Meinung: Der Papst in Afrika – Der Ankläger, der Mutmacher
Papst Franziskus besuchte in zwei Ländern Afrikas die Ärmsten der Armen. Seine Gesten und Reden in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan wurden zu Anklagen an die Weltgemeinschaft, findet Christoph Strack.
Er setzt auf die jungen Menschen, auf die Frauen. Er bittet, er mahnt, er fleht. Die fünfte Afrikareise von Papst Franziskus zeigt ihn als Gegenstimme zu einer globalisierten Welt, in der es um Machtanmaßung und Herrschaft auf Kosten der Schwächsten geht. Seine Begegnungen mit Überlebenden und Zeugen von Vergewaltigung oder Verstümmelung, Versklavung oder Vertreibung dauern länger als jedes politische Gespräch – Stunden, die zum Ergreifendsten dieser Reise zählen.
In beiden Ländern, in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan, drängt Franziskus auf ein Ende blutiger interner Konflikte und nimmt die Herrschenden in die Pflicht. Er agiert wie ein Ankläger derer, die auf Gewalt setzen, und ein Mutmacher anderer gesellschaftlicher Kräfte, der Jugend und der Frauen.
Er setzt auf die jungen Menschen, auf die Frauen. Er bittet, er mahnt, er fleht. Die fünfte Afrikareise von Papst Franziskus zeigt ihn als Gegenstimme zu einer globalisierten Welt, in der es um Machtanmaßung und Herrschaft auf Kosten der Schwächsten geht. Seine Begegnungen mit Überlebenden und Zeugen von Vergewaltigung oder Verstümmelung, Versklavung oder Vertreibung dauern länger als jedes politische Gespräch – Stunden, die zum Ergreifendsten dieser Reise zählen.
Ein Blick auf die nun 40 Auslandsreisen des Kirchenoberhaupts seit seiner Wahl 2013 zeigt eine eigene Weltkarte. Da geht es weniger um politischen Einfluss oder wirtschaftliche Macht. Eher im Gegenteil. Allein auf dem afrikanischen Kontinent besuchte er fünf der ärmsten Länder der Welt, zu denen auch die Demokratische Republik Kongo und der Südsudan zählen. Auch in Asien ging er in Länder, in denen einige der Ärmsten leben, Bangladesch und Myanmar. In Lateinamerika setzte er in jedem einzelnen Land entsprechende Schwerpunkte, gerade in jenen Ländern, die zum Großraum Amazonien gehören und in denen Indigene Freiwild der Ausbeuter sind.
Zu Gast bei den Menschen am Rand der Gesellschaft
Ein Detail mag verdeutlichen, wie sehr es Franziskus um die Ausgegrenzten jenseits der Machtzentren geht. Im Herbst 2015 war er in den USA und auch dort wurde er gefeiert, so, wie die US-Amerikaner Stars halt feiern. Aber als er dann im weißen Kleinwagen durch die Straßen von Washington kurvte, erschien das vielen skurril, merkwürdig, amüsant. Die dadurch ausgedrückte Ablehnung eines bestimmten Lebensstils des Immer-mehr-immer-größer wollten sie nicht wahrnehmen. Nun, fast acht Jahre später, rollt er gleichfalls im weißen Fiat 500 durch Kinshasa und wird dafür gefeiert. Die Menschen verstehen es als Distanzierung von korrupten Zirkeln der Macht.
Übrigens gilt die Mahnung auch manchem in der Bischofs- oder Priesterkaste seiner Zielländer. Je deutlicher er das Wirken mutiger Ordensleute oder Geistlicher hervorhebt oder getöteter Kirchenmitglieder gedenkt, desto kritischer wird die Mahnung an die anderen Akteure der Kirche, diesem Beispiel zu folgen.
Die Reisen des Papstes sind immer Besuche bei jenen, die kaum mehr haben, als sie am Leib tragen, und die selbst nie nach Rom kommen könnten. Eines der großen Bilder des Besuchs im Südsudan zeigt einen vielleicht zehnjährigen Jungen, der Franziskus mit ausgestreckter Hand einen Geldschein anbietet.
In der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan prangert der Papst blutige Konflikte um die Macht an und kritisiert Akteure, die über Leichen gehen und sich nicht um das Elend der Menschen kümmern. Seine Worte sind drastisch, aber nicht immer deutlich. Die Täter des Terrors und der Gewalt im Ostkongo benennt er nicht konkret, auch die Verantwortung der Nachbarländer, vor allem Ruandas, bleibt unerwähnt.
Aber meist geht es ihm eben auch um Folgen des Kolonialismus und des weltweiten Kapitalismus, der Regionen allein als Märkte und Menschen als Konsumenten sieht. Da spricht er – wie im Kongo – von der “blutigen, illegalen Ausbeutung” der Bodenschätze, von der “Bereicherung mit Ressourcen und Geld, die mit Blut besudelt sind”, von Korruption und struktureller Ungerechtigkeit und Rüstungswahn. Ihm bleibt nur die Zusage an die Menschen: “Brüder und Schwestern, die Kirche ist und wird immer auf eurer Seite sein.” Das ist nicht viel und doch außergewöhnlich.
Denn wer als europäischer Politiker heute Afrika – selten genug – thematisiert oder – noch seltener – besucht, dem geht es vielleicht auch um die Bekämpfung von Fluchtursachen, aber vor allem um globalen Einfluss und Hegemonie: Man darf nicht alles den Russen oder Chinesen überlassen.
Katholische Gläubige in Deutschland und Europa, zum Teil auch in Nordamerika, die auf kirchliche Reformschritte warten, mögen von solchen Reisen enttäuscht sein. Sie warten auf andere Worte, auf Signale der kirchlichen Reform, ihre Kirchen sind im Mark verletzt angesichts des strukturell verankerten Machtmissbrauchs sexualisierter und anderer Art. Aber da lässt Franziskus seinen Apparat machen (oder nicht machen), als wäre es ihm lästig zu entscheiden.
Innerlich, auch geistlich, ist Franziskus anders unterwegs. Und seine geradezu biblisch formulierte Klage über den Schmerz der Leidenden im Ostkongo und im Südsudan – man darf sie als Anklage der Staatengemeinschaft verstehen.
Er setzt auf die jungen Menschen, auf die Frauen. Er bittet, er mahnt, er fleht. Die fünfte Afrikareise von Papst Franziskus zeigt ihn als Gegenstimme zu einer globalisierten Welt, in der es um Machtanmaßung und Herrschaft auf Kosten der Schwächsten geht. Seine Begegnungen mit Überlebenden und Zeugen von Vergewaltigung oder Verstümmelung, Versklavung oder Vertreibung dauern länger als jedes politische Gespräch – Stunden, die zum Ergreifendsten dieser Reise zählen.
In beiden Ländern, in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan, drängt Franziskus auf ein Ende blutiger interner Konflikte und nimmt die Herrschenden in die Pflicht. Er agiert wie ein Ankläger derer, die auf Gewalt setzen, und ein Mutmacher anderer gesellschaftlicher Kräfte, der Jugend und der Frauen.
Zu Gast bei den Menschen am Rand der Gesellschaft
Ein Blick auf die nun 40 Auslandsreisen des Kirchenoberhaupts seit seiner Wahl 2013 zeigt eine eigene Weltkarte. Da geht es weniger um politischen Einfluss oder wirtschaftliche Macht. Eher im Gegenteil. Allein auf dem afrikanischen Kontinent besuchte er fünf der ärmsten Länder der Welt, zu denen auch die Demokratische Republik Kongo und der Südsudan zählen. Auch in Asien ging er in Länder, in denen einige der Ärmsten leben, Bangladesch und Myanmar. In Lateinamerika setzte er in jedem einzelnen Land entsprechende Schwerpunkte, gerade in jenen Ländern, die zum Großraum Amazonien gehören und in denen Indigene Freiwild der Ausbeuter sind.
Ein Detail mag verdeutlichen, wie sehr es Franziskus um die Ausgegrenzten jenseits der Machtzentren geht. Im Herbst 2015 war er in den USA und auch dort wurde er gefeiert, so, wie die US-Amerikaner Stars halt feiern. Aber als er dann im weißen Kleinwagen durch die Straßen von Washington kurvte, erschien das vielen skurril, merkwürdig, amüsant. Die dadurch ausgedrückte Ablehnung eines bestimmten Lebensstils des Immer-mehr-immer-größer wollten sie nicht wahrnehmen. Nun, fast acht Jahre später, rollt er gleichfalls im weißen Fiat 500 durch Kinshasa und wird dafür gefeiert. Die Menschen verstehen es als Distanzierung von korrupten Zirkeln der Macht.
Übrigens gilt die Mahnung auch manchem in der Bischofs- oder Priesterkaste seiner Zielländer. Je deutlicher er das Wirken mutiger Ordensleute oder Geistlicher hervorhebt oder getöteter Kirchenmitglieder gedenkt, desto kritischer wird die Mahnung an die anderen Akteure der Kirche, diesem Beispiel zu folgen.
Die Reisen des Papstes sind immer Besuche bei jenen, die kaum mehr haben, als sie am Leib tragen, und die selbst nie nach Rom kommen könnten. Eines der großen Bilder des Besuchs im Südsudan zeigt einen vielleicht zehnjährigen Jungen, der Franziskus mit ausgestreckter Hand einen Geldschein anbietet.
Gegen die Folgen von Kolonialismus und Kapitalismus
In der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan prangert der Papst blutige Konflikte um die Macht an und kritisiert Akteure, die über Leichen gehen und sich nicht um das Elend der Menschen kümmern. Seine Worte sind drastisch, aber nicht immer deutlich. Die Täter des Terrors und der Gewalt im Ostkongo benennt er nicht konkret, auch die Verantwortung der Nachbarländer, vor allem Ruandas, bleibt unerwähnt.
Aber meist geht es ihm eben auch um Folgen des Kolonialismus und des weltweiten Kapitalismus, der Regionen allein als Märkte und Menschen als Konsumenten sieht. Da spricht er – wie im Kongo – von der “blutigen, illegalen Ausbeutung” der Bodenschätze, von der “Bereicherung mit Ressourcen und Geld, die mit Blut besudelt sind”, von Korruption und struktureller Ungerechtigkeit und Rüstungswahn. Ihm bleibt nur die Zusage an die Menschen: “Brüder und Schwestern, die Kirche ist und wird immer auf eurer Seite sein.” Das ist nicht viel und doch außergewöhnlich.
Denn wer als europäischer Politiker heute Afrika – selten genug – thematisiert oder – noch seltener – besucht, dem geht es vielleicht auch um die Bekämpfung von Fluchtursachen, aber vor allem um globalen Einfluss und Hegemonie: Man darf nicht alles den Russen oder Chinesen überlassen.
Katholische Gläubige in Deutschland und Europa, zum Teil auch in Nordamerika, die auf kirchliche Reformschritte warten, mögen von solchen Reisen enttäuscht sein. Sie warten auf andere Worte, auf Signale der kirchlichen Reform, ihre Kirchen sind im Mark verletzt angesichts des strukturell verankerten Machtmissbrauchs sexualisierter und anderer Art. Aber da lässt Franziskus seinen Apparat machen (oder nicht machen), als wäre es ihm lästig zu entscheiden.
Innerlich, auch geistlich, ist Franziskus anders unterwegs. Und seine geradezu biblisch formulierte Klage über den Schmerz der Leidenden im Ostkongo und im Südsudan – man darf sie als Anklage der Staatengemeinschaft verstehen.