Warum so viele Menschen noch an Hexen glauben
Haben Sie manchmal das Gefühl, da kann doch was nicht mit rechten Dingen zugehen? Dann sind Sie nicht allein. Der Glaube an Hexerei treibt auch im 21. Jahrhundert noch viele Menschen um.
“Ich bin eine moderne Hexe, da steh’ ich zu”, sagt die Kölnerin Barbara. In der Frühen Neuzeit wäre sie für diese Aussage wohl auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Barbara ist nicht die Einzige, die heute noch an Hexerei glaubt. Immerhin sind weltweit beachtliche 40 Prozent der Bevölkerung aus 95 Ländern überzeugt, dass es Hexen gibt, hat eine globale Studie des Ökonomen Boris Gershman von der American University in Washington ergeben. Wobei der Wert schwankt: In Tunesien sind es rund 90, in Deutschland gerade mal 13 Prozent. Als hexengläubig definieren die Autoren unter anderem diejenigen, die an den bösen Blick und an Verwünschungen glauben.
“Ich bin eine moderne Hexe, da steh’ ich zu”, sagt die Kölnerin Barbara. In der Frühen Neuzeit wäre sie für diese Aussage wohl auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Barbara aber will niemanden verfluchen, betont sie der DW gegenüber mit Nachdruck. “Dieses klassische Bild von einer Hexe, die sich nachts rausschleicht, auf dem Besen fliegt und den Leuten irgendwas Böses anzaubert, das ist natürlich totaler Schwachsinn.”
Sündenböcke für alles Unheil
Es ist aber genau dieses Bild, dem zwischen circa 1500 und 1750 viele Menschen, vor allem Frauen, zum Opfer fielen. Krankheiten, totes Vieh, Missernten, geschäftlicher Misserfolg: Ein Sündenbock musste her, in der Vergangenheit – und in manchen Ländern noch heute. “Ähnliche Hexereivorstellungen wie in der Frühen Neuzeit existieren tatsächlich heute auch in anderen Teilen der Welt als Erklärung für Unheil”, so die Ethnologin Iris Gareis gegenüber der DW. “Leider werden schon seit Jahrzehnten Personen, die man für Hexer oder Hexen hält, in vielen Teilen der Welt auf grausame Weise getötet.”
Doch während in Tansania oder Ghana der Hexerei bezichtigte Frauen in Hexenlagern Zuflucht suchen müssen, um dem Tode zu entgehen, bekennen sich Menschen auf der nördlichen Halbkugel offen zum Hexentum. Auch Justin (Name geändert): “Als Kind lernt man die Hexe in Hänsel und Gretel als die Böse kennen, die das Gute auffrisst. Und irgendwann setzt man sich damit auseinander und sieht die Hexe als weise Frau.” Justin ist bekennender Wicca, das ist eine neureligiöse Bewegung, deren Name auf das altenglische Wort “wicca” für Hexe zurückgeht.
Das Wort Hexe leitet sich vom althochdeutschen “hagazussa” ab und bedeutet Zaunreiter(in). Als solcher könne er in andere Welten blicken, so Justin – und Magie in sein Leben und das anderer Menschen bringen. Dabei helfen ihm Geistwesen und magische Rituale, verrät er. Im Christentum habe ihm die Magie gefehlt, er habe sich dort nie wirklich zuhause gefühlt.
Auch Barbara fühlte sich von der Kirche nicht angesprochen. Als Hexe sei sie eine Anhängerin von Naturreligionen, sagt sie. Sie spricht mit Bäumen und trommelt, um auf Trancereisen mit Geistern Kontakt aufzunehmen. Das habe sie von einem Schamanen gelernt. “Das Hexenuniversum ist reich und bunt. Man lebt ein bisschen hier und ein bisschen in einer Parallelwelt.”
Während viele moderne Hexen Karten legen, benutzt Barbara lieber Runen als Zukunftsorakel. “Warum soll ich warten, bis die Schicksalsmächte mir was mitgeben?”, fragt sie. “Wenn ich eine Frage stelle, dann kommt mit Sicherheit auch die Antwort.” Auch Räucherwerk und Pflanzenextrakte hat sie immer zu Hause – um Krankheiten zu bekämpfen. “Das klingt alles nach Kräuterweiblein. Aber es soll auch danach klingen, weil das früher eben Hexentum ausmachte, Kräuter zu kennen und die Leute zu heilen.”
Das Bild von der Hexe als weiser Frau, die über ein besonderes Wissen als Heilkundlerin und Hebamme verfügt, sei aus historischer Sicht nichts weiter als ein Klischee, sagt die Ethnologin Iris Gareis. “Die als Hexen verfolgten Frauen sind eben nicht immer irgendwelche tollen Kräuterspezialistinnen gewesen, sondern meist ganz normale Leute. Und sie hatten auch nicht – wie oft behauptet wird – immer rote Haare. Das ist totaler Blödsinn und kommt in keinem historischen Dokument vor.” Das Bild habe sich aber so in den Köpfen festgesetzt, dass man auch mit wissenschaftlichen Belegen nicht dagegen ankäme.
Das Phänomen der neuen Hexen ist eng mit der Frauenbewegung der 1970er- Jahre verknüpft, die gegen die Dominanz der Männerwelt rebellierte. “In der Hexe hatten sie quasi eine Gallionsfigur”, sagt Gareis. “Natürlich sind diese Feministinnen keine Hexenforscherinnen gewesen. Das sind einfach normale, auch intellektuelle Frauen gewesen, die sich halt dieses Bild der unterdrückten Frau angeeignet haben.”
In den 80ern kam der spirituelle Aspekt dazu. Es seien besonders Städterinnen, die sich vom den Naturreligionen angezogen fühlten, meint die Ethnologin. “Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass man in Zeiten der Unsicherheit sein Heil in der Natur sucht.”
Während viele moderne Hexen in den urbanen Metropolen keiner Gruppe angehören, sind die Wicca in festen Zirkeln organisiert. Der Wicca-Kult entstand bereits in den 1950er-Jahren in Großbritannien und ist dort, ebenso wie in den USA, als Religion anerkannt. Justin hat schon vor Jahren seine Initiationsritual hinter sich gebracht.
“Manche sagen, man muss einer Hexe einen schwarzen spitzen Hut aufsetzen, damit man sie als Hexe erkennt”, so Justin. “Ich mag es, von Leuten unterschätzt zu werden, indem ich mich nicht mit Anhängern und Talismanen behänge. Und dann kommt – bumm – etwas Unerwartetes und Magisches von mir.” Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: “Das ist meine kleine böse Hexengemeinheit.” Auf keinen Falle wolle er aber irgendjemandem etwas Böses antun. Dass es Hexen mit dunklen Absichten gibt, davon ist er aber überzeugt – genau wie Barbara: “Es gibt Magier, die Flüche und Verschwörungen aussprechen, mit denen sie auf jeden Fall etwas bewirken können.”
Der Glaube an die Hexenkunst sei bei Menschen mit guter Bildung und wirtschaftlicher Sicherheit weniger verbreitet, besagt die eingangs erwähnte Studie zum Hexenglauben. Iris Gareis ist sich da nicht sicher: “Angesichts moderner Verschwörungstheorien, die sich insbesondere während der Corona-Pandemie in den USA oder auch hier in Deutschland gezeigt haben, kann man das bezweifeln.” Dass zum Beispiel viele gebildete Menschen glauben, dass Reptiloide, also Echsenmenschen, unter uns sind, um das Geschehen in Politik und Wirtschaft zu steuern, ist für sie nicht nachvollziehbar.
Justin warnt davor, sich mit dem Hexentum zu beschäftigen, wenn man nicht mit beiden Beinen auf der Erde stehe: “Leute die psychisch instabil sind, sollten tunlichst die Pfoten von Magie und Zauberei lassen. Wenn sie ihr Leben nicht in den Griff bekommen, werden sie auch über Hexerei oder Wicca keine Möglichkeit finden, sich auszubalancieren. Wenn ich nicht geerdet bin, dann kann ich mich auch nicht zum Himmel strecken und den Himmel erkunden.”
Oder um es mit Shakespeare zu sagen: “Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.”
“Ich bin eine moderne Hexe, da steh’ ich zu”, sagt die Kölnerin Barbara. In der Frühen Neuzeit wäre sie für diese Aussage wohl auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Barbara ist nicht die Einzige, die heute noch an Hexerei glaubt. Immerhin sind weltweit beachtliche 40 Prozent der Bevölkerung aus 95 Ländern überzeugt, dass es Hexen gibt, hat eine globale Studie des Ökonomen Boris Gershman von der American University in Washington ergeben. Wobei der Wert schwankt: In Tunesien sind es rund 90, in Deutschland gerade mal 13 Prozent. Als hexengläubig definieren die Autoren unter anderem diejenigen, die an den bösen Blick und an Verwünschungen glauben.
Sündenböcke für alles Unheil
Barbara aber will niemanden verfluchen, betont sie der DW gegenüber mit Nachdruck. “Dieses klassische Bild von einer Hexe, die sich nachts rausschleicht, auf dem Besen fliegt und den Leuten irgendwas Böses anzaubert, das ist natürlich totaler Schwachsinn.”
Es ist aber genau dieses Bild, dem zwischen circa 1500 und 1750 viele Menschen, vor allem Frauen, zum Opfer fielen. Krankheiten, totes Vieh, Missernten, geschäftlicher Misserfolg: Ein Sündenbock musste her, in der Vergangenheit – und in manchen Ländern noch heute. “Ähnliche Hexereivorstellungen wie in der Frühen Neuzeit existieren tatsächlich heute auch in anderen Teilen der Welt als Erklärung für Unheil”, so die Ethnologin Iris Gareis gegenüber der DW. “Leider werden schon seit Jahrzehnten Personen, die man für Hexer oder Hexen hält, in vielen Teilen der Welt auf grausame Weise getötet.”
Doch während in Tansania oder Ghana der Hexerei bezichtigte Frauen in Hexenlagern Zuflucht suchen müssen, um dem Tode zu entgehen, bekennen sich Menschen auf der nördlichen Halbkugel offen zum Hexentum. Auch Justin (Name geändert): “Als Kind lernt man die Hexe in Hänsel und Gretel als die Böse kennen, die das Gute auffrisst. Und irgendwann setzt man sich damit auseinander und sieht die Hexe als weise Frau.” Justin ist bekennender Wicca, das ist eine neureligiöse Bewegung, deren Name auf das altenglische Wort “wicca” für Hexe zurückgeht.
Das Wort Hexe leitet sich vom althochdeutschen “hagazussa” ab und bedeutet Zaunreiter(in). Als solcher könne er in andere Welten blicken, so Justin – und Magie in sein Leben und das anderer Menschen bringen. Dabei helfen ihm Geistwesen und magische Rituale, verrät er. Im Christentum habe ihm die Magie gefehlt, er habe sich dort nie wirklich zuhause gefühlt.
Unterwegs in der Parallelwelt
Auch Barbara fühlte sich von der Kirche nicht angesprochen. Als Hexe sei sie eine Anhängerin von Naturreligionen, sagt sie. Sie spricht mit Bäumen und trommelt, um auf Trancereisen mit Geistern Kontakt aufzunehmen. Das habe sie von einem Schamanen gelernt. “Das Hexenuniversum ist reich und bunt. Man lebt ein bisschen hier und ein bisschen in einer Parallelwelt.”
Hexe als Gallionsfigur der Feministinnen
Während viele moderne Hexen Karten legen, benutzt Barbara lieber Runen als Zukunftsorakel. “Warum soll ich warten, bis die Schicksalsmächte mir was mitgeben?”, fragt sie. “Wenn ich eine Frage stelle, dann kommt mit Sicherheit auch die Antwort.” Auch Räucherwerk und Pflanzenextrakte hat sie immer zu Hause – um Krankheiten zu bekämpfen. “Das klingt alles nach Kräuterweiblein. Aber es soll auch danach klingen, weil das früher eben Hexentum ausmachte, Kräuter zu kennen und die Leute zu heilen.”
Das Bild von der Hexe als weiser Frau, die über ein besonderes Wissen als Heilkundlerin und Hebamme verfügt, sei aus historischer Sicht nichts weiter als ein Klischee, sagt die Ethnologin Iris Gareis. “Die als Hexen verfolgten Frauen sind eben nicht immer irgendwelche tollen Kräuterspezialistinnen gewesen, sondern meist ganz normale Leute. Und sie hatten auch nicht – wie oft behauptet wird – immer rote Haare. Das ist totaler Blödsinn und kommt in keinem historischen Dokument vor.” Das Bild habe sich aber so in den Köpfen festgesetzt, dass man auch mit wissenschaftlichen Belegen nicht dagegen ankäme.
Das Phänomen der neuen Hexen ist eng mit der Frauenbewegung der 1970er- Jahre verknüpft, die gegen die Dominanz der Männerwelt rebellierte. “In der Hexe hatten sie quasi eine Gallionsfigur”, sagt Gareis. “Natürlich sind diese Feministinnen keine Hexenforscherinnen gewesen. Das sind einfach normale, auch intellektuelle Frauen gewesen, die sich halt dieses Bild der unterdrückten Frau angeeignet haben.”
Schwarze und weiße Magie
In den 80ern kam der spirituelle Aspekt dazu. Es seien besonders Städterinnen, die sich vom den Naturreligionen angezogen fühlten, meint die Ethnologin. “Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass man in Zeiten der Unsicherheit sein Heil in der Natur sucht.”
Während viele moderne Hexen in den urbanen Metropolen keiner Gruppe angehören, sind die Wicca in festen Zirkeln organisiert. Der Wicca-Kult entstand bereits in den 1950er-Jahren in Großbritannien und ist dort, ebenso wie in den USA, als Religion anerkannt. Justin hat schon vor Jahren seine Initiationsritual hinter sich gebracht.
Parallelen zwischen Hexenwahn und Verschwörungstheorien
“Manche sagen, man muss einer Hexe einen schwarzen spitzen Hut aufsetzen, damit man sie als Hexe erkennt”, so Justin. “Ich mag es, von Leuten unterschätzt zu werden, indem ich mich nicht mit Anhängern und Talismanen behänge. Und dann kommt – bumm – etwas Unerwartetes und Magisches von mir.” Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: “Das ist meine kleine böse Hexengemeinheit.” Auf keinen Falle wolle er aber irgendjemandem etwas Böses antun. Dass es Hexen mit dunklen Absichten gibt, davon ist er aber überzeugt – genau wie Barbara: “Es gibt Magier, die Flüche und Verschwörungen aussprechen, mit denen sie auf jeden Fall etwas bewirken können.”
Hexerei ist kein Spiel
Der Glaube an die Hexenkunst sei bei Menschen mit guter Bildung und wirtschaftlicher Sicherheit weniger verbreitet, besagt die eingangs erwähnte Studie zum Hexenglauben. Iris Gareis ist sich da nicht sicher: “Angesichts moderner Verschwörungstheorien, die sich insbesondere während der Corona-Pandemie in den USA oder auch hier in Deutschland gezeigt haben, kann man das bezweifeln.” Dass zum Beispiel viele gebildete Menschen glauben, dass Reptiloide, also Echsenmenschen, unter uns sind, um das Geschehen in Politik und Wirtschaft zu steuern, ist für sie nicht nachvollziehbar.
Justin warnt davor, sich mit dem Hexentum zu beschäftigen, wenn man nicht mit beiden Beinen auf der Erde stehe: “Leute die psychisch instabil sind, sollten tunlichst die Pfoten von Magie und Zauberei lassen. Wenn sie ihr Leben nicht in den Griff bekommen, werden sie auch über Hexerei oder Wicca keine Möglichkeit finden, sich auszubalancieren. Wenn ich nicht geerdet bin, dann kann ich mich auch nicht zum Himmel strecken und den Himmel erkunden.”
Oder um es mit Shakespeare zu sagen: “Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.”