Kanadas Drogenpolitik: “Leben retten, Schäden verringern”
Die kanadische Provinz British Columbia startet ein Pilotprojekt: Der Besitz kleinerer Mengen auch harter Drogen wird strafrechtlich nicht mehr verfolgt. Was das bringen kann – und was nicht.
An Drogen scheiden sich in Politik und Wissenschaft die Geister: Was sollen die Ziele des staatlichen Umgangs damit sein und auf welchen Wegen können sie erreicht werden? Während nicht wenige Länder immer noch auf strikte Verbote und Strafen setzen, haben andere in den vergangenen Jahren eher den Weg einer liberaleren Drogenpolitik eingeschlagen. Kanada etwa gab 2018 den Verkauf und Konsum von Cannabis frei, um so dem Schwarzmarkt die Nachfrage zu entziehen und die Drogenkriminalität zu verringern.
Nun ist in der nordwestkanadischen Provinz British Columbia ein neues, zunächst auf drei Jahre befristetes Pilotprojekt gestartet. Seit dem 31. Januar ist das Mitführen von bis zu 2,5 Gramm einiger härterer Drogen nicht mehr strafbar. Wird man mit einer solchen Menge Kokain (als Pulver oder Crack), Methamphetamin, MDMA oder der Opioide Heroin, Morphium und Fentanyl erwischt, wird man nicht verhaftet und angeklagt, die Substanzen werden nicht beschlagnahmt.
An Drogen scheiden sich in Politik und Wissenschaft die Geister: Was sollen die Ziele des staatlichen Umgangs damit sein und auf welchen Wegen können sie erreicht werden? Während nicht wenige Länder immer noch auf strikte Verbote und Strafen setzen, haben andere in den vergangenen Jahren eher den Weg einer liberaleren Drogenpolitik eingeschlagen. Kanada etwa gab 2018 den Verkauf und Konsum von Cannabis frei, um so dem Schwarzmarkt die Nachfrage zu entziehen und die Drogenkriminalität zu verringern.
Dazu erklärte Carolyn Bennett, Bundesministerin für psychische Gesundheit und Suchterkrankungen, sie habe die Auswirkungen “auf die öffentliche Gesundheit als auch auf die öffentliche Sicherheit gründlich geprüft und sorgfältig abgewogen”. Die Maßnahmen würden “das Stigma und den Schaden verringern und British Columbia ein weiteres Instrument zur Verfügung stellen, um die Überdosis-Krise zu beenden.”
Opioid-Epidemie: Keine einfache Lösung in Sicht
Die kanadische Regierung verspricht sich also, durch die Entkriminalisierung von Drogenkonsumierenden die Zahl der Drogentoten zu verringern. Dadurch, dass sich Betroffene weniger stigmatisiert fühlen würden, nähmen sie auch eher lebensrettende Hilfsangebote in Anspruch, so der Gedanke.
Tatsächlich ist die Zahl der Drogenabhängigen und -toten in Kanada so wie auch in den USA extrem hoch, wie Jonathan Caulkins, Experte für Drogenpolitik und Professor an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, erklärt: “Die sehr liberale Herausgabepraxis bei verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln hat dazu geführt, dass viele Menschen abhängig geworden sind, etwa fünf Millionen in den USA und in Kanada prozentual ähnlich viele.”
Die Suchtgefahr dieser legalen Opioide wurde von Herstellerseite lange verheimlicht oder heruntergespielt. Viele Menschen steigen irgendwann auf illegale Substanzen um, etwa Heroin oder seit ein paar Jahren das noch viel potentere Fentanyl – seitdem hat sich die Zahl der Menschen, die an einer Überdosis sterben, mutmaßlich um ein Vielfaches erhöht.
Aber wie umgehen mit dieser Epidemie? Es sei bezeichnend, so Caulkins, dass in den vergangenen Jahren “die Vereinigten Staaten und Kanada ganz unterschiedliche Maßnahmen ergriffen haben, die Ergebnisse aber sehr ähnlich sind”. “Die schreckliche Wahrheit ist, dass das Problem nicht verschwinden wird, selbst wenn wir alle möglichen Dinge tun und alles richtig machen”, so die ernüchternde Analyse des Experten.
So konzentriert sich Kanada schon seit Jahren darauf, “Schäden zu verringern, Leben zu retten und den Menschen die Unterstützung zu geben, die sie wünschen und brauchen.” Das schließt etwa Testangebote für Drogen ein oder die Möglichkeit, dass Abhängige ihre illegal erworbenen Substanzen unter ärztlicher Aufsicht konsumieren können.
Die Entkriminalisierung geringerer Mengen illegaler Drogen haben zuvor auch schon Länder wie Portugal ausprobiert. Oder, als einziger US-Bundesstaat, auch Oregon. Die Resultate solcher Maßnahmen sind laut dem Experten Caulkins erfahrungsgemäß eher bescheiden.
Weitgehend unbeschrittenes Terrain dagegen, zumindest in Bezug auf Opioide, ist das Modell der sogenannten “Safer Supply”, der “sichereren Beschaffung”, das in Kanada in jüngerer Zeit mancherorts ebenfalls ausprobiert wird. Safer Supply bedeutet, dass Drogensüchtige Medikamente vom Staat erhalten können, anstatt sie auf dem Schwarzmarkt kaufen zu müssen – und sie so keine mit gefährlichen Substanzen gestreckten oder zu hoch dosierten Drogen konsumieren.
Fakt ist, dass auch der Weg absoluter Verbote und drakonischer Strafen, der sogenannte “War on Drugs”, grandios gescheitert ist. Die “Global Commission on Drug Policy”, eine von hochrangigen Politikern, Geschäftsleuten und Menschenrechtlern gegründete unabhängige Kommission, schrieb schon in ihrem ersten Bericht von 2011, man habe geglaubt, “mit harten Strafverfolgungsmaßnahmen gegen diejenigen, die an der Herstellung, dem Vertrieb und dem Konsum von Drogen beteiligt sind”, eine “drogenfreie Welt” erreichen zu können. “In der Praxis ist der globale illegale Drogenmarkt – weitgehend vom organisierten Verbrechen kontrolliert – in diesem Zeitraum dramatisch gewachsen.”
Aber auch eine komplette Legalisierung löst Bedenken aus. So hat ja die Opioid-Krise ihren Anfang eben in der allzu einfachen Verfügbarkeit der entsprechenden Medikamente genommen. Und Alkohol und Nikotin, die ja in vielen Ländern die einzigen legalen Drogen sind, verursachen ebenfalls viele Suchtprobleme, die zumindest zum Teil auch mit deren Allgegenwart zusammenhängen.
Was bleibt, so glauben viele Experten, ist ein Mittelweg zwischen totaler Verfügbarkeit und totalem Verbot – bei dem etwa die Entkriminalisierung bestimmter Mengen einiger Substanzen zumindest zur Schadensbegrenzung beitragen können, zum Beispiel als Teil einer “Safer Supply” Strategie.
Über eines sind sich die meisten Beobachter einig: Eine Welt ohne Drogen gab es nie und wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie geben. Die kanadischen Maßnahmen dürften kaum einen Einfluss darauf haben, wie die Produktion illegaler Drogen und der Handel mit ihnen ablaufen. Vermutlich werde noch nicht einmal der Drogenkonsum reduziert, da dieser ja eigentlich vereinfacht wird, sagt Caulkins. Aber zumindest könnten damit verbundene gesellschaftliche und gesundheitliche Schäden verringert werden.
An Drogen scheiden sich in Politik und Wissenschaft die Geister: Was sollen die Ziele des staatlichen Umgangs damit sein und auf welchen Wegen können sie erreicht werden? Während nicht wenige Länder immer noch auf strikte Verbote und Strafen setzen, haben andere in den vergangenen Jahren eher den Weg einer liberaleren Drogenpolitik eingeschlagen. Kanada etwa gab 2018 den Verkauf und Konsum von Cannabis frei, um so dem Schwarzmarkt die Nachfrage zu entziehen und die Drogenkriminalität zu verringern.
Nun ist in der nordwestkanadischen Provinz British Columbia ein neues, zunächst auf drei Jahre befristetes Pilotprojekt gestartet. Seit dem 31. Januar ist das Mitführen von bis zu 2,5 Gramm einiger härterer Drogen nicht mehr strafbar. Wird man mit einer solchen Menge Kokain (als Pulver oder Crack), Methamphetamin, MDMA oder der Opioide Heroin, Morphium und Fentanyl erwischt, wird man nicht verhaftet und angeklagt, die Substanzen werden nicht beschlagnahmt.
Opioid-Epidemie: Keine einfache Lösung in Sicht
Dazu erklärte Carolyn Bennett, Bundesministerin für psychische Gesundheit und Suchterkrankungen, sie habe die Auswirkungen “auf die öffentliche Gesundheit als auch auf die öffentliche Sicherheit gründlich geprüft und sorgfältig abgewogen”. Die Maßnahmen würden “das Stigma und den Schaden verringern und British Columbia ein weiteres Instrument zur Verfügung stellen, um die Überdosis-Krise zu beenden.”
Die kanadische Regierung verspricht sich also, durch die Entkriminalisierung von Drogenkonsumierenden die Zahl der Drogentoten zu verringern. Dadurch, dass sich Betroffene weniger stigmatisiert fühlen würden, nähmen sie auch eher lebensrettende Hilfsangebote in Anspruch, so der Gedanke.
Tatsächlich ist die Zahl der Drogenabhängigen und -toten in Kanada so wie auch in den USA extrem hoch, wie Jonathan Caulkins, Experte für Drogenpolitik und Professor an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, erklärt: “Die sehr liberale Herausgabepraxis bei verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln hat dazu geführt, dass viele Menschen abhängig geworden sind, etwa fünf Millionen in den USA und in Kanada prozentual ähnlich viele.”
Die Suchtgefahr dieser legalen Opioide wurde von Herstellerseite lange verheimlicht oder heruntergespielt. Viele Menschen steigen irgendwann auf illegale Substanzen um, etwa Heroin oder seit ein paar Jahren das noch viel potentere Fentanyl – seitdem hat sich die Zahl der Menschen, die an einer Überdosis sterben, mutmaßlich um ein Vielfaches erhöht.
Repressive Drogenpolitik kaum erfolgreich – im Gegenteil
Aber wie umgehen mit dieser Epidemie? Es sei bezeichnend, so Caulkins, dass in den vergangenen Jahren “die Vereinigten Staaten und Kanada ganz unterschiedliche Maßnahmen ergriffen haben, die Ergebnisse aber sehr ähnlich sind”. “Die schreckliche Wahrheit ist, dass das Problem nicht verschwinden wird, selbst wenn wir alle möglichen Dinge tun und alles richtig machen”, so die ernüchternde Analyse des Experten.
So konzentriert sich Kanada schon seit Jahren darauf, “Schäden zu verringern, Leben zu retten und den Menschen die Unterstützung zu geben, die sie wünschen und brauchen.” Das schließt etwa Testangebote für Drogen ein oder die Möglichkeit, dass Abhängige ihre illegal erworbenen Substanzen unter ärztlicher Aufsicht konsumieren können.
Die Entkriminalisierung geringerer Mengen illegaler Drogen haben zuvor auch schon Länder wie Portugal ausprobiert. Oder, als einziger US-Bundesstaat, auch Oregon. Die Resultate solcher Maßnahmen sind laut dem Experten Caulkins erfahrungsgemäß eher bescheiden.
Weitgehend unbeschrittenes Terrain dagegen, zumindest in Bezug auf Opioide, ist das Modell der sogenannten “Safer Supply”, der “sichereren Beschaffung”, das in Kanada in jüngerer Zeit mancherorts ebenfalls ausprobiert wird. Safer Supply bedeutet, dass Drogensüchtige Medikamente vom Staat erhalten können, anstatt sie auf dem Schwarzmarkt kaufen zu müssen – und sie so keine mit gefährlichen Substanzen gestreckten oder zu hoch dosierten Drogen konsumieren.
Fakt ist, dass auch der Weg absoluter Verbote und drakonischer Strafen, der sogenannte “War on Drugs”, grandios gescheitert ist. Die “Global Commission on Drug Policy”, eine von hochrangigen Politikern, Geschäftsleuten und Menschenrechtlern gegründete unabhängige Kommission, schrieb schon in ihrem ersten Bericht von 2011, man habe geglaubt, “mit harten Strafverfolgungsmaßnahmen gegen diejenigen, die an der Herstellung, dem Vertrieb und dem Konsum von Drogen beteiligt sind”, eine “drogenfreie Welt” erreichen zu können. “In der Praxis ist der globale illegale Drogenmarkt – weitgehend vom organisierten Verbrechen kontrolliert – in diesem Zeitraum dramatisch gewachsen.”
Aber auch eine komplette Legalisierung löst Bedenken aus. So hat ja die Opioid-Krise ihren Anfang eben in der allzu einfachen Verfügbarkeit der entsprechenden Medikamente genommen. Und Alkohol und Nikotin, die ja in vielen Ländern die einzigen legalen Drogen sind, verursachen ebenfalls viele Suchtprobleme, die zumindest zum Teil auch mit deren Allgegenwart zusammenhängen.
Was bleibt, so glauben viele Experten, ist ein Mittelweg zwischen totaler Verfügbarkeit und totalem Verbot – bei dem etwa die Entkriminalisierung bestimmter Mengen einiger Substanzen zumindest zur Schadensbegrenzung beitragen können, zum Beispiel als Teil einer “Safer Supply” Strategie.
Über eines sind sich die meisten Beobachter einig: Eine Welt ohne Drogen gab es nie und wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie geben. Die kanadischen Maßnahmen dürften kaum einen Einfluss darauf haben, wie die Produktion illegaler Drogen und der Handel mit ihnen ablaufen. Vermutlich werde noch nicht einmal der Drogenkonsum reduziert, da dieser ja eigentlich vereinfacht wird, sagt Caulkins. Aber zumindest könnten damit verbundene gesellschaftliche und gesundheitliche Schäden verringert werden.