Meinung: Leiser Sieg für die Natur
Argentinien hatte mit dem WM-Titelgewinn vor Weihnachten die Titelseiten für sich. Denselben Jubel hätte der zeitgleiche, historische Deal gegen das Artensterben verdient, meint Andrew Deutz von The Nature Conservancy.
Die Reise zu einer weiteren großen Umweltkonferenz der Vereinten Nationen so kurz nach dem Ende der Klimakonferenz in Ägypten fühlte sich überstürzt an, selbst für jemanden, der seit der ersten Konferenz 1995 in Berlin dabei ist.
Und diesmal stand sogar noch mehr auf dem Spiel. Würde es die Weltgemeinschaft schaffen ein Abkommen für die kommenden zehn Jahre auszuhandeln, dass das alarmierende und durch den Menschen verursachte Artensterben aufhält? Ein Abkommen, dass der Natur seinen eigenen “Paris-Moment” geben könnte?
Die Reise zu einer weiteren großen Umweltkonferenz der Vereinten Nationen so kurz nach dem Ende der Klimakonferenz in Ägypten fühlte sich überstürzt an, selbst für jemanden, der seit der ersten Konferenz 1995 in Berlin dabei ist.
Damit das möglich gemacht werden kann, haben wir von The Nature Conservancy im Vorfeld der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal eine Liste jener Punkte zusammengestellt, die unserer Meinung nach in ein globales Rahmenabkommen für die biologische Vielfalt aufgenommen werden sollten.
Verhandlungen in der Verlängerung, Tor für Artenvielfalt
Dazu gehörte das 30×30-Versprechen, mit dem 30 Prozent der Erde unter Schutz gestellt werde sollten, und die Zusage, wie die jährliche Lücke über 659 Milliarden Euro für die Finanzierung des Artenschutzes geschlossen werden könnte. Außerdem müssten 500 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen zum Beispiel für nicht nachhaltige Landwirtschaft umgeleitet und die Rechte indigener Völker und deren Wissen anerkannt werden.
Ich freue mich sehr, dass wir nach harter Arbeit und hartem Ringen der Verhandlungsführer und der Vertreter der Zivilgesellschaft im Morgengrauen eine Einigung erzielt haben. Die vor Montreal gesteckten Ziele für ein erfolgreiches Rahmenabkommen wurden fast alle erreicht. In einer ungewöhnlichen Dynamik wurde das Abkommen in den letzten 24 Stunden sogar noch besser, anstatt, wie so häufig vage und undeutlich, verwässert.
Seit langem arbeite und schreibe ich über Probleme der Finanzierung beim Umweltschutz. Daher war es besonders toll zu sehen, wie sich ein spezielles Momentum aufgebaut hat. Aufbauend auf den Impulsen auf der Klimakonferenz im November zum Thema “Schuldenerlass für Umweltschutz” sind in Montreal plötzlich ganz neue Initiativen zur Finanzierung von Artenschutzmaßnahmen in den unterschiedlichsten Ländern zum Beispiel in Kanada, der Mongolei oder in Gabun in Gang gekommen.
Die wahrscheinlich grundlegendste Entscheidung war allerdings eine andere. Die Regierungen haben sich verpflichtet dafür zu sorgen, dass Unternehmen und Finanzinstitute in Zukunft ihren Fußabdruck und die durch sie verursachte ökologischen Risiken und Abhängigkeiten bemessen, festhalten und berichten müssen. Konzerne werden also die durch sie verursachten Schäden nach und nach reduzieren müssen. Das ist ein deutliches Signal an den Markt seine Geschäftsmodelle und Investitionsstrategien zu überdenken und mit Blick auf eine klimaneutrale und nachhaltige Zukunft (“nature positive”) zu justieren.
Wäre das Abkommen von Montreal nicht so kurz nach dem aufregendsten Endspiel in der Geschichte der Fußballweltmeisterschaft verabschiedet worden, wäre der Jubel vielleicht ähnlich groß wie nach der Pariser Klimakonferenz 2015 ausgefallen. Jetzt beginnt erst die wirkliche Arbeit. Nichts von dem Erreichten wird irgendetwas nützen, wenn es nicht in nationale Gesetze gegossen wird. Dieses Abkommen muss, wie beim Klima, die Priorität der gesamten Regierungsarbeit werden und darf nicht in den Umweltministerien versauern.
Die inzwischen nicht mehr gültigen 2010 im japanischen Aichi verabschiedeten Biodiversitätsziele waren ehrgeizig. Aber es fehlte ein realistischer Finanzierungsplan und ein Mechanismus, der die Umsetzung kontrolliert. Dieses Mal haben wir alle drei Punkte abgedeckt. Andererseits haben wir nur noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts Zeit, um den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt – des Lebenserhaltungssystems der Erde – aufzuhalten und sie wieder zum Leben zu erwecken.
Das Wettrennen zur Rettung der Natur zu gewinnen ist genauso wichtig wie die Bewältigung Klimakrise.
Im Namen all derer, die am Montag um 4 Uhr morgens vor Ort waren, denke ich, dass es erlaubt ist zu sagen, dass wir uns Hoffnungen machen dürfen. Hoffnung, dass das neue Abkommen über die Biologische Vielfalt ( Global Biodiversity Framework) ein historischer Wendepunkt für das Verhältnis der Menschheit zur Natur markiert.
Andrew Deutz ist Direktor für globale Politik, Institutionen und Naturschutzfinanzierung, bei der Umweltorganisation The Nature Conservancy (TNC). Deutz leitete die Delegation von TNC bei der Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Montreal.
Die Reise zu einer weiteren großen Umweltkonferenz der Vereinten Nationen so kurz nach dem Ende der Klimakonferenz in Ägypten fühlte sich überstürzt an, selbst für jemanden, der seit der ersten Konferenz 1995 in Berlin dabei ist.
Und diesmal stand sogar noch mehr auf dem Spiel. Würde es die Weltgemeinschaft schaffen ein Abkommen für die kommenden zehn Jahre auszuhandeln, dass das alarmierende und durch den Menschen verursachte Artensterben aufhält? Ein Abkommen, dass der Natur seinen eigenen “Paris-Moment” geben könnte?
Verhandlungen in der Verlängerung, Tor für Artenvielfalt
Damit das möglich gemacht werden kann, haben wir von The Nature Conservancy im Vorfeld der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal eine Liste jener Punkte zusammengestellt, die unserer Meinung nach in ein globales Rahmenabkommen für die biologische Vielfalt aufgenommen werden sollten.
Dazu gehörte das 30×30-Versprechen, mit dem 30 Prozent der Erde unter Schutz gestellt werde sollten, und die Zusage, wie die jährliche Lücke über 659 Milliarden Euro für die Finanzierung des Artenschutzes geschlossen werden könnte. Außerdem müssten 500 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen zum Beispiel für nicht nachhaltige Landwirtschaft umgeleitet und die Rechte indigener Völker und deren Wissen anerkannt werden.
Ich freue mich sehr, dass wir nach harter Arbeit und hartem Ringen der Verhandlungsführer und der Vertreter der Zivilgesellschaft im Morgengrauen eine Einigung erzielt haben. Die vor Montreal gesteckten Ziele für ein erfolgreiches Rahmenabkommen wurden fast alle erreicht. In einer ungewöhnlichen Dynamik wurde das Abkommen in den letzten 24 Stunden sogar noch besser, anstatt, wie so häufig vage und undeutlich, verwässert.
Seit langem arbeite und schreibe ich über Probleme der Finanzierung beim Umweltschutz. Daher war es besonders toll zu sehen, wie sich ein spezielles Momentum aufgebaut hat. Aufbauend auf den Impulsen auf der Klimakonferenz im November zum Thema “Schuldenerlass für Umweltschutz” sind in Montreal plötzlich ganz neue Initiativen zur Finanzierung von Artenschutzmaßnahmen in den unterschiedlichsten Ländern zum Beispiel in Kanada, der Mongolei oder in Gabun in Gang gekommen.
Messi kassiert den Jubel, den die Biodiversitäts-Weltmeisterschaft verdient hätte
Die wahrscheinlich grundlegendste Entscheidung war allerdings eine andere. Die Regierungen haben sich verpflichtet dafür zu sorgen, dass Unternehmen und Finanzinstitute in Zukunft ihren Fußabdruck und die durch sie verursachte ökologischen Risiken und Abhängigkeiten bemessen, festhalten und berichten müssen. Konzerne werden also die durch sie verursachten Schäden nach und nach reduzieren müssen. Das ist ein deutliches Signal an den Markt seine Geschäftsmodelle und Investitionsstrategien zu überdenken und mit Blick auf eine klimaneutrale und nachhaltige Zukunft (“nature positive”) zu justieren.
Wäre das Abkommen von Montreal nicht so kurz nach dem aufregendsten Endspiel in der Geschichte der Fußballweltmeisterschaft verabschiedet worden, wäre der Jubel vielleicht ähnlich groß wie nach der Pariser Klimakonferenz 2015 ausgefallen. Jetzt beginnt erst die wirkliche Arbeit. Nichts von dem Erreichten wird irgendetwas nützen, wenn es nicht in nationale Gesetze gegossen wird. Dieses Abkommen muss, wie beim Klima, die Priorität der gesamten Regierungsarbeit werden und darf nicht in den Umweltministerien versauern.
Die inzwischen nicht mehr gültigen 2010 im japanischen Aichi verabschiedeten Biodiversitätsziele waren ehrgeizig. Aber es fehlte ein realistischer Finanzierungsplan und ein Mechanismus, der die Umsetzung kontrolliert. Dieses Mal haben wir alle drei Punkte abgedeckt. Andererseits haben wir nur noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts Zeit, um den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt – des Lebenserhaltungssystems der Erde – aufzuhalten und sie wieder zum Leben zu erwecken.
Das Wettrennen zur Rettung der Natur zu gewinnen ist genauso wichtig wie die Bewältigung Klimakrise.
Im Namen all derer, die am Montag um 4 Uhr morgens vor Ort waren, denke ich, dass es erlaubt ist zu sagen, dass wir uns Hoffnungen machen dürfen. Hoffnung, dass das neue Abkommen über die Biologische Vielfalt ( Global Biodiversity Framework) ein historischer Wendepunkt für das Verhältnis der Menschheit zur Natur markiert.
Andrew Deutz ist Direktor für globale Politik, Institutionen und Naturschutzfinanzierung, bei der Umweltorganisation The Nature Conservancy (TNC). Deutz leitete die Delegation von TNC bei der Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Montreal.