Kultur

Vermeer in Amsterdam: Maler der Stille

Nie zuvor waren so viele Bilder des Barockmalers Jan Vermeer auf einmal zu sehen. In Amsterdam sorgt der Meister der Stille für die Kunstsensation des Jahres.

Zwei Häuser in Frontalansicht. Im Hoftor beugt sich eine Magd über eine Tonne. Sie hat geschrubbt, das Wasser im Rinnstein schimmert noch. Auf dem Gehweg spielen zwei Kinder. Eine Frau sitzt in der Türöffnung, erledigt Handarbeiten. Einen Augenblick nur und doch eine Ewigkeit dauert die Szenerie, eine Momentaufnahme aus dem bürgerlichen Delft des 17. Jahrhunderts. Festgehalten hat sie der neben Rembrandt (1606-1669) bekannteste Maler seiner Zeit, Jan Vermeer (1632-1675), der eigentlich Johannes Vermeer hieß.

Meisterhaft hat er die unterschiedlichen Materialien auf die Leinwand gebracht: den rauen Backstein, die glatten, bleiverglasten Fenster, die hölzernen Fensterläden, das weiß verputzte Mauerstück. Alles wirkt echt, beinahe fotografiert: das Spiel von Hell und Dunkel, die Perspektiven, die heitere Ruhe.

Vermeer-Gemälde mit einer Straßenszene aus dem 17. Jahrhundert

Zwei Häuser in Frontalansicht. Im Hoftor beugt sich eine Magd über eine Tonne. Sie hat geschrubbt, das Wasser im Rinnstein schimmert noch. Auf dem Gehweg spielen zwei Kinder. Eine Frau sitzt in der Türöffnung, erledigt Handarbeiten. Einen Augenblick nur und doch eine Ewigkeit dauert die Szenerie, eine Momentaufnahme aus dem bürgerlichen Delft des 17. Jahrhunderts. Festgehalten hat sie der neben Rembrandt (1606-1669) bekannteste Maler seiner Zeit, Jan Vermeer (1632-1675), der eigentlich Johannes Vermeer hieß.

“Die kleine Straße” ist ein Meisterstück, so wie alle anderen Bilder Vermeers, die überliefert sind. Viele sind es nicht. Als er im Dezember des Jahres 1675 gerade mal 43-jährig stirbt, umfasst sein Œuvre 37 Gemälde. 28 sind jetzt im Rijksmuseum in Amsterdam zusammengekommen, acht mehr noch als vor 26 Jahren im Mauritshuis in Den Haag. Geliehen wurden die Kunstwerke aus den großen internationalen Museen, aus Privatsammlungen in Europa und den USA. Private Sponsoren griffen tief ins Portemonnaie. So entstand die bisher größte reine Vermeer-Schau – eine Sensation!

28 Meisterwerke aus aller Welt

Was die Vermeer-Fans anlockt, ist schwer zu beschreiben: Vermeers Umgang mit Pinsel und Farbe, sein technisches Geschick, das virtuose Spiel mit Lichteffekten, die Komposition, die Perspektivtreue. “Vermeer war ein Meister des Lichtes”, sagt Gregor Weber, Co-Kurator der Amsterdamer Schau. Kein Künstler hat das Licht so gemalt wie Vermeer, einerseits realistisch und doch voll rätselhafter Ruhe.

Diana, die Göttin der Jagd, umringt von Gefährtinnen, eine wäscht Dianas Füße. Eine Szene aus der antiken Mythologie. Die Geschichte der keuschen Göttin war ein beliebtes Thema der holländischen Malerei. Auch der junge Vermeer idealisierte die Figuren. Italienische Einflüsse sind sichtbar. Und das, obwohl der Delfter Bürgersohn seine Heimatstadt nie verlassen hat.

Mit 21 schrieb sich Vermeer in die Delfter Sankt Lukas-Gilde ein, als Meistermaler. Er griff zunächst historische Themen auf: Szenen aus der Bibel, aus der antiken Geschichte, Heiligenlegenden. Kühn wirkt sein Pinselstrich, der große Farbflächen schafft, dessen starke Hell-Dunkel-Kontraste an italienische Vorbilder erinnern, an Caravaggio (1571-1610) zum Beispiel. Noch rätselt die Wissenschaft, warum Vermeer ab 1656 sein Sujet änderte.

Ein Bruch? Nein, ein Entwicklungssprung ist Vermeers Wechsel zu Genrebildern. Alltägliche Szenen rückte er nun ins Bild: eine Dienstmagd, wie sie Milch in einen Krug gießt. Ein junges Mädchen, briefschreibend; eine Tochter aus gutem Hause in der Musikstunde am Virginal, einer Art Mini-Cembalo. Allesamt Interieurs – mit Ausnahme jener zwei berühmten Stadtansichten, der “Straße in Delft” und der “Ansicht von Delft”.

Es sind erdachte Interieurs und doch geben sie intime Einblicke in den Alltag des 17. Jahrhunderts. Die Zeit scheint stillzustehen. “Die Bilder von Vermeer sind keine Erzählung in dem Sinne, dass dort viel passiert, dass dort herumgerannt wird, dass dort Pferde galoppieren oder etwas auf den Boden fällt und Leute sich prügeln oder so”, sagt Vermeer-Experte Weber. “Seine Bilder sind immer sehr still, sehr introvertiert.” Vermeers Gemälde bergen ein Geheimnis. Es ist genau diese Stille, die das Publikum von heute so fasziniert.

War es Pieter de Hooch (1629-1684), der Vermeer beeinflusste? Die Wissenschaft sucht noch nach Antworten. Vermeers Maltechnik verfeinerte sich mit den Jahren. Mit kleinen Farbtupfern schaffte er die Illusion von Licht, das auf der Oberfläche tanzt, die Dinge werden plastisch. Die Perle des Mädchens mit dem Perlenohrgehänge beispielsweise, ein Lichtreflex, nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Sein Pointillismus machte Vermeer berühmt. 1664 und 1665 malte er Interieurs, die stilistisch zueinander gehören: Immer ist es die junge Frau, mal mit Waage, mal mit Wasserkanne am Fenster, mit Perlenhalsband oder auch als “Briefschreiberin in Gelb”. Idealisierte Szenen aus dem täglichen Leben, jede für sich wohlkomponiert.

Der Meister von Delft bediente sich nicht, wie bisher angenommen, der Camera obscura, der Lochkamera, um seine Perspektive zu finden. Ihm reichte ein Nagel, den er ins Holz stach, um mit dem Faden seine Perspektivlinien zu ziehen. Auch andere Maler nutzten diese Technik. Das kleine Loch im Fluchtpunkt: Restauratoren entdeckten es per Röntgenstrahl in vielen der untersuchten Vermeer-Gemälde.

Damit nicht genug. Sie förderten auch ursprüngliche Absichten des Malers zutage: Eine Laute etwa auf dem Bild “Junge Dame mit Perlenhalsband”, einen nackten Jüngling auf dem Bild “Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster”, den Vermeer oder ein Künstler nach ihm übermalte, weil dies als erotische Anspielung verstanden worden wäre.

Vermeers späte Gemälde sind von starkem Lichteinfall geprägt, die Maltechnik wirkt vereinfacht. Möglicherweise malte der Delfter Meister 1675 sein letztes Bild: “Sitzende Virginalspielerin”. Im Amsterdamer Rijksmuseum hängen die Werke, anders als damals in Den Haag, in großzügigen Räumen, in denen schwere Vorhänge für Atmosphäre sorgen. Alle Gemälde sind mit einer Glasscheibe geschützt. Aus gutem Grund: Erst im Oktober hatten Klimaaktivisten das weltberühmte “Mädchen mit dem Perlenohrring” mit Leim und roter Flüssigkeit traktiert. Es blieb unbeschädigt.

1675 starb Jan Vermeer verarmt. Er hinterließ eine Frau und zehn unmündige Kinder. Schon bald nach seinem Tod war der Künstler vergessen. Erst im 19. Jahrhundert entdecken Kunsthistoriker sein Werk neu. Heute zählt Vermeer zu den ganz Großen, vor allem wegen der Qualität und der Originalität jedes Gemäldes – allesamt Meisterwerke.

Wenige Tage vor der Eröffnung der Ausstellung am 10.02.2023 sind bereits 150.000 Eintrittskarten verkauft. Die Schau im Rijksmuseum hat das Zeug, zum Kunstereignis des Jahres zu werden.

Vermeer-Gemälde mit einer Straßenszene aus dem 17. Jahrhundert

Zwei Häuser in Frontalansicht. Im Hoftor beugt sich eine Magd über eine Tonne. Sie hat geschrubbt, das Wasser im Rinnstein schimmert noch. Auf dem Gehweg spielen zwei Kinder. Eine Frau sitzt in der Türöffnung, erledigt Handarbeiten. Einen Augenblick nur und doch eine Ewigkeit dauert die Szenerie, eine Momentaufnahme aus dem bürgerlichen Delft des 17. Jahrhunderts. Festgehalten hat sie der neben Rembrandt (1606-1669) bekannteste Maler seiner Zeit, Jan Vermeer (1632-1675), der eigentlich Johannes Vermeer hieß.

Meisterhaft hat er die unterschiedlichen Materialien auf die Leinwand gebracht: den rauen Backstein, die glatten, bleiverglasten Fenster, die hölzernen Fensterläden, das weiß verputzte Mauerstück. Alles wirkt echt, beinahe fotografiert: das Spiel von Hell und Dunkel, die Perspektiven, die heitere Ruhe.

28 Meisterwerke aus aller Welt

“Die kleine Straße” ist ein Meisterstück, so wie alle anderen Bilder Vermeers, die überliefert sind. Viele sind es nicht. Als er im Dezember des Jahres 1675 gerade mal 43-jährig stirbt, umfasst sein Œuvre 37 Gemälde. 28 sind jetzt im Rijksmuseum in Amsterdam zusammengekommen, acht mehr noch als vor 26 Jahren im Mauritshuis in Den Haag. Geliehen wurden die Kunstwerke aus den großen internationalen Museen, aus Privatsammlungen in Europa und den USA. Private Sponsoren griffen tief ins Portemonnaie. So entstand die bisher größte reine Vermeer-Schau – eine Sensation!

Was die Vermeer-Fans anlockt, ist schwer zu beschreiben: Vermeers Umgang mit Pinsel und Farbe, sein technisches Geschick, das virtuose Spiel mit Lichteffekten, die Komposition, die Perspektivtreue. “Vermeer war ein Meister des Lichtes”, sagt Gregor Weber, Co-Kurator der Amsterdamer Schau. Kein Künstler hat das Licht so gemalt wie Vermeer, einerseits realistisch und doch voll rätselhafter Ruhe.

Diana, die Göttin der Jagd, umringt von Gefährtinnen, eine wäscht Dianas Füße. Eine Szene aus der antiken Mythologie. Die Geschichte der keuschen Göttin war ein beliebtes Thema der holländischen Malerei. Auch der junge Vermeer idealisierte die Figuren. Italienische Einflüsse sind sichtbar. Und das, obwohl der Delfter Bürgersohn seine Heimatstadt nie verlassen hat.

Mit 21 schrieb sich Vermeer in die Delfter Sankt Lukas-Gilde ein, als Meistermaler. Er griff zunächst historische Themen auf: Szenen aus der Bibel, aus der antiken Geschichte, Heiligenlegenden. Kühn wirkt sein Pinselstrich, der große Farbflächen schafft, dessen starke Hell-Dunkel-Kontraste an italienische Vorbilder erinnern, an Caravaggio (1571-1610) zum Beispiel. Noch rätselt die Wissenschaft, warum Vermeer ab 1656 sein Sujet änderte.

Der Meister hat Delft nie verlassen

Ein Bruch? Nein, ein Entwicklungssprung ist Vermeers Wechsel zu Genrebildern. Alltägliche Szenen rückte er nun ins Bild: eine Dienstmagd, wie sie Milch in einen Krug gießt. Ein junges Mädchen, briefschreibend; eine Tochter aus gutem Hause in der Musikstunde am Virginal, einer Art Mini-Cembalo. Allesamt Interieurs – mit Ausnahme jener zwei berühmten Stadtansichten, der “Straße in Delft” und der “Ansicht von Delft”.

Von biblischen Geschichten zu Alltagsszenen 

Es sind erdachte Interieurs und doch geben sie intime Einblicke in den Alltag des 17. Jahrhunderts. Die Zeit scheint stillzustehen. “Die Bilder von Vermeer sind keine Erzählung in dem Sinne, dass dort viel passiert, dass dort herumgerannt wird, dass dort Pferde galoppieren oder etwas auf den Boden fällt und Leute sich prügeln oder so”, sagt Vermeer-Experte Weber. “Seine Bilder sind immer sehr still, sehr introvertiert.” Vermeers Gemälde bergen ein Geheimnis. Es ist genau diese Stille, die das Publikum von heute so fasziniert.

War es Pieter de Hooch (1629-1684), der Vermeer beeinflusste? Die Wissenschaft sucht noch nach Antworten. Vermeers Maltechnik verfeinerte sich mit den Jahren. Mit kleinen Farbtupfern schaffte er die Illusion von Licht, das auf der Oberfläche tanzt, die Dinge werden plastisch. Die Perle des Mädchens mit dem Perlenohrgehänge beispielsweise, ein Lichtreflex, nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Sein Pointillismus machte Vermeer berühmt. 1664 und 1665 malte er Interieurs, die stilistisch zueinander gehören: Immer ist es die junge Frau, mal mit Waage, mal mit Wasserkanne am Fenster, mit Perlenhalsband oder auch als “Briefschreiberin in Gelb”. Idealisierte Szenen aus dem täglichen Leben, jede für sich wohlkomponiert.

Jan Vermeer, der Meister des Lichts

Der Meister von Delft bediente sich nicht, wie bisher angenommen, der Camera obscura, der Lochkamera, um seine Perspektive zu finden. Ihm reichte ein Nagel, den er ins Holz stach, um mit dem Faden seine Perspektivlinien zu ziehen. Auch andere Maler nutzten diese Technik. Das kleine Loch im Fluchtpunkt: Restauratoren entdeckten es per Röntgenstrahl in vielen der untersuchten Vermeer-Gemälde.

Damit nicht genug. Sie förderten auch ursprüngliche Absichten des Malers zutage: Eine Laute etwa auf dem Bild “Junge Dame mit Perlenhalsband”, einen nackten Jüngling auf dem Bild “Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster”, den Vermeer oder ein Künstler nach ihm übermalte, weil dies als erotische Anspielung verstanden worden wäre.

Vermeers späte Gemälde sind von starkem Lichteinfall geprägt, die Maltechnik wirkt vereinfacht. Möglicherweise malte der Delfter Meister 1675 sein letztes Bild: “Sitzende Virginalspielerin”. Im Amsterdamer Rijksmuseum hängen die Werke, anders als damals in Den Haag, in großzügigen Räumen, in denen schwere Vorhänge für Atmosphäre sorgen. Alle Gemälde sind mit einer Glasscheibe geschützt. Aus gutem Grund: Erst im Oktober hatten Klimaaktivisten das weltberühmte “Mädchen mit dem Perlenohrring” mit Leim und roter Flüssigkeit traktiert. Es blieb unbeschädigt.

1675 starb Jan Vermeer verarmt. Er hinterließ eine Frau und zehn unmündige Kinder. Schon bald nach seinem Tod war der Künstler vergessen. Erst im 19. Jahrhundert entdecken Kunsthistoriker sein Werk neu. Heute zählt Vermeer zu den ganz Großen, vor allem wegen der Qualität und der Originalität jedes Gemäldes – allesamt Meisterwerke.

Vermeer-Gemälde Das Mädchen mit dem Perlenohrring

Wenige Tage vor der Eröffnung der Ausstellung am 10.02.2023 sind bereits 150.000 Eintrittskarten verkauft. Die Schau im Rijksmuseum hat das Zeug, zum Kunstereignis des Jahres zu werden.

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