Argentinien und Brasilien: Währungspläne mit vielen Fragezeichen
Zunächst hatte es geheißen, Argentinien und Brasilien würden eine Währungsunion planen. Bei einem Treffen der Präsidenten beider Länder allerdings wurde klar: Es geht um eine Förderung des bilateralen Handels.
Im Vorfeld eines Gipfeltreffen lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) am Dienstag in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires machten Gerüchte die Runde, wonachArgentinien und Brasilien eine gemeinsame Währung namens Sur ins Leben rufen wollten. Dabei würde die nach der Europäischen Union größte Währungsunion der Welt entstehen. Fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts entfallen auf Lateinamerika, 13 Prozent auf die EU. Kein Wunder, dass das Vorhaben am zurückliegenden Wochenende die Schlagzeilen der Wirtschaftsmedien in Europa dominierte.
In Südamerika sorgten die Ankündigungen dagegen kaum für Aufsehen. Schon seit den ersten Integrationsprojekten vor fünfzig Jahren befeuert die Idee einer gemeinsamen Währung immer wieder die Phantasien der Politiker – doch mehr als Material für akademische Arbeiten kam bei diesen Versuchen nicht heraus.
Im Vorfeld eines Gipfeltreffen lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) am Dienstag in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires machten Gerüchte die Runde, wonachArgentinien und Brasilien eine gemeinsame Währung namens Sur ins Leben rufen wollten. Dabei würde die nach der Europäischen Union größte Währungsunion der Welt entstehen. Fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts entfallen auf Lateinamerika, 13 Prozent auf die EU. Kein Wunder, dass das Vorhaben am zurückliegenden Wochenende die Schlagzeilen der Wirtschaftsmedien in Europa dominierte.
Als “Zeitverschwendung” kritisiert denn auch der brasilianisch-argentinische Ökonom Fabio Giambiagi die erneute Diskussion. Laut Giambiagi verhindern die fehlende staatliche Planung der Ökonomien durch die Regierungen sowie die unterschiedliche wirtschaftliche Situation die Entwicklung eines seriösen Währungsprojekts zum jetzigen Zeitpunkt.
Keine Währungsunion, sondern eine “Werteinheit”
Und in der Tat wurde auf dem Celac-Gipfel auch schnell klar: Eine Währungsunion ist derzeit nicht geplant, vielmehr wolle man die Gespräche über die Entwicklung einer sogenannten “gemeinsamen Werteeinheit” vorantreiben. Das gaben die beiden Staatschefs, Lula da Silva und Alberto Fernández, in Buenos Aires bekannt (siehe Artikelbild). Nach diesen Plänen würden die Währungen beider Länder – der Real in Brasilien und der argentinische Peso – weiter existieren; die neue, noch genau zu definierende Werteinheit würde dazu dienen, den Handel zwischen beiden Ländern effizienter zu machen und die Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren.
Tatsächlich könnten die Staaten in ihrer Geld- und Fiskalpolitik kaum unterschiedlicher dastehen: Brasilien hat einen freien Wechselkurs und eine unabhängige Zentralbank. Argentiniens Währungshüter hingegen drucken auf Anweisung des Präsidenten Geld, um das Defizit im Haushalt auszugleichen. Dadurch beträgt die Inflation in Argentinien derzeit 95 Prozent im Jahr. In Brasilien waren es 2022 knapp sechs Prozent.
Brasilien hat mehr als 300 Milliarden Dollar Devisenreserven und ist damit Gläubiger des Weltfinanzsystems. Argentinien hat mehr als 40 Milliarden Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF), an dessen Tropf es hängt. Sonst wäre das Andenland längst zahlungsunfähig.
Argentiniens Devisenkasse ist denn auch fast leer. Mit rigiden Kapitalverkehrskontrollen verhindert die Regierung, dass die Argentinier Dollars kaufen. Es gibt rund zwei Dutzend verschiedene Wechselkurse zum Greenback. Auf dem Schwarzmarkt ist der Dollar doppelt so viel wert wie zum offiziellen Kurs.
Auch einen gemeinsamen Markt der beiden Länder gibt es nicht, nicht einmal eine Freihandelszone. Im Mercosur, der Wirtschaftsgemeinschaft von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, sind die Importe zahlreicher Produkte mit hohen Zöllen belegt. Auch für den gemeinsamen Außenzoll gelten zahlreiche Ausnahmeregelungen. Auf diese fragile “Wirtschaftsgemeinschaft” nun noch eine gemeinsame Währung zu setzen – das ist, als würde man den Karren vor den Esel spannen.
Allerdings dürfte die nun angedachte gemeinsame Werteinheit ganz im Sinne von Brasiliens Präsident Lula sein: Er will nach seiner Wiederwahl die Integration in Lateinamerika vorantreiben. Brasilien vereint mehr als die Hälfte der Wirtschaftskraft und der Bevölkerung des Kontinents auf sich. Er will mit der Einheit in der Region das geopolitische Gewicht Lateinamerikas vergrößern – so, wie ihm das in seinen ersten zwei Regierungszeiten gelungen ist. Und da käme ihm ein intensiverer Außenhandel mit dem Nachbarn gelegen.
Die argentinische Regierung ist in der schweren Krise demgegenüber froh über jeden Strohhalm, den sie ergreifen kann. Eine Verbindung mit dem weit größeren Brasilien könnte die Isolation Argentiniens aufhalten. Im Oktober sind Wahlen, da ist in Buenos Aires jede positive Nachricht gefragt. Gewiss, eine stärkere wirtschaftliche Integration in Südamerika wäre sehr erwünscht – doch statt Infrastrukturprojekte und Freihandelsabkommen politisch voranzutreiben, machen die Südamerikaner gerade den dritten Schritt vor dem ersten.
Auch der renommierte Ökonom Mohamed A. El-Erian ist skeptisch: “Keines der beiden Länder verfügt über die Ausgangsbedingungen, welche die Initiative zum Erfolg führen und andere Länder anlocken könnte”, so El-Erian. “Das Beste, was man sich von dieser Initiative erhoffen kann, ist dass die Gespräche eine gewisse politische Deckung für dringend benötigte Wirtschaftsreformen schaffen.”
Der Artikel wurde am 25.01.2023 aktualisiert.
Im Vorfeld eines Gipfeltreffen lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Celac) am Dienstag in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires machten Gerüchte die Runde, wonachArgentinien und Brasilien eine gemeinsame Währung namens Sur ins Leben rufen wollten. Dabei würde die nach der Europäischen Union größte Währungsunion der Welt entstehen. Fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts entfallen auf Lateinamerika, 13 Prozent auf die EU. Kein Wunder, dass das Vorhaben am zurückliegenden Wochenende die Schlagzeilen der Wirtschaftsmedien in Europa dominierte.
In Südamerika sorgten die Ankündigungen dagegen kaum für Aufsehen. Schon seit den ersten Integrationsprojekten vor fünfzig Jahren befeuert die Idee einer gemeinsamen Währung immer wieder die Phantasien der Politiker – doch mehr als Material für akademische Arbeiten kam bei diesen Versuchen nicht heraus.
Keine Währungsunion, sondern eine “Werteinheit”
Als “Zeitverschwendung” kritisiert denn auch der brasilianisch-argentinische Ökonom Fabio Giambiagi die erneute Diskussion. Laut Giambiagi verhindern die fehlende staatliche Planung der Ökonomien durch die Regierungen sowie die unterschiedliche wirtschaftliche Situation die Entwicklung eines seriösen Währungsprojekts zum jetzigen Zeitpunkt.
Und in der Tat wurde auf dem Celac-Gipfel auch schnell klar: Eine Währungsunion ist derzeit nicht geplant, vielmehr wolle man die Gespräche über die Entwicklung einer sogenannten “gemeinsamen Werteeinheit” vorantreiben. Das gaben die beiden Staatschefs, Lula da Silva und Alberto Fernández, in Buenos Aires bekannt (siehe Artikelbild). Nach diesen Plänen würden die Währungen beider Länder – der Real in Brasilien und der argentinische Peso – weiter existieren; die neue, noch genau zu definierende Werteinheit würde dazu dienen, den Handel zwischen beiden Ländern effizienter zu machen und die Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren.
Tatsächlich könnten die Staaten in ihrer Geld- und Fiskalpolitik kaum unterschiedlicher dastehen: Brasilien hat einen freien Wechselkurs und eine unabhängige Zentralbank. Argentiniens Währungshüter hingegen drucken auf Anweisung des Präsidenten Geld, um das Defizit im Haushalt auszugleichen. Dadurch beträgt die Inflation in Argentinien derzeit 95 Prozent im Jahr. In Brasilien waren es 2022 knapp sechs Prozent.
Brasilien hat mehr als 300 Milliarden Dollar Devisenreserven und ist damit Gläubiger des Weltfinanzsystems. Argentinien hat mehr als 40 Milliarden Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF), an dessen Tropf es hängt. Sonst wäre das Andenland längst zahlungsunfähig.
Zwei komplett unterschiedliche Nachbarn
Argentiniens Devisenkasse ist denn auch fast leer. Mit rigiden Kapitalverkehrskontrollen verhindert die Regierung, dass die Argentinier Dollars kaufen. Es gibt rund zwei Dutzend verschiedene Wechselkurse zum Greenback. Auf dem Schwarzmarkt ist der Dollar doppelt so viel wert wie zum offiziellen Kurs.
Den Karren vor den Esel spannen
Auch einen gemeinsamen Markt der beiden Länder gibt es nicht, nicht einmal eine Freihandelszone. Im Mercosur, der Wirtschaftsgemeinschaft von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, sind die Importe zahlreicher Produkte mit hohen Zöllen belegt. Auch für den gemeinsamen Außenzoll gelten zahlreiche Ausnahmeregelungen. Auf diese fragile “Wirtschaftsgemeinschaft” nun noch eine gemeinsame Währung zu setzen – das ist, als würde man den Karren vor den Esel spannen.
Allerdings dürfte die nun angedachte gemeinsame Werteinheit ganz im Sinne von Brasiliens Präsident Lula sein: Er will nach seiner Wiederwahl die Integration in Lateinamerika vorantreiben. Brasilien vereint mehr als die Hälfte der Wirtschaftskraft und der Bevölkerung des Kontinents auf sich. Er will mit der Einheit in der Region das geopolitische Gewicht Lateinamerikas vergrößern – so, wie ihm das in seinen ersten zwei Regierungszeiten gelungen ist. Und da käme ihm ein intensiverer Außenhandel mit dem Nachbarn gelegen.
Die argentinische Regierung ist in der schweren Krise demgegenüber froh über jeden Strohhalm, den sie ergreifen kann. Eine Verbindung mit dem weit größeren Brasilien könnte die Isolation Argentiniens aufhalten. Im Oktober sind Wahlen, da ist in Buenos Aires jede positive Nachricht gefragt. Gewiss, eine stärkere wirtschaftliche Integration in Südamerika wäre sehr erwünscht – doch statt Infrastrukturprojekte und Freihandelsabkommen politisch voranzutreiben, machen die Südamerikaner gerade den dritten Schritt vor dem ersten.
Buenos Aires froh über jeden Strohhalm
Auch der renommierte Ökonom Mohamed A. El-Erian ist skeptisch: “Keines der beiden Länder verfügt über die Ausgangsbedingungen, welche die Initiative zum Erfolg führen und andere Länder anlocken könnte”, so El-Erian. “Das Beste, was man sich von dieser Initiative erhoffen kann, ist dass die Gespräche eine gewisse politische Deckung für dringend benötigte Wirtschaftsreformen schaffen.”
Der Artikel wurde am 25.01.2023 aktualisiert.