Deutschland und USA liefern Schützenpanzer in die Ukraine
In einem koordinierten Schritt mit den USA geht die Bundesregierung über ihre bisherige Linie hinaus – und stellt Marder-Panzer zur Verfügung. Russland verkündet eine Waffenruhe. Ein Überblick.
Das Wichtigste in Kürze:
Nach monatelangem Zögern wollen Deutschland und die USA der Ukraine erstmals Schützenpanzer liefern. Das vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat. Danach wird die Bundesrepublik zudem für die Luftabwehr eine Patriot-Flugabwehrbatterie zur Verfügung stellen. Washington hatte Kiew bereits eines der modernen Patriot-Systeme versprochen.
Die Regierung in Berlin entschied, den Schützenpanzer Marder abzugeben, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde. Die USA schicken das Modell Bradley. Es handelt sich dabei um die ersten Schützenpanzer westlicher Bauart, die die ukrainische Armee erhält. Genaue Zahlen und Liefertermine sind noch unklar. US-Regierungskreisen zufolge sollen von amerikanischer Seite 50 Bradleys kommen. Beide Partner wollen sich auch um die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den jeweiligen Waffensystemen kümmern, die in einem NATO-Land stattfinden dürfte.
Die Führung in Kiew hatte die westlichen Verbündeten und insbesondere Deutschland monatelang um Kampf- und Schützenpanzer gebeten. Auch innerhalb der Ampel-Koalition in Berlin waren entsprechende Forderungen laut geworden. Bundeskanzler Scholz hatte dagegen mehrfach betont, Deutschland werde in dieser Frage nicht im Alleingang handeln. Bisher wurden von osteuropäischen Staaten nur Panzer sowjetischer Bauart in das Kriegsgebiet geliefert. Allerdings erhielt die Ukraine bereits Flugabwehr-, Transport- oder Bergepanzer westlicher Hersteller, darunter den Flugabwehrpanzer Gepard aus Deutschland.
Der nunmehr erfolgte Kurswechsel deutete sich bereits am Mittwoch an, als der französische Präsident Emmanuel Macron dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schwer bewaffnete Spähpanzer des Typs AMX-10 RC zusagte. Diese verfügen über eine große Kanone; sie werden vor allem zur Aufklärung eingesetzt.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat kurz vor dem orthodoxen Weihnachtsfest eine 36-stündige Waffenruhe in der Ukraine angekündigt. Gemäß dem Appell des russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill habe Putin eine Feuerpause von Freitag ab 12.00 Uhr bis zum Samstag um 24.00 Uhr (Ortszeit) angeordnet, teilte der Kreml mit. Die russische Armee soll demnach an der gesamten Front die Kämpfe einstellen.
Zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einen entsprechenden Schritt gefordert. Bei einem Telefongespräch mit dem russischen Staatschef habe Erdogan gesagt, “Aufrufe zu Frieden und Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew” sollten “von einer einseitigen Waffenruhe und einer Vision für eine faire Lösung” begleitet werden, erklärte das Präsidialamt in Ankara.
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill hatte sich ebenfalls für eine Feuerpause stark gemacht. Dagegen lehnt die Ukraine eine solche als “zynische Falle” ab. Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, erst müssten die russischen Truppen die Ukraine verlassen. Wörtlich schrieb Mychajlo Podoljak – adressiert an den Kreml – auf Twitter: “Behalten Sie Ihre Scheinheiligkeit für sich.”
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich ebenfalls ablehnend. “Eine sogenannte Feuerpause bringt den Menschen, die unter russischer Besatzung in täglicher Angst leben, weder Freiheit noch Sicherheit”, schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Sie ergänzte: “Wenn Putin Frieden wollte, würde er seine Soldaten nach Hause holen, und der Krieg wäre vorbei. Aber offenbar will er den Krieg fortsetzen, nach kurzer Unterbrechung.”
Das Präsidialamt in Moskau hatte noch vor wenigen Tagen erklärt, eine Waffenruhe zum Fest werde es nicht geben. Die Ostkirchen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender am 7. Januar.
Der ukrainische Generalstab teilte mit, in der besetzten Stadt Tokmak im südukrainischen Gebiet Saporischschja seien bei einer Offensive 80 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Beide Kriegsparteien sprechen häufig von hohen Verlusten der gegnerischen Seite. Ein Sprecher der russischen Besatzungsverwaltung von Saporischschja, Wladimir Rogow, sagte, der ukrainische Angriff habe dem Kreiskrankenhaus von Tokmak gegolten. Es seien ein Militärarzt und mehrere Patienten getötet worden. Dazu wurden Bilder von einem schwer zerstörten Gebäude gezeigt.
Die Ukraine meldet seit Tagen teils heftige Attacken auf russische Truppenansammlungen. Allein bei einem Angriff auf eine russische Militärunterkunft in Makijiwka im Gebiet Donezk sollen den Kiewer Angaben zufolge 400, und bei einer weiteren Offensive in der Ortschaft Tschulakiwka in Cherson 500 feindliche Soldaten getötet worden sein. Moskau hingegen hat mit Blick auf die ukrainischen Artillerieschläge in der Neujahrsnacht bisher nur mindestens 89 Tote in den eigenen Reihen eingeräumt.
Im ukrainischen Kirchenstreit wird die neue orthodoxe Kirche der Ukraine erstmals ihre Weihnachtsmesse im berühmten Kiewer Höhlenkloster abhalten. Metropolit Epifanij habe die Erlaubnis für die Feier des Weihnachtsgottesdiensts in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale erhalten, teilte die Kirche mit. Der Gottesdienst werde gemäß dem Kalender der orthodoxen Kirchen am Samstag stattfinden.
Zuvor war der Mietvertrag der konkurrierenden ukrainisch-orthodoxen Kirche für die Kathedrale zum Jahresende nicht verlängert worden. Diese ursprünglich mit dem Moskauer Patriarchat verbundene Kirche hatte bereits vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Klostergelände zur Nutzung übertragen bekommen. Das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Höhlenkloster befindet sich in Staatsbesitz und gilt als das größte Heiligtum der osteuropäischen orthodoxen Kirchen.
Die traditionell eng mit Russland verbundene ukrainisch-orthodoxe Kirche hatte sich erst mit dem russischen Einmarsch vom vergangenen Februar völlig von Moskau losgesagt. Zuvor war mit staatlicher Hilfe 2018 die Orthodoxe Kirche der Ukraine als neue Landeskirche gegründet worden. Sie ist dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel (Istanbul) zugeordnet.
jj/qu/haz/cw (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Das Wichtigste in Kürze:
Nach monatelangem Zögern wollen Deutschland und die USA der Ukraine erstmals Schützenpanzer liefern. Das vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat. Danach wird die Bundesrepublik zudem für die Luftabwehr eine Patriot-Flugabwehrbatterie zur Verfügung stellen. Washington hatte Kiew bereits eines der modernen Patriot-Systeme versprochen.
Die Regierung in Berlin entschied, den Schützenpanzer Marder abzugeben, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde. Die USA schicken das Modell Bradley. Es handelt sich dabei um die ersten Schützenpanzer westlicher Bauart, die die ukrainische Armee erhält. Genaue Zahlen und Liefertermine sind noch unklar. US-Regierungskreisen zufolge sollen von amerikanischer Seite 50 Bradleys kommen. Beide Partner wollen sich auch um die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den jeweiligen Waffensystemen kümmern, die in einem NATO-Land stattfinden dürfte.
Die Führung in Kiew hatte die westlichen Verbündeten und insbesondere Deutschland monatelang um Kampf- und Schützenpanzer gebeten. Auch innerhalb der Ampel-Koalition in Berlin waren entsprechende Forderungen laut geworden. Bundeskanzler Scholz hatte dagegen mehrfach betont, Deutschland werde in dieser Frage nicht im Alleingang handeln. Bisher wurden von osteuropäischen Staaten nur Panzer sowjetischer Bauart in das Kriegsgebiet geliefert. Allerdings erhielt die Ukraine bereits Flugabwehr-, Transport- oder Bergepanzer westlicher Hersteller, darunter den Flugabwehrpanzer Gepard aus Deutschland.
Russland kündigt Feuerpause an
Der nunmehr erfolgte Kurswechsel deutete sich bereits am Mittwoch an, als der französische Präsident Emmanuel Macron dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schwer bewaffnete Spähpanzer des Typs AMX-10 RC zusagte. Diese verfügen über eine große Kanone; sie werden vor allem zur Aufklärung eingesetzt.
“Behalten Sie Ihre Scheinheiligkeit für sich”
Der russische Präsident Wladimir Putin hat kurz vor dem orthodoxen Weihnachtsfest eine 36-stündige Waffenruhe in der Ukraine angekündigt. Gemäß dem Appell des russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill habe Putin eine Feuerpause von Freitag ab 12.00 Uhr bis zum Samstag um 24.00 Uhr (Ortszeit) angeordnet, teilte der Kreml mit. Die russische Armee soll demnach an der gesamten Front die Kämpfe einstellen.
Zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan einen entsprechenden Schritt gefordert. Bei einem Telefongespräch mit dem russischen Staatschef habe Erdogan gesagt, “Aufrufe zu Frieden und Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew” sollten “von einer einseitigen Waffenruhe und einer Vision für eine faire Lösung” begleitet werden, erklärte das Präsidialamt in Ankara.
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill hatte sich ebenfalls für eine Feuerpause stark gemacht. Dagegen lehnt die Ukraine eine solche als “zynische Falle” ab. Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, erst müssten die russischen Truppen die Ukraine verlassen. Wörtlich schrieb Mychajlo Podoljak – adressiert an den Kreml – auf Twitter: “Behalten Sie Ihre Scheinheiligkeit für sich.”
Kiew meldet weiteren Erfolg in der Region Saporischschja
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich ebenfalls ablehnend. “Eine sogenannte Feuerpause bringt den Menschen, die unter russischer Besatzung in täglicher Angst leben, weder Freiheit noch Sicherheit”, schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. Sie ergänzte: “Wenn Putin Frieden wollte, würde er seine Soldaten nach Hause holen, und der Krieg wäre vorbei. Aber offenbar will er den Krieg fortsetzen, nach kurzer Unterbrechung.”
Das Präsidialamt in Moskau hatte noch vor wenigen Tagen erklärt, eine Waffenruhe zum Fest werde es nicht geben. Die Ostkirchen feiern Weihnachten nach dem julianischen Kalender am 7. Januar.
Neue orthodoxe Kirche feiert Weihnachten im Höhlenkloster
Der ukrainische Generalstab teilte mit, in der besetzten Stadt Tokmak im südukrainischen Gebiet Saporischschja seien bei einer Offensive 80 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Beide Kriegsparteien sprechen häufig von hohen Verlusten der gegnerischen Seite. Ein Sprecher der russischen Besatzungsverwaltung von Saporischschja, Wladimir Rogow, sagte, der ukrainische Angriff habe dem Kreiskrankenhaus von Tokmak gegolten. Es seien ein Militärarzt und mehrere Patienten getötet worden. Dazu wurden Bilder von einem schwer zerstörten Gebäude gezeigt.
Die Ukraine meldet seit Tagen teils heftige Attacken auf russische Truppenansammlungen. Allein bei einem Angriff auf eine russische Militärunterkunft in Makijiwka im Gebiet Donezk sollen den Kiewer Angaben zufolge 400, und bei einer weiteren Offensive in der Ortschaft Tschulakiwka in Cherson 500 feindliche Soldaten getötet worden sein. Moskau hingegen hat mit Blick auf die ukrainischen Artillerieschläge in der Neujahrsnacht bisher nur mindestens 89 Tote in den eigenen Reihen eingeräumt.
Im ukrainischen Kirchenstreit wird die neue orthodoxe Kirche der Ukraine erstmals ihre Weihnachtsmesse im berühmten Kiewer Höhlenkloster abhalten. Metropolit Epifanij habe die Erlaubnis für die Feier des Weihnachtsgottesdiensts in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale erhalten, teilte die Kirche mit. Der Gottesdienst werde gemäß dem Kalender der orthodoxen Kirchen am Samstag stattfinden.
Zuvor war der Mietvertrag der konkurrierenden ukrainisch-orthodoxen Kirche für die Kathedrale zum Jahresende nicht verlängert worden. Diese ursprünglich mit dem Moskauer Patriarchat verbundene Kirche hatte bereits vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Klostergelände zur Nutzung übertragen bekommen. Das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Höhlenkloster befindet sich in Staatsbesitz und gilt als das größte Heiligtum der osteuropäischen orthodoxen Kirchen.
Die traditionell eng mit Russland verbundene ukrainisch-orthodoxe Kirche hatte sich erst mit dem russischen Einmarsch vom vergangenen Februar völlig von Moskau losgesagt. Zuvor war mit staatlicher Hilfe 2018 die Orthodoxe Kirche der Ukraine als neue Landeskirche gegründet worden. Sie ist dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel (Istanbul) zugeordnet.
jj/qu/haz/cw (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.