Kultur

Maus-Cartoonist Art Spiegelman ist 75

Der US-amerikanische Künstler hat in seinem weltweit erfolgreichen Comic “Maus” den Holocaustverarbeitet. Dafür bekam Art Spiegelman als erster Cartoonist den Pulitzer-Preis.

Als erster Comic-Zeichner darf Art Spiegelman sich seit 2022 in die illustre Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern einreihen, die mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk geehrt wurden – darunter Größen wie Phillip Roth, Isabella Allende und Toni Morrison. Am 15. Februar feiert der Comic-Zeichner seinen 75 Geburtstag. 

“Seine meisterhaften Graphic Novels behandeln und beleuchten Themen vom Holocaust bis zu den Nachwirkungen von 9/11, genauso wie die Menschen, Ereignisse und Comics, die ihn als Künstler geformt haben”, würdigt ihn David Steinberger vom National Book Award Board . “Spiegelmans bahnbrechende Arbeiten haben uns die grenzenlosen Möglichkeiten von Comics als Kunstform aufgezeigt.”

Als erster Comic-Zeichner darf Art Spiegelman sich seit 2022 in die illustre Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern einreihen, die mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk geehrt wurden – darunter Größen wie Phillip Roth, Isabella Allende und Toni Morrison. Am 15. Februar feiert der Comic-Zeichner seinen 75 Geburtstag. 

Wer “Maus” gelesen hat, meint Art Spiegelman schon gut zu kennen. In seinem weltberühmten Comic verarbeitet er die Geschichte seiner Familie. Seine polnisch-jüdischen Eltern überleben getrennt voneinander den Holocaust. Spiegelmans ältester Bruder und viele Verwandte wurden damals ermordet. Das Schicksal seiner Familie beschäftigt Spiegelman so sehr, dass er in den 1980er-Jahren beginnt, die Verfolgung und Ausmerzung des jüdischen Volkes mit den Möglichkeiten eines Comic-Zeichners aufzuarbeiten: Er zeichnet die Nazis als Katzen und die Juden als Mäuse.

Nazis als Katzen, Juden als Mäuse

Diese Symbolik und der Comic als Kunstform bringen ihm bei Erscheinen von “Maus” heftige Kritik ein: Tabubruch wirft man ihm vor. Es könne doch nicht sein, dass man den grauenvollen Holocaust als Comic erzählt, mahnen die Kritiker. Spiegelman erklärt, dass er Cartoonist sei und der Comic “die einzige natürliche Sprache”, die er sprechen könne.

“Ich habe es nie gemacht, um die Welt zu verbessern”, erklärte Art Spiegelmann einmal. “Maus” war auch eine vielschichtige Reflexion über das Schreiben und Erinnern. Der Roman basiert auf langen Gesprächen mit dem Vater Wladek Spiegelman, die der Sohn in den 1970er-Jahren aufgenommen hatte. Wie geht man mit Vater und Mutter um – die Mutter Anja brachte sich 1968 um -, die derart Schreckliches erlebt haben? Wie reagiert man darauf als Nachfahre? Und wie verhält man sich im Spannungsfeld zwischen persönlicher Auseinandersetzung mit der eigenen Familie und dem Selbstverständnis als Künstler?

“Maus” entwickelte sich in kurzer Zeit zum Welterfolg. Art Spiegelman wurde 1992 als erster Comic-Zeichner mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 2005 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. In Deutschland erhielt er 2012 den renommierten Siegfried-Unseld-Preis und das Kölner Museum Ludwig widmete ihm im selben Jahr eine große Retrospektive. 2011 bekamt er den großen Preis des wichtigsten französischen Comic-Festivals in Angoulême.

Die große Anerkennung blockierte Spiegelman zeitweilig in seiner künstlerischen Kreativität. Er hatte Angst, beim Publikum auf ein einziges Werk reduziert zu werden: “Warum Mäuse? Warum Comics? Warum der Holocaust?” Diese Fragen wollte Spiegelman nicht mehr beantworten. Wohl auch, weil sie ihm in den letzten Jahren zu oft gestellt wurden. Auch deshalb hat der Künstler 2011 in den USA ein Buch herausgegeben, das er “Metamaus” nannte und in dem alles steht, was man über die Entstehung seiner Holocaust-Geschichte wissen muss.

Wohl selten gewährte ein Künstler einen so großzügigen Einblick in seinen Schaffensprozess. Seine künstlerischen Wurzeln, seine Vorbilder, sein Verständnis von Geschichte, private Einblicke in sein Familienleben – all das ist in “Metamaus” zu finden. Ein sowohl sinnliches, als auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Buch. “Ich antworte hier auf alles”, sagte Spiegelman damals in einem Interview mit der Deutschen Welle. “Ich wollte diesem ewigen Frage-und- Antwort-Spiel immer entkommen. Irgendwann habe ich eingesehen, dass das nicht geht. So habe ich alles veröffentlicht, was ich weiß.”

Der in Stockholm geborene und im Alter von drei Jahren in die USA ausgewanderte Künstler griff auch nach den Anschlägen vom 11. September zum Zeichenstift. Seine Zeichnung der zwei Türme zierte zwei Wochen nach 9/11 das Cover des New Yorker.

Der Band “Im Schatten keiner Türme” erschien zunächst in Deutschland, erst später in den USA. Der ZEIT-Verleger Michael Naumann bot Spiegelman damals in der Wochenzeitschrift ein Forum für seine Cartoons. Mit Deutschland verbindet Spiegelman einiges. In “Metamaus” kann man auch nachlesen, welche deutschen Künstler ihn inspiriert haben. Und schon Ende der 1970er-Jahre entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Verlag “Zweitausendeins”, für den Spiegelman Cover entwarf. 

Vor der Ehrung mit dem National Book Award musste der Spiegelman erstmal den Schock verdauen, dass sein Comic “Maus” im US-Distrikt Tennessee aus den Schul-Curricula gestrichen wurde, da  Spiegelmans Darstellungen des Holocaust dort für unangemessen befunden wurden. Die Verkäufe des Comics und anderer Bücher von Spiegelman aber stiegen; der zurückgezogenlebende Künstler bleibt hoch gefragt.

In einem Interview würdigte der britische Autor Neil Gaiman ihn so: “Er macht Dinge, die wirklich zählen, und ich glaube er weiß das, und ich glaube wir haben ein unglaubliches Glück, ihn zu haben.”

Dies ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung eines Artikels vom 15.2.2018.

Art Spiegelman steht vor einer Wand mit dem Aufdruck National Book Foundation
Comic Cover Art Spiegelman Maus
Eine Zeichnung von Art Spiegelman

Als erster Comic-Zeichner darf Art Spiegelman sich seit 2022 in die illustre Reihe von Schriftstellerinnen und Schriftstellern einreihen, die mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk geehrt wurden – darunter Größen wie Phillip Roth, Isabella Allende und Toni Morrison. Am 15. Februar feiert der Comic-Zeichner seinen 75 Geburtstag. 

“Seine meisterhaften Graphic Novels behandeln und beleuchten Themen vom Holocaust bis zu den Nachwirkungen von 9/11, genauso wie die Menschen, Ereignisse und Comics, die ihn als Künstler geformt haben”, würdigt ihn David Steinberger vom National Book Award Board . “Spiegelmans bahnbrechende Arbeiten haben uns die grenzenlosen Möglichkeiten von Comics als Kunstform aufgezeigt.”

Nazis als Katzen, Juden als Mäuse

Wer “Maus” gelesen hat, meint Art Spiegelman schon gut zu kennen. In seinem weltberühmten Comic verarbeitet er die Geschichte seiner Familie. Seine polnisch-jüdischen Eltern überleben getrennt voneinander den Holocaust. Spiegelmans ältester Bruder und viele Verwandte wurden damals ermordet. Das Schicksal seiner Familie beschäftigt Spiegelman so sehr, dass er in den 1980er-Jahren beginnt, die Verfolgung und Ausmerzung des jüdischen Volkes mit den Möglichkeiten eines Comic-Zeichners aufzuarbeiten: Er zeichnet die Nazis als Katzen und die Juden als Mäuse.

Diese Symbolik und der Comic als Kunstform bringen ihm bei Erscheinen von “Maus” heftige Kritik ein: Tabubruch wirft man ihm vor. Es könne doch nicht sein, dass man den grauenvollen Holocaust als Comic erzählt, mahnen die Kritiker. Spiegelman erklärt, dass er Cartoonist sei und der Comic “die einzige natürliche Sprache”, die er sprechen könne.

“Ich habe es nie gemacht, um die Welt zu verbessern”, erklärte Art Spiegelmann einmal. “Maus” war auch eine vielschichtige Reflexion über das Schreiben und Erinnern. Der Roman basiert auf langen Gesprächen mit dem Vater Wladek Spiegelman, die der Sohn in den 1970er-Jahren aufgenommen hatte. Wie geht man mit Vater und Mutter um – die Mutter Anja brachte sich 1968 um -, die derart Schreckliches erlebt haben? Wie reagiert man darauf als Nachfahre? Und wie verhält man sich im Spannungsfeld zwischen persönlicher Auseinandersetzung mit der eigenen Familie und dem Selbstverständnis als Künstler?

“Maus” entwickelte sich in kurzer Zeit zum Welterfolg. Art Spiegelman wurde 1992 als erster Comic-Zeichner mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 2005 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. In Deutschland erhielt er 2012 den renommierten Siegfried-Unseld-Preis und das Kölner Museum Ludwig widmete ihm im selben Jahr eine große Retrospektive. 2011 bekamt er den großen Preis des wichtigsten französischen Comic-Festivals in Angoulême.

Intergenerationelle Auseinandersetzung mit dem Holocaust

Die große Anerkennung blockierte Spiegelman zeitweilig in seiner künstlerischen Kreativität. Er hatte Angst, beim Publikum auf ein einziges Werk reduziert zu werden: “Warum Mäuse? Warum Comics? Warum der Holocaust?” Diese Fragen wollte Spiegelman nicht mehr beantworten. Wohl auch, weil sie ihm in den letzten Jahren zu oft gestellt wurden. Auch deshalb hat der Künstler 2011 in den USA ein Buch herausgegeben, das er “Metamaus” nannte und in dem alles steht, was man über die Entstehung seiner Holocaust-Geschichte wissen muss.

Das Dilemma des großen Erfolges

Wohl selten gewährte ein Künstler einen so großzügigen Einblick in seinen Schaffensprozess. Seine künstlerischen Wurzeln, seine Vorbilder, sein Verständnis von Geschichte, private Einblicke in sein Familienleben – all das ist in “Metamaus” zu finden. Ein sowohl sinnliches, als auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Buch. “Ich antworte hier auf alles”, sagte Spiegelman damals in einem Interview mit der Deutschen Welle. “Ich wollte diesem ewigen Frage-und- Antwort-Spiel immer entkommen. Irgendwann habe ich eingesehen, dass das nicht geht. So habe ich alles veröffentlicht, was ich weiß.”

Der in Stockholm geborene und im Alter von drei Jahren in die USA ausgewanderte Künstler griff auch nach den Anschlägen vom 11. September zum Zeichenstift. Seine Zeichnung der zwei Türme zierte zwei Wochen nach 9/11 das Cover des New Yorker.

Der Band “Im Schatten keiner Türme” erschien zunächst in Deutschland, erst später in den USA. Der ZEIT-Verleger Michael Naumann bot Spiegelman damals in der Wochenzeitschrift ein Forum für seine Cartoons. Mit Deutschland verbindet Spiegelman einiges. In “Metamaus” kann man auch nachlesen, welche deutschen Künstler ihn inspiriert haben. Und schon Ende der 1970er-Jahre entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Verlag “Zweitausendeins”, für den Spiegelman Cover entwarf. 

Ein komplexes Werk

Vor der Ehrung mit dem National Book Award musste der Spiegelman erstmal den Schock verdauen, dass sein Comic “Maus” im US-Distrikt Tennessee aus den Schul-Curricula gestrichen wurde, da  Spiegelmans Darstellungen des Holocaust dort für unangemessen befunden wurden. Die Verkäufe des Comics und anderer Bücher von Spiegelman aber stiegen; der zurückgezogenlebende Künstler bleibt hoch gefragt.

In einem Interview würdigte der britische Autor Neil Gaiman ihn so: “Er macht Dinge, die wirklich zählen, und ich glaube er weiß das, und ich glaube wir haben ein unglaubliches Glück, ihn zu haben.”

“Dinge, die wirklich zählen”

Dies ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung eines Artikels vom 15.2.2018.

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