Afrikas Bauern: Mit gesundheitsschädlichen Pestiziden gegen den Hunger
Die Bundesregierung will den Export von Pestiziden verbieten, die in der EU nicht mehr zugelassen sind. Das missfällt Herstellern und Vertreibern, die Afrika als wachsenden Absatzmarkt im Visier haben.
Kaum, dass Bauer Faustine Mugalula den Deckel der Plastikflasche aufschraubt, liegt ein scharfer Geruch in der Luft. Schon die Dämpfe verursachen Übelkeit und Brechreiz: In dem kleinen Behälter mit der Aufschrift “ROKET” ist eine chemische Substanz enthalten, die jeder Raupe und jeder Biene den Garaus macht. “Giftig” steht als Warnhinweis auf der Packungsbeilage. Darauf sind Wirkstoffe ausgewiesen, die in der Europäischen Union (EU) wegen ihrer Schädlichkeit für Gesundheit und Umwelt keine Zulassung mehr haben. Dennoch dürfen sie nach wie vor in alle Welt exportiert werden.
So auch nach Uganda. “25 Milliliter auf 20 Liter Wasser reichen aus, um meinen Garten zu spritzen”, erklärt der Bauer und kippt die ätzend riechende Lösung in einen Kanister, den er sich auf den Rücken schnallt. Er bindet sich ein rotes, löchriges Stofftuch um Mund und Nase und nimmt das Spritzrohr in die Hand, das er über einen Knauf am Handgriff bedienen kann.
Kaum, dass Bauer Faustine Mugalula den Deckel der Plastikflasche aufschraubt, liegt ein scharfer Geruch in der Luft. Schon die Dämpfe verursachen Übelkeit und Brechreiz: In dem kleinen Behälter mit der Aufschrift “ROKET” ist eine chemische Substanz enthalten, die jeder Raupe und jeder Biene den Garaus macht. “Giftig” steht als Warnhinweis auf der Packungsbeilage. Darauf sind Wirkstoffe ausgewiesen, die in der Europäischen Union (EU) wegen ihrer Schädlichkeit für Gesundheit und Umwelt keine Zulassung mehr haben. Dennoch dürfen sie nach wie vor in alle Welt exportiert werden.
In Gummistiefeln stapft der 50-jährige hagere Mann mit grauen Bartstoppeln in seinen Gemüsegarten und fängt an, seine Auberginenpflanzen zu besprühen. Bauer Mugalulas Land liegt inmitten eines kleinen Dorfes im Süden Ugandas, quasi im Speckgürtel der Hauptstadt Kampala. Er ist einer von Millionen Kleinbauern in dem landwirtschaftlich geprägten Land, die regelmäßig ihre Gemüsepflanzen mit Pestiziden behandeln. “Wenn ich Pestizide spritze, habe ich eine bessere Ernte”, ist er überzeugt. Die Qualität seiner Feldfrüchte sei besser: “Sie sehen einfach besser aus und ich kann sie besser verkaufen”, sagt er. Von den Einnahmen bezahle er die Schulgebühren für seine sechs Kinder.
Verbot – längst überfällig?
Innerhalb der EU sind die Wirkstoffe Profenofos und Cypermethrin, die Bauer Mugalula anwendet, seit 2020 verboten. So geht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA davon aus, dass sie Schilddrüsenkrebs verursachen können. Doch sie dürfen nach wie vor exportiert werden. Europas führende Chemiekonzerne sind weltweit Marktführer in der Produktion von Pflanzenschutzmitteln, vor allem die deutschen Chemiegiganten wie Bayer in Leverkusen und BASF in Ludwigshafen. Laut dem im November von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Pestizidatlas gehen mehr als 17 Prozent der deutschen Exporte von Pestiziden ohne EU-Zulassung nach Afrika.
Für Silke Bollmohr, Expertin in Sachen Lebensmittelsicherheit und Pestizideinsatz und wissenschaftliche Beraterin für Nichtregierungsorganisationen in Kenia, ist dies besonders in Afrika ein großes Problem, weil gerade die Kleinbauern sich und ihre Umwelt im Umgang mit diesen Giften wenig schützen würden. Der Pestizideinsatz in Afrika sei zwar im Vergleich zu anderen Ländern wie Brasilien noch sehr gering, doch die Hersteller betrachteten den Kontinent als Wachstumsmarkt. “Die Industrie hofft auf diesen Markt”, so Bollmohr. Gerade im Kontext der derzeitigen Welternährungskrise werde nun das Narrativ verbreitet, man könne die Lebensmittelproduktion nur steigern, wenn man mehr Schädlingsbekämpfungsmittel einsetze, so Bollmohr.
Bundeslandwirtschaftsmininster Cem Özdemir beabsichtigt, den Export schädlicher Wirkstoffe in Zukunft zu unterbinden. Er wolle das im Koalitionsvertrag vorgesehene Ausfuhrverbot umsetzen, erklärte Özdemir im September. Laut Ministerium wird eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die nach Möglichkeit im ersten Halbjahr 2023 vorliegen soll. Welche Wirkstoffe einbezogen werden, ist demnach noch in Klärung. Ein Exportverbot sei lange überfällig, heißt es in einem offenen Brief, den 274 Menschenrechtsorganisationen aus 54 Ländern des globalen Südens bereits im November an Özdemir geschickt haben.
Im Industrieviertel von Kampala liegt das Warenlager der Firma Uganda Crop Care. Davor parken Lastwagen, die große Fässer mit Glyphosat von Bayer aus Deutschland abladen. Der ugandische Importeur ist eines der wenigen Unternehmen, die von Ugandas Landwirtschaftsministerium eine Lizenz haben, Pestizide von deutschen Herstellern einzuführen. Vor dem Lager stehen Motorräder, mit denen die Angestellten über die Dörfer fahren, um die Bauern frei Haus zu beliefern und neue Kunden anzuwerben.
Firmenchef Sharad Kumar Singh ist gebürtiger Inder. An den Wänden seines kleinen Büros hängen Fotos von Singh mit Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Zu seinen Kunden zählen neben Großbauern vor allem Blumenzüchter, die ihre Tulpen und Rosen per Luftfracht nach Europa liefern, sowie Baumwoll- und Teefarmer, die fast ausschließlich für den Export produzieren – und einen wichtigen Sektor für Ugandas Wirtschaft darstellen.
Ein Exportverbot aus der EU findet Singh nicht sinnvoll. “Wie viele afrikanische Länder auch hat Uganda ein Problem mit der Lebensmittelsicherheit”, erklärt er und warnt vor einer Versorgungslücke, denn afrikanischen Ländern fehle es an Alternativen: “Uganda, ja, ganz Afrika leidet immer noch an Hunger”, stellt er klar: “Zunächst muss man den Hunger stillen, dann können Sie mit der neuen Verordnung kommen.”
Die extreme Dürre im vergangenen Jahr hat die Zahl der Hungerleidenden in Ostafrika enorm ansteigen lassen: Über 21 Millionen Menschen haben nicht genügend Essen – und das wird wohl so bleiben, denn die Böden sind nach der langen Dürre trocken und hart, so dass eine frische Aussaat unmöglich ist.
Uganda gilt als Gemüsegarten Ostafrikas. Hilfsagenturen der Vereinten Nationen wie das Welternährungsprogramm WFP kaufen hier ihre Lebensmittel ein, um die Geflüchteten in den Lagern der umliegenden Krisengebiete wie Somalia, Südsudan, Kongo oder Äthiopien zu ernähren. Für die ganze Region ist die Steigerung der Lebensmittelproduktion in Uganda deswegen überlebenswichtig.
Doch Jerome Lugumira in Ugandas Umweltbehörde NEMA begrüßt ein mögliches Exportverbot aus Deutschland. Der Chemiker beschäftigt sich mit den Langzeitfolgen des Pestizideinsatzes. Er leitet ein Team, das regelmäßig Bodenproben nimmt, und vertritt die Umweltbehörde in einem Komitee des Landwirtschaftsministeriums, das über die Importlizenzen entscheidet.
“Wir haben ein riesiges Problem”, stellt Lugumira klar. Die Regierung würde die Anwendung der Schädlingsbekämpfungsmittel nicht überwachen und den Markt nur wenig regulieren. Bei zahlreichen Chemikalien sei das Verfallsdatum längst überschritten, so Lugumira. Und damit nicht genug: “Die Bauern wenden die Produkte oft falsch an, zum Beispiel in der Regenzeit, wenn sie vom Regen weggespült werden und dann in Flüssen und Seen enden.” Er kritisiert: Ugandas Zulassungssystem sei einfach zu korrumpieren. Ein europäisches Exportverbot könnte hier Abhilfe schaffen.
Nachdem Faustine Mugalula fertig gespritzt hat, hängt feiner Sprühnebel zwischen den Auberginenpflanzen. Er streift sich das rote Stofftuch vom Gesicht und stopft es ungewaschen in seine Hosentasche. In zwei Wochen wird er wieder mit der Spritze losziehen.
Kaum, dass Bauer Faustine Mugalula den Deckel der Plastikflasche aufschraubt, liegt ein scharfer Geruch in der Luft. Schon die Dämpfe verursachen Übelkeit und Brechreiz: In dem kleinen Behälter mit der Aufschrift “ROKET” ist eine chemische Substanz enthalten, die jeder Raupe und jeder Biene den Garaus macht. “Giftig” steht als Warnhinweis auf der Packungsbeilage. Darauf sind Wirkstoffe ausgewiesen, die in der Europäischen Union (EU) wegen ihrer Schädlichkeit für Gesundheit und Umwelt keine Zulassung mehr haben. Dennoch dürfen sie nach wie vor in alle Welt exportiert werden.
So auch nach Uganda. “25 Milliliter auf 20 Liter Wasser reichen aus, um meinen Garten zu spritzen”, erklärt der Bauer und kippt die ätzend riechende Lösung in einen Kanister, den er sich auf den Rücken schnallt. Er bindet sich ein rotes, löchriges Stofftuch um Mund und Nase und nimmt das Spritzrohr in die Hand, das er über einen Knauf am Handgriff bedienen kann.
Verbot – längst überfällig?
In Gummistiefeln stapft der 50-jährige hagere Mann mit grauen Bartstoppeln in seinen Gemüsegarten und fängt an, seine Auberginenpflanzen zu besprühen. Bauer Mugalulas Land liegt inmitten eines kleinen Dorfes im Süden Ugandas, quasi im Speckgürtel der Hauptstadt Kampala. Er ist einer von Millionen Kleinbauern in dem landwirtschaftlich geprägten Land, die regelmäßig ihre Gemüsepflanzen mit Pestiziden behandeln. “Wenn ich Pestizide spritze, habe ich eine bessere Ernte”, ist er überzeugt. Die Qualität seiner Feldfrüchte sei besser: “Sie sehen einfach besser aus und ich kann sie besser verkaufen”, sagt er. Von den Einnahmen bezahle er die Schulgebühren für seine sechs Kinder.
Innerhalb der EU sind die Wirkstoffe Profenofos und Cypermethrin, die Bauer Mugalula anwendet, seit 2020 verboten. So geht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA davon aus, dass sie Schilddrüsenkrebs verursachen können. Doch sie dürfen nach wie vor exportiert werden. Europas führende Chemiekonzerne sind weltweit Marktführer in der Produktion von Pflanzenschutzmitteln, vor allem die deutschen Chemiegiganten wie Bayer in Leverkusen und BASF in Ludwigshafen. Laut dem im November von der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebenen Pestizidatlas gehen mehr als 17 Prozent der deutschen Exporte von Pestiziden ohne EU-Zulassung nach Afrika.
Für Silke Bollmohr, Expertin in Sachen Lebensmittelsicherheit und Pestizideinsatz und wissenschaftliche Beraterin für Nichtregierungsorganisationen in Kenia, ist dies besonders in Afrika ein großes Problem, weil gerade die Kleinbauern sich und ihre Umwelt im Umgang mit diesen Giften wenig schützen würden. Der Pestizideinsatz in Afrika sei zwar im Vergleich zu anderen Ländern wie Brasilien noch sehr gering, doch die Hersteller betrachteten den Kontinent als Wachstumsmarkt. “Die Industrie hofft auf diesen Markt”, so Bollmohr. Gerade im Kontext der derzeitigen Welternährungskrise werde nun das Narrativ verbreitet, man könne die Lebensmittelproduktion nur steigern, wenn man mehr Schädlingsbekämpfungsmittel einsetze, so Bollmohr.
Bundeslandwirtschaftsmininster Cem Özdemir beabsichtigt, den Export schädlicher Wirkstoffe in Zukunft zu unterbinden. Er wolle das im Koalitionsvertrag vorgesehene Ausfuhrverbot umsetzen, erklärte Özdemir im September. Laut Ministerium wird eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die nach Möglichkeit im ersten Halbjahr 2023 vorliegen soll. Welche Wirkstoffe einbezogen werden, ist demnach noch in Klärung. Ein Exportverbot sei lange überfällig, heißt es in einem offenen Brief, den 274 Menschenrechtsorganisationen aus 54 Ländern des globalen Südens bereits im November an Özdemir geschickt haben.
Pestizide beleben das Geschäft
Im Industrieviertel von Kampala liegt das Warenlager der Firma Uganda Crop Care. Davor parken Lastwagen, die große Fässer mit Glyphosat von Bayer aus Deutschland abladen. Der ugandische Importeur ist eines der wenigen Unternehmen, die von Ugandas Landwirtschaftsministerium eine Lizenz haben, Pestizide von deutschen Herstellern einzuführen. Vor dem Lager stehen Motorräder, mit denen die Angestellten über die Dörfer fahren, um die Bauern frei Haus zu beliefern und neue Kunden anzuwerben.
Angst vor einer Hungerkatastrophe
Firmenchef Sharad Kumar Singh ist gebürtiger Inder. An den Wänden seines kleinen Büros hängen Fotos von Singh mit Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Zu seinen Kunden zählen neben Großbauern vor allem Blumenzüchter, die ihre Tulpen und Rosen per Luftfracht nach Europa liefern, sowie Baumwoll- und Teefarmer, die fast ausschließlich für den Export produzieren – und einen wichtigen Sektor für Ugandas Wirtschaft darstellen.
Ein Exportverbot aus der EU findet Singh nicht sinnvoll. “Wie viele afrikanische Länder auch hat Uganda ein Problem mit der Lebensmittelsicherheit”, erklärt er und warnt vor einer Versorgungslücke, denn afrikanischen Ländern fehle es an Alternativen: “Uganda, ja, ganz Afrika leidet immer noch an Hunger”, stellt er klar: “Zunächst muss man den Hunger stillen, dann können Sie mit der neuen Verordnung kommen.”
Die extreme Dürre im vergangenen Jahr hat die Zahl der Hungerleidenden in Ostafrika enorm ansteigen lassen: Über 21 Millionen Menschen haben nicht genügend Essen – und das wird wohl so bleiben, denn die Böden sind nach der langen Dürre trocken und hart, so dass eine frische Aussaat unmöglich ist.
“Wir haben ein Problem”
Uganda gilt als Gemüsegarten Ostafrikas. Hilfsagenturen der Vereinten Nationen wie das Welternährungsprogramm WFP kaufen hier ihre Lebensmittel ein, um die Geflüchteten in den Lagern der umliegenden Krisengebiete wie Somalia, Südsudan, Kongo oder Äthiopien zu ernähren. Für die ganze Region ist die Steigerung der Lebensmittelproduktion in Uganda deswegen überlebenswichtig.
Doch Jerome Lugumira in Ugandas Umweltbehörde NEMA begrüßt ein mögliches Exportverbot aus Deutschland. Der Chemiker beschäftigt sich mit den Langzeitfolgen des Pestizideinsatzes. Er leitet ein Team, das regelmäßig Bodenproben nimmt, und vertritt die Umweltbehörde in einem Komitee des Landwirtschaftsministeriums, das über die Importlizenzen entscheidet.
“Wir haben ein riesiges Problem”, stellt Lugumira klar. Die Regierung würde die Anwendung der Schädlingsbekämpfungsmittel nicht überwachen und den Markt nur wenig regulieren. Bei zahlreichen Chemikalien sei das Verfallsdatum längst überschritten, so Lugumira. Und damit nicht genug: “Die Bauern wenden die Produkte oft falsch an, zum Beispiel in der Regenzeit, wenn sie vom Regen weggespült werden und dann in Flüssen und Seen enden.” Er kritisiert: Ugandas Zulassungssystem sei einfach zu korrumpieren. Ein europäisches Exportverbot könnte hier Abhilfe schaffen.
Nachdem Faustine Mugalula fertig gespritzt hat, hängt feiner Sprühnebel zwischen den Auberginenpflanzen. Er streift sich das rote Stofftuch vom Gesicht und stopft es ungewaschen in seine Hosentasche. In zwei Wochen wird er wieder mit der Spritze losziehen.