WM-Rückblick: Fans als Seele des Turniers in Katar
Die WM in Katar war ein glanzvolles Spektakel, an dem sich die Geister schieden. In Europa wurde der Gastgeber und sein Turnier kritisch, in anderen Teilen der Welt begeistert betrachtet. Was bleibt von Katar 2022?
Sie sind eines der Markenzeichen einer jeden Fußball-Weltmeisterschaft: Fans aus unterschiedlichsten Ländern, die im Gastgeberland zusammenkommen machen – neben dem Sportlichen – das größte Fußballturnier der Welt aus. Rivalität gehört beim Aufeinandertreffen der Fans genauso dazu wie kultureller Austausch. Fans aus Europa waren bei der politisch kontroversen WM in Katar nicht in gewohntem Maße vertreten. Dieses Mal schrieben fußballbegeisterte Besucher aus Asien, Afrika und Amerika die Geschichten der WM. Besonders die Teams aus Brasilien, Argentinien und Marokko begeisterten in Katar die Zuschauer.
Die beiden südamerikanischen Schwergewichte wurden bei dieser WM nicht nur von den eigenen Fans lautstark angefeuert und freuten sich über große Unterstützung von Fans aus anderen Ländern wie Indien oder Pakistan – darunter auch Arbeitsmigranten aus diesen Ländern. Marokko genoss nach dem Aus des Gastgebers in der Gruppenphase quasi einen Heimvorteil in Katar und wurde durch die Begeisterung der Fans aus dem gesamten arabischsprechenden Raum sensationell bis ins Halbfinale getragen, wo man Frankreich unterlag.
Sie sind eines der Markenzeichen einer jeden Fußball-Weltmeisterschaft: Fans aus unterschiedlichsten Ländern, die im Gastgeberland zusammenkommen machen – neben dem Sportlichen – das größte Fußballturnier der Welt aus. Rivalität gehört beim Aufeinandertreffen der Fans genauso dazu wie kultureller Austausch. Fans aus Europa waren bei der politisch kontroversen WM in Katar nicht in gewohntem Maße vertreten. Dieses Mal schrieben fußballbegeisterte Besucher aus Asien, Afrika und Amerika die Geschichten der WM. Besonders die Teams aus Brasilien, Argentinien und Marokko begeisterten in Katar die Zuschauer.
Der zentrale Platz Souq Waqif in Doha war während der K.o.-Phase zu großen Teilen fest in der Hand von Anhängern der “Löwen vom Atlas”. Fans aus Ägypten, Katar, Saudi-Arabien und sogar dem Nachbarland Algerien, zu dem Marokko seit langem ein politisch angespanntes Verhältnis hat, vereinten sich hinter dem Team von Trainer Walid Regragui und hauchten der WM auf den Straßen Dohas im Gegensatz zum klinisch anmutenden FIFA-Fanfest mit ihren Emotionen Leben ein.
Brasilien und Argentinien gewinnen weltweit Fans
Die vom Veranstalter ausgewiesenen Partybereiche waren vielleicht auch deshalb weniger stark frequentiert, weil Fans auf dem Weg dorthin teilweise große Umwege in Kauf nehmen musste. Zum Beispiel auf dem Weg zur Doha Corniche, einer 7 Kilometer langen Uferpromenade und Schauplatz des FIFA-Fanfestivals. Für die Dauer des Turniers wurde die Straße entlang der Promenade komplett gesperrt, sehr zum Unmut der Anwohner und Taxifahrer, die der DW berichteten, dass dies fast alle Fahrten durch das Stadtzentrum beeinträchtige.
Gut, dass der Besucherandrang in Katar nicht größer war oder gar eine überlaufene WM stattgefunden hat. Denn auch bei überschaubaren Zuschauerzahlen trafen die Fans beispielsweise in der Metro auf ein verwinkeltes Labyrinth aus provisorischen Absperrungen, die jede Fahrt um einen zehnminütigen Fußmarsch verlängerten, unabhängig davon, wie voll oder leer der Platz war. Zahlreich Volunteers mit Megaphonen und Sicherheitskräfte leiteten die Menschen unter der ständigen Wiederholung des Hinweises “Metro hier entlang” durch die Bahnstationen. “Metro hier entlang” begannen die Fans alsbald sarkastisch mitzusingen.
Doch trotzdem war Katar die WM der kurzen Wege. Im mit Abstand kleinsten WM-Ausrichterland der Geschichte betrug die größte Entfernung zwischen zwei Stadien lächerliche 55 Kilometer – eine Dimension, die mit Blick auf die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko vollkommen surreal wirkt. Durch den dezentralen Charakter werden aber wohl auch irrwitzig hohe Infrastruktur-Investitionen an einem einzigen Ort nicht notwendig werden. In seiner Hauptstadt Doha hat Katar umgerechnet rund 36 Milliarden US-Dollar allein für die vollklimatisierte und autonom fahrende Metro investiert. Und dennoch hatte man manchmal den Eindruck, dass das Konzept nicht richtig durchdacht war. In Al Khor beispielsweise waren die Metrostation und die Taxistation etwa 45 Minuten Fußweg vom Eingang des Al-Bayt-Stadions entfernt.
Größer war die Distanz zum Turnier für die zahlreichen Arbeitsmigranten, die in Katar leben – gefühlt und tatsächlich. Am nächsten kamen Arbeitsmigranten der Hochglanzveranstaltung des reichen Golf-Emirats und der FIFA in der für sie eingerichtete Fanzone in Ar-Rayyan vor den Toren Dohas, wo mit dem Education City Stadium auch eines der acht WM-Stadien Katars steht.
Hier wurde für die Arbeiter ein Fan-Fest mit Public Viewing im Cricket-Nationalstadion organisiert. Abseits der Stadionlogen und der Glanz- und Glitzerwelt Dohas fand hier eine Art Parallel-WM mit rauer und lauter Atmosphäre statt. Besonders laut und ausgelassen wurde es, wenn einer der drei großen Fußball-Weltstars Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Neymar auf den Bildschirmen auftauchte. Angesprochen auf die Arbeitsbedingungen in Katar waren die meisten der hier anwesenden Arbeiter dann jedoch deutlich reservierter.
Jahrelang waren die Arbeitsbedingungen, das ausbeuterische Arbeitssystem und die Toten auf den Stadion-Baustellen, über deren Zahl es unterschiedliche Angaben gibt, vor allem in westlichen Medien ein fester Bestandteil der Berichterstattung über die erste WM im arabischsprachigen Raum. Das kurz vor Turnierbeginn durch Katar durchgesetzte Verkaufsverbot von alkoholhaltigen Getränken in und rund um die Stadien und die Pressenkonferenz der FIFA mit dem bizarren Monolog von Präsident Gianni Infantino im Vorfeld des Turniers dürften das Wohlwollen der westlichen Welt gegenüber der WM und dem Weltverband zumindest nicht gefördert haben.
Eindeutig hervorgehoben werden muss die ruhige und freundliche Atmosphäre des Turniers, die sicher auch durch die Alkoholeinschränkungen und das Fernbleiben von trink- und gewaltfreudigen Hooligans zustande kam. Auch die An- und Abreise der Fans erfolgte – im Vergleich zu beispielsweise in England während der Fußball-EM 2021 – ungewohnt gesittet. So war Katar 2022 die erste WM, bei der kein einziger englischer Fan festgenommen wurde – auch das wahrscheinlich ein Effekt der Alkoholbeschränkungen.
Auch für die Rolle der Frauen im Fußball war die WM ein wichtiger Schritt: Mit der Französin Stéphanie Frappart pfiff bei der Partie Deutschland gegen Costa Rica erstmals in der langen WM-Geschichte eine Frau ein Spiel der Männer. Getrübt wird der historische Einsatz Frapparts beim letzten WM-Auftritt des DFB-Teams in Katar allerdings von der Lage der Frauen-Nationalmannschaft Katars, die quasi nicht mehr existent ist. In den Restaurants, Cafés und auf den Plätzen Dohas waren insgesamt zwar nur sehr wenige Frauen zu sehen, dennoch bot die WM in Katar vielen Frauen im arabischsprachigen Raum erstmalig die Möglichkeit, ein Fußballstadion zu besuchen und Fußball zu schauen.
Es war ein an Kuriositäten alles andere als armes Turnier, dem sportlich insbesondere Messi und Argentinien, der Überraschungs-Halbfinalist Marokko und der tränenreiche Abgang des anderen Megastars des Fußballs, Cristiano Ronaldo, ihren Stempel aufgedrückt haben. Die aberwitzigen Milliarden-Investitionen bleiben von dieser WM und mit ihnen auch Frage nach der künftigen Nutzung der Infrastruktur, insbesondere der WM-Stadien. Letztlich wird die (Fußball)-Welt wohl auch nach der denkwürdigen WM von Katar hinsichtlich der Frage, ob man den Fußball feiern oder sich auf grausamen Umstände konzentrieren sollte, die dies alles möglich gemacht haben, gespalten bleiben.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.
Sie sind eines der Markenzeichen einer jeden Fußball-Weltmeisterschaft: Fans aus unterschiedlichsten Ländern, die im Gastgeberland zusammenkommen machen – neben dem Sportlichen – das größte Fußballturnier der Welt aus. Rivalität gehört beim Aufeinandertreffen der Fans genauso dazu wie kultureller Austausch. Fans aus Europa waren bei der politisch kontroversen WM in Katar nicht in gewohntem Maße vertreten. Dieses Mal schrieben fußballbegeisterte Besucher aus Asien, Afrika und Amerika die Geschichten der WM. Besonders die Teams aus Brasilien, Argentinien und Marokko begeisterten in Katar die Zuschauer.
Die beiden südamerikanischen Schwergewichte wurden bei dieser WM nicht nur von den eigenen Fans lautstark angefeuert und freuten sich über große Unterstützung von Fans aus anderen Ländern wie Indien oder Pakistan – darunter auch Arbeitsmigranten aus diesen Ländern. Marokko genoss nach dem Aus des Gastgebers in der Gruppenphase quasi einen Heimvorteil in Katar und wurde durch die Begeisterung der Fans aus dem gesamten arabischsprechenden Raum sensationell bis ins Halbfinale getragen, wo man Frankreich unterlag.
Brasilien und Argentinien gewinnen weltweit Fans
Der zentrale Platz Souq Waqif in Doha war während der K.o.-Phase zu großen Teilen fest in der Hand von Anhängern der “Löwen vom Atlas”. Fans aus Ägypten, Katar, Saudi-Arabien und sogar dem Nachbarland Algerien, zu dem Marokko seit langem ein politisch angespanntes Verhältnis hat, vereinten sich hinter dem Team von Trainer Walid Regragui und hauchten der WM auf den Straßen Dohas im Gegensatz zum klinisch anmutenden FIFA-Fanfest mit ihren Emotionen Leben ein.
Die vom Veranstalter ausgewiesenen Partybereiche waren vielleicht auch deshalb weniger stark frequentiert, weil Fans auf dem Weg dorthin teilweise große Umwege in Kauf nehmen musste. Zum Beispiel auf dem Weg zur Doha Corniche, einer 7 Kilometer langen Uferpromenade und Schauplatz des FIFA-Fanfestivals. Für die Dauer des Turniers wurde die Straße entlang der Promenade komplett gesperrt, sehr zum Unmut der Anwohner und Taxifahrer, die der DW berichteten, dass dies fast alle Fahrten durch das Stadtzentrum beeinträchtige.
Gut, dass der Besucherandrang in Katar nicht größer war oder gar eine überlaufene WM stattgefunden hat. Denn auch bei überschaubaren Zuschauerzahlen trafen die Fans beispielsweise in der Metro auf ein verwinkeltes Labyrinth aus provisorischen Absperrungen, die jede Fahrt um einen zehnminütigen Fußmarsch verlängerten, unabhängig davon, wie voll oder leer der Platz war. Zahlreich Volunteers mit Megaphonen und Sicherheitskräfte leiteten die Menschen unter der ständigen Wiederholung des Hinweises “Metro hier entlang” durch die Bahnstationen. “Metro hier entlang” begannen die Fans alsbald sarkastisch mitzusingen.
Doch trotzdem war Katar die WM der kurzen Wege. Im mit Abstand kleinsten WM-Ausrichterland der Geschichte betrug die größte Entfernung zwischen zwei Stadien lächerliche 55 Kilometer – eine Dimension, die mit Blick auf die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko vollkommen surreal wirkt. Durch den dezentralen Charakter werden aber wohl auch irrwitzig hohe Infrastruktur-Investitionen an einem einzigen Ort nicht notwendig werden. In seiner Hauptstadt Doha hat Katar umgerechnet rund 36 Milliarden US-Dollar allein für die vollklimatisierte und autonom fahrende Metro investiert. Und dennoch hatte man manchmal den Eindruck, dass das Konzept nicht richtig durchdacht war. In Al Khor beispielsweise waren die Metrostation und die Taxistation etwa 45 Minuten Fußweg vom Eingang des Al-Bayt-Stadions entfernt.
Kurze Distanzen, lange Fußwege
Größer war die Distanz zum Turnier für die zahlreichen Arbeitsmigranten, die in Katar leben – gefühlt und tatsächlich. Am nächsten kamen Arbeitsmigranten der Hochglanzveranstaltung des reichen Golf-Emirats und der FIFA in der für sie eingerichtete Fanzone in Ar-Rayyan vor den Toren Dohas, wo mit dem Education City Stadium auch eines der acht WM-Stadien Katars steht.
Die WM der Arbeitsmigranten
Hier wurde für die Arbeiter ein Fan-Fest mit Public Viewing im Cricket-Nationalstadion organisiert. Abseits der Stadionlogen und der Glanz- und Glitzerwelt Dohas fand hier eine Art Parallel-WM mit rauer und lauter Atmosphäre statt. Besonders laut und ausgelassen wurde es, wenn einer der drei großen Fußball-Weltstars Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Neymar auf den Bildschirmen auftauchte. Angesprochen auf die Arbeitsbedingungen in Katar waren die meisten der hier anwesenden Arbeiter dann jedoch deutlich reservierter.
Jahrelang waren die Arbeitsbedingungen, das ausbeuterische Arbeitssystem und die Toten auf den Stadion-Baustellen, über deren Zahl es unterschiedliche Angaben gibt, vor allem in westlichen Medien ein fester Bestandteil der Berichterstattung über die erste WM im arabischsprachigen Raum. Das kurz vor Turnierbeginn durch Katar durchgesetzte Verkaufsverbot von alkoholhaltigen Getränken in und rund um die Stadien und die Pressenkonferenz der FIFA mit dem bizarren Monolog von Präsident Gianni Infantino im Vorfeld des Turniers dürften das Wohlwollen der westlichen Welt gegenüber der WM und dem Weltverband zumindest nicht gefördert haben.
Eindeutig hervorgehoben werden muss die ruhige und freundliche Atmosphäre des Turniers, die sicher auch durch die Alkoholeinschränkungen und das Fernbleiben von trink- und gewaltfreudigen Hooligans zustande kam. Auch die An- und Abreise der Fans erfolgte – im Vergleich zu beispielsweise in England während der Fußball-EM 2021 – ungewohnt gesittet. So war Katar 2022 die erste WM, bei der kein einziger englischer Fan festgenommen wurde – auch das wahrscheinlich ein Effekt der Alkoholbeschränkungen.
Die saubere WM
Auch für die Rolle der Frauen im Fußball war die WM ein wichtiger Schritt: Mit der Französin Stéphanie Frappart pfiff bei der Partie Deutschland gegen Costa Rica erstmals in der langen WM-Geschichte eine Frau ein Spiel der Männer. Getrübt wird der historische Einsatz Frapparts beim letzten WM-Auftritt des DFB-Teams in Katar allerdings von der Lage der Frauen-Nationalmannschaft Katars, die quasi nicht mehr existent ist. In den Restaurants, Cafés und auf den Plätzen Dohas waren insgesamt zwar nur sehr wenige Frauen zu sehen, dennoch bot die WM in Katar vielen Frauen im arabischsprachigen Raum erstmalig die Möglichkeit, ein Fußballstadion zu besuchen und Fußball zu schauen.
Es war ein an Kuriositäten alles andere als armes Turnier, dem sportlich insbesondere Messi und Argentinien, der Überraschungs-Halbfinalist Marokko und der tränenreiche Abgang des anderen Megastars des Fußballs, Cristiano Ronaldo, ihren Stempel aufgedrückt haben. Die aberwitzigen Milliarden-Investitionen bleiben von dieser WM und mit ihnen auch Frage nach der künftigen Nutzung der Infrastruktur, insbesondere der WM-Stadien. Letztlich wird die (Fußball)-Welt wohl auch nach der denkwürdigen WM von Katar hinsichtlich der Frage, ob man den Fußball feiern oder sich auf grausamen Umstände konzentrieren sollte, die dies alles möglich gemacht haben, gespalten bleiben.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.