FESPACO: Afrikas größtes Filmfestival setzt auf starke Frauen
Das afrikanische Kino hat sich von westlichen Vorbildern emanzipiert – und ist den einstigen Platzhirschen weit voraus: Frauen sind beim FESPACO-Filmfestival in Burkina Faso längst keine Minderheit mehr.
Sira kann es kaum erwarten: Die Nomadin ist mit ihrer Familie auf dem Weg zu ihrem Bräutigam. Doch unterwegs wird die Gruppe von islamistischen Terroristen überfallen, die Männer werden ermordet. Sira wird mitten in der Wüste ihrem vermeintlich sicheren Tod ausgeliefert. Doch sie ist eine Kämpferin.
Apolline Traorés Film erzählt die Geschichte eines packenden Überlebenskampfs. “Es geht um Widerstand, darum, nie aufzugeben”, erklärt die Regisseurin aus Burkina Faso gegenüber der DW. Und noch etwas liegt ihr am Herzen: Frauen als starke Charaktere zu zeigen.
Sira kann es kaum erwarten: Die Nomadin ist mit ihrer Familie auf dem Weg zu ihrem Bräutigam. Doch unterwegs wird die Gruppe von islamistischen Terroristen überfallen, die Männer werden ermordet. Sira wird mitten in der Wüste ihrem vermeintlich sicheren Tod ausgeliefert. Doch sie ist eine Kämpferin.
“Ich muss ihnen einfach eine Stimme geben. Meistens werden sie als Opfer dargestellt: Man zeigt Frauen in Flüchtlingscamps, die ihre Väter oder Männer verloren haben.” Aber es sind genau diese Frauen, die ihre Kinder beschützen. Die gefährliche Fluchtwege auf sich genommen haben, um sie zu retten.” Frauen eben, die gezeigt hätten, wie man überlebt. Genau diese Frauen, so Traoré, spielten in Afrika im Kampf gegen die Dschihadisten eine große Rolle.
Blutige Realität auf der Leinwand
In Europa hat ihr Film “Sira” auf der Berlinale den Publikumspreis gewonnen. Für die Zuschauer in Deutschland ist die Geschichte ein Drama in der Ferne, für Traorés Landsleute in Burkina Faso ist es blutige Realität. Seit Jahren terrorisieren bewaffnete Dschihadisten die Bevölkerung. Deswegen wollte die burkinische Regisseurin ihren Film im Norden ihres Heimatlandes drehen – dort wo die Menschen seit Jahren besonders unter dem Terror leiden, ein authentischer Drehort.
Doch es kam anders. “Kurz bevor ich mit dem Filmteam für drei Monate dorthin reisen wollte, gab es wieder einen Anschlag. Die Regierung unterrichtete mich, dass ich zum Schutz Soldaten mitnehmen müsste – aber das wäre wohl schlecht angekommen, sie haben wirklich andere Aufgaben.”
Traoré musste sich einen anderen Drehort suchen und landete schließlich in Mauretanien. Die Unterstützung dort sei großartig gewesen, sagt sie, aber sie sei trotzdem sehr traurig, dass sie nicht in Burkina Faso filmen konnte. Vielleicht hofft sie, klappt es ja beim nächsten Mal. Und auch dann will sie wieder eines der vielen brennenden gesellschaftlichen Probleme in den Fokus rücken. “Ich habe mein Handwerk in den USA gelernt”, sagt sie. “Aber ich kann die Menschen in meinen Filmen nicht zum Lachen bringen, nur zum Weinen. Ich muss einfach zeigen, was es für Missstände gibt und was die Leute erleiden müssen. Für mich ist das auch eine Art Therapie.”
Apolline Traoré ist nicht die Einzige, die beim FESPACO (Französisch für: Panafrikanisches Film- und Fernsehfestival) in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou bittere Realitäten zeigt. Moussa Séné Absa aus dem Senegal thematisiert in “Xalé, les blessures de l’enfance” (Die Verletzungen der Kindheit) die Zwangsheirat, “Le Bleu du Caftan” (Das Blau des Kaftans) der marokkanischen Regisseurin Maryam Touzani packt das Tabu-Thema Homosexualität an, und “Bravo, Burkina!” vom nigerianischen Regisseur Walé Oyéjidé erzählt die Geschichte eines Jugendlichen, der im fernen Europa vergebens sein Glück sucht.
Ausschließlich Filme von Afrikanerinnen und Afrikanern kommen beim FESPACO auf die Leinwand: Man will ihnen eine Plattform bieten, ihr Können zu zeigen – und der einheimischen Bevölkerung keine Filme aus den USA oder Europa vorsetzen. Es ist allerdings nicht einfach, ein Filmfestival in einem Land zu organisieren, wo viele Einwohner bitterarm sind und die Menschen unter den wiederkehrenden Dürren leiden. Es gibt nur vier Kinosäle – viel zu wenige für den immensen Andrang beim FESPACO. Aber wenn kümmert das – die Veranstalter zeigen die Filme einfach unter freiem Himmel.
Das war schon 1969 so, als eine Gruppe von Kino-Enthusiasten das FESPACO in Burkina Faso (damals noch Ober-Volta) aus der Taufe hob. Damals war es gerade mal neun Jahre her, dass das Land unabhängig geworden war. Als es noch unter Frankreichs Ägide stand, war es Afrikanerinnen und Afrikanern lange verboten, in den Kolonien zu drehen. Der erste afrikanische Film überhaupt “Afrique-sur-Seine” (Afrika an der Seine) entstand 1955 in Paris, gedreht von Studenten. Unter ihnen: Paulin Soumanou Vieyra aus Benin, der als Pionier des afrikanischen Kinos gilt.
Man hatte 1969 in Burkina Faso also nicht viel Erfahrung mit dem Kino, dafür aber umso mehr Leidenschaft. Seit der Gründung findet das Festival – mit wenigen Ausnahmen – alle zwei Jahre statt. “Das afrikanische Kino ist das jüngste der Welt”, erzählt Apolline Traoré der DW. “Es wurde lange komplett vom Westen finanziert. Mittlerweile versuchen wir, das Geld für unsere Filme selbst zusammenzubekommen.” Und weiter: “Ich habe den Eindruck, dass man im Westen alle Geschichten verbraucht hat, das Publikum will jetzt unsere sehen.”
Traoré sieht aber die Gefahr, dass finanzstarke Länder nicht nur mit Tipps beim Dreh helfen, sondern sich auch einmischen, um die afrikanische Geschichte aus westlicher Perspektive zu zeigen. “Dagegen müssen wir uns wehren. Wir müssen dem Westen zeigen, dass wir in der Lage sind, unsere eigene Geschichte zu machen und dass wir sie besser erzählen als alle anderen – weil es unsere Geschichte ist und wir sie besser kennen als sie.”
Hervorragende afrikanische Filmemacher und vor allem Filmemacherinnen gibt es mittlerweile viele. Von den insgesamt 170 beim FESPACO eingereichten Filmen, die um die begehrten Preise konkurrieren – sie kommen unter anderem aus Ägypten, Angola, Kenia, Marokko und dem Senegal – wurde rund die Hälfte von Frauen gedreht.
“Mich überrascht das gar nicht”, sagt die tunesische Jury-Präsidentin Dora Bouchoucha der DW. “Und ich glaube, in ganz Afrika überrascht das niemanden, nur außerhalb des Kontinents. Ich habe meinen ersten Film vor 25 Jahren gedreht, mein Team bestand fast nur aus Frauen. Die besten Produktionsleiterinnen sind Frauen. Beim Filmemachen geht es um Details. Und jeder weiß, dass Frauen Details mehr im Blick haben. Außerdem ist Frauen ihr Ego weniger wichtig. Wir machen Filme auf unsere Art – und wir machen das sehr gut.”
Eröffnet wurde das FESPACO am 25.02.2023 vom burkinischen und vom malischen Premierminister, denn Mali ist dieses Jahr Ehrengast beim Festival. Trotz – oder gerade wegen – aller Probleme, die Burkina Faso, Mali und andere afrikanische Staaten zweifelsohne haben, insbesondere mit dem Terrorismus, wurde als FESPACO-Motto 2023 “Die Kultur des Friedens” gewählt. “Die Welt ist heutzutage mit vielen Problemen konfrontiert, die alle sozialen Ungleichheiten, Ausgrenzung, Extremismus und dem Wettrüsten geschuldet sind”, heißt es auf der Festival-Homepage. Filme könnten dazu beitragen, gemeinsam darüber nachzudenken, wie Frieden und der soziale Zusammenhalt gesichert werden können.
Das möchte auch Apolline Traoré, die mit “Sira” ins Rennen um den Hauptpreis geht, den “Goldenen Hengst von Yennega”. Auch diese Trophäe ist eine Hommage an die starken Frauen: Prinzessin Yennega war eine Kriegerin, die auf ihrem Hengst in die Schlacht zog und nichts und niemanden fürchtete.
Das FESPACO läuft noch bis zum bis 04.03.2023.
Sira kann es kaum erwarten: Die Nomadin ist mit ihrer Familie auf dem Weg zu ihrem Bräutigam. Doch unterwegs wird die Gruppe von islamistischen Terroristen überfallen, die Männer werden ermordet. Sira wird mitten in der Wüste ihrem vermeintlich sicheren Tod ausgeliefert. Doch sie ist eine Kämpferin.
Apolline Traorés Film erzählt die Geschichte eines packenden Überlebenskampfs. “Es geht um Widerstand, darum, nie aufzugeben”, erklärt die Regisseurin aus Burkina Faso gegenüber der DW. Und noch etwas liegt ihr am Herzen: Frauen als starke Charaktere zu zeigen.
Blutige Realität auf der Leinwand
“Ich muss ihnen einfach eine Stimme geben. Meistens werden sie als Opfer dargestellt: Man zeigt Frauen in Flüchtlingscamps, die ihre Väter oder Männer verloren haben.” Aber es sind genau diese Frauen, die ihre Kinder beschützen. Die gefährliche Fluchtwege auf sich genommen haben, um sie zu retten.” Frauen eben, die gezeigt hätten, wie man überlebt. Genau diese Frauen, so Traoré, spielten in Afrika im Kampf gegen die Dschihadisten eine große Rolle.
In Europa hat ihr Film “Sira” auf der Berlinale den Publikumspreis gewonnen. Für die Zuschauer in Deutschland ist die Geschichte ein Drama in der Ferne, für Traorés Landsleute in Burkina Faso ist es blutige Realität. Seit Jahren terrorisieren bewaffnete Dschihadisten die Bevölkerung. Deswegen wollte die burkinische Regisseurin ihren Film im Norden ihres Heimatlandes drehen – dort wo die Menschen seit Jahren besonders unter dem Terror leiden, ein authentischer Drehort.
Doch es kam anders. “Kurz bevor ich mit dem Filmteam für drei Monate dorthin reisen wollte, gab es wieder einen Anschlag. Die Regierung unterrichtete mich, dass ich zum Schutz Soldaten mitnehmen müsste – aber das wäre wohl schlecht angekommen, sie haben wirklich andere Aufgaben.”
Traoré musste sich einen anderen Drehort suchen und landete schließlich in Mauretanien. Die Unterstützung dort sei großartig gewesen, sagt sie, aber sie sei trotzdem sehr traurig, dass sie nicht in Burkina Faso filmen konnte. Vielleicht hofft sie, klappt es ja beim nächsten Mal. Und auch dann will sie wieder eines der vielen brennenden gesellschaftlichen Probleme in den Fokus rücken. “Ich habe mein Handwerk in den USA gelernt”, sagt sie. “Aber ich kann die Menschen in meinen Filmen nicht zum Lachen bringen, nur zum Weinen. Ich muss einfach zeigen, was es für Missstände gibt und was die Leute erleiden müssen. Für mich ist das auch eine Art Therapie.”
Drehen im eigenen Land zu gefährlich
Apolline Traoré ist nicht die Einzige, die beim FESPACO (Französisch für: Panafrikanisches Film- und Fernsehfestival) in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou bittere Realitäten zeigt. Moussa Séné Absa aus dem Senegal thematisiert in “Xalé, les blessures de l’enfance” (Die Verletzungen der Kindheit) die Zwangsheirat, “Le Bleu du Caftan” (Das Blau des Kaftans) der marokkanischen Regisseurin Maryam Touzani packt das Tabu-Thema Homosexualität an, und “Bravo, Burkina!” vom nigerianischen Regisseur Walé Oyéjidé erzählt die Geschichte eines Jugendlichen, der im fernen Europa vergebens sein Glück sucht.
Filme von und für Afrikanerinnen und Afrikaner
Ausschließlich Filme von Afrikanerinnen und Afrikanern kommen beim FESPACO auf die Leinwand: Man will ihnen eine Plattform bieten, ihr Können zu zeigen – und der einheimischen Bevölkerung keine Filme aus den USA oder Europa vorsetzen. Es ist allerdings nicht einfach, ein Filmfestival in einem Land zu organisieren, wo viele Einwohner bitterarm sind und die Menschen unter den wiederkehrenden Dürren leiden. Es gibt nur vier Kinosäle – viel zu wenige für den immensen Andrang beim FESPACO. Aber wenn kümmert das – die Veranstalter zeigen die Filme einfach unter freiem Himmel.
Das war schon 1969 so, als eine Gruppe von Kino-Enthusiasten das FESPACO in Burkina Faso (damals noch Ober-Volta) aus der Taufe hob. Damals war es gerade mal neun Jahre her, dass das Land unabhängig geworden war. Als es noch unter Frankreichs Ägide stand, war es Afrikanerinnen und Afrikanern lange verboten, in den Kolonien zu drehen. Der erste afrikanische Film überhaupt “Afrique-sur-Seine” (Afrika an der Seine) entstand 1955 in Paris, gedreht von Studenten. Unter ihnen: Paulin Soumanou Vieyra aus Benin, der als Pionier des afrikanischen Kinos gilt.
Man hatte 1969 in Burkina Faso also nicht viel Erfahrung mit dem Kino, dafür aber umso mehr Leidenschaft. Seit der Gründung findet das Festival – mit wenigen Ausnahmen – alle zwei Jahre statt. “Das afrikanische Kino ist das jüngste der Welt”, erzählt Apolline Traoré der DW. “Es wurde lange komplett vom Westen finanziert. Mittlerweile versuchen wir, das Geld für unsere Filme selbst zusammenzubekommen.” Und weiter: “Ich habe den Eindruck, dass man im Westen alle Geschichten verbraucht hat, das Publikum will jetzt unsere sehen.”
“Das Publikum will jetzt unsere Geschichten sehen”
Traoré sieht aber die Gefahr, dass finanzstarke Länder nicht nur mit Tipps beim Dreh helfen, sondern sich auch einmischen, um die afrikanische Geschichte aus westlicher Perspektive zu zeigen. “Dagegen müssen wir uns wehren. Wir müssen dem Westen zeigen, dass wir in der Lage sind, unsere eigene Geschichte zu machen und dass wir sie besser erzählen als alle anderen – weil es unsere Geschichte ist und wir sie besser kennen als sie.”
Hervorragende afrikanische Filmemacher und vor allem Filmemacherinnen gibt es mittlerweile viele. Von den insgesamt 170 beim FESPACO eingereichten Filmen, die um die begehrten Preise konkurrieren – sie kommen unter anderem aus Ägypten, Angola, Kenia, Marokko und dem Senegal – wurde rund die Hälfte von Frauen gedreht.
Selbstbewusste Regisseurinnen
“Mich überrascht das gar nicht”, sagt die tunesische Jury-Präsidentin Dora Bouchoucha der DW. “Und ich glaube, in ganz Afrika überrascht das niemanden, nur außerhalb des Kontinents. Ich habe meinen ersten Film vor 25 Jahren gedreht, mein Team bestand fast nur aus Frauen. Die besten Produktionsleiterinnen sind Frauen. Beim Filmemachen geht es um Details. Und jeder weiß, dass Frauen Details mehr im Blick haben. Außerdem ist Frauen ihr Ego weniger wichtig. Wir machen Filme auf unsere Art – und wir machen das sehr gut.”
Ein filmischer Appell für den Frieden
Eröffnet wurde das FESPACO am 25.02.2023 vom burkinischen und vom malischen Premierminister, denn Mali ist dieses Jahr Ehrengast beim Festival. Trotz – oder gerade wegen – aller Probleme, die Burkina Faso, Mali und andere afrikanische Staaten zweifelsohne haben, insbesondere mit dem Terrorismus, wurde als FESPACO-Motto 2023 “Die Kultur des Friedens” gewählt. “Die Welt ist heutzutage mit vielen Problemen konfrontiert, die alle sozialen Ungleichheiten, Ausgrenzung, Extremismus und dem Wettrüsten geschuldet sind”, heißt es auf der Festival-Homepage. Filme könnten dazu beitragen, gemeinsam darüber nachzudenken, wie Frieden und der soziale Zusammenhalt gesichert werden können.
Das möchte auch Apolline Traoré, die mit “Sira” ins Rennen um den Hauptpreis geht, den “Goldenen Hengst von Yennega”. Auch diese Trophäe ist eine Hommage an die starken Frauen: Prinzessin Yennega war eine Kriegerin, die auf ihrem Hengst in die Schlacht zog und nichts und niemanden fürchtete.
Das FESPACO läuft noch bis zum bis 04.03.2023.