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WM-Modetrend: ein Kopftuch als Zeichen der Annäherung?

Die traditionelle katarische Kopfbedeckung Ghutra ist ein Verkaufsschlager bei dieser WM. Doch wofür steht sie – kulturelle Aneignung oder Symbol der Völkerverständigung?

Der wuselige Souq Waqif zieht Fans und Schaulustige an wie kaum ein anderer Ort in Doha in diesen Tagen. Ein nachgebauter Marktplatz, bestehend aus alten Lehmgebäuden mit engen Gassen und Tunneln. Zu kaufen gibt es allerhand – ob Schmuck, Teppiche, Badelatschen, gemalte Porträts des Emirs von Katar oder Wellensittiche in goldenen Käfigen. Aber ein WM-Souvenir ist in diesen Tagen besonders beliebt: die in Katar traditionelle Kopfbedeckung Ghutra.

“Es fühlt sich großartig an”, sagt Vincent, der in den USA studiert, aber eigentlich aus China stammt. Er deutet dabei auf das weiße Tuch auf seinem Kopf, das von einer Kordel zusammengehalten wird und am Nacken herunterhängt. “Du kannst es hier an jeder Ecke bekommen.” Vincent und sein Freund haben bei einem Händler auf dem Souq Waqif jeweils 45 Riyal dafür bezahlt, umgerechnet etwa 12 Euro. Und sie sind nicht die einzigen, die sich auch optisch ganz der Weltmeisterschaft und Gastgeber Katar hingeben.

Der wuselige Souq Waqif zieht Fans und Schaulustige an wie kaum ein anderer Ort in Doha in diesen Tagen. Ein nachgebauter Marktplatz, bestehend aus alten Lehmgebäuden mit engen Gassen und Tunneln. Zu kaufen gibt es allerhand – ob Schmuck, Teppiche, Badelatschen, gemalte Porträts des Emirs von Katar oder Wellensittiche in goldenen Käfigen. Aber ein WM-Souvenir ist in diesen Tagen besonders beliebt: die in Katar traditionelle Kopfbedeckung Ghutra.

Die arabische Ghutra ist überall. Sie prangt auf dem Haupt rotgesichtiger Engländer und bietet so zumindest etwas Schutz vor der Sonne, geistert als WM-Maskottchen “La’eeb” durch die Werbekampagnen der FIFA und selbst einige Mexikaner haben ihre berühmten Sombreros eingetauscht. Besonders beliebt sind auch die Exemplare in den Farben Argentiniens, wahlweise auch mit Messi-Gesichtern verziert. 

Verkaufsschlager in Marokkos Farben

“Es gibt großes Interesse bei den Fans aus Lateinamerika”, erzählt Asfundyar aus Pakistan. Er arbeitet in einem der Ghutra-Mundo-Shops, die die Kopftücher in den Farben aller WM-Teilnehmerländer verkaufen. Sechs davon gibt es in Katars Hauptstadt Doha, vor allem in größeren Malls oder in der Nähe von U-Bahn-Stationen. Absolute Verkaufsschlager sind die Tücher in den Farben von Marokko, Saudi Arabien und überraschenderweise Ecuador, berichtet Asfundyar. Zu Turnierbeginn waren sie zwischenzeitlich sogar ausverkauft und es musste schnell Nachschub her: “Die gingen über den Ladentisch wie warme Semmeln.”

Die Idee, die Ghutra zum WM-Souvenir zu machen, hatten vier katarische Geschäftsmänner, die auch gleich einen Online-Handel aufgezogen haben. In den offiziellen Ghutra-Mundo-Shops muss man auch deshalb etwas mehr bezahlen als andernorts, umgerechnet etwa 25 Euro. Zur K.o.-Runde allerdings gibt es einen kleinen Rabatt für Länder, die schon ausgeschieden sind. “Clever, oder?”, lobt Asfundyar die Geschäftsidee. Es gehe auch darum, die vielen Fans mit der eigenen Kultur vertraut zu machen. Kadir aus Kuwait ist noch auf der Suche nach einem Geschenk und kauft eine Ghutra im Iran-Look. Zwei andere Besucher im Laden zögern noch etwas. Wer will, bekommt das Kopftuch gleich fachmännisch gefaltet und angelegt.

Die Ghutra wird in den Golfstaaten zumeist mit einer schwarzen Kordel und der Kandura, einem gebügelten weißen Hemd, das fast bis zum Boden reicht, getragen. Den arabischen Dresscode für Männer gibt es in Katar, Bahrain, Kuwait, Saudi Arabien, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber jedes Land hat seine Eigenheiten.

Es kommt auf die Details an, auch die Farben spielen eine Rolle. Saudis beispielsweise tragen ein rot-weiß kariertes Tuch, bei den Kataris ist es blütenweiß und in einer speziellen Form gefaltet, die über der Stirn enger zusammenläuft und oben auf dem Haupt an eine Kobra erinnert. Für viele WM-Touristen sind die Unterschiede kaum auszumachen, aber untereinander erkennen sich Einwohner aus den Golfstaaten auf den ersten Blick. 

“Es hat Tradition. Die weiße Farbe schützt vor der Hitze und Sonne”, erklärt Issa, der aus Katar stammt. Er schlendert mit zwei Freunden im Schlepptau über den Souq Waqif. Issa trägt, wie es üblich ist, zu Ghutra und Kandara-Hemd einfache Ledersandalen.

Berühmtheit erlangte die Ghutra in den 1980er Jahren durch den späteren Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Jassir Arafat, der sie als Markenzeichen trug. Durch den Vorsitzenden der Palästinensischen Freiheitsbewegung wurde sie auch politisch aufgeladen und international zu einem Symbol des Freiheitskampfes. In den Golfstaaten ist die Kleiderordnung dagegen unpolitisch.

“Ich trage sie, seit ich hier bin. Eigentlich die ganze Zeit”, sagt Mark aus dem Senegal, auf dem Kopf die Ghutra in grün, gelb und rot – den Farben Senegals. “Manchmal werde ich gegrüßt und ein Katari kommt und rückt sie wieder zurecht, weil sie verrutscht ist. Das machen sie hier”, sagt er. Etliche Videos kursieren in den Sozialen Medien: Einheimische, die Hand anlegen mit Fans, die stillhalten und die Zeremonie geduldig über sich ergehen lassen.

Dabei wird das Tragen von etwa Schmuck, Mode oder Kostümen, die auf Stereotypen basieren, in Europa oder Nordamerika sehr kritisch gesehen, besonders wenn Träger und Trägerinnen nicht der entsprechenden ethnischen Gruppe angehören. Alberne WM-Touristen, die sich einen Spaß daraus machen und die traditionelle Kleidung ins Lächerliche ziehen? Mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung können die meisten Fans nichts anfangen. “Darum geht es doch bei einer WM”, sagt Mark. “Leute aus ganz verschiedenen Ländern kommen für den Fußball, aber lernen sich auch besser kennen.”

Auch Issa aus Katar findet positive Worte. Wie viele Kataris, so hört man, empfindet er Stolz: “Das ist eine gute Sache. Es repräsentiert schließlich unsere Kultur. Wir lieben die vielen unterschiedlichen Farben der Fans.” Die Farbkombination schwarz, rot, gold kommt bei dieser WM allerdings weniger gut an. Im Ghutra-Mundo-Shop ist sie Ladenhüter, sagt Asfundyar: “Deutschland verkauft sich so schlecht wie keine andere Nation.”

Marokkanische Fans mit arabischer traditioneller Kleidung bei der FIFA-WM 2022 in Katar
Ein Brasilien-Fan lässt sich die traditionelle Kopfbedeckung fachmännisch anlegen

Der wuselige Souq Waqif zieht Fans und Schaulustige an wie kaum ein anderer Ort in Doha in diesen Tagen. Ein nachgebauter Marktplatz, bestehend aus alten Lehmgebäuden mit engen Gassen und Tunneln. Zu kaufen gibt es allerhand – ob Schmuck, Teppiche, Badelatschen, gemalte Porträts des Emirs von Katar oder Wellensittiche in goldenen Käfigen. Aber ein WM-Souvenir ist in diesen Tagen besonders beliebt: die in Katar traditionelle Kopfbedeckung Ghutra.

“Es fühlt sich großartig an”, sagt Vincent, der in den USA studiert, aber eigentlich aus China stammt. Er deutet dabei auf das weiße Tuch auf seinem Kopf, das von einer Kordel zusammengehalten wird und am Nacken herunterhängt. “Du kannst es hier an jeder Ecke bekommen.” Vincent und sein Freund haben bei einem Händler auf dem Souq Waqif jeweils 45 Riyal dafür bezahlt, umgerechnet etwa 12 Euro. Und sie sind nicht die einzigen, die sich auch optisch ganz der Weltmeisterschaft und Gastgeber Katar hingeben.

Verkaufsschlager in Marokkos Farben

Die arabische Ghutra ist überall. Sie prangt auf dem Haupt rotgesichtiger Engländer und bietet so zumindest etwas Schutz vor der Sonne, geistert als WM-Maskottchen “La’eeb” durch die Werbekampagnen der FIFA und selbst einige Mexikaner haben ihre berühmten Sombreros eingetauscht. Besonders beliebt sind auch die Exemplare in den Farben Argentiniens, wahlweise auch mit Messi-Gesichtern verziert. 

“Es gibt großes Interesse bei den Fans aus Lateinamerika”, erzählt Asfundyar aus Pakistan. Er arbeitet in einem der Ghutra-Mundo-Shops, die die Kopftücher in den Farben aller WM-Teilnehmerländer verkaufen. Sechs davon gibt es in Katars Hauptstadt Doha, vor allem in größeren Malls oder in der Nähe von U-Bahn-Stationen. Absolute Verkaufsschlager sind die Tücher in den Farben von Marokko, Saudi Arabien und überraschenderweise Ecuador, berichtet Asfundyar. Zu Turnierbeginn waren sie zwischenzeitlich sogar ausverkauft und es musste schnell Nachschub her: “Die gingen über den Ladentisch wie warme Semmeln.”

Die Idee, die Ghutra zum WM-Souvenir zu machen, hatten vier katarische Geschäftsmänner, die auch gleich einen Online-Handel aufgezogen haben. In den offiziellen Ghutra-Mundo-Shops muss man auch deshalb etwas mehr bezahlen als andernorts, umgerechnet etwa 25 Euro. Zur K.o.-Runde allerdings gibt es einen kleinen Rabatt für Länder, die schon ausgeschieden sind. “Clever, oder?”, lobt Asfundyar die Geschäftsidee. Es gehe auch darum, die vielen Fans mit der eigenen Kultur vertraut zu machen. Kadir aus Kuwait ist noch auf der Suche nach einem Geschenk und kauft eine Ghutra im Iran-Look. Zwei andere Besucher im Laden zögern noch etwas. Wer will, bekommt das Kopftuch gleich fachmännisch gefaltet und angelegt.

Die Ghutra wird in den Golfstaaten zumeist mit einer schwarzen Kordel und der Kandura, einem gebügelten weißen Hemd, das fast bis zum Boden reicht, getragen. Den arabischen Dresscode für Männer gibt es in Katar, Bahrain, Kuwait, Saudi Arabien, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber jedes Land hat seine Eigenheiten.

Nationaltracht in den Golfstaaten

Es kommt auf die Details an, auch die Farben spielen eine Rolle. Saudis beispielsweise tragen ein rot-weiß kariertes Tuch, bei den Kataris ist es blütenweiß und in einer speziellen Form gefaltet, die über der Stirn enger zusammenläuft und oben auf dem Haupt an eine Kobra erinnert. Für viele WM-Touristen sind die Unterschiede kaum auszumachen, aber untereinander erkennen sich Einwohner aus den Golfstaaten auf den ersten Blick. 

Die Ghutra als Social-Media-Trend 

“Es hat Tradition. Die weiße Farbe schützt vor der Hitze und Sonne”, erklärt Issa, der aus Katar stammt. Er schlendert mit zwei Freunden im Schlepptau über den Souq Waqif. Issa trägt, wie es üblich ist, zu Ghutra und Kandara-Hemd einfache Ledersandalen.

Berühmtheit erlangte die Ghutra in den 1980er Jahren durch den späteren Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Jassir Arafat, der sie als Markenzeichen trug. Durch den Vorsitzenden der Palästinensischen Freiheitsbewegung wurde sie auch politisch aufgeladen und international zu einem Symbol des Freiheitskampfes. In den Golfstaaten ist die Kleiderordnung dagegen unpolitisch.

“Ich trage sie, seit ich hier bin. Eigentlich die ganze Zeit”, sagt Mark aus dem Senegal, auf dem Kopf die Ghutra in grün, gelb und rot – den Farben Senegals. “Manchmal werde ich gegrüßt und ein Katari kommt und rückt sie wieder zurecht, weil sie verrutscht ist. Das machen sie hier”, sagt er. Etliche Videos kursieren in den Sozialen Medien: Einheimische, die Hand anlegen mit Fans, die stillhalten und die Zeremonie geduldig über sich ergehen lassen.

Kulturelle Aneignung oder Völkerverständigung?

Dabei wird das Tragen von etwa Schmuck, Mode oder Kostümen, die auf Stereotypen basieren, in Europa oder Nordamerika sehr kritisch gesehen, besonders wenn Träger und Trägerinnen nicht der entsprechenden ethnischen Gruppe angehören. Alberne WM-Touristen, die sich einen Spaß daraus machen und die traditionelle Kleidung ins Lächerliche ziehen? Mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung können die meisten Fans nichts anfangen. “Darum geht es doch bei einer WM”, sagt Mark. “Leute aus ganz verschiedenen Ländern kommen für den Fußball, aber lernen sich auch besser kennen.”

Auch Issa aus Katar findet positive Worte. Wie viele Kataris, so hört man, empfindet er Stolz: “Das ist eine gute Sache. Es repräsentiert schließlich unsere Kultur. Wir lieben die vielen unterschiedlichen Farben der Fans.” Die Farbkombination schwarz, rot, gold kommt bei dieser WM allerdings weniger gut an. Im Ghutra-Mundo-Shop ist sie Ladenhüter, sagt Asfundyar: “Deutschland verkauft sich so schlecht wie keine andere Nation.”

Die traditionelle Kopfbedeckung gibt es in den Farben alle WM-Teilnehmer

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