ihren Hoffnungsträger nicht nehmen lassen und bezichtigen das Regierungslager von Präsident Macky Sall des Komplotts. Als sich Sonko im März zunächst weigerte, zu einer Anhörung zu erscheinen, kam es zu Tumulten, bei denen mindestens 14 Menschen getötet wurden.
Ousmane Sonko ist inzwischen die parlamentarische Immunität entzogen worden, im November ist er ein erstes Mal vor Gericht erschienen. Sarr hingegen steht unter Personenschutz. Der Fall zeigte, in welchem Ausmaß ein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer fehlendem Mitgefühl bis hin zu blankem Hass und Gewaltbereitschaft ausgesetzt sein kann – und er offenbarte das Schweigen der Frauenrechtlerinnen in einem angstbehafteten Klima.
Dabei hatten diese im Senegal Pionierarbeit geleistet. Hier begründete die Forscherin und Feministin Ndèye Fatou Kane 2018 den Hashtag #balancetonsaisai (übersetzt in etwa “Setz den Perversen vor die Tür”), eine erste westafrikanische Antwort auf #MeToo. Zuvor hatte eine Serie von Vergewaltigungen und Frauenmorden das Land erschüttert.
Doch das Wort macht nur langsam die Runde. Laut einem jüngsten Bericht von Amnesty International geben 23 Prozent der Frauen in Guinea an, vergewaltigt worden zu sein. Nur jede vierte teilte diese Erfahrung mit einer weiteren Person und gerade einmal fünf Prozent brachten das Geschehene zur Anzeige. Wie überall auf der Welt fürchten viele Frauen das Stigma und Straffreiheit für ihre Peiniger, haben Angst, von der Familie verstoßen zu werden – oder schlimmer noch, bewerten diese Gewalt als “normal”.
Senegals Antwort auf #MeToo
Der Senegal schneidet indes, abseits der unrühmlichen Entwicklungen im Fall Adji Sarr, eher gut ab, wenn es um den Kampf gegen genderbasierte Gewalt geht. So wurde unter dem Namen Bajenu Gox ein Patensystem für Wachsamkeit in der Nachbarschaft ins Leben gerufen, das als Modellprojekt gehandelt wird.
Gewalt in der Ehe aus Gewohnheit
Dennoch sei die Situation “besorgniserregend”, sagt Khaita Sylla, deren Organisation Dafadoy (“Es reicht!” auf Wolof) sich dem Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt verschrieben hat. “2021 haben die acht Büros der senegalesischen Juristinnenvereinigung AJS 288 Fälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen registriert – gegenüber 57 Fällen von Gewalt an Jungen”, sagt Sylla.
In der benachbarten Sahelzone hat indes die Gewalt gegenüber Frauen deutlich zugenommen – eine Folge der jahrelangen bewaffneten Konflikte, deren erste Opfer Frauen und Kinder sind. In vielen Ländern haben Frauen zudem einen wenig emanzipierten Status. Das gilt etwa für Mali: Dort geht die Organisation Refela davon aus, dass 91 Prozent der Frauen Opfer von Genitalverstümmelung wurden und 55 Prozent verheiratet werden, bevor sie das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.
Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Frauen zwischen 20 und 24 Jahren in Westafrika waren verheiratet, bevor sie ihren 20. Geburtstag erreicht haben. Im Niger trifft das gar auf neun von zehn Frauen zu. Das ist entscheidend, wenn man bedenkt, dass das häusliche Umfeld einen großen Anteil der geschlechtsspezifischen Gewalt ausmacht: Laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation finden weltweit acht von zehn Fällen von physischer oder sexualisierter Gewalt in einer Partnerschaft statt.
Mädchen als Opfer
Besonders schwer wiegt die Vergewaltigung von Kindern. Im Fall Guinea beruft sich Amnesty International auf Zahlen der nationalen Polizei, demnach ist ein Drittel aller 2021 erfassten Vergewaltigungen an Kindern unter 13 Jahren verübt worden. In der Elfenbeinküste beruft sich Refela auf Statistiken, die zwischen 2012 und 2015 rund 800 Vergewaltigungen von Minderjährigen anführen.
In der Demokratischen Republik Kongo schließlich kommt Vergewaltigung auch von Kindern regelmäßig als Mittel der Kriegsführung zum Einsatz. Nicht zufällig findet sich hier auch das Panzi-Krankenhaus von dem vielfach preisgekrönten Gynäkologen Denis Mukwege, der sich auf die Behandlung von Vergewaltigungsopfern spezialisiert hat.