Schwarzer Piet: Warum Nikolaus’ Helfer in den Niederlanden so umstritten ist
Das Nikolausfest ist in den Niederlanden wichtiger als Weihnachten. Doch zuletzt ging es vor allem um seinen Begleiter, den Schwarzen Piet – und die Frage, wo die Grenze zwischen Rassismus und Tradition verläuft.
Zieht der Nikolaus Mitte November zu Pferd, im Boot oder im Heißluftballon in die Niederlande ein, begrüßen ihn Millionen Kinder an den Grachten und am Straßenrand. Und er kommt nicht allein, sondern bringt seine Helfer mit, die Zwarte Pieten, die Schwarzen Peter. Allein in Amsterdam sind es Hunderte, die sich mit Sinterklaas auf dem Schiff drängen, den Kindern Pfeffernüsse zustecken, tanzen, winken, herumalbern. Bis sie am Abend des fünften Dezembers ihre Geschenke übergeben oder in die Schuhe gesteckt haben, gibt es in den Niederlanden kaum ein Entkommen vor ihnen – sie haben sogar eine eigene Nachrichtensendung im Fernsehen.
Für Menschen wie den Aktivisten Jerry Afriyie gehören diese Wochen zu den anstrengendsten im ganzen Jahr. Denn der Zwarte Piet wird in der Regel durch weiße Niederländer dargestellt, die sich ihr Gesicht schwarz bemalen, oft Perücken mit krausen oder lockigen Haaren tragen, gelegentlich die Lippen recht großzügig schminken und früher meist goldene Ohrringe trugen.
Zieht der Nikolaus Mitte November zu Pferd, im Boot oder im Heißluftballon in die Niederlande ein, begrüßen ihn Millionen Kinder an den Grachten und am Straßenrand. Und er kommt nicht allein, sondern bringt seine Helfer mit, die Zwarte Pieten, die Schwarzen Peter. Allein in Amsterdam sind es Hunderte, die sich mit Sinterklaas auf dem Schiff drängen, den Kindern Pfeffernüsse zustecken, tanzen, winken, herumalbern. Bis sie am Abend des fünften Dezembers ihre Geschenke übergeben oder in die Schuhe gesteckt haben, gibt es in den Niederlanden kaum ein Entkommen vor ihnen – sie haben sogar eine eigene Nachrichtensendung im Fernsehen.
Das sei Blackfacing, eine rassistische Darstellung von schwarzen Menschen, die es so längst nicht mehr geben sollte, sagt Afriyie. Sie mache schwarze Niederländerinnen und Niederländer zum Ziel von Spott. Vor allem aber zeige sie, wie sehr die Niederlande immer noch die Aufarbeitung ihrer kolonialen Vergangenheit ignorierten.
Jerry Afriyie: “Niederlande ignorieren ihre koloniale Vergangenheit”
Die Debatte setze mit dem Zwarten Piet an der falschen Stelle an – und gefährde somit eine der wichtigsten traditionellen Feiern in den Niederlanden, sagt wiederum Marc Giling, der sich bei Paraden selbst als Zwarter Piet verkleidet hat und Gründer der Sint & Pietengilde ist, einem Sprachrohr der Zwarte Pieten.
Innerhalb der Gemeinschaft von Schwarzen in den Niederlanden sei die Figur des Zwarte Piet schon seit Jahrzehnten umstritten, sagt Mitchell Esajas, Gründer der Black Archives in Amsterdam. So sagte beispielsweise die Schauspielerin Gerda Havertong in den 1980er-Jahren in einer Folge der Sesamstraße: “Ich habe es satt, die ganze Zeit Zwarte Piet genannt zu werden.” Zugehört aber habe den Menschen damals kaum jemand, sagt Historikerin Elisabeth Koning.
Doch dann kamen die 2010er-Jahre – und mit ihnen Handys, die filmen konnten, und eine neue Generation schwarzer Niederländerinnen und Niederländer, die endgültig genug hatte. “Wir haben jedes Recht, als vollwertige Niederländerinnen und Niederländer gesehen zu werden – so wie jedes andere Kind, das in diesem Land geboren wurde. Wir haben den gleichen Respekt verdient”, sagt Jerry Afriyie.
Er gehört zu den Initiatoren der neuen Protestwelle und lief 2011 als Teil einer Kunstaktion mit einem T-Shirt durch die Öffentlichkeit, auf dem “Zwarte Piet is Racism” stand. Als seine Gruppe bei einem Nikolausumzug von der Polizei verhaftet wurde, hielten Handys das brutale Vorgehen der Beamten fest – und die Bewegung trat sich los.
Dass die Emotionen schnell hochkochen, wenn es um Traditionen geht, bekommt vor allem die Anti-Zwarte-Piet-Seite immer wieder zu spüren – bis heute. Als Mitte November 2022 Aktivistinnen und Aktivisten gegen den Nikolaus-Einzug in das Städtchen Staphorst protestieren wollten, wo immer noch Zwarte Piet mit Blackfacing auftreten, passte ein Mob Zwarte Pieten die Leute auf der Straße ab, bewarf sie mit Eiern und griff ihre Autos an. In der Vergangenheit wurde Unterstützerinnen und Unterstützern der Bewegung sogar mit dem Tod gedroht.
Marc Giling, Gründer der Sint & Pietengilde, distanziert sich ausdrücklich von Mobs. Er glaubt trotzdem, dass es die Blackfacing-Debatte gar nicht geben müsse, denn sie fuße auf einem einzigen, wenn auch äußerst großen Missverständnis. Der Schwarze Piet stelle keine schwarze Person dar, sondern sei auf heidnische Bräuche zurückzuführen. So wie es in Deutschland den Krampus gebe, sei in den Niederlanden der Nikolaus von Sagengestalten begleitet gewesen, die irgendwann Menschenform angenommen hätten – die schwarze Gesichtsbemalung sei nur zufälligerweise übriggeblieben. Von daher könne der Zwarte Piet gar nicht rassistisch sein. “Es gibt Bilder aus dieser Zeit mit teufelsähnlichen Abbildungen wie dem Krampus, das stimmt”, sagt Historikerin Elisabeth Koning, relativiert aber sogleich: “Das ist nicht dieselbe Figur, mit der wir heute feiern.”
Der Zwarte Piet, sagt sie, sei erst im 19. Jahrhundert in seiner Rolle als Begleiter des Sinterklaas aufgetaucht – und diese Entstehungszeit habe deutliche Spuren von Blackfacing hinterlassen. Das eigentliche Missverständnis sei, dass Blackfacing als stereotype Darstellung von schwarzen Menschen nicht nur in den amerikanischen Minstrel Shows, sondern auch in der früheren Kolonialmacht Niederlande weit verbreitet gewesen sei.
In den meisten Schulen, bei vielen Paraden und im Fernsehen treten seit einiger Zeit nun sogenannte Schoorsteenpieten auf, Pieten mit vereinzelten Rußflecken im Gesicht von der Geschenkeanlieferung durch den Schornstein. Einige Städte probieren auch, neben schwarz nun grau, gelb oder lila geschminkte Pieten zu den Paraden zu schicken.
Ihm sei die Veränderung am Ende egal – solange endlich der Rassismus verschwinde und es nicht einfach “Zwarte Piet Light” gebe, sagt Afriyie. Gegen Veränderung an sich habe er nichts, sagt auch Giling – aber beim Schornstein-Piet könnten Kinder wegen der wenigen Schminke die Darsteller erkennen, das nehme den Pieten ihren Zauber. “Wenn eine Tradition zerbricht, sobald wir den Rassismus entfernen, dann sollten wir sie sowieso nicht an unsere Kinder weitergeben”, sagt Afriyie.
Als die Proteste 2011 anfingen, unterstützten neun von zehn Niederländerinnen und Niederländern das Erscheinungsbild des Zwarte Piet. Ministerpräsident Mark Rutte, der sich selbst diverse Male als Zwarte Piet verkleidet hatte, befand: “Zwarte Piet ist nun einmal Schwarz.”
Heute findet etwa die Hälfte der Niederländerinnen und Niederländer, dass die Figur des Zwarte Piet verändert werden sollte. Und Rutte, bis heute Ministerpräsident, sagte nach den Protesten zum Tod von Georg Floyd, auch er habe seine Meinung inzwischen geändert. Er werde die Darstellung des Zwarte Piet zwar nicht verbieten lassen – aber er glaube, dass es in ein paar Jahren ohnehin keine Zwarte Pieten mehr gebe.
Zieht der Nikolaus Mitte November zu Pferd, im Boot oder im Heißluftballon in die Niederlande ein, begrüßen ihn Millionen Kinder an den Grachten und am Straßenrand. Und er kommt nicht allein, sondern bringt seine Helfer mit, die Zwarte Pieten, die Schwarzen Peter. Allein in Amsterdam sind es Hunderte, die sich mit Sinterklaas auf dem Schiff drängen, den Kindern Pfeffernüsse zustecken, tanzen, winken, herumalbern. Bis sie am Abend des fünften Dezembers ihre Geschenke übergeben oder in die Schuhe gesteckt haben, gibt es in den Niederlanden kaum ein Entkommen vor ihnen – sie haben sogar eine eigene Nachrichtensendung im Fernsehen.
Für Menschen wie den Aktivisten Jerry Afriyie gehören diese Wochen zu den anstrengendsten im ganzen Jahr. Denn der Zwarte Piet wird in der Regel durch weiße Niederländer dargestellt, die sich ihr Gesicht schwarz bemalen, oft Perücken mit krausen oder lockigen Haaren tragen, gelegentlich die Lippen recht großzügig schminken und früher meist goldene Ohrringe trugen.
Jerry Afriyie: “Niederlande ignorieren ihre koloniale Vergangenheit”
Das sei Blackfacing, eine rassistische Darstellung von schwarzen Menschen, die es so längst nicht mehr geben sollte, sagt Afriyie. Sie mache schwarze Niederländerinnen und Niederländer zum Ziel von Spott. Vor allem aber zeige sie, wie sehr die Niederlande immer noch die Aufarbeitung ihrer kolonialen Vergangenheit ignorierten.
Die Debatte setze mit dem Zwarten Piet an der falschen Stelle an – und gefährde somit eine der wichtigsten traditionellen Feiern in den Niederlanden, sagt wiederum Marc Giling, der sich bei Paraden selbst als Zwarter Piet verkleidet hat und Gründer der Sint & Pietengilde ist, einem Sprachrohr der Zwarte Pieten.
Innerhalb der Gemeinschaft von Schwarzen in den Niederlanden sei die Figur des Zwarte Piet schon seit Jahrzehnten umstritten, sagt Mitchell Esajas, Gründer der Black Archives in Amsterdam. So sagte beispielsweise die Schauspielerin Gerda Havertong in den 1980er-Jahren in einer Folge der Sesamstraße: “Ich habe es satt, die ganze Zeit Zwarte Piet genannt zu werden.” Zugehört aber habe den Menschen damals kaum jemand, sagt Historikerin Elisabeth Koning.
Doch dann kamen die 2010er-Jahre – und mit ihnen Handys, die filmen konnten, und eine neue Generation schwarzer Niederländerinnen und Niederländer, die endgültig genug hatte. “Wir haben jedes Recht, als vollwertige Niederländerinnen und Niederländer gesehen zu werden – so wie jedes andere Kind, das in diesem Land geboren wurde. Wir haben den gleichen Respekt verdient”, sagt Jerry Afriyie.
“Wir haben den gleichen Respekt verdient”
Er gehört zu den Initiatoren der neuen Protestwelle und lief 2011 als Teil einer Kunstaktion mit einem T-Shirt durch die Öffentlichkeit, auf dem “Zwarte Piet is Racism” stand. Als seine Gruppe bei einem Nikolausumzug von der Polizei verhaftet wurde, hielten Handys das brutale Vorgehen der Beamten fest – und die Bewegung trat sich los.
Aktivistinnen und Aktivisten erhielten Morddrohungen
Dass die Emotionen schnell hochkochen, wenn es um Traditionen geht, bekommt vor allem die Anti-Zwarte-Piet-Seite immer wieder zu spüren – bis heute. Als Mitte November 2022 Aktivistinnen und Aktivisten gegen den Nikolaus-Einzug in das Städtchen Staphorst protestieren wollten, wo immer noch Zwarte Piet mit Blackfacing auftreten, passte ein Mob Zwarte Pieten die Leute auf der Straße ab, bewarf sie mit Eiern und griff ihre Autos an. In der Vergangenheit wurde Unterstützerinnen und Unterstützern der Bewegung sogar mit dem Tod gedroht.
Marc Giling, Gründer der Sint & Pietengilde, distanziert sich ausdrücklich von Mobs. Er glaubt trotzdem, dass es die Blackfacing-Debatte gar nicht geben müsse, denn sie fuße auf einem einzigen, wenn auch äußerst großen Missverständnis. Der Schwarze Piet stelle keine schwarze Person dar, sondern sei auf heidnische Bräuche zurückzuführen. So wie es in Deutschland den Krampus gebe, sei in den Niederlanden der Nikolaus von Sagengestalten begleitet gewesen, die irgendwann Menschenform angenommen hätten – die schwarze Gesichtsbemalung sei nur zufälligerweise übriggeblieben. Von daher könne der Zwarte Piet gar nicht rassistisch sein. “Es gibt Bilder aus dieser Zeit mit teufelsähnlichen Abbildungen wie dem Krampus, das stimmt”, sagt Historikerin Elisabeth Koning, relativiert aber sogleich: “Das ist nicht dieselbe Figur, mit der wir heute feiern.”
Der Zwarte Piet, sagt sie, sei erst im 19. Jahrhundert in seiner Rolle als Begleiter des Sinterklaas aufgetaucht – und diese Entstehungszeit habe deutliche Spuren von Blackfacing hinterlassen. Das eigentliche Missverständnis sei, dass Blackfacing als stereotype Darstellung von schwarzen Menschen nicht nur in den amerikanischen Minstrel Shows, sondern auch in der früheren Kolonialmacht Niederlande weit verbreitet gewesen sei.
Streit um Geschichte des Zwarte Piet
In den meisten Schulen, bei vielen Paraden und im Fernsehen treten seit einiger Zeit nun sogenannte Schoorsteenpieten auf, Pieten mit vereinzelten Rußflecken im Gesicht von der Geschenkeanlieferung durch den Schornstein. Einige Städte probieren auch, neben schwarz nun grau, gelb oder lila geschminkte Pieten zu den Paraden zu schicken.
Ihm sei die Veränderung am Ende egal – solange endlich der Rassismus verschwinde und es nicht einfach “Zwarte Piet Light” gebe, sagt Afriyie. Gegen Veränderung an sich habe er nichts, sagt auch Giling – aber beim Schornstein-Piet könnten Kinder wegen der wenigen Schminke die Darsteller erkennen, das nehme den Pieten ihren Zauber. “Wenn eine Tradition zerbricht, sobald wir den Rassismus entfernen, dann sollten wir sie sowieso nicht an unsere Kinder weitergeben”, sagt Afriyie.
Schornstein-Piet statt Schwarzer Piet
Als die Proteste 2011 anfingen, unterstützten neun von zehn Niederländerinnen und Niederländern das Erscheinungsbild des Zwarte Piet. Ministerpräsident Mark Rutte, der sich selbst diverse Male als Zwarte Piet verkleidet hatte, befand: “Zwarte Piet ist nun einmal Schwarz.”
Zwarte Piet – ein Auslaufmodell?
Heute findet etwa die Hälfte der Niederländerinnen und Niederländer, dass die Figur des Zwarte Piet verändert werden sollte. Und Rutte, bis heute Ministerpräsident, sagte nach den Protesten zum Tod von Georg Floyd, auch er habe seine Meinung inzwischen geändert. Er werde die Darstellung des Zwarte Piet zwar nicht verbieten lassen – aber er glaube, dass es in ein paar Jahren ohnehin keine Zwarte Pieten mehr gebe.