Neuer Roman von “American Psycho”-Autor Bret Easton Ellis
“The Shards” heißt Bret Easton Ellis’ erster Roman nach 13 Jahren. Die Autofiktion handelt von einem Serienkiller in Los Angeles im Jahr 1981, der der Clique des Protagonisten Bret Ellis gefährlich nahe kommt.
Sie trinken gelegentlich Champagner, schnupfen Kokain und fahren in ihren Cabrios über die Boulevards und durch die Canyons von Los Angeles und Umgebung. Die Landschaft, die der US-amerikanische Autor Bret Easton Ellis ins Zentrum seines neuen Roman “The Shards” (2023) stellt, scheint jedermann bekannt – wenn nicht aus eigener Anschauung, dann aus den Filmen, die dort spielen. Die Protagonisten sind verwöhnte Heranwachsende, denen der “Mulholland Drive” – eine Panoramastraße, die in den Hollywood Hills beginnt und viele Aussichtspunkte auf die Metropole bietet – oder auch der “Sunset Boulevard”, der durch Beverly Hills bis in den Küstenort Pacific Palisades führt, als Schulweg dienen.
Bereits 1985, zu Beginn seiner Karriere, siedelte Bret Easton Ellis einen Roman in dieser Umgebung an. Die Protagonisten aus “Unter Null” ähneln in ihrer Oberflächlichkeit, Abgestumpftheit und ihrem Konsum von Drogen und Beruhigungsmitteln der Clique in “The Shards”. Einer von ihnen hört auf den Namen Bret Ellis und ist, wie sein Schöpfer, Schriftsteller. Er schreibt in “The Shards” (auf Deutsch ‘Scherben’) an seinem Debüt. Das Ganze spielt im Jahr 1981, als auch der reale Ellis “Unter Null” schrieb.
Sie trinken gelegentlich Champagner, schnupfen Kokain und fahren in ihren Cabrios über die Boulevards und durch die Canyons von Los Angeles und Umgebung. Die Landschaft, die der US-amerikanische Autor Bret Easton Ellis ins Zentrum seines neuen Roman “The Shards” (2023) stellt, scheint jedermann bekannt – wenn nicht aus eigener Anschauung, dann aus den Filmen, die dort spielen. Die Protagonisten sind verwöhnte Heranwachsende, denen der “Mulholland Drive” – eine Panoramastraße, die in den Hollywood Hills beginnt und viele Aussichtspunkte auf die Metropole bietet – oder auch der “Sunset Boulevard”, der durch Beverly Hills bis in den Küstenort Pacific Palisades führt, als Schulweg dienen.
Schon der Prolog von “The Shards” enthält Hinweise auf andere Werke des tatsächlichen Bret Easton Ellis; etwa auf den kontrovers diskutierten und in Deutschland aufgrund der expliziten Gewaltszenen mehrere Jahre indizierten Roman “American Psycho” (1991). Der Erzähler Ellis, dann schon 56-jährig, schildert aus aktueller Perspektive, warum es mehrere Anläufe gebraucht habe, den im Herbst des Jahres 1981 angesiedelten neuen Roman “The Shards” zu schreiben: Ellis erschien traumatisiert von den – allerdings fiktiven – Ereignissen, die sein Abschlussjahr auf der Highschool – der exklusiven Buckley Prep School – überschatteten und die er doch so gerne mitteilen möchte.
Ein Serienkiller verspricht Spannung
Während in “American Psycho” ein Serienkiller in New York sein Unwesen treibt, der den Lesenden als Ich-Erzähler und Protagonist Patrick Bateman bekannt ist, bleibt in seinem neuen Roman bis zum Ende hin offen, wer der vorwiegend junge Frauen mordende und als “Trawler” bezeichnete Typ ist, der an der Westküste der beginnenden Achtziger Jahre so bestialisch agiert.
Schon im Prolog fällt ein Name häufig: Robert Mallory. Ist der neue Mitschüler etwa der Trawler? Auch wenn der Prolog etwas langatmig wirkt, stimmt er die Leserschaft spannungsvoll auf die Brutalität ein, die die (nur scheinbare) Vorstadtidylle der Heranwachsenden erschüttern wird: Nur einer von verschiedenen Therapeuten, die Ellis aufgrund des Traumas konsultiert haben will, sei seiner Erzählung überhaupt gewachsen gewesen – allen anderen machte sie zu große Angst.
Ein nicht zuletzt aufgrund des Therapieerfolgs veränderter Ellis kann sich den Geschehnissen von 1981 stellen und sie schließlich zu Papier bringen: “Und das Image des Fürsten der Finsternis, das ich in den Augen der Leser als Schriftsteller stets verkörpert hatte, verflüchtigte sich jetzt, und an seine Stelle trat ein sonnigeres Gemüt – der Mann der American Psycho geschrieben hatte, war zur Überraschung so mancher nur ein netter, womöglich sogar liebenswerter, leicht abgewrackter Typ (…).”
Wie der Klappentext von “The Shards” verrät, wollte der selbst in Los Angeles geborene Autor eigentlich Musiker werden. Bis in die 1980er-Jahre hat er in verschiedenen New-Wave-Bands Keyboard gespielt. Und das Kurzporträt auf der Webseite seines deutschen Verlags Kiepenheuer & Witsch nennt sogar ein 1986 im US-Bundesstaat Vermont aufgenommenes Musikstudium. Einen Namen machte sich Ellis jedoch als Autor von inzwischen acht fiktionalen Werken und einem Essayband (“Weiß”, 2019); außerdem schreibt er Drehbücher – unter anderem für Musikvideos.
Das Schreiben gleicht für ihn einer “Droge”, wie er jüngst in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) sagte. Diese wirke “viel besser als alle echten Drogen.” Mit der Ausnahme, dass er bei der Arbeit an einer ersten Version von “Unter Null” unter Drogeneinfluss gestanden habe, habe er in weiteren Schreibprozessen darauf – sowie auf Alkohol – verzichtet. Im Nachgang von Veröffentlichungen habe er sich, wie er gegenüber der SZ zugibt, zwar mit dem Konsum von Drogen belohnt – zur Entspannung, doch mit Mitte 40 soll auch damit Schluss gewesen sein.
Der neue Roman ist nicht Bret Easton Ellis’ erste Autofiktion. “Ein trickreiches Spiel mit dem eigenen Lebenslauf” nannte das Magazin “Der Spiegel” etwa seinen Roman “Lunar Park” (2005, auf Deutsch 2006).
In den folgenden Jahren sind auch deutschsprachige Autofiktionen erschienen – etwa Thomas Glavinics “Das bin doch ich” (2007) oder Felicitas Hoppes “Hoppe” (2012). 2019 sah Edelgard Abenstein im Deutschlandfunk Kultur in der Autofiktion einen länderübergreifenden Trend. Und 2022 ging sogar der Nobelpreis mit Annie Ernaux an eine Schriftstellerin, die in zahlreichen Medienberichten als ‘französische Ikone der Autofiktion’ bezeichnet wird.
Bret Easton Ellis’ neueste Autofiktion unterscheidet sich von vielen anderen Werken dieses Genres dadurch, dass es sich dabei zugleich um einen “splatterhafte(n) Gesellschaftsthriller” handelt. So nannte ein Kritiker der Wochenzeitung “Die Zeit” den Roman in der bereits erschienenen Besprechung. Ein Ellis wäre eben kein Ellis ohne die Faszination am Bösen, Abseitigen und dem Interesse am menschlichen Wahnsinn.
Bret Easton Ellis: The Shards. Roman. Ins Deutsche übertragen von Stephan Kleiner. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2023.
Sie trinken gelegentlich Champagner, schnupfen Kokain und fahren in ihren Cabrios über die Boulevards und durch die Canyons von Los Angeles und Umgebung. Die Landschaft, die der US-amerikanische Autor Bret Easton Ellis ins Zentrum seines neuen Roman “The Shards” (2023) stellt, scheint jedermann bekannt – wenn nicht aus eigener Anschauung, dann aus den Filmen, die dort spielen. Die Protagonisten sind verwöhnte Heranwachsende, denen der “Mulholland Drive” – eine Panoramastraße, die in den Hollywood Hills beginnt und viele Aussichtspunkte auf die Metropole bietet – oder auch der “Sunset Boulevard”, der durch Beverly Hills bis in den Küstenort Pacific Palisades führt, als Schulweg dienen.
Bereits 1985, zu Beginn seiner Karriere, siedelte Bret Easton Ellis einen Roman in dieser Umgebung an. Die Protagonisten aus “Unter Null” ähneln in ihrer Oberflächlichkeit, Abgestumpftheit und ihrem Konsum von Drogen und Beruhigungsmitteln der Clique in “The Shards”. Einer von ihnen hört auf den Namen Bret Ellis und ist, wie sein Schöpfer, Schriftsteller. Er schreibt in “The Shards” (auf Deutsch ‘Scherben’) an seinem Debüt. Das Ganze spielt im Jahr 1981, als auch der reale Ellis “Unter Null” schrieb.
Ein Serienkiller verspricht Spannung
Schon der Prolog von “The Shards” enthält Hinweise auf andere Werke des tatsächlichen Bret Easton Ellis; etwa auf den kontrovers diskutierten und in Deutschland aufgrund der expliziten Gewaltszenen mehrere Jahre indizierten Roman “American Psycho” (1991). Der Erzähler Ellis, dann schon 56-jährig, schildert aus aktueller Perspektive, warum es mehrere Anläufe gebraucht habe, den im Herbst des Jahres 1981 angesiedelten neuen Roman “The Shards” zu schreiben: Ellis erschien traumatisiert von den – allerdings fiktiven – Ereignissen, die sein Abschlussjahr auf der Highschool – der exklusiven Buckley Prep School – überschatteten und die er doch so gerne mitteilen möchte.
Während in “American Psycho” ein Serienkiller in New York sein Unwesen treibt, der den Lesenden als Ich-Erzähler und Protagonist Patrick Bateman bekannt ist, bleibt in seinem neuen Roman bis zum Ende hin offen, wer der vorwiegend junge Frauen mordende und als “Trawler” bezeichnete Typ ist, der an der Westküste der beginnenden Achtziger Jahre so bestialisch agiert.
Schon im Prolog fällt ein Name häufig: Robert Mallory. Ist der neue Mitschüler etwa der Trawler? Auch wenn der Prolog etwas langatmig wirkt, stimmt er die Leserschaft spannungsvoll auf die Brutalität ein, die die (nur scheinbare) Vorstadtidylle der Heranwachsenden erschüttern wird: Nur einer von verschiedenen Therapeuten, die Ellis aufgrund des Traumas konsultiert haben will, sei seiner Erzählung überhaupt gewachsen gewesen – allen anderen machte sie zu große Angst.
Ein nicht zuletzt aufgrund des Therapieerfolgs veränderter Ellis kann sich den Geschehnissen von 1981 stellen und sie schließlich zu Papier bringen: “Und das Image des Fürsten der Finsternis, das ich in den Augen der Leser als Schriftsteller stets verkörpert hatte, verflüchtigte sich jetzt, und an seine Stelle trat ein sonnigeres Gemüt – der Mann der American Psycho geschrieben hatte, war zur Überraschung so mancher nur ein netter, womöglich sogar liebenswerter, leicht abgewrackter Typ (…).”
“The Shards”: Ein Spiel mit der Wirklichkeit
Wie der Klappentext von “The Shards” verrät, wollte der selbst in Los Angeles geborene Autor eigentlich Musiker werden. Bis in die 1980er-Jahre hat er in verschiedenen New-Wave-Bands Keyboard gespielt. Und das Kurzporträt auf der Webseite seines deutschen Verlags Kiepenheuer & Witsch nennt sogar ein 1986 im US-Bundesstaat Vermont aufgenommenes Musikstudium. Einen Namen machte sich Ellis jedoch als Autor von inzwischen acht fiktionalen Werken und einem Essayband (“Weiß”, 2019); außerdem schreibt er Drehbücher – unter anderem für Musikvideos.
Bret Easton Ellis: Faible für Musik – und Drogen?
Das Schreiben gleicht für ihn einer “Droge”, wie er jüngst in einem Interview mit der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) sagte. Diese wirke “viel besser als alle echten Drogen.” Mit der Ausnahme, dass er bei der Arbeit an einer ersten Version von “Unter Null” unter Drogeneinfluss gestanden habe, habe er in weiteren Schreibprozessen darauf – sowie auf Alkohol – verzichtet. Im Nachgang von Veröffentlichungen habe er sich, wie er gegenüber der SZ zugibt, zwar mit dem Konsum von Drogen belohnt – zur Entspannung, doch mit Mitte 40 soll auch damit Schluss gewesen sein.
Der neue Roman ist nicht Bret Easton Ellis’ erste Autofiktion. “Ein trickreiches Spiel mit dem eigenen Lebenslauf” nannte das Magazin “Der Spiegel” etwa seinen Roman “Lunar Park” (2005, auf Deutsch 2006).
In den folgenden Jahren sind auch deutschsprachige Autofiktionen erschienen – etwa Thomas Glavinics “Das bin doch ich” (2007) oder Felicitas Hoppes “Hoppe” (2012). 2019 sah Edelgard Abenstein im Deutschlandfunk Kultur in der Autofiktion einen länderübergreifenden Trend. Und 2022 ging sogar der Nobelpreis mit Annie Ernaux an eine Schriftstellerin, die in zahlreichen Medienberichten als ‘französische Ikone der Autofiktion’ bezeichnet wird.
Autofiktionaler Gesellschaftsthriller
Bret Easton Ellis’ neueste Autofiktion unterscheidet sich von vielen anderen Werken dieses Genres dadurch, dass es sich dabei zugleich um einen “splatterhafte(n) Gesellschaftsthriller” handelt. So nannte ein Kritiker der Wochenzeitung “Die Zeit” den Roman in der bereits erschienenen Besprechung. Ein Ellis wäre eben kein Ellis ohne die Faszination am Bösen, Abseitigen und dem Interesse am menschlichen Wahnsinn.
Bret Easton Ellis: The Shards. Roman. Ins Deutsche übertragen von Stephan Kleiner. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2023.