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WM 2023: Colin Bell möchte seine alte Heimat Deutschland überraschen

Nach über drei Jahrzehnten als Spieler und Trainer in Deutschland trainiert Colin Bell nun die Frauen-Nationalmannschaft Südkoreas. Bei der WM möchte er ausgerechnet gegen seine alte Heimat eine Überraschung schaffen.

Colin Bell hatte bereits eine Vorahnung, dass diese Länderspielpause hart werden würde. In gewisser Weise war das aber auch genau der Sinn der Sache. Der Trainer der südkoreanischen Nationalmannschaft musste in den vergangenen Wochen mit ansehen, wie sein Team in England bei einem Aufwärmturnier für die Weltmeisterschaft im Sommer alle drei Spiele verlor. Die Gegner beim Arnold Clark Cup hießen allerdings Belgien, Italien und eben England und es war bereits im Vorhinein klar, dass Südkorea als klarer Außenseiter in jedes dieser Spiele gehen würde. Bis auf drei Spielerinnen sind alle Akteure der südkoreanischen Nationalmannschaft in der heimischen WK-Liga zuhause. Dass Bell zusätzlich noch auf einige Schlüsselspielerinnen verzichten musste, machte die Aufgabe in den drei Spielen umso schwieriger.

Dennoch war der Arnold Clark Cup für Bell und Südkoreas Frauenteam ein guter Test angesichts der Aufgaben, die in diesem Jahr noch zu bewältigen sind. Um bei der Fußball-WM im Juli und August in einer Vorrundengruppe mit Deutschland bestehen zu können, muss man sich mit den besten Nationen der Welt messen. Denn das ist etwas, so Bell, was die meisten seiner Spielerinnen nicht jede Woche geboten bekommen. “Es gibt große Schwierigkeiten, was die Intensität des Fußballs [in der WK-Liga] angeht”, sagt er der DW.  “In Südkorea ist die Liga zu langsam und die Intensität nicht hoch genug. Wenn die Spielerinnen zur Nationalmannschaft kommen, trainieren wir ganz anderes. Wir spielen auf einem hohen Niveau, und die Spielerinnen sind durchaus in der Lage, das zu tun. Es frustriert mich ein wenig zu sehen, wie sie spielen können, und dann zu sehen, wie sie in der Liga spielen. Da ist der Unterschied leider einfach zu groß.”  

Colin Bell hatte bereits eine Vorahnung, dass diese Länderspielpause hart werden würde. In gewisser Weise war das aber auch genau der Sinn der Sache. Der Trainer der südkoreanischen Nationalmannschaft musste in den vergangenen Wochen mit ansehen, wie sein Team in England bei einem Aufwärmturnier für die Weltmeisterschaft im Sommer alle drei Spiele verlor. Die Gegner beim Arnold Clark Cup hießen allerdings Belgien, Italien und eben England und es war bereits im Vorhinein klar, dass Südkorea als klarer Außenseiter in jedes dieser Spiele gehen würde. Bis auf drei Spielerinnen sind alle Akteure der südkoreanischen Nationalmannschaft in der heimischen WK-Liga zuhause. Dass Bell zusätzlich noch auf einige Schlüsselspielerinnen verzichten musste, machte die Aufgabe in den drei Spielen umso schwieriger.

Diesen Mangel an Intensität zu beheben, war der erste Ansatzpunkt Bells, als er Südkorea nach der Weltmeisterschaft 2019 übernahm. Nach zwei Jahren als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft Irlands und einem kurzen Intermezzo als Assistenztrainer des englischen Klubs Huddersfield Town suchte Bell nach einer neuen Herausforderung. Der Engländer, der 2015 mit dem damaligen 1. FFC Frankfurt die Champions League gewann, suchte nach der Möglichkeit, eine Mannschaft nach seiner Vorstellung aufzubauen. Diese Vorstellungen sind, so Bell, durch 30 Jahre als Trainer und Spieler in Deutschland nachhaltig geprägt worden.

“Made in Germany”

“Der deutsche Einfluss auf meine Art zu arbeiten und über Fußball zu denken, hat mich sehr geprägt”, sagt er. “Es ist diese deutsche Mentalität, mit der Erwartung auf den Platz zu gehen, zu gewinnen, auch ohne gut spielen zu müssen, aber eben trotzdem zu gewinnen. Das ist für mich eine Art positive Arroganz, die ich sehr mag. Diese Einstellung habe ich gewahrt und übertrage sie nun auf alle meine Teams, ob in Deutschland oder Norwegen, in Irland oder jetzt in Südkorea. Ich versuche, diesen Glauben zu vermitteln.”

Bell, der sich mit seinen Spielerinnen mittlerweile größtenteils auf koreanisch verständigen kann, hat den Mangel an internationaler Erfahrung als besondere Schwachstelle ausgemacht. Abgesehen von Star-Spielerinnen wie Ji So-yun, die mit Chelsea in acht Jahren mehrere Titel gewinnen konnte, ist eben jene Erfahrung so gut wie gar nicht vorhanden. Der 61-jährige Engländer ist daher der Meinung, dass es für einige seiner Akteure von Vorteil sein könnte, ins Ausland zu wechseln. 

“Es ist immer eine Frage der einzelnen Spielerin, was sie will, wohin sie gehen möchte und wie sie ihre Karriere gestalten will. Südkorea ist ein großartiger Ort zum leben, also kann ich es niemandem verdenken, dort bleiben zu wollen”, sagt Bell. “Aber für einige von ihnen wäre es sicherlich gut, im Ausland Erfahrung zu sammeln. Es wäre ein Abenteuer und eine berufliche Veränderung, regelmäßig mit hoher Intensität in Ligen zu spielen, in denen ein echter Wettbewerb herrscht und wo man zum Beispiel absteigen kann. In Südkorea gibt es keinen wirklichen Druck. Wenn man Letzter wird, wird man eben Letzter, aber man spielt auch in der nächsten Saison noch in der Liga.”

Ähnlich äußerte sich So-hyun im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Fußball-Website Goal: “Um sich selbst zu verbessern, empfehle ich [südkoreanischen Spielerinnen], in europäische Ligen zu gehen. Ich sage nicht, dass asiatische Spielerinnen nicht gut Fußball spielen können, aber um ihr Können und ihre körperlichen [Fähigkeiten] zu verbessern, ist es meiner Meinung nach viel besser, im Ausland zu spielen und dort Erfahrungen zu sammeln.”

Genau das hat auch Bell als Spieler getan: Der Verteidiger stand von 1977 bis 1982 bei Leicester City unter Vertrag, schaffte es aber nicht ins Profiteam. Also ging er nach Deutschland, wo er fünf Jahre lang im oberen Amateurbereich spielte. 1987 wechselte er zum FSV Mainz 05 in die 2. Bundesliga und wurde doch noch Profi. Nach seiner Spielerkarriere trainierte Bell eine Reihe von Frauen-und Männermannschaften in Deutschland, besonders erfolgreich die des 1. FFC Frankfurt.

Der 61-jährige weiß also nur zu gut, was auf ihn zukommt, wenn seine Mannschaft am 3. August im australischen Brisbane in Gruppe H auf Deutschland trifft. Der Kader von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist mit Spitzenspielerinnen und jungen Talenten gespickt. Bell ist jedoch der Meinung, dass die Frauen-Bundesliga in den letzten Jahren “ein bisschen ins Hintertreffen geraten” ist. Einige der aktuellen deutschen Spielerinnen trainierte Bell noch während seiner Zeit in Deutschland. Linda Dallmann versuchte er damals zu überzeugen, als erste Spielerin für eine Ablösesumme zu Frankfurt zu wechseln. Auch viele Spielerinnen der jüngeren Generation hat er von früh an begleitet. 

“Ich war schon immer ein großer Fan von Linda, aber auch von Lina Magull”, sagt er. “Ich erinnere mich daran, dass ich sie für die deutsche U-15-Auswahl spielen sah, ebenso wie Lea Schüller. Und dann ist da noch Giulia Gwinn, die im Moment leider verletzt ist. Sie haben also eine neue Gruppe jüngerer Spielerinnen, die sich wirklich verbessert und vergangenes Jahr bei der Europameisterschaft sehr gut abgeschnitten haben. Das Finale hätte so oder so ausgehen können.”

Könnte die Nähe des englischen Trainers zu seiner ehemaligen Heimat also zum Vorteil für Südkorea werden? “Ich denke, dass ich mit ihnen leichter und schneller zurechtkomme, als mit den anderen Gegnern”, sagt Bell über die deutsche Mannschaft. “Aber das wird natürlich eine große Aufgabe, denn ich weiß, wie gut sie sind. Es ist eine interessante Gruppe. Unser Fokus liegt aber eher auf Kolumbien und Marokko, denn wenn wir beide schlagen, dann sind wir in der nächsten Runde dabei.”

Sollte Bell dieses Ziel erreichen, wäre es erst das zweite Mal, dass Südkorea die Gruppenphase einer Weltmeisterschaft übersteht. Und sollte sein Team tatsächlich zum Auftakt gegen die Kolumbianerinnen und Marokkanerinnen Siege einfahren, wäre das Ergebnis im abschließenden Gruppenspiel gegen die DFB-Frauen für das Weiterkommen letztlich egal – für Bell jedoch ist es so oder so alles andere als ein bedeutungsloses Spiel.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert

Eine Spielerin Südkoreas kämpft mit einer Spielerin England beim Arnold Clark Cup um den Ball
Der 1. FFC Frankfurt feiert den Gewinn des Champions League-Titels 2015
Deutschlands Lina Magull feiert mit ihren Teamkolleginnen ein Tor beim WM Finale 2022 in England

Colin Bell hatte bereits eine Vorahnung, dass diese Länderspielpause hart werden würde. In gewisser Weise war das aber auch genau der Sinn der Sache. Der Trainer der südkoreanischen Nationalmannschaft musste in den vergangenen Wochen mit ansehen, wie sein Team in England bei einem Aufwärmturnier für die Weltmeisterschaft im Sommer alle drei Spiele verlor. Die Gegner beim Arnold Clark Cup hießen allerdings Belgien, Italien und eben England und es war bereits im Vorhinein klar, dass Südkorea als klarer Außenseiter in jedes dieser Spiele gehen würde. Bis auf drei Spielerinnen sind alle Akteure der südkoreanischen Nationalmannschaft in der heimischen WK-Liga zuhause. Dass Bell zusätzlich noch auf einige Schlüsselspielerinnen verzichten musste, machte die Aufgabe in den drei Spielen umso schwieriger.

Dennoch war der Arnold Clark Cup für Bell und Südkoreas Frauenteam ein guter Test angesichts der Aufgaben, die in diesem Jahr noch zu bewältigen sind. Um bei der Fußball-WM im Juli und August in einer Vorrundengruppe mit Deutschland bestehen zu können, muss man sich mit den besten Nationen der Welt messen. Denn das ist etwas, so Bell, was die meisten seiner Spielerinnen nicht jede Woche geboten bekommen. “Es gibt große Schwierigkeiten, was die Intensität des Fußballs [in der WK-Liga] angeht”, sagt er der DW.  “In Südkorea ist die Liga zu langsam und die Intensität nicht hoch genug. Wenn die Spielerinnen zur Nationalmannschaft kommen, trainieren wir ganz anderes. Wir spielen auf einem hohen Niveau, und die Spielerinnen sind durchaus in der Lage, das zu tun. Es frustriert mich ein wenig zu sehen, wie sie spielen können, und dann zu sehen, wie sie in der Liga spielen. Da ist der Unterschied leider einfach zu groß.”  

“Made in Germany”

Diesen Mangel an Intensität zu beheben, war der erste Ansatzpunkt Bells, als er Südkorea nach der Weltmeisterschaft 2019 übernahm. Nach zwei Jahren als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft Irlands und einem kurzen Intermezzo als Assistenztrainer des englischen Klubs Huddersfield Town suchte Bell nach einer neuen Herausforderung. Der Engländer, der 2015 mit dem damaligen 1. FFC Frankfurt die Champions League gewann, suchte nach der Möglichkeit, eine Mannschaft nach seiner Vorstellung aufzubauen. Diese Vorstellungen sind, so Bell, durch 30 Jahre als Trainer und Spieler in Deutschland nachhaltig geprägt worden.

“Der deutsche Einfluss auf meine Art zu arbeiten und über Fußball zu denken, hat mich sehr geprägt”, sagt er. “Es ist diese deutsche Mentalität, mit der Erwartung auf den Platz zu gehen, zu gewinnen, auch ohne gut spielen zu müssen, aber eben trotzdem zu gewinnen. Das ist für mich eine Art positive Arroganz, die ich sehr mag. Diese Einstellung habe ich gewahrt und übertrage sie nun auf alle meine Teams, ob in Deutschland oder Norwegen, in Irland oder jetzt in Südkorea. Ich versuche, diesen Glauben zu vermitteln.”

Bell, der sich mit seinen Spielerinnen mittlerweile größtenteils auf koreanisch verständigen kann, hat den Mangel an internationaler Erfahrung als besondere Schwachstelle ausgemacht. Abgesehen von Star-Spielerinnen wie Ji So-yun, die mit Chelsea in acht Jahren mehrere Titel gewinnen konnte, ist eben jene Erfahrung so gut wie gar nicht vorhanden. Der 61-jährige Engländer ist daher der Meinung, dass es für einige seiner Akteure von Vorteil sein könnte, ins Ausland zu wechseln. 

“Es ist immer eine Frage der einzelnen Spielerin, was sie will, wohin sie gehen möchte und wie sie ihre Karriere gestalten will. Südkorea ist ein großartiger Ort zum leben, also kann ich es niemandem verdenken, dort bleiben zu wollen”, sagt Bell. “Aber für einige von ihnen wäre es sicherlich gut, im Ausland Erfahrung zu sammeln. Es wäre ein Abenteuer und eine berufliche Veränderung, regelmäßig mit hoher Intensität in Ligen zu spielen, in denen ein echter Wettbewerb herrscht und wo man zum Beispiel absteigen kann. In Südkorea gibt es keinen wirklichen Druck. Wenn man Letzter wird, wird man eben Letzter, aber man spielt auch in der nächsten Saison noch in der Liga.”

Der südkoreanische Fußball hinkt hinterher

Ähnlich äußerte sich So-hyun im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Fußball-Website Goal: “Um sich selbst zu verbessern, empfehle ich [südkoreanischen Spielerinnen], in europäische Ligen zu gehen. Ich sage nicht, dass asiatische Spielerinnen nicht gut Fußball spielen können, aber um ihr Können und ihre körperlichen [Fähigkeiten] zu verbessern, ist es meiner Meinung nach viel besser, im Ausland zu spielen und dort Erfahrungen zu sammeln.”

Aufstrebende Talente im deutschen Team

Genau das hat auch Bell als Spieler getan: Der Verteidiger stand von 1977 bis 1982 bei Leicester City unter Vertrag, schaffte es aber nicht ins Profiteam. Also ging er nach Deutschland, wo er fünf Jahre lang im oberen Amateurbereich spielte. 1987 wechselte er zum FSV Mainz 05 in die 2. Bundesliga und wurde doch noch Profi. Nach seiner Spielerkarriere trainierte Bell eine Reihe von Frauen-und Männermannschaften in Deutschland, besonders erfolgreich die des 1. FFC Frankfurt.

Der 61-jährige weiß also nur zu gut, was auf ihn zukommt, wenn seine Mannschaft am 3. August im australischen Brisbane in Gruppe H auf Deutschland trifft. Der Kader von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist mit Spitzenspielerinnen und jungen Talenten gespickt. Bell ist jedoch der Meinung, dass die Frauen-Bundesliga in den letzten Jahren “ein bisschen ins Hintertreffen geraten” ist. Einige der aktuellen deutschen Spielerinnen trainierte Bell noch während seiner Zeit in Deutschland. Linda Dallmann versuchte er damals zu überzeugen, als erste Spielerin für eine Ablösesumme zu Frankfurt zu wechseln. Auch viele Spielerinnen der jüngeren Generation hat er von früh an begleitet. 

“Ich war schon immer ein großer Fan von Linda, aber auch von Lina Magull”, sagt er. “Ich erinnere mich daran, dass ich sie für die deutsche U-15-Auswahl spielen sah, ebenso wie Lea Schüller. Und dann ist da noch Giulia Gwinn, die im Moment leider verletzt ist. Sie haben also eine neue Gruppe jüngerer Spielerinnen, die sich wirklich verbessert und vergangenes Jahr bei der Europameisterschaft sehr gut abgeschnitten haben. Das Finale hätte so oder so ausgehen können.”

Könnte die Nähe des englischen Trainers zu seiner ehemaligen Heimat also zum Vorteil für Südkorea werden? “Ich denke, dass ich mit ihnen leichter und schneller zurechtkomme, als mit den anderen Gegnern”, sagt Bell über die deutsche Mannschaft. “Aber das wird natürlich eine große Aufgabe, denn ich weiß, wie gut sie sind. Es ist eine interessante Gruppe. Unser Fokus liegt aber eher auf Kolumbien und Marokko, denn wenn wir beide schlagen, dann sind wir in der nächsten Runde dabei.”

Sollte Bell dieses Ziel erreichen, wäre es erst das zweite Mal, dass Südkorea die Gruppenphase einer Weltmeisterschaft übersteht. Und sollte sein Team tatsächlich zum Auftakt gegen die Kolumbianerinnen und Marokkanerinnen Siege einfahren, wäre das Ergebnis im abschließenden Gruppenspiel gegen die DFB-Frauen für das Weiterkommen letztlich egal – für Bell jedoch ist es so oder so alles andere als ein bedeutungsloses Spiel.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert

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