Scholz zu Gast beim Hoffnungsträger Indien
Bundeskanzler Olaf Scholz reist am Wochenende erstmals nach Indien. Die Bundesregierung sieht die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens als Alternative zu China für deutsche Unternehmen. Zu Recht?
Indien ist als Wirtschaftspartner eigentlich der perfekte Kandidat: Das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist ein riesiger Markt, wird demokratisch regiert und die internationale Business-Sprache Englisch ist so weit verbreitet wie in keinem anderen großen Schwellenland. Und trotzdem stehen internationale Investoren nicht gerade Schlange, wenn es darum geht auf dem Subkontinent zu investieren.
Das unterstreicht auch eine aktuelle Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Indien, über die – nur wenige Tage vor der Reise des Kanzlers – die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete. Das Ergebnis ist deutlich: Fast 70 Prozent der befragten Unternehmen wollten derzeit nicht in der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt investieren. Und knapp ein Viertel der befragten Firmen, die schon in Indien sind, planten derzeit keine weiteren Investitionen. Als Probleme sehen deutsche Firmen vor allem intransparente Regelwerke, Handelshemmnisse wie Zollschranken und die gefürchtete indische Bürokratie.
Indien ist als Wirtschaftspartner eigentlich der perfekte Kandidat: Das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist ein riesiger Markt, wird demokratisch regiert und die internationale Business-Sprache Englisch ist so weit verbreitet wie in keinem anderen großen Schwellenland. Und trotzdem stehen internationale Investoren nicht gerade Schlange, wenn es darum geht auf dem Subkontinent zu investieren.
Ralf Schlindwein, bei der IHK Düsseldorf für Indien zuständig, ist sich der Hürden im Indiengeschäft bewusst, hat aber vor allem die Chancen auf dem Subkontinent im Blick. “Angesichts der bei uns eingehenden Anfragen zum indischen Markt ist unser Eindruck, dass Indien momentan gut gefragt ist”, sagt er gegenüber der DW. Dazu passe auch, dass die Deutsch-Indische Auslandshandelskammer ihr Personal im Bereich Firmengründung und Investitionen aufstockt. “Auch die Erfahrungsberichte von Unternehmen in unserem Außenwirtschaftsausschuss lassen einen anderen Schluss zu: Nämlich, dass der indische Markt sich gut entwickelt – insbesondere vor dem Hintergrund der sich ständig verändernden globalen wirtschaftspolitischen Lage: Stichwort China+1 Strategie.”
Chancen und Risiken
Aber wie attraktiv ist Indien als Investitionsziel, um die große Abhängigkeit westlicher Unternehmen von China abzumildern? Und kann Indien ausreichend ausländisches Kapital ins Land locken, um einen ähnlichen Boom wie in China in den letzten Jahrzehnten auszulösen?
Unter der Regierung von Premierminister Narendra Modi hat Indien zwar mächtig in Straßen und Neubauviertel in den Speckgürteln der großen Städte investiert, doch das Land bleibt regelmäßig unter seinem potenziellen Wirtschaftswachstum von sieben bis acht Prozent zurück, schreibt Arvind Subramanian in einem Artikel für die US-Zeitschrift Foreign Affairs aus dem Dezember 2022. Co-Autor ist der frühere Indien-Repräsentant des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Indien, Josh Felman. Die Überschrift ist überdeutlich: “Warum Indien China nicht ersetzen kann”. Subramanian war von 2014 bis 2018 oberster Wirtschaftsberater der Modi-Regierung.
Er sieht entscheidende ökonomische Probleme , die Indien bei der Entfesselung seines riesigen Potenzials im Wege stehen: Ein hohes Handelsbilanzdefizit, weil Indien mehr importiert als exportiert. Dazu komme eine hohe Verschuldung, die allein 20 Prozent des Haushalts in Form von Zinszahlungen auffrisst. Und den durch die Folgen der Pandemie zurückgegangenen privaten Konsum – besonders durch einen drastischen Rückgang der Kaufkraft bei den Beschäftigten des riesigen informellen Sektors in Indien.
Das Zögern ausländischer Investoren lässt sich an den Zahlen ablesen. “Obwohl immer die Rede von Indien als bevorzugtem Investitionsziel ist, haben die ausländischen Direktinvestitionen in den letzten zehn Jahren insgesamt stagniert und liegen nach wie vor bei etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts”, rechnen Subramanian und Felman vor.
Eine ganze Reihe von Unternehmen hätte außerdem nicht so großen Erfolg in Indien gehabt. Etwa die US-Konzerne Google, Walmart, Vodafone und General Motors. Auch Amazon sei enttäuscht und mache drei seiner indischen Unternehmensgründungen dicht, schreiben der frühere Modi-Wirtschaftsberater und der EX-IWF-Chef in Indien.
Dass es beim Einstieg deutscher Unternehmen nicht soweit kommt, darum kümmert sich bei der IHK Düsseldorf das Team um Ralf Schlindwein. “Man muss sich einen guten Partner in Indien suchen, der den Markt kennt und idealerweise das richtige Netzwerk hat. Das kann zum Beispiel die Deutsche Auslandshandelskammer in Indien sein, mit der wir als IHK Düsseldorf im Rahmen des India Desks Düsseldorf eng zusammenarbeiten”, so Schlindwein im Interview mit der DW. “Wir bieten Unternehmen kompetente und umfassende Informationen und Beratungen auf ihrem Weg in den indischen Markt oder bei Fragen der Beschaffung.”
Trotz aller Hindernisse könnten deutsche Unternehmen gute Geschäfte in Indien machen, wenn sie sich gut vorbereiten, betont Schlindwein. “Außerdem werden sich Unternehmen weiterhin bemühen, einseitige Abhängigkeiten von bestimmten Ländern zu reduzieren. Und damit rückt Indien zwangsläufig in den Fokus: als Absatz- und Beschaffungsmarkt, als Investitionsstandort und eben auch als Innovationspartner.”
Die Experten der Düsseldorfer IHK organisieren den traditionellen Wirtschaftstag Indien und haben seit langem Indiens Hightech-Hauptstadt Bengaluru (Bangalore) im Blick, wo einmal im Jahr der Bengaluru Tech Summit stattfindet.
In Bengaluru sind Unternehmen aus Düsseldorf schon jetzt aktiv. Die Architekten von Eller & Eller bauen dort den neuen Siemens Healthineers Campus und der Düsseldorfer Henkel-Konzern betreibt seit Mai 2022 ein Globales Technologie Zentrum in Bengaluru, berichtet Schlindwein.
Nach Bengaluru reist auch Bundeskanzler Scholz mit der deutschen Wirtschaftsdelegation. Es stehen Besuche beim deutschen Softwarespezialisten SAP und der Firma Sun Mobility auf dem Programm. Das Unternehmen stellt austauschbare Batterien für Elektro-Kleintransporter her, der deutsche Bosch-Konzern ist mit 26 Prozent beteiligt.
Im vergangenen Jahr hatten die EU und Indien beschlossen, ihre lange auf Eis liegenden Handelsgespräche wieder aufzunehmen. Offizielles Ziel ist der Abschluss eines Freihandelsabkommens sowie von Vereinbarungen zum Investitionsschutz und zu geografischen Herkunftsangaben bis Ende 2023.
“Richtig optimistisch, dass beide Partner sich am Ende einigen, bin ich leider nicht, auch wenn es sich viele Unternehmen wünschen würden und es den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen einen kräftigen Schub geben würde”, lautet das Fazit von Ralf Schlindwein, dem Indien-Experten der IHK Düsseldorf. Gerne würde er aber vom Gegenteil überzeugt werden.
Indien ist als Wirtschaftspartner eigentlich der perfekte Kandidat: Das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern ist ein riesiger Markt, wird demokratisch regiert und die internationale Business-Sprache Englisch ist so weit verbreitet wie in keinem anderen großen Schwellenland. Und trotzdem stehen internationale Investoren nicht gerade Schlange, wenn es darum geht auf dem Subkontinent zu investieren.
Das unterstreicht auch eine aktuelle Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Indien, über die – nur wenige Tage vor der Reise des Kanzlers – die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete. Das Ergebnis ist deutlich: Fast 70 Prozent der befragten Unternehmen wollten derzeit nicht in der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt investieren. Und knapp ein Viertel der befragten Firmen, die schon in Indien sind, planten derzeit keine weiteren Investitionen. Als Probleme sehen deutsche Firmen vor allem intransparente Regelwerke, Handelshemmnisse wie Zollschranken und die gefürchtete indische Bürokratie.
Chancen und Risiken
Ralf Schlindwein, bei der IHK Düsseldorf für Indien zuständig, ist sich der Hürden im Indiengeschäft bewusst, hat aber vor allem die Chancen auf dem Subkontinent im Blick. “Angesichts der bei uns eingehenden Anfragen zum indischen Markt ist unser Eindruck, dass Indien momentan gut gefragt ist”, sagt er gegenüber der DW. Dazu passe auch, dass die Deutsch-Indische Auslandshandelskammer ihr Personal im Bereich Firmengründung und Investitionen aufstockt. “Auch die Erfahrungsberichte von Unternehmen in unserem Außenwirtschaftsausschuss lassen einen anderen Schluss zu: Nämlich, dass der indische Markt sich gut entwickelt – insbesondere vor dem Hintergrund der sich ständig verändernden globalen wirtschaftspolitischen Lage: Stichwort China+1 Strategie.”
Aber wie attraktiv ist Indien als Investitionsziel, um die große Abhängigkeit westlicher Unternehmen von China abzumildern? Und kann Indien ausreichend ausländisches Kapital ins Land locken, um einen ähnlichen Boom wie in China in den letzten Jahrzehnten auszulösen?
Unter der Regierung von Premierminister Narendra Modi hat Indien zwar mächtig in Straßen und Neubauviertel in den Speckgürteln der großen Städte investiert, doch das Land bleibt regelmäßig unter seinem potenziellen Wirtschaftswachstum von sieben bis acht Prozent zurück, schreibt Arvind Subramanian in einem Artikel für die US-Zeitschrift Foreign Affairs aus dem Dezember 2022. Co-Autor ist der frühere Indien-Repräsentant des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Indien, Josh Felman. Die Überschrift ist überdeutlich: “Warum Indien China nicht ersetzen kann”. Subramanian war von 2014 bis 2018 oberster Wirtschaftsberater der Modi-Regierung.
Er sieht entscheidende ökonomische Probleme , die Indien bei der Entfesselung seines riesigen Potenzials im Wege stehen: Ein hohes Handelsbilanzdefizit, weil Indien mehr importiert als exportiert. Dazu komme eine hohe Verschuldung, die allein 20 Prozent des Haushalts in Form von Zinszahlungen auffrisst. Und den durch die Folgen der Pandemie zurückgegangenen privaten Konsum – besonders durch einen drastischen Rückgang der Kaufkraft bei den Beschäftigten des riesigen informellen Sektors in Indien.
Indien als neues China?
Das Zögern ausländischer Investoren lässt sich an den Zahlen ablesen. “Obwohl immer die Rede von Indien als bevorzugtem Investitionsziel ist, haben die ausländischen Direktinvestitionen in den letzten zehn Jahren insgesamt stagniert und liegen nach wie vor bei etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts”, rechnen Subramanian und Felman vor.
Ausländische Direktinvestitionen stagnieren
Eine ganze Reihe von Unternehmen hätte außerdem nicht so großen Erfolg in Indien gehabt. Etwa die US-Konzerne Google, Walmart, Vodafone und General Motors. Auch Amazon sei enttäuscht und mache drei seiner indischen Unternehmensgründungen dicht, schreiben der frühere Modi-Wirtschaftsberater und der EX-IWF-Chef in Indien.
Dass es beim Einstieg deutscher Unternehmen nicht soweit kommt, darum kümmert sich bei der IHK Düsseldorf das Team um Ralf Schlindwein. “Man muss sich einen guten Partner in Indien suchen, der den Markt kennt und idealerweise das richtige Netzwerk hat. Das kann zum Beispiel die Deutsche Auslandshandelskammer in Indien sein, mit der wir als IHK Düsseldorf im Rahmen des India Desks Düsseldorf eng zusammenarbeiten”, so Schlindwein im Interview mit der DW. “Wir bieten Unternehmen kompetente und umfassende Informationen und Beratungen auf ihrem Weg in den indischen Markt oder bei Fragen der Beschaffung.”
Trotz aller Hindernisse könnten deutsche Unternehmen gute Geschäfte in Indien machen, wenn sie sich gut vorbereiten, betont Schlindwein. “Außerdem werden sich Unternehmen weiterhin bemühen, einseitige Abhängigkeiten von bestimmten Ländern zu reduzieren. Und damit rückt Indien zwangsläufig in den Fokus: als Absatz- und Beschaffungsmarkt, als Investitionsstandort und eben auch als Innovationspartner.”
Fokus auf Indiens Hightech-Hauptstadt
Die Experten der Düsseldorfer IHK organisieren den traditionellen Wirtschaftstag Indien und haben seit langem Indiens Hightech-Hauptstadt Bengaluru (Bangalore) im Blick, wo einmal im Jahr der Bengaluru Tech Summit stattfindet.
In Bengaluru sind Unternehmen aus Düsseldorf schon jetzt aktiv. Die Architekten von Eller & Eller bauen dort den neuen Siemens Healthineers Campus und der Düsseldorfer Henkel-Konzern betreibt seit Mai 2022 ein Globales Technologie Zentrum in Bengaluru, berichtet Schlindwein.
Neue Verhandlungen über Freihandelsabkommen
Nach Bengaluru reist auch Bundeskanzler Scholz mit der deutschen Wirtschaftsdelegation. Es stehen Besuche beim deutschen Softwarespezialisten SAP und der Firma Sun Mobility auf dem Programm. Das Unternehmen stellt austauschbare Batterien für Elektro-Kleintransporter her, der deutsche Bosch-Konzern ist mit 26 Prozent beteiligt.
Im vergangenen Jahr hatten die EU und Indien beschlossen, ihre lange auf Eis liegenden Handelsgespräche wieder aufzunehmen. Offizielles Ziel ist der Abschluss eines Freihandelsabkommens sowie von Vereinbarungen zum Investitionsschutz und zu geografischen Herkunftsangaben bis Ende 2023.
“Richtig optimistisch, dass beide Partner sich am Ende einigen, bin ich leider nicht, auch wenn es sich viele Unternehmen wünschen würden und es den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen einen kräftigen Schub geben würde”, lautet das Fazit von Ralf Schlindwein, dem Indien-Experten der IHK Düsseldorf. Gerne würde er aber vom Gegenteil überzeugt werden.