Daniel Barenboims Rücktritt als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper
Nach über 30 Jahren legt Daniel Barenboim sein Amt an der Berliner Staatsoper aus gesundheitlichen Gründen nieder. Sein Schaffen war legendär – als Dirigent, als Pianist und als Versöhner im Nahost-Konflikt.
In einer am Freitag (6. Januar 2023) verbreiteten Erklärung schreibt der seit längerem erkrankte Stardirigent Daniel Barenboim: “Leider hat sich mein Gesundheitszustand im letzten Jahr deutlich verschlechtert. Ich kann die Leistung nicht mehr erbringen, die zu Recht von einem Generalmusikdirektor verlangt wird.” Er werde zum 31. Januar sein Amt niederlegen.
Schon im November 2022 hatte Barenboim ein Konzert zu seinem 80. Geburtstag aufgrund seiner schweren Erkrankung absagen müssen. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund, dem indischen Dirigenten Zubin Mehta, hätte er eine Wagner-Ouvertüre sowie Klavierkonzerte von Beethoven und Chopin – mit Mehta am Dirigentenpult – aufführen wollen. Zum Jahreswechsel hatte Barenboim dann erstmals wieder dirigiert, das Neujahrskonzert der Staatskapelle in der ausverkauften Staatsoper.
In einer am Freitag (6. Januar 2023) verbreiteten Erklärung schreibt der seit längerem erkrankte Stardirigent Daniel Barenboim: “Leider hat sich mein Gesundheitszustand im letzten Jahr deutlich verschlechtert. Ich kann die Leistung nicht mehr erbringen, die zu Recht von einem Generalmusikdirektor verlangt wird.” Er werde zum 31. Januar sein Amt niederlegen.
Anfang Oktober hatte Daniel Barenboim bereits über die sozialen Netzwerke mitgeteilt, dass eine “schwere neurologische Erkrankung” ihn zwinge, sich vorerst zurückzuziehen. “Ich muss mich jetzt so weit wie möglich auf mein körperliches Wohlbefinden konzentrieren”, schrieb er in den Sozialen Netzwerken.
Umtriebiger Weltbürger
Dieser Schritt dürfte einem gefragten Dirigenten wie ihm nicht gerade leichtgefallen sein. Barenboim ist es gewohnt, für seine Konzerte als Pianist und Dirigent quer durch Europa und die Welt zu reisen. Für sein musikalisches und soziales Engagement wurde er vielerorts mit Preisen und Auszeichnungen geehrt.
“Er hat schon immer fünf Leben gleichzeitig geführt: Als Dirigent, als Pianist, als Initiator von Projekten wie dem West-Eastern Divan Orchestra, als Familienmensch und als Weltkünstlerpersönlichkeit”, sagte Matthias Schulz, Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden.
Seit 1992 war Daniel Barenboim Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. Die Staatskapelle Berlin ernannte ihn im Jahr 2000 zum Chefdirigenten auf Lebenszeit. Im November 2022 feierten sie also nicht nur Barenboims 80. Geburtstag, sondern auch die gemeinsame 30-jährige Zusammenarbeit.
Das West-Eastern Divan Orchestra gründete Barenboim 1999 gemeinsam mit dem amerikanisch-palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said, der 2003 verstorben ist. Beide wollten zu einer friedlichen Lösung im Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern beitragen. Das Ensemble bringt junge Musiker aus Israel und aus arabischen Ländern zusammen. 2016 gründete Daniel Barenboim dann die Barenboim-Said Akademie, die jungen Musizierenden aus dem Nahen Osten sowohl eine musikalische, als auch eine geisteswissenschaftliche Ausbildung anbietet.
Barenboims jüdische Großeltern stammten aus Belarus und der Ukraine. “Sie flohen Anfang des 20. Jahrhunderts vor antisemitischen Pogromen nach Argentinien”, erzählte Barenboim im März 2022 bei einem Solidaritätskonzert der Staatkapelle Berlin für Ukrainische Flüchtlinge. Geboren wurde Daniel Barenboim am 15. November 1942 in Argentinien. Schon mit fünf Jahren erhielt er Klavierunterricht bei seinem Vater. Mit sieben spielte er sein erstes Konzert. “Musik war mir immer eine Freude, nie Pflicht”, schrieb er anlässlich seines Geburtstags in einem Artikel über seine Kindheit in der Wochenzeitung “Die Zeit”.
1952 zog die Familie nach Israel. Auch, weil der Vater seinen Sohn in das europäische Musikleben einführen wollte. Gestandene Musikgrößen wie der Pianist Arthur Rubinstein oder der Dirigent Wilhelm Furtwängler waren vom Talent des jungen Pianisten fasziniert. Furtwängler wurde für Barenboim zum Vorbild: “Seine Freiheit im Tempo war von einer Einfachheit, die war erstaunlich. Man hatte das Gefühl, er komponierte es, während er dirigierte”, erzählt Barenboim im Rahmen der DW-Dokumentation “Klassik unterm Hakenkreuz”, die Ende 2022 in Berlin Premiere gefeiert hat.
Barenboim galt schnell als Ausnahmetalent. Als Jugendlicher studierte er in Rom an der Akademie des Pianisten und Musikpädagogen Carlo Zecci. Mit fünfzehn Jahren spielte er bereits mit den New Yorker Philharmonikern. Fünf Jahre später dirigierte er das London Symphony Orchestra in New York. Die Türen zu den großen Bühnen der Welt standen ihm nun offen.
Ob Orchestre de Paris, Chicago Symphonie Orchestra oder Mailänder Scala – Daniel Barenboim war nicht aufzuhalten. Bei den Salzburger Festspielen ist Barenboim ein ebenso gern gesehener Gast wie bei den Berliner Philharmonikern und den Wiener Philharmonikern, deren berühmte Neujahrskonzerte weltweit im Fernsehen ausgestrahlt werden. Bei den Bayreuther Festspielen dirigierte er regelmäßig Wagner Opern und interpretierte unter anderem 2020 die gefeierte Neuinszenierung des “Ring des Nibelungen” von Harry Kupfer.
Zu seinem 80. Geburtstag hatte Barenboim gerade Wagners Ring mit der Staatskapelle Berlin einstudiert, doch nur die ersten drei Teile konnte er noch dirigieren, für die letzte Aufführung wurde er von Christian Thielemann vertreten.
Daniel Barenboim ist nicht nur mit Leib und Seele Musiker, sondern mischte sich auch oft gesellschaftlich und politisch ein, in Schriften, Vorträgen und in seinen Konzertansprachen, etwa wenn er den Mut der ukrainischen Flüchtlinge lobte oder über Corona als Chance für mehr gesellschaftliches Miteinander sprach.
Dabei war seine Haltung zuweilen auch umstritten. Heftige Kritik gab es 2001 in Israel, als Barenboim bei einem Gastspiel der Staatskapelle Berlin als Zugabe Musik von Richard Wagner spielte. Wagner war bekennender Antisemit und hatte auch antijüdische Hetzschriften verfasst, weshalb seine Musik in Israel nicht erwünscht ist. Zu einem Eklat kam es 2004, als Barenboim vor dem israelischen Parlament die Besetzung Palästinas durch die Israelis kritisierte.
Doch auch an seiner Person gab es Kritik. 2019 beschwerten sich mehrere, zum Teil ehemalige Mitarbeitende der Staatsoper Berlin im Online-Klassikmagazin “Van” über Barenboims Umgangston und seinen autoritären Führungsstil. Barenboim widersprach und sah das Ganze vor dem Hintergrund seiner anstehenden Vertragsverhandlung als Generalmusikdirektor. Sein Vertrag wurde schließlich bis zum Jahr 2027 verlängert.
Nun bat Barenboim nach eigenen Angaben den Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) um die vorzeitige Auflösung seines Vertrags. In seiner Erklärung schreibt er: “Selbstverständlich bleibe ich – solange ich lebe – mit der Musik engstens verbunden und bin bereit, auch künftig als Dirigent zu wirken, auch und gerade mit der Staatskapelle Berlin.”
Dies ist eine aktualisierte Fassung eines früheren Artikels.
In einer am Freitag (6. Januar 2023) verbreiteten Erklärung schreibt der seit längerem erkrankte Stardirigent Daniel Barenboim: “Leider hat sich mein Gesundheitszustand im letzten Jahr deutlich verschlechtert. Ich kann die Leistung nicht mehr erbringen, die zu Recht von einem Generalmusikdirektor verlangt wird.” Er werde zum 31. Januar sein Amt niederlegen.
Schon im November 2022 hatte Barenboim ein Konzert zu seinem 80. Geburtstag aufgrund seiner schweren Erkrankung absagen müssen. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund, dem indischen Dirigenten Zubin Mehta, hätte er eine Wagner-Ouvertüre sowie Klavierkonzerte von Beethoven und Chopin – mit Mehta am Dirigentenpult – aufführen wollen. Zum Jahreswechsel hatte Barenboim dann erstmals wieder dirigiert, das Neujahrskonzert der Staatskapelle in der ausverkauften Staatsoper.
Umtriebiger Weltbürger
Anfang Oktober hatte Daniel Barenboim bereits über die sozialen Netzwerke mitgeteilt, dass eine “schwere neurologische Erkrankung” ihn zwinge, sich vorerst zurückzuziehen. “Ich muss mich jetzt so weit wie möglich auf mein körperliches Wohlbefinden konzentrieren”, schrieb er in den Sozialen Netzwerken.
Dieser Schritt dürfte einem gefragten Dirigenten wie ihm nicht gerade leichtgefallen sein. Barenboim ist es gewohnt, für seine Konzerte als Pianist und Dirigent quer durch Europa und die Welt zu reisen. Für sein musikalisches und soziales Engagement wurde er vielerorts mit Preisen und Auszeichnungen geehrt.
“Er hat schon immer fünf Leben gleichzeitig geführt: Als Dirigent, als Pianist, als Initiator von Projekten wie dem West-Eastern Divan Orchestra, als Familienmensch und als Weltkünstlerpersönlichkeit”, sagte Matthias Schulz, Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden.
Seit 1992 war Daniel Barenboim Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. Die Staatskapelle Berlin ernannte ihn im Jahr 2000 zum Chefdirigenten auf Lebenszeit. Im November 2022 feierten sie also nicht nur Barenboims 80. Geburtstag, sondern auch die gemeinsame 30-jährige Zusammenarbeit.
Barenboim und seine Orchester
Das West-Eastern Divan Orchestra gründete Barenboim 1999 gemeinsam mit dem amerikanisch-palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said, der 2003 verstorben ist. Beide wollten zu einer friedlichen Lösung im Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern beitragen. Das Ensemble bringt junge Musiker aus Israel und aus arabischen Ländern zusammen. 2016 gründete Daniel Barenboim dann die Barenboim-Said Akademie, die jungen Musizierenden aus dem Nahen Osten sowohl eine musikalische, als auch eine geisteswissenschaftliche Ausbildung anbietet.
Eine musikalische Kindheit
Barenboims jüdische Großeltern stammten aus Belarus und der Ukraine. “Sie flohen Anfang des 20. Jahrhunderts vor antisemitischen Pogromen nach Argentinien”, erzählte Barenboim im März 2022 bei einem Solidaritätskonzert der Staatkapelle Berlin für Ukrainische Flüchtlinge. Geboren wurde Daniel Barenboim am 15. November 1942 in Argentinien. Schon mit fünf Jahren erhielt er Klavierunterricht bei seinem Vater. Mit sieben spielte er sein erstes Konzert. “Musik war mir immer eine Freude, nie Pflicht”, schrieb er anlässlich seines Geburtstags in einem Artikel über seine Kindheit in der Wochenzeitung “Die Zeit”.
1952 zog die Familie nach Israel. Auch, weil der Vater seinen Sohn in das europäische Musikleben einführen wollte. Gestandene Musikgrößen wie der Pianist Arthur Rubinstein oder der Dirigent Wilhelm Furtwängler waren vom Talent des jungen Pianisten fasziniert. Furtwängler wurde für Barenboim zum Vorbild: “Seine Freiheit im Tempo war von einer Einfachheit, die war erstaunlich. Man hatte das Gefühl, er komponierte es, während er dirigierte”, erzählt Barenboim im Rahmen der DW-Dokumentation “Klassik unterm Hakenkreuz”, die Ende 2022 in Berlin Premiere gefeiert hat.
Barenboim galt schnell als Ausnahmetalent. Als Jugendlicher studierte er in Rom an der Akademie des Pianisten und Musikpädagogen Carlo Zecci. Mit fünfzehn Jahren spielte er bereits mit den New Yorker Philharmonikern. Fünf Jahre später dirigierte er das London Symphony Orchestra in New York. Die Türen zu den großen Bühnen der Welt standen ihm nun offen.
Barenboim das “Ausnahmetalent”
Ob Orchestre de Paris, Chicago Symphonie Orchestra oder Mailänder Scala – Daniel Barenboim war nicht aufzuhalten. Bei den Salzburger Festspielen ist Barenboim ein ebenso gern gesehener Gast wie bei den Berliner Philharmonikern und den Wiener Philharmonikern, deren berühmte Neujahrskonzerte weltweit im Fernsehen ausgestrahlt werden. Bei den Bayreuther Festspielen dirigierte er regelmäßig Wagner Opern und interpretierte unter anderem 2020 die gefeierte Neuinszenierung des “Ring des Nibelungen” von Harry Kupfer.
Zu seinem 80. Geburtstag hatte Barenboim gerade Wagners Ring mit der Staatskapelle Berlin einstudiert, doch nur die ersten drei Teile konnte er noch dirigieren, für die letzte Aufführung wurde er von Christian Thielemann vertreten.
Barenboim, ein unbequemer Streiter
Daniel Barenboim ist nicht nur mit Leib und Seele Musiker, sondern mischte sich auch oft gesellschaftlich und politisch ein, in Schriften, Vorträgen und in seinen Konzertansprachen, etwa wenn er den Mut der ukrainischen Flüchtlinge lobte oder über Corona als Chance für mehr gesellschaftliches Miteinander sprach.
Vorzeitiges Vertragsende
Dabei war seine Haltung zuweilen auch umstritten. Heftige Kritik gab es 2001 in Israel, als Barenboim bei einem Gastspiel der Staatskapelle Berlin als Zugabe Musik von Richard Wagner spielte. Wagner war bekennender Antisemit und hatte auch antijüdische Hetzschriften verfasst, weshalb seine Musik in Israel nicht erwünscht ist. Zu einem Eklat kam es 2004, als Barenboim vor dem israelischen Parlament die Besetzung Palästinas durch die Israelis kritisierte.
Doch auch an seiner Person gab es Kritik. 2019 beschwerten sich mehrere, zum Teil ehemalige Mitarbeitende der Staatsoper Berlin im Online-Klassikmagazin “Van” über Barenboims Umgangston und seinen autoritären Führungsstil. Barenboim widersprach und sah das Ganze vor dem Hintergrund seiner anstehenden Vertragsverhandlung als Generalmusikdirektor. Sein Vertrag wurde schließlich bis zum Jahr 2027 verlängert.
Nun bat Barenboim nach eigenen Angaben den Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) um die vorzeitige Auflösung seines Vertrags. In seiner Erklärung schreibt er: “Selbstverständlich bleibe ich – solange ich lebe – mit der Musik engstens verbunden und bin bereit, auch künftig als Dirigent zu wirken, auch und gerade mit der Staatskapelle Berlin.”
Dies ist eine aktualisierte Fassung eines früheren Artikels.