Wirtschaft

Hohe Lohnforderungen: Droht eine Lohn-Preis-Spirale?

15 Prozent mehr Lohn will Verdi für die Post-Beschäftigen, zwölf Prozent die EVG bei der Bahn, zehn Prozent im öffentlichen Dienst: Könnte das eine sogenannte Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen?

An diesem Freitag fand eine kleine Demonstration in Frankfurt statt. Die Gewerkschaft Verdi protestiert vor einer Filiale von Galeria Kaufhof Karstadt, während in der Filiale die Tarifverhandlungen zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmervertretern begonnen haben. Die Forderungen sind gemäßigt, die Gewerkschaft fordert “nur” die Anwendung des Flächentarifvertrages des Einzelhandels.

Zuviel, meint die Geschäftsführung. Sie will auf Basis des Sanierungstarifvertrages verhandeln. Denn das Unternehmen durchläuft gerade eine Insolvenz in Eigenregie. Während dies also ein Spezialfall ist, ist das grundlegende Problem universell: Angesichts der hohen Inflation schwindet Arbeitnehmern die Kaufkraft. Gewerkschaften stehen daher unter Druck, für ihre Mitglieder deutlich steigende Löhne auszuhandeln.

An diesem Freitag fand eine kleine Demonstration in Frankfurt statt. Die Gewerkschaft Verdi protestiert vor einer Filiale von Galeria Kaufhof Karstadt, während in der Filiale die Tarifverhandlungen zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmervertretern begonnen haben. Die Forderungen sind gemäßigt, die Gewerkschaft fordert “nur” die Anwendung des Flächentarifvertrages des Einzelhandels.

Das lässt sich an aktuellen Tarifauseinandersetzungen ablesen: 15 Prozent fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aktuell für die Beschäftigten der Deutschen Post und verleiht dieser Forderung mit Warnstreiks Druck. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stellt mit zwölf Prozent eine Tarifforderung so hoch wie nie in ihrer Geschichte. Und geht es nach dem Willen der Gewerkschaften, sollen in die Lohntüten der Staatsangestellten bei Bund und Kommunen rund zehn Prozent mehr Gehalt fließen.

Zweistellige Lohnforderungen

Das sind Forderungen, wie man sie selten sieht. Doch sie sind offenbar nicht unrealistisch: Die knapp vier Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie etwa bekommen in zwei Schritten 8,5 Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 3000 Euro netto.

Vor diesem Hintergrund hat der Vize-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Luis de Guindos, in einem Interview vor einer so genannten Lohn-Preis-Spirale gewarnt. Bei der schrauben sich steigende Löhne und steigende Preise gegenseitig in die Höhe – mit potenziell negativen Folgen für die Wirtschaft. “Es darf keine Lohn-Preis-Spirale entstehen. Da müssen wir aufpassen”, sagte Luis de Guindos der Süddeutschen Zeitung.

“Wenn wir in eine Lohn-Preis-Spirale kommen, muss die EZB die Zinsen noch weiter erhöhen als andernfalls notwendig. Bei einer solchen Dynamik gewinnt keiner und alle stehen am Ende schlechter da.” Denn steigende Zinsen, um einer Lohn-Preis-Spirale entgegen zu wirken, dämpfen Konjunktur und Wirtschaft.

Allerdings sehen nicht alle Ökonominnen und Ökonomen dieses Szenario aktuell als realistisch oder bedrohlich an. “In Deutschland ist nicht zu erkennen, dass die Löhne so beschleunigen, dass das stabilitätsgefährdend wäre”, sagte Sebastian Dullien gegenüber der DW. Er ist Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Denn es komme nicht auf die Lohnforderungen an, die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen stellen, sondern das Endergebnis.

Nach jüngsten Daten aus dem Statistischen Bundesamt sind die Ergebnisse bislang in der Tat vergleichsweise moderat. So sind die Löhne für Angestellte im vergangenen Jahr im Durschnitt zwar um 3,4 Prozent gestiegen. Allerdings hat die deutlich höhere Inflation die Anstiege mehr als aufgefressen. Unter dem Strich schlägt daher ein Reallohnverlust von über vier Prozent zu Buche. Auch die 8,5-Prozent-Erhöhung in der Metall- und Elektroindustrie relativiert sich. Für 2023 sieht die Einigung eine Steigerung um 5,2 Prozent vor, 2024 steigen die Löhne dann noch einmal um 3,3 Prozent.

Die Inflation dürfte auch in den kommenden Monaten noch deutlich über diesen Werten bleiben. So rechnet etwa das Kiel Institut für Weltwirtschaft mit 5,4 Prozent Inflation in diesem Jahr. Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes in dieser Woche lagen die Verbraucherpreise im Januar um 8,7 Prozent höher als im Vorjahr.

Friedrich Heinemann dagegen sieht das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Zwar seien die bisherigen Tarifabschlüsse moderat geblieben, meint der Ökonom am Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die aktuell hohen Lohnforderungen allerdings wiesen in eine andere Richtung. “Ich denke, eine Lohn-Preis-Spirale ist überhaupt nicht vom Tisch. Die Löhne müssten auch gar nicht mit acht Prozent steigen. Es reicht schon aus, wenn sie mit vier oder fünf Prozent steigen. Das hätte wieder einen Effekt und würde die Inflationsrate deutlich über zwei Prozent halten.” Das Ziel der Europäischen Zentralbank, bei dem sie Preisstabilität gewährleistet sieht, liegt seit bald zwei Jahren bei zwei Prozent, zuvor lag das Ziel “unter, aber nahe zwei Prozent”.

Eine “kleine Lohn-Preis-Spirale” sieht auch der Chefvolkswirt der ING Deutschland, Carsten Brzeski, kommen. Allerdings stellt das aus seiner Sicht kein Problem dar, im Gegenteil: “Das ist gut so. Denn wir haben in Deutschland in den letzten drei Jahren hintereinander sinkende Reallöhne gehabt. Die Kaufkraft wird immer schwächer. Von daher ist jetzt auch ein Anstieg der Löhne gut, der weitergeht als die Inflationsrate.”

Protestaktion von Mitarbeitern des Öffentlichen Dienstes zum Auftakt der Tarifverhandlungen
Bundesweiter Warnstreiks bei der Deutschen Post: In Nürnberg formieren sich die streikenden Post- und DHL-Mitarbeiter als menschliches 15%-Zeichen

An diesem Freitag fand eine kleine Demonstration in Frankfurt statt. Die Gewerkschaft Verdi protestiert vor einer Filiale von Galeria Kaufhof Karstadt, während in der Filiale die Tarifverhandlungen zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmervertretern begonnen haben. Die Forderungen sind gemäßigt, die Gewerkschaft fordert “nur” die Anwendung des Flächentarifvertrages des Einzelhandels.

Zuviel, meint die Geschäftsführung. Sie will auf Basis des Sanierungstarifvertrages verhandeln. Denn das Unternehmen durchläuft gerade eine Insolvenz in Eigenregie. Während dies also ein Spezialfall ist, ist das grundlegende Problem universell: Angesichts der hohen Inflation schwindet Arbeitnehmern die Kaufkraft. Gewerkschaften stehen daher unter Druck, für ihre Mitglieder deutlich steigende Löhne auszuhandeln.

Zweistellige Lohnforderungen

Das lässt sich an aktuellen Tarifauseinandersetzungen ablesen: 15 Prozent fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aktuell für die Beschäftigten der Deutschen Post und verleiht dieser Forderung mit Warnstreiks Druck. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stellt mit zwölf Prozent eine Tarifforderung so hoch wie nie in ihrer Geschichte. Und geht es nach dem Willen der Gewerkschaften, sollen in die Lohntüten der Staatsangestellten bei Bund und Kommunen rund zehn Prozent mehr Gehalt fließen.

Das sind Forderungen, wie man sie selten sieht. Doch sie sind offenbar nicht unrealistisch: Die knapp vier Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie etwa bekommen in zwei Schritten 8,5 Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 3000 Euro netto.

Vor diesem Hintergrund hat der Vize-Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Luis de Guindos, in einem Interview vor einer so genannten Lohn-Preis-Spirale gewarnt. Bei der schrauben sich steigende Löhne und steigende Preise gegenseitig in die Höhe – mit potenziell negativen Folgen für die Wirtschaft. “Es darf keine Lohn-Preis-Spirale entstehen. Da müssen wir aufpassen”, sagte Luis de Guindos der Süddeutschen Zeitung.

“Wenn wir in eine Lohn-Preis-Spirale kommen, muss die EZB die Zinsen noch weiter erhöhen als andernfalls notwendig. Bei einer solchen Dynamik gewinnt keiner und alle stehen am Ende schlechter da.” Denn steigende Zinsen, um einer Lohn-Preis-Spirale entgegen zu wirken, dämpfen Konjunktur und Wirtschaft.

Pro und Contra

Allerdings sehen nicht alle Ökonominnen und Ökonomen dieses Szenario aktuell als realistisch oder bedrohlich an. “In Deutschland ist nicht zu erkennen, dass die Löhne so beschleunigen, dass das stabilitätsgefährdend wäre”, sagte Sebastian Dullien gegenüber der DW. Er ist Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Denn es komme nicht auf die Lohnforderungen an, die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen stellen, sondern das Endergebnis.

Inflationsziel: Zwei Prozent

Nach jüngsten Daten aus dem Statistischen Bundesamt sind die Ergebnisse bislang in der Tat vergleichsweise moderat. So sind die Löhne für Angestellte im vergangenen Jahr im Durschnitt zwar um 3,4 Prozent gestiegen. Allerdings hat die deutlich höhere Inflation die Anstiege mehr als aufgefressen. Unter dem Strich schlägt daher ein Reallohnverlust von über vier Prozent zu Buche. Auch die 8,5-Prozent-Erhöhung in der Metall- und Elektroindustrie relativiert sich. Für 2023 sieht die Einigung eine Steigerung um 5,2 Prozent vor, 2024 steigen die Löhne dann noch einmal um 3,3 Prozent.

Die Inflation dürfte auch in den kommenden Monaten noch deutlich über diesen Werten bleiben. So rechnet etwa das Kiel Institut für Weltwirtschaft mit 5,4 Prozent Inflation in diesem Jahr. Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes in dieser Woche lagen die Verbraucherpreise im Januar um 8,7 Prozent höher als im Vorjahr.

Friedrich Heinemann dagegen sieht das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Zwar seien die bisherigen Tarifabschlüsse moderat geblieben, meint der Ökonom am Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die aktuell hohen Lohnforderungen allerdings wiesen in eine andere Richtung. “Ich denke, eine Lohn-Preis-Spirale ist überhaupt nicht vom Tisch. Die Löhne müssten auch gar nicht mit acht Prozent steigen. Es reicht schon aus, wenn sie mit vier oder fünf Prozent steigen. Das hätte wieder einen Effekt und würde die Inflationsrate deutlich über zwei Prozent halten.” Das Ziel der Europäischen Zentralbank, bei dem sie Preisstabilität gewährleistet sieht, liegt seit bald zwei Jahren bei zwei Prozent, zuvor lag das Ziel “unter, aber nahe zwei Prozent”.

Eine “kleine Lohn-Preis-Spirale” sieht auch der Chefvolkswirt der ING Deutschland, Carsten Brzeski, kommen. Allerdings stellt das aus seiner Sicht kein Problem dar, im Gegenteil: “Das ist gut so. Denn wir haben in Deutschland in den letzten drei Jahren hintereinander sinkende Reallöhne gehabt. Die Kaufkraft wird immer schwächer. Von daher ist jetzt auch ein Anstieg der Löhne gut, der weitergeht als die Inflationsrate.”

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