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Schwere Vorwürfe und eine “Kultur des Wegschauens” bei McDonald’s

Weltweit, auch in der EU, prangern Beschäftigte bei McDonald’s seit Jahren öffentlich strukturelle sexuelle Belästigungen an. Nun haben EU-Parlamentarierinnen Betroffene und Gewerkschaften nach Brüssel eingeladen.

Das erste eigene Geld verdienen und Arbeitserfahrung sammeln, damit man nicht mehr die Eltern nach Taschengeld fragen muss – so stellen sich vermutlich viele junge Menschen ihren ersten Job vor. Doch für Mathilde S. aus Le Havre in Frankreich wurde der erste Job bei McDonald’s zum Albtraum. Heute ist die 23-Jährige als Aktivistin unterwegs und spricht im Europäischen Parlament über ihre Erlebnisse in einer McDonald’s-Filiale in Frankreich an der Seite von drei weiteren Betroffenen von Rassismus, Mobbing und sexueller Belästigung in Filialen in Brasilien und den USA. Weltweit erzählen tausende Beschäftigte erstaunlich ähnliche Geschichten.

2018 startete Mathilde ihren ersten Job bei dem Unternehmen mit dem großen gelben M, das gerne mit fröhlichen Kindergesichtern wirbt, mit Happy Meals und einem Song, der vorgibt: “No matter your race, your creed, your tribe.”

Das erste eigene Geld verdienen und Arbeitserfahrung sammeln, damit man nicht mehr die Eltern nach Taschengeld fragen muss – so stellen sich vermutlich viele junge Menschen ihren ersten Job vor. Doch für Mathilde S. aus Le Havre in Frankreich wurde der erste Job bei McDonald’s zum Albtraum. Heute ist die 23-Jährige als Aktivistin unterwegs und spricht im Europäischen Parlament über ihre Erlebnisse in einer McDonald’s-Filiale in Frankreich an der Seite von drei weiteren Betroffenen von Rassismus, Mobbing und sexueller Belästigung in Filialen in Brasilien und den USA. Weltweit erzählen tausende Beschäftigte erstaunlich ähnliche Geschichten.

Mathilde sagt, es sei anfangs wie eine Familie gewesen, alles habe freundlich gewirkt. Doch nach kurzer Zeit wendete sich das Blatt: “Als ich Informationen brauchte, sagte der Arbeitnehmervertreter: ‘Die bekommst du nur, wenn du meine Genitalien anfasst.’ Wenn ich in der Küche arbeitete, fielen Sätze wie: ‘Du hast immer noch deinen schönen kleinen Po’.” 

Sexuelle Bemerkungen vom Arbeitnehmervertreter

Schon zwei Jahre zuvor hatten sich rund ein Dutzend Beschäftigte in den USA bei der zuständigen Behörde über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beschwert. Der Brasilianer Gabriel Milbrat berichtet, er sei bei McDonald’s im südlichen Bundesstaat Paraná rassistisch beleidigt worden – und als er einmal auf der Couch im Pausenraum eingenickt sei, habe er bemerkt, wie sein Manager über ihm sexuelle Handlungen an sich ausführte. Dies sind die Erlebnisse, die die Betroffenen auch im EU-Parlament schildern.

Maria Noichl, bayrische SPD-Abgeordnete im EU-Parlament, und Manon Aubry, eine Abgeordnete der Linken aus Frankreich, wollen, dass diese Geschichten auch in Brüssel gehört werden. Sie wollen zeigen, dass EU-Gesetze geändert werden müssen. Bislang schafft es der Mutterkonzern McDonald’s in vielen Gerichtsfällen, von sich zu weisen, was viele dem Unternehmen vorwerfen: die Verantwortung für die Systematik hinter den Diskriminierungen und Belästigungen. Stattdessen werden in Gerichtsprozessen Franchise-Nehmer, Direktoren und Manager zur Rechenschaft gezogen.

Über 90 Prozent der Restaurants der Fastfoodkette gehören Franchise-Nehmern. Einheitliche Beschwerdestandards: Fehlanzeige. Wer sich beschwert, fliege oft raus oder werde isoliert, so Betroffene. Dass sich Mitarbeitende in Gewerkschaften organisieren, ist in manchen Ländern wie den USA und Brasilien nicht möglich, Beschwerdehotlines gab es lange selbst in Frankreich nicht. Und so habe sich dort eine “Kultur des Wegschauens” etabliert, wie die EU-Abgeordnete Noichl sagt. Eine Kultur, in der “McDonald’s zwar für gleiche Servietten, für gleiche Burger, für gleiche Fritten sorgt, aber nicht für gleiche Rechte”.

Das Problem liege laut Kristjan Bragason, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes im Bereich Ernährung (EFFAT) im Franchise-System. Gesetze erfassten diese Struktur oft nicht. Die EU müsse deshalb nachbessern, sagt Bragason. Aubry und Noichl stimmen dem zu. Eine Forderung ist dabei eine neue Richtlinie zur “Due Diligence”, einer Sorgfaltspflicht – auch für multinationale Konzerne. Diese soll sicherstellen, dass der Mutterkonzern gegenüber all seinen Restaurants in der Pflicht steht. Laut einem ersten Gesetzesvorschlag sollen Unternehmen über Verträge auch ihre Partner zur Einhaltung von Verhaltensrichtlinien verpflichten. Im Herbst soll das Europäische Parlament darüber diskutieren.

Um nicht tatenlos zuzusehen, bis auf EU-Ebene etwas passiert, hat sich Mathilde S. in Frankreich McDroits angeschlossen, einem Kollektiv, das gegen sämtliche Formen von Diskriminierung bei McDonald’s kämpft: gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie. Mithilfe des Kollektivs organisierte sie gemeinsam mit anderen Beschäftigten einen Streik in ihrem Restaurant. Dann wurde sie rausgeschmissen. Auch alle anderen, die an dem Streik in Le Havre teilnahmen, mussten ihr zufolge kündigen. Eine Praxis, von der auch andere Mitarbeitende des Konzerns in den USA, Brasilien oder Großbritannien berichten.

McDonald’s hat währenddessen für dieses Jahr neue weltweite Markenstandards angekündigt, die Vorgaben zur Prävention sexueller Belästigung beinhalten sollen. Doch zu Details hält das Unternehmen sich weitgehend bedeckt. Auf mehrere Anfragen der DW reagierte der Konzern nicht. Auf der Website gibt es allerdings den Hinweis, dass der Mutterkonzern den Franchise-Nehmern mit optionalen Trainings aushilft.

Mathilde erzählt, dass das Präventionstraining in Frankreich wie ein Videospiel aufgebaut sei, in dem Manager, Direktionen und Mitarbeitende anhand von kleinen Szenen per Multiple-Choice auswählen sollen, welche Form der Diskriminierung hier dargestellt ist. Für Sexismus gebe es ein Beispiel, in dem eine Frau etwas Schweres lieber ihrem männlichen Kollegen übergibt, mit den Worten: “Das ist zu schwer für mich.”

Die Betroffenen hoffen, dass neue Gesetze McDonald’s zur Veränderung zwingen. Doch Noichl weiß: Bis alle Schlupflöcher in EU-Richtlinien und Gesetzen gestopft sind, wird es Jahre dauern. Die Betroffenen wollen trotz dieses langen Prozesses weiter für ihre Rechte kämpfen, bis McDonald’s bereit ist, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen.

Mathilde S., eine junge Frau mit blonden Haaren, trägt ein rotes T-Shirt mit der gelben Aufschrift McDo Sexiste.
Podium mit vier Aktivisten
Maria Noichl mit einem T-Shirt, das eine McDonald´s Mitarbeiterin zeigt und die Aufschrift Sem Direitos trägt.

Das erste eigene Geld verdienen und Arbeitserfahrung sammeln, damit man nicht mehr die Eltern nach Taschengeld fragen muss – so stellen sich vermutlich viele junge Menschen ihren ersten Job vor. Doch für Mathilde S. aus Le Havre in Frankreich wurde der erste Job bei McDonald’s zum Albtraum. Heute ist die 23-Jährige als Aktivistin unterwegs und spricht im Europäischen Parlament über ihre Erlebnisse in einer McDonald’s-Filiale in Frankreich an der Seite von drei weiteren Betroffenen von Rassismus, Mobbing und sexueller Belästigung in Filialen in Brasilien und den USA. Weltweit erzählen tausende Beschäftigte erstaunlich ähnliche Geschichten.

2018 startete Mathilde ihren ersten Job bei dem Unternehmen mit dem großen gelben M, das gerne mit fröhlichen Kindergesichtern wirbt, mit Happy Meals und einem Song, der vorgibt: “No matter your race, your creed, your tribe.”

Sexuelle Bemerkungen vom Arbeitnehmervertreter

Mathilde sagt, es sei anfangs wie eine Familie gewesen, alles habe freundlich gewirkt. Doch nach kurzer Zeit wendete sich das Blatt: “Als ich Informationen brauchte, sagte der Arbeitnehmervertreter: ‘Die bekommst du nur, wenn du meine Genitalien anfasst.’ Wenn ich in der Küche arbeitete, fielen Sätze wie: ‘Du hast immer noch deinen schönen kleinen Po’.” 

Schon zwei Jahre zuvor hatten sich rund ein Dutzend Beschäftigte in den USA bei der zuständigen Behörde über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beschwert. Der Brasilianer Gabriel Milbrat berichtet, er sei bei McDonald’s im südlichen Bundesstaat Paraná rassistisch beleidigt worden – und als er einmal auf der Couch im Pausenraum eingenickt sei, habe er bemerkt, wie sein Manager über ihm sexuelle Handlungen an sich ausführte. Dies sind die Erlebnisse, die die Betroffenen auch im EU-Parlament schildern.

Maria Noichl, bayrische SPD-Abgeordnete im EU-Parlament, und Manon Aubry, eine Abgeordnete der Linken aus Frankreich, wollen, dass diese Geschichten auch in Brüssel gehört werden. Sie wollen zeigen, dass EU-Gesetze geändert werden müssen. Bislang schafft es der Mutterkonzern McDonald’s in vielen Gerichtsfällen, von sich zu weisen, was viele dem Unternehmen vorwerfen: die Verantwortung für die Systematik hinter den Diskriminierungen und Belästigungen. Stattdessen werden in Gerichtsprozessen Franchise-Nehmer, Direktoren und Manager zur Rechenschaft gezogen.

Über 90 Prozent der Restaurants der Fastfoodkette gehören Franchise-Nehmern. Einheitliche Beschwerdestandards: Fehlanzeige. Wer sich beschwert, fliege oft raus oder werde isoliert, so Betroffene. Dass sich Mitarbeitende in Gewerkschaften organisieren, ist in manchen Ländern wie den USA und Brasilien nicht möglich, Beschwerdehotlines gab es lange selbst in Frankreich nicht. Und so habe sich dort eine “Kultur des Wegschauens” etabliert, wie die EU-Abgeordnete Noichl sagt. Eine Kultur, in der “McDonald’s zwar für gleiche Servietten, für gleiche Burger, für gleiche Fritten sorgt, aber nicht für gleiche Rechte”.

EU-Abgeordnete sieht eine “Kultur des Wegschauens”

Das Problem liege laut Kristjan Bragason, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes im Bereich Ernährung (EFFAT) im Franchise-System. Gesetze erfassten diese Struktur oft nicht. Die EU müsse deshalb nachbessern, sagt Bragason. Aubry und Noichl stimmen dem zu. Eine Forderung ist dabei eine neue Richtlinie zur “Due Diligence”, einer Sorgfaltspflicht – auch für multinationale Konzerne. Diese soll sicherstellen, dass der Mutterkonzern gegenüber all seinen Restaurants in der Pflicht steht. Laut einem ersten Gesetzesvorschlag sollen Unternehmen über Verträge auch ihre Partner zur Einhaltung von Verhaltensrichtlinien verpflichten. Im Herbst soll das Europäische Parlament darüber diskutieren.

Neue Richtlinie soll Unternehmen in die Pflicht nehmen

Um nicht tatenlos zuzusehen, bis auf EU-Ebene etwas passiert, hat sich Mathilde S. in Frankreich McDroits angeschlossen, einem Kollektiv, das gegen sämtliche Formen von Diskriminierung bei McDonald’s kämpft: gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie. Mithilfe des Kollektivs organisierte sie gemeinsam mit anderen Beschäftigten einen Streik in ihrem Restaurant. Dann wurde sie rausgeschmissen. Auch alle anderen, die an dem Streik in Le Havre teilnahmen, mussten ihr zufolge kündigen. Eine Praxis, von der auch andere Mitarbeitende des Konzerns in den USA, Brasilien oder Großbritannien berichten.

McDonald’s hat währenddessen für dieses Jahr neue weltweite Markenstandards angekündigt, die Vorgaben zur Prävention sexueller Belästigung beinhalten sollen. Doch zu Details hält das Unternehmen sich weitgehend bedeckt. Auf mehrere Anfragen der DW reagierte der Konzern nicht. Auf der Website gibt es allerdings den Hinweis, dass der Mutterkonzern den Franchise-Nehmern mit optionalen Trainings aushilft.

Mathilde erzählt, dass das Präventionstraining in Frankreich wie ein Videospiel aufgebaut sei, in dem Manager, Direktionen und Mitarbeitende anhand von kleinen Szenen per Multiple-Choice auswählen sollen, welche Form der Diskriminierung hier dargestellt ist. Für Sexismus gebe es ein Beispiel, in dem eine Frau etwas Schweres lieber ihrem männlichen Kollegen übergibt, mit den Worten: “Das ist zu schwer für mich.”

Betroffene beklagen mangelnde Reaktion des Konzerns

Die Betroffenen hoffen, dass neue Gesetze McDonald’s zur Veränderung zwingen. Doch Noichl weiß: Bis alle Schlupflöcher in EU-Richtlinien und Gesetzen gestopft sind, wird es Jahre dauern. Die Betroffenen wollen trotz dieses langen Prozesses weiter für ihre Rechte kämpfen, bis McDonald’s bereit ist, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen.

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