Empfang

Faktencheck: Wusste jemand, dass es ein Erdbeben in der Türkei und Syrien geben würde?

Kurz nach dem Erdbeben in der syrisch-türkischen Grenzregion kursieren viele falsche Informationen um die Katastrophe. Angeblich haben Wissenschaftler sie vorhergesagt, Politiker davon gewusst und die USA sie ausgelöst.

Während in der betroffenen Region noch Menschen um ihr Überleben kämpfen, brodelt im Internet die Gerüchteküche. Suggeriert wird zum Beispiel, das Erdbeben sei von westlichen Mächten absichtlich hervorgerufen worden, um die Türkei für ihren Schlingerkurs in der NATO zu bestrafen und dertürkischen Regierungvor den anstehenden Wahlen zu schaden.

Behauptung: Die Menschen im betroffenen Gebiet haben kurz vor dem Erdbeben ein merkwürdiges Licht am Nachthimmel gesehen.

Während in der betroffenen Region noch Menschen um ihr Überleben kämpfen, brodelt im Internet die Gerüchteküche. Suggeriert wird zum Beispiel, das Erdbeben sei von westlichen Mächten absichtlich hervorgerufen worden, um die Türkei für ihren Schlingerkurs in der NATO zu bestrafen und dertürkischen Regierungvor den anstehenden Wahlen zu schaden.

In einem Tiktok-Video, dass fast 30.000-mal gelikt und auf Twitter geteilt wurde, ist über einem Straßenzug ein grelles Licht zu sehen, dass sich im 45-Grad-Winkel in den Nachthimmel erhebt.

Haben westliche Diplomaten das Land vorsorglich verlassen?

DW-Faktencheck: Falsch.

Ein Twitter-Account mit dem baltisch klingenden User-Namen Jonas Vaitkevicius macht in seinem Kommentar zum Tweet darauf aufmerksam, dass in dem Video Stimmen auf Russisch zu hören seien: Ein Mann und eine Frau vermuteten darin, dass es sich um einen Raketenstart handelt.

Tatsächlich hatte User @Catasach369 das Video  bereits am 7. Oktober 2022 mit dem Hinweis “Baikonur Cosmodrome – Southern Kazakhstan 06/10/2022” getwittert. Zwar wirft auch diese Angabe Fragen auf, da laut der Website des Weltraumbahnhofs in Baikonur kein Raketenstart am 6. Oktober stattgefunden hat. Eine DW-Anfrage an den Weltraumbahnhof blieb bisher unbeantwortet. Fest steht jedoch, dass es keinen Zusammenhang mit dem Erdbeben von Kahramanmaras gibt.

Den augenscheinlich niederländischen User Peter P. hält das jedoch nicht davon ab, als Antwort eine Behauptung zu retweeten, die er offenbar für einen Erklärungsansatz für  das Himmelsphänomen hält.

Behauptung: Mindestens acht westliche Länder haben 24 Stunden vor dem Beben ihre Botschafter aus der Türkei abgezogen.

Diese Behauptung findet sich in verschiedenen Versionen in Sozialen Medien.

DW-Faktencheck: Unbelegt.

Tatsächlich schlossen neun Staaten, darunter die USA, Deutschland und die Niederlande Anfang Februar vorübergehend diplomatische Vertretungen in der Türkei. Als Grund für die Schließung gaben die Außenministerien aber Sicherheitsbedenken an, nachdem Aktivisten in Schweden und Dänemark – im Zusammenhang mit den geplanten NATO-Beitritten Schwedens und Finnlands, die die Türkei blockiert – Ausgaben des Korans verbrannt hatten. Daraufhin hatte der türkische Außenminister am 2. Februar die Botschafter der betreffenden Länder einbestellt, da die Regierung in den Sicherheitswarnungen einen Affront sieht. Mitte Mai finden in der Türkei Parlamentswahlen statt und die regierende AKP steht unter Druck.

Belege dafür, dass Diplomaten das Land verlassen hätten, werden nicht angeführt. Auf Anfrage bestätigte das Auswärtige Amt der DW, das deutsche Generalkonsulat sei in der ersten Februarwoche für zwei Tage geschlossen gewesen, nicht aber die Botschaft in Ankara; der Botschafter habe sich zur Zeit des Bebens in der Türkei aufgehalten. 

Unglaubwürdig ist die Behauptung ohnehin: Wer hätte schon vorhersehen können, dass ein solch verheerendes Erdbeben unmittelbar bevorstand? Viele User beziehen sich auf den selbsternannten “Erdbebenexperten” Frank Hoogerbeets. Der Niederländer behauptet, mit selbst entwickelter Software anhand von Planeten-Konstellationen die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben auf der Erde berechnen zu können.

Behauptung: Frank Hoogerbeets hat das Erdbeben vorhergesagt.

Am 2. Februar schrieb Hoogerbeets in einem Tweet: “Früher oder später wir sich ein Erdbeben in dieser Region (Süd-/Zentral-Türkei, Jordanien, Syrien, Libanon) der Stärke ~7,5 ereignen.” In einer Karte ist ein Ort nur etwa 40 Kilometer südlich des tatsächlichen Epizentrums des Bebens vom 6. Februar eingezeichnet.

DW-Faktencheck: Irreführend.

“Es gibt keine wissenschaftliche Basis für (exakte) Erdbebenvorhersagen”, heißt es in einem User-generierten Warnhinweis, den Twitter unter viele von Hoogerbeets Tweets gesetzt hat. Oliver Heidbach, der am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam Spannungsfelder in der Erdkruste erforscht, bestätigt das. Zwar wisse man mittlerweile sehr gut, wo sich Erdbeben in welcher Größenordnung ereignen werden. Der Zeitpunkt aber lasse sich bisher nicht bestimmen.

Hoogerbeets’ Ansatz, die seismische Aktivität mit Planeten-Konstellationen zu erklären, hält Heidbach zudem für völlig unhaltbar. Zwar zitiere Hoogerbeets auf seiner Internetseite unterschiedliche Arbeiten, die jedoch keine plausible Erklärung für seine Hypothesen böten: “Die Publikationen führen relativ schnell in eine Sackgasse. Das sind Hypothesen ohne wissenschaftliche Grundlage, die auch der Physik nicht entsprechen, die dahintersteckt.”

Tatsächlich nimmt Hoogerbeets gar nicht für sich in Anspruch, Erdbeben exakt vorhersagen zu können. Eine Wortwahl wie “früher oder später” kann schließlich vieles bedeuten. In einem der jüngsten Videos warnt er sogar davor, aufgrund seiner Prognosen überstürzt zu handeln.

Hoogerbeets Prognosen, sagt Heidbach, gingen im Prinzip selten über empirische Wahrscheinlichkeiten hinaus: “Wenn er sagt, dass sich an einem bestimmten Tag mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit ein Beben der Stärke 6 ereignet, stimmt das, denn wir messen global jedes Jahr 150 solcher Beben. Die meisten verursachen aber keine Schäden, weil sie in großer Tiefe passieren oder in Regionen, wo keine Menschen leben.” Hinzu komme: Wenn man, wie Hoogerbeets, praktisch jeden Tag eine Prognose abgebe, lande man irgendwann eben einen Treffer, meint Heidbach: “Wenn das aber nicht stattfindet, wird diese Meldung verschwinden.”

Bildkombo Screenshots von beiden Videos, in einem steht quer darüber Vor dem Türkei-Erdbeben
Twitter Screenshot Faktencheck - Erdbeben
Twitter Screenshot Faktencheck - Erdbeben

Während in der betroffenen Region noch Menschen um ihr Überleben kämpfen, brodelt im Internet die Gerüchteküche. Suggeriert wird zum Beispiel, das Erdbeben sei von westlichen Mächten absichtlich hervorgerufen worden, um die Türkei für ihren Schlingerkurs in der NATO zu bestrafen und dertürkischen Regierungvor den anstehenden Wahlen zu schaden.

Behauptung: Die Menschen im betroffenen Gebiet haben kurz vor dem Erdbeben ein merkwürdiges Licht am Nachthimmel gesehen.

Haben westliche Diplomaten das Land vorsorglich verlassen?

In einem Tiktok-Video, dass fast 30.000-mal gelikt und auf Twitter geteilt wurde, ist über einem Straßenzug ein grelles Licht zu sehen, dass sich im 45-Grad-Winkel in den Nachthimmel erhebt.

DW-Faktencheck: Falsch.

Ein Twitter-Account mit dem baltisch klingenden User-Namen Jonas Vaitkevicius macht in seinem Kommentar zum Tweet darauf aufmerksam, dass in dem Video Stimmen auf Russisch zu hören seien: Ein Mann und eine Frau vermuteten darin, dass es sich um einen Raketenstart handelt.

Tatsächlich hatte User @Catasach369 das Video  bereits am 7. Oktober 2022 mit dem Hinweis “Baikonur Cosmodrome – Southern Kazakhstan 06/10/2022” getwittert. Zwar wirft auch diese Angabe Fragen auf, da laut der Website des Weltraumbahnhofs in Baikonur kein Raketenstart am 6. Oktober stattgefunden hat. Eine DW-Anfrage an den Weltraumbahnhof blieb bisher unbeantwortet. Fest steht jedoch, dass es keinen Zusammenhang mit dem Erdbeben von Kahramanmaras gibt.

Wusste jemand, dass ein schweres Erdbeben bevorstand?

Den augenscheinlich niederländischen User Peter P. hält das jedoch nicht davon ab, als Antwort eine Behauptung zu retweeten, die er offenbar für einen Erklärungsansatz für  das Himmelsphänomen hält.

Wurde das Erdbeben vorsätzlich ausgelöst?

Behauptung: Mindestens acht westliche Länder haben 24 Stunden vor dem Beben ihre Botschafter aus der Türkei abgezogen.

Diese Behauptung findet sich in verschiedenen Versionen in Sozialen Medien.

DW-Faktencheck: Unbelegt.

Tatsächlich schlossen neun Staaten, darunter die USA, Deutschland und die Niederlande Anfang Februar vorübergehend diplomatische Vertretungen in der Türkei. Als Grund für die Schließung gaben die Außenministerien aber Sicherheitsbedenken an, nachdem Aktivisten in Schweden und Dänemark – im Zusammenhang mit den geplanten NATO-Beitritten Schwedens und Finnlands, die die Türkei blockiert – Ausgaben des Korans verbrannt hatten. Daraufhin hatte der türkische Außenminister am 2. Februar die Botschafter der betreffenden Länder einbestellt, da die Regierung in den Sicherheitswarnungen einen Affront sieht. Mitte Mai finden in der Türkei Parlamentswahlen statt und die regierende AKP steht unter Druck.

Belege dafür, dass Diplomaten das Land verlassen hätten, werden nicht angeführt. Auf Anfrage bestätigte das Auswärtige Amt der DW, das deutsche Generalkonsulat sei in der ersten Februarwoche für zwei Tage geschlossen gewesen, nicht aber die Botschaft in Ankara; der Botschafter habe sich zur Zeit des Bebens in der Türkei aufgehalten. 

Unglaubwürdig ist die Behauptung ohnehin: Wer hätte schon vorhersehen können, dass ein solch verheerendes Erdbeben unmittelbar bevorstand? Viele User beziehen sich auf den selbsternannten “Erdbebenexperten” Frank Hoogerbeets. Der Niederländer behauptet, mit selbst entwickelter Software anhand von Planeten-Konstellationen die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben auf der Erde berechnen zu können.

Behauptung: Frank Hoogerbeets hat das Erdbeben vorhergesagt.

Am 2. Februar schrieb Hoogerbeets in einem Tweet: “Früher oder später wir sich ein Erdbeben in dieser Region (Süd-/Zentral-Türkei, Jordanien, Syrien, Libanon) der Stärke ~7,5 ereignen.” In einer Karte ist ein Ort nur etwa 40 Kilometer südlich des tatsächlichen Epizentrums des Bebens vom 6. Februar eingezeichnet.

DW-Faktencheck: Irreführend.

“Es gibt keine wissenschaftliche Basis für (exakte) Erdbebenvorhersagen”, heißt es in einem User-generierten Warnhinweis, den Twitter unter viele von Hoogerbeets Tweets gesetzt hat. Oliver Heidbach, der am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam Spannungsfelder in der Erdkruste erforscht, bestätigt das. Zwar wisse man mittlerweile sehr gut, wo sich Erdbeben in welcher Größenordnung ereignen werden. Der Zeitpunkt aber lasse sich bisher nicht bestimmen.

Hoogerbeets’ Ansatz, die seismische Aktivität mit Planeten-Konstellationen zu erklären, hält Heidbach zudem für völlig unhaltbar. Zwar zitiere Hoogerbeets auf seiner Internetseite unterschiedliche Arbeiten, die jedoch keine plausible Erklärung für seine Hypothesen böten: “Die Publikationen führen relativ schnell in eine Sackgasse. Das sind Hypothesen ohne wissenschaftliche Grundlage, die auch der Physik nicht entsprechen, die dahintersteckt.”

Tatsächlich nimmt Hoogerbeets gar nicht für sich in Anspruch, Erdbeben exakt vorhersagen zu können. Eine Wortwahl wie “früher oder später” kann schließlich vieles bedeuten. In einem der jüngsten Videos warnt er sogar davor, aufgrund seiner Prognosen überstürzt zu handeln.

Hoogerbeets Prognosen, sagt Heidbach, gingen im Prinzip selten über empirische Wahrscheinlichkeiten hinaus: “Wenn er sagt, dass sich an einem bestimmten Tag mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit ein Beben der Stärke 6 ereignet, stimmt das, denn wir messen global jedes Jahr 150 solcher Beben. Die meisten verursachen aber keine Schäden, weil sie in großer Tiefe passieren oder in Regionen, wo keine Menschen leben.” Hinzu komme: Wenn man, wie Hoogerbeets, praktisch jeden Tag eine Prognose abgebe, lande man irgendwann eben einen Treffer, meint Heidbach: “Wenn das aber nicht stattfindet, wird diese Meldung verschwinden.”

Heidbach hält es ohnehin für ausgeschlossen, dass kosmische Strahlung ein Erdbeben auslösen kann. “Das funktioniert nicht, weil die elektronischen Wellen durch Stein gedämpft werden. Das kennen wir ja vom Telefonieren in der Tiefgarage”, erklärt Heidbach. Erdbeben mit einer solchen Magnitude entstünden in zehn Kilometern Tiefe oder mehr: “Da kommt unten nichts mehr an.”

Eine Strahlung, die in dieser Tiefe möglicherweise die erforderliche mechanische Menge Energie entfalten könnte, um ein Erdbeben auszulösen, sei schlicht unrealistisch. “Alle Kernkraftwerke dieser Welt könnten diese Leistung nicht bringen”, meint Heidbach. Und wenn, würde die Strahlung ihre Wirkung zunächst auf der Erdoberfläche entfalten: “Ich vermute, wir würden alle gegrillt werden.”

Eine Strahlung, die in dieser Tiefe möglicherweise die erforderliche mechanische Menge Energie entfalten könnte, um ein Erdbeben auszulösen, sei schlicht unrealistisch. “Alle Kernkraftwerke dieser Welt könnten diese Leistung nicht bringen”, meint Heidbach. Und wenn, würde die Strahlung ihre Wirkung zunächst auf der Erdoberfläche entfalten: “Ich vermute, wir würden alle gegrillt werden.”

Nachrichten

Ähnliche Artikel

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"