Kultur

Toxischer Künstler: Picasso und die Frauen

Der Künstler Pablo Picasso ist berühmt und berüchtigt für den Umgang mit seinen Ehefrauen, Musen und Geliebten. Er unterteilte sie in “Göttinnen und Fußabstreifer”. Ist es Zeit, das spanische Genie vom Sockel zu stoßen?

“Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen – Göttinnen und Fußabstreifer”, dieses Zitat von Pablo Picasso spricht Bände. In der Tat durchliefen die meisten seiner Frauenbeziehungen – elf sind bekannt – genau diese Metamorphose. Zunächst vergötterte er sie, dann behandelte er sie wie Abschaum. Zwei von ihnen – Marie Thérèse Walther und Jacqueline Roque – nahmen sich nach Picassos Tod sogar das Leben. 

Und so wird die Kritik am Umgang mit dem Superstar der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts lauter. “Ich würde Picasso schon zum Vorwurf machen, dass er manipulativ war, einen sadistischen Hang hatte und ein gewisses Vergnügen daraus zog, Frauen in gewisser Weise zu quälen, indem er ihnen Versprechungen und Liebesschwüre ausgesprochen hat, auch wenn da keine Wahrheit dahinter stand”, sagt Ann-Katrin Hahn, Kuratorin am Picasso-Museum in Münster. Besonders Besucherinnen stellten ihr oft die Frage: Kann ein Museum einen solchen Künstler überhaupt noch unkritisch als Idol feiern?

“Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen – Göttinnen und Fußabstreifer”, dieses Zitat von Pablo Picasso spricht Bände. In der Tat durchliefen die meisten seiner Frauenbeziehungen – elf sind bekannt – genau diese Metamorphose. Zunächst vergötterte er sie, dann behandelte er sie wie Abschaum. Zwei von ihnen – Marie Thérèse Walther und Jacqueline Roque – nahmen sich nach Picassos Tod sogar das Leben. 

Picasso – so beschreiben es einige seiner Ex-Geliebten in ihren Erinnerungen – war ein skrupelloses Genie, das bereit war, für seine Karriere über Leichen zu gehen. Geradezu manisch verewigte er jede seiner Liaisons in seinen Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen oder Keramiken. Doch so groß die Begeisterung zu Beginn auch war, so schnell kühlte sie auch wieder ab. Anziehung und Abstoßung folgten fast immer demselben Muster.

Picasso – skrupellos und machthungrig

Fernande Olivier ist die erste Geliebte, die ihre Erinnerungen an ihre Zeit an der Seite von Picasso 1933 in dem Buch “Picasso und seine Freunde” verewigt. Darin erzählt sie von den gemeinsamen Jahren 1905-1913 in Paris. Als sich Picasso und Fernande auf dem Montmartre treffen, ist er noch ein unbekannter, bettelarmer spanischer Künstler mit starkem Akzent. Fernande Olivier wird in den Anfangsjahren seiner Karriere eines seiner wichtigsten Modelle. Vor allem zerlegt er sie in viele geometrische Splitter. In seinen kubistischen Werken sind Nase, Augen, Wange, die Gesichtspartien kaum als solche zu erkennen. Vorne und hinten stellt Picasso gleichzeitig dar.

Mit Fernandes Konterfei schafft Picasso Meilensteine der Kunstgeschichte der Moderne. Doch er behandelt sie auch schlecht, sperrt sie sogar in der gemeinsamen Atelier-Wohnung im Künstlerhaus Bateau Lavoir ein, um zu verhindern, dass sie anderen Künstlern Modell sitzt. Am Ende ihrer Beziehung entlässt er sie in die Armut, während er sich mit seiner neuen Geliebten Eva Gouel in ein neues Abenteuer wirft.

Die Kunstjournalistin Rose-Maria Gropp untersucht in ihrem im Februar 2023 veröffentlichten Buch “Göttinnen und Fußabstreifer. Die Frauen von Picasso” die Perspektive seiner Geliebten, indem sie in ihren privaten Tagebüchern und unveröffentlichten Quellen recherchierte.

Das ikonische Gemälde “Démoiselles d’Avignon”, ein Hauptwerk der kubistischen Phase Picassos, sieht sie als Ausdruck seiner Frauenverachtung. “Es ist ja schlicht unvorstellbar, ein so katastrophisches Gemälde wie die “Démoiselles d’Avignon” von 1907 ohne Aggressionen ihres Schöpfers zu denken – das geht gar nicht. Für mich interessant war allerdings genauso, wie die fünf eingepferchten Frauen auf dem lebensgroßen Bild genau diese zerstörerische Energie zurückgeben!” Das bedeute nämlich zugleich, dass Picasso sich der Macht der Frauen bewusst gewesen sei, sagt sie im DW-Interview.

Auch die in Paris lebende US-amerikanische Kunstwissenschaftlerin Abigail Solomon-Godeau sieht in Picasso nicht mehr und nicht weniger als einen Frauenverächter. Aus feministischer Sicht müsse man sich von dieser Art von Künstlern distanzieren.

Eine neue Perspektive auf Picasso sei endlich nötig. “Was mich interessiert, sind die Diskurse der Kunstgeschichte, die Diskurse über Picasso, die Diskurse über große, geniale Meister. Denn es ist der Diskurs, der für die Interpretation eines Gemäldes prägend ist. Das Gemälde, das wir heute betrachten und das Démoiselles d’Avignon genannt wird, ist nicht dasselbe Gemälde, das die Leute 1907 gesehen haben. Wir sehen es heute mit anderen Augen.”, sagt sie im DW-Interview. Und deshalb stelle man an dieses Werk Fragen, die man vor 115 Jahren nicht stellen konnte.

Abigail Solomon-Godeau möchte das Denkmal Picasso am liebsten vom Sockel stoßen. Er sei kein Übermensch und sein toxisches Männlichkeitsgebaren sei auch nicht mit seinem mediterranen Charakter zu entschuldigen. Auch seine erste Ehefrau Olga Khokhlova, mit der er von 1917 bis 1935 zusammenlebte, verfremdete er in seinen Bildern nach einer ersten Schonzeit ins Monströse. Ein Gemälde zeigt Olga schlafend auf einem Sessel. Eine grotesk deformierte Figur mit einem schnauzenartigen Mund, der weit offen steht.

Françoise Gilot, mit der Picasso zwei Kinder, Paloma und Claude, bekam, behandelt in ihrem Buch “Mein Leben mit Picasso”das Jahrzehnt zwischen 1943 und 1954. Während Fernande mittellos war und nach der Trennung verarmte, war Gilot reifer und finanziell unabhängig – sie kam aus gutem Hause. Sie durchschaute Picasso und nahm in ihren Erinnerungen kein Blatt vor den Mund.

“Er setzte immer die Menschen um ihn herum in Wettstreit, eine Frau gegen die andere, einen Kunsthändler gegen den anderen, einen Freund gegen den anderen. Es gelang ihm meisterhaft, eine Person als rotes Tuch und die andere als Stier zu benutzen. Während der Stier auf das rote Tuch losging, konnte Pablo verletzende Hiebe austeilen.”

Sie verließ als einzige Frau Picasso – was er ihr nie verzieh. Er verweigerte sogar lange Zeit die Anerkennung der Vaterschaft der gemeinsamen Kinder.

Picasso demütigte seine Frauen, wo er konnte. Auch in seiner Kunst. Dora Maar, die als psychisch labil galt und unter den Kränkungen des Künstlers besonders litt, wird wohl für immer als “weinende Frau” im Gedächtnis bleiben. So stellte er sie auch in seinen Gemälde dar.

Anziehung und Abstoßung – das Verhältnis zu allen Geliebten Picassos folgte fast immer demselben Muster, erzählt der Direktor des Picasso-Museums Münster, Markus Müller, der gemeinsam mit Marilyn McCully 2022 das Buch “Picasso. Frauen seines Lebens. Eine Hommage” veröffentlicht hat. “Picassos Tochter Maya hat mir mal erzählt, dass Picasso seine Frauen verließ wie jemand, der abends noch mal rausgeht, um Zigaretten im Bistro zu holen.”

Natürlich ist diese Misogynie, diese Frauenverachtung, auch ein Ausdruck der Zeit – und Picasso war damit nicht alleine. “Seine Freundschaft mit den Dichtern Apollinaire und Paul Éluard ähneln sich in dieser Hinsicht. Sowohl Apollinaire und Éluard als auch Picasso sind Erotomanen und waren vom Sex besessen.” Vielleicht erklärt das auch, warum Picasso zwar immer älter wurde, seine neuen Frauen zum Zeitpunkt des Kennenlernens aber meist unter 30 Jahre alt, manchmal sogar nicht einmal volljährig waren.

Nicht zuletzt seit #MeToo ist Picasso als erfolgsversessener Macho ein viel diskutiertes Thema in der Kunstwelt. Heute würde man jemanden wie ihn wohl, ohne mit der Wimper zu zucken, als ein Exemplar toxischer Männlichkeit bezeichnen.

Portrait von Fernande Olivier
Les Démoiselles D'Avignon von Picasso zeigt fünf unbekleidete Frauen

“Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen – Göttinnen und Fußabstreifer”, dieses Zitat von Pablo Picasso spricht Bände. In der Tat durchliefen die meisten seiner Frauenbeziehungen – elf sind bekannt – genau diese Metamorphose. Zunächst vergötterte er sie, dann behandelte er sie wie Abschaum. Zwei von ihnen – Marie Thérèse Walther und Jacqueline Roque – nahmen sich nach Picassos Tod sogar das Leben. 

Und so wird die Kritik am Umgang mit dem Superstar der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts lauter. “Ich würde Picasso schon zum Vorwurf machen, dass er manipulativ war, einen sadistischen Hang hatte und ein gewisses Vergnügen daraus zog, Frauen in gewisser Weise zu quälen, indem er ihnen Versprechungen und Liebesschwüre ausgesprochen hat, auch wenn da keine Wahrheit dahinter stand”, sagt Ann-Katrin Hahn, Kuratorin am Picasso-Museum in Münster. Besonders Besucherinnen stellten ihr oft die Frage: Kann ein Museum einen solchen Künstler überhaupt noch unkritisch als Idol feiern?

Picasso – skrupellos und machthungrig

Picasso – so beschreiben es einige seiner Ex-Geliebten in ihren Erinnerungen – war ein skrupelloses Genie, das bereit war, für seine Karriere über Leichen zu gehen. Geradezu manisch verewigte er jede seiner Liaisons in seinen Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen oder Keramiken. Doch so groß die Begeisterung zu Beginn auch war, so schnell kühlte sie auch wieder ab. Anziehung und Abstoßung folgten fast immer demselben Muster.

Fernande Olivier ist die erste Geliebte, die ihre Erinnerungen an ihre Zeit an der Seite von Picasso 1933 in dem Buch “Picasso und seine Freunde” verewigt. Darin erzählt sie von den gemeinsamen Jahren 1905-1913 in Paris. Als sich Picasso und Fernande auf dem Montmartre treffen, ist er noch ein unbekannter, bettelarmer spanischer Künstler mit starkem Akzent. Fernande Olivier wird in den Anfangsjahren seiner Karriere eines seiner wichtigsten Modelle. Vor allem zerlegt er sie in viele geometrische Splitter. In seinen kubistischen Werken sind Nase, Augen, Wange, die Gesichtspartien kaum als solche zu erkennen. Vorne und hinten stellt Picasso gleichzeitig dar.

Mit Fernandes Konterfei schafft Picasso Meilensteine der Kunstgeschichte der Moderne. Doch er behandelt sie auch schlecht, sperrt sie sogar in der gemeinsamen Atelier-Wohnung im Künstlerhaus Bateau Lavoir ein, um zu verhindern, dass sie anderen Künstlern Modell sitzt. Am Ende ihrer Beziehung entlässt er sie in die Armut, während er sich mit seiner neuen Geliebten Eva Gouel in ein neues Abenteuer wirft.

Die Kunstjournalistin Rose-Maria Gropp untersucht in ihrem im Februar 2023 veröffentlichten Buch “Göttinnen und Fußabstreifer. Die Frauen von Picasso” die Perspektive seiner Geliebten, indem sie in ihren privaten Tagebüchern und unveröffentlichten Quellen recherchierte.

“Démoiselles d’Avignon” – frauenverachtendes Gemälde

Das ikonische Gemälde “Démoiselles d’Avignon”, ein Hauptwerk der kubistischen Phase Picassos, sieht sie als Ausdruck seiner Frauenverachtung. “Es ist ja schlicht unvorstellbar, ein so katastrophisches Gemälde wie die “Démoiselles d’Avignon” von 1907 ohne Aggressionen ihres Schöpfers zu denken – das geht gar nicht. Für mich interessant war allerdings genauso, wie die fünf eingepferchten Frauen auf dem lebensgroßen Bild genau diese zerstörerische Energie zurückgeben!” Das bedeute nämlich zugleich, dass Picasso sich der Macht der Frauen bewusst gewesen sei, sagt sie im DW-Interview.

Denkmal Picasso vom Sockel stoßen

Auch die in Paris lebende US-amerikanische Kunstwissenschaftlerin Abigail Solomon-Godeau sieht in Picasso nicht mehr und nicht weniger als einen Frauenverächter. Aus feministischer Sicht müsse man sich von dieser Art von Künstlern distanzieren.

Eine neue Perspektive auf Picasso sei endlich nötig. “Was mich interessiert, sind die Diskurse der Kunstgeschichte, die Diskurse über Picasso, die Diskurse über große, geniale Meister. Denn es ist der Diskurs, der für die Interpretation eines Gemäldes prägend ist. Das Gemälde, das wir heute betrachten und das Démoiselles d’Avignon genannt wird, ist nicht dasselbe Gemälde, das die Leute 1907 gesehen haben. Wir sehen es heute mit anderen Augen.”, sagt sie im DW-Interview. Und deshalb stelle man an dieses Werk Fragen, die man vor 115 Jahren nicht stellen konnte.

Abigail Solomon-Godeau möchte das Denkmal Picasso am liebsten vom Sockel stoßen. Er sei kein Übermensch und sein toxisches Männlichkeitsgebaren sei auch nicht mit seinem mediterranen Charakter zu entschuldigen. Auch seine erste Ehefrau Olga Khokhlova, mit der er von 1917 bis 1935 zusammenlebte, verfremdete er in seinen Bildern nach einer ersten Schonzeit ins Monströse. Ein Gemälde zeigt Olga schlafend auf einem Sessel. Eine grotesk deformierte Figur mit einem schnauzenartigen Mund, der weit offen steht.

Picasso setzte Frauen in einen Wettstreit

Françoise Gilot, mit der Picasso zwei Kinder, Paloma und Claude, bekam, behandelt in ihrem Buch “Mein Leben mit Picasso”das Jahrzehnt zwischen 1943 und 1954. Während Fernande mittellos war und nach der Trennung verarmte, war Gilot reifer und finanziell unabhängig – sie kam aus gutem Hause. Sie durchschaute Picasso und nahm in ihren Erinnerungen kein Blatt vor den Mund.

“Er setzte immer die Menschen um ihn herum in Wettstreit, eine Frau gegen die andere, einen Kunsthändler gegen den anderen, einen Freund gegen den anderen. Es gelang ihm meisterhaft, eine Person als rotes Tuch und die andere als Stier zu benutzen. Während der Stier auf das rote Tuch losging, konnte Pablo verletzende Hiebe austeilen.”

Françoise Gilot ließ Picasso sitzen

Sie verließ als einzige Frau Picasso – was er ihr nie verzieh. Er verweigerte sogar lange Zeit die Anerkennung der Vaterschaft der gemeinsamen Kinder.

Picasso demütigte seine Frauen, wo er konnte. Auch in seiner Kunst. Dora Maar, die als psychisch labil galt und unter den Kränkungen des Künstlers besonders litt, wird wohl für immer als “weinende Frau” im Gedächtnis bleiben. So stellte er sie auch in seinen Gemälde dar.

Picassos Portrait von Marie-Thérèse Walter Frau mit Barett in dem karierten Kleid

Anziehung und Abstoßung – das Verhältnis zu allen Geliebten Picassos folgte fast immer demselben Muster, erzählt der Direktor des Picasso-Museums Münster, Markus Müller, der gemeinsam mit Marilyn McCully 2022 das Buch “Picasso. Frauen seines Lebens. Eine Hommage” veröffentlicht hat. “Picassos Tochter Maya hat mir mal erzählt, dass Picasso seine Frauen verließ wie jemand, der abends noch mal rausgeht, um Zigaretten im Bistro zu holen.”

Natürlich ist diese Misogynie, diese Frauenverachtung, auch ein Ausdruck der Zeit – und Picasso war damit nicht alleine. “Seine Freundschaft mit den Dichtern Apollinaire und Paul Éluard ähneln sich in dieser Hinsicht. Sowohl Apollinaire und Éluard als auch Picasso sind Erotomanen und waren vom Sex besessen.” Vielleicht erklärt das auch, warum Picasso zwar immer älter wurde, seine neuen Frauen zum Zeitpunkt des Kennenlernens aber meist unter 30 Jahre alt, manchmal sogar nicht einmal volljährig waren.

Nicht zuletzt seit #MeToo ist Picasso als erfolgsversessener Macho ein viel diskutiertes Thema in der Kunstwelt. Heute würde man jemanden wie ihn wohl, ohne mit der Wimper zu zucken, als ein Exemplar toxischer Männlichkeit bezeichnen.

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