TikTok: Mit “Deinfluencing” zu weniger Konsum?
Unter dem Hashtag #deinfluencing rufen Tiktok-Nutzende dazu auf, weniger zu konsumieren. Ist das ernst gemeint oder nur eine Marketingstrategie, um mehr Aufmerksamkeit – und Geld – zu generieren?
“Du musst deine Haare nicht stylen, bevor du aus dem Haus gehst. Du brauchst kein weiteres Workout-Set, um im Fitnessstudio Erfolge zu erzielen. Du musst nicht das trendige Parfüm ausprobieren, von dem dir ein TikTok-Guru erzählt hat, dass es dich unwiderstehlich macht… aber am wichtigsten ist, dass du dich nicht schlecht fühlen musst, wenn du das alles getan hast.” Diese Ratschläge stammen aus einem aktuellen Video der TikTokerin Chloe (@chloe.chapdelaine). Fast 360.000 Menschen folgen ihr auf der Plattform. Dort lädt die Influencerin Videos hoch, in denen es um ihr Leben in Kanada und um ihre Reisen geht – und um die Produkte, die sie im Alltag benutzt.
In letzter Zeit scheint Chloe jedoch einen Sinneswandel durchgemacht zu haben: “Ich weiß, dass ich ein Opfer von übermäßigem Konsum bin”, sagt sie, während es in der Bildunterschrift ihres Videos heißt: “Wir leben in einer Gesellschaft, in der fast alles so gestaltet und vermarktet wird, dass man es kaufen soll.”
“Du musst deine Haare nicht stylen, bevor du aus dem Haus gehst. Du brauchst kein weiteres Workout-Set, um im Fitnessstudio Erfolge zu erzielen. Du musst nicht das trendige Parfüm ausprobieren, von dem dir ein TikTok-Guru erzählt hat, dass es dich unwiderstehlich macht… aber am wichtigsten ist, dass du dich nicht schlecht fühlen musst, wenn du das alles getan hast.” Diese Ratschläge stammen aus einem aktuellen Video der TikTokerin Chloe (@chloe.chapdelaine). Fast 360.000 Menschen folgen ihr auf der Plattform. Dort lädt die Influencerin Videos hoch, in denen es um ihr Leben in Kanada und um ihre Reisen geht – und um die Produkte, die sie im Alltag benutzt.
Weniger zu konsumieren, klingt wie ein vernünftiger Ratschlag. Es ist genau das, was zurzeit sogenannte Deinfluencer und Deinfluencerinnen wie Chloe auf TikTok predigen. Sie wollen das Gegenteil von Influencern sein, die – zumindest im Marketing – als Personen gelten, die mit der nötigen Glaubwürdigkeit potenzielle Konsumenten zum Kauf bestimmter Produkte bewegen, indem sie diese in den sozialen Medien empfehlen.
Weg vom übermäßigen Konsum – tatsächlich?
Unter den Deinfluencern gibt es verschiedene Ansätze. Einige lehnen das Konsumdenken komplett ab; andere wiederum bewerten beliebte Produkte und schlagen günstigere oder bessere Alternativen vor. Andere Deinfluencer geben Ratschläge, wie man Geld sparen oder echtes Glück finden kann. Mittlerweile ist #deinfluencing zu einem Trend geworden, der auf TikTok über 273 Millionen Aufrufe hat.
Wie die verschiedenen Hashtags zu diesem Trend zeigen – wie #deinfluencingmakeup, #deinfluencinghair, #deinfluencingbotox – geht es in vielen Videos nach wie vor um Schönheitsprodukte. Weitere beliebte Hashtags sind #deinfluencingbooks und #deinfluencinginfluencing, unter dem ehemalige Influencer ihr Leben als Produktvermarkter bereuen und sich eine neue Beschäftigung suchen.
“Authentizität ist besonders wichtig, wenn es um die Interaktion zwischen Influencern und ihren Fans auf TikTok geht”, sagt Marina Mansour, Vizepräsidentin und Gründungsmitglied von Kyra, einem globalen Unternehmen für die Erstellung und Vermarktung von Inhalten. “Deinfluencing”, so Mansour gegenüber der DW, “ist eine Reaktion der Fans auf Influencer, bei denen die Ehrlichkeit und Transparenz fehlt, für die die Plattform so gefeiert wird. Dieses Gefühl hat sich zum Trend #deinfluencing entwickelt.”
Matt Perry, Mitbegründer und CEO des Marketingunternehmens The Future Collective, äußert sich in einem LinkedIn-Beitrag über den Deinfluencer-Trend ähnlich: “Der Trend des Deinfluencing gewinnt gerade enorm an Fahrt, da die TikTok-Nutzer endlich anfangen, Authentizität über Konsumdenken zu stellen.”
Viele Influencer wie Chloe suchen jetzt eine echte Verbindung zu ihren Followern und geben zu, dass sie Opfer von Konsumprodukten waren, die ihnen ein ganz neues Leben versprachen. Chloe will nun ihren Weg ändern. “In Zukunft sollten wir dankbar für das sein, was wir haben”, sagt Chloe.
Eine andere TikTok-Nutzerin, Michelle (@Michelleskidelsky), erzählt in einem Video, dass sie sehr viel Geld für bestimmte Produkte ausgegeben hat. “Wenn du so bist wie ich, dann hast du jedes Mal Angst, wenn du dein Bankkonto überprüfst. Das ist echt übel”, sagt sie in ihrer TikTok-Serie mit dem Titel “Deinfluencing things you DO NOT NEED” (Dinge, die du NICHT BENÖTIGST). Darin listet sie eine Reihe von Produkten auf, die man nicht kaufen sollte, darunter einen Haarstyler, der über 600 Euro kostet, sowie teure probiotische Kapseln und Nahrungsergänzungsmittel.
Allerdings können Social-Media-Influencer nicht ganz auf die Vermarktung von Produkten verzichten, denn viele verdienen auf diese Weise Geld.
Laut Marina Mansour, Vizepräsidentin von Kyra, gibt es verschiedene Optionen für Influencer auf TikTok. Viele von ihnen arbeiten mit Marken zusammen, um Einkommen zu erzielen. Zudem gibt es Kooperationen mit Programmen wie dem TikTok Shop, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Produkte auf der Videoplattform zu platzieren und direkt zu verkaufen. Eine weitere Einnahmequelle ist der TikTok-Creator-Fonds, mit dem Kreative auf der Plattform unterstützt werden. “Influencer können auf TikTok Hunderttausende von Dollar pro Monat verdienen, abhängig von der Größe ihrer Fangemeinde, ihrem Engagement und der Qualität ihrer Inhalte”, sagt Mansour.
Daher weisen die meisten Deinfluencer zwar auf Produkte hin, die man nicht kaufen sollte, präsentieren stattdessen aber Alternativen. Maja zum Beispiel, die unter dem Nutzernamen @self.skin auftritt, sagt von sich, dass sie im medizinischen Bereich tätig ist. Sie teilt mit ihren Followern, welche Hautpflegeprodukte den Hype und die Kosten nicht wert sind und welche sie stattdessen verwenden können. Auch Valeria @valeriafride testet Schönheitsprodukte und bietet den Zuschauern Alternativen an.
Aber wie aufrichtig sind solche Deinfluencerinnen und Deinfluencer? Fest steht: Die Teilnahme an einem Trend wie #Deinfluencing bringt mehr Aufrufe und mehr Follower und kann damit die Einnahmen eines Influencers in die Höhe treiben. Deswegen herrscht eine gewisse Skepsis darüber, welche die wahren Motive mancher Influencer sind, wenn sie den Hashtag benutzen.
“Es ist definitiv so, dass es einen Anreiz gibt, an Trendthemen mitzumachen, weil sie beliebt und berichtenswert sind”, sagt Mansour. Die Influencer müssten relevant bleiben, dabei helfe es, dass sie aktuelle Themen aufgreifen. “Ob sie wirklich das Gefühl haben, dass wir uns in einer Zeit des Überkonsums befinden, oder ob sie die Dynamik von #deinfluencing nutzen, um über Produkte zu sprechen, die ihnen persönlich nicht gefallen, ist von Fall zu Fall unterschiedlich”, fügt sie hinzu.
Andere Marktexperten, wie Matt Perry vom Future Collective, sind der Meinung, dass #deinfluencing tatsächlich einen Umbruch bedeuten könnte. Ihm zufolge könnte ein Untergang für das Influencer-Geschäft bevorstehen: “Das Gleiche ist bei YouTube und Instagram passiert. Influencer Marketing ist am Sterben”, schreibt er auf LinkedIn. Und fügt hinzu, dass sich Marken in Zukunft mehr darauf konzentrieren müssen, echte Beziehungen zu den Verbrauchern aufzubauen und diese dazu zu nutzen, ihre Produkte zu verkaufen.
Adaption aus dem Englischen: Maria John Sánchez
“Du musst deine Haare nicht stylen, bevor du aus dem Haus gehst. Du brauchst kein weiteres Workout-Set, um im Fitnessstudio Erfolge zu erzielen. Du musst nicht das trendige Parfüm ausprobieren, von dem dir ein TikTok-Guru erzählt hat, dass es dich unwiderstehlich macht… aber am wichtigsten ist, dass du dich nicht schlecht fühlen musst, wenn du das alles getan hast.” Diese Ratschläge stammen aus einem aktuellen Video der TikTokerin Chloe (@chloe.chapdelaine). Fast 360.000 Menschen folgen ihr auf der Plattform. Dort lädt die Influencerin Videos hoch, in denen es um ihr Leben in Kanada und um ihre Reisen geht – und um die Produkte, die sie im Alltag benutzt.
In letzter Zeit scheint Chloe jedoch einen Sinneswandel durchgemacht zu haben: “Ich weiß, dass ich ein Opfer von übermäßigem Konsum bin”, sagt sie, während es in der Bildunterschrift ihres Videos heißt: “Wir leben in einer Gesellschaft, in der fast alles so gestaltet und vermarktet wird, dass man es kaufen soll.”
Weg vom übermäßigen Konsum – tatsächlich?
Weniger zu konsumieren, klingt wie ein vernünftiger Ratschlag. Es ist genau das, was zurzeit sogenannte Deinfluencer und Deinfluencerinnen wie Chloe auf TikTok predigen. Sie wollen das Gegenteil von Influencern sein, die – zumindest im Marketing – als Personen gelten, die mit der nötigen Glaubwürdigkeit potenzielle Konsumenten zum Kauf bestimmter Produkte bewegen, indem sie diese in den sozialen Medien empfehlen.
Unter den Deinfluencern gibt es verschiedene Ansätze. Einige lehnen das Konsumdenken komplett ab; andere wiederum bewerten beliebte Produkte und schlagen günstigere oder bessere Alternativen vor. Andere Deinfluencer geben Ratschläge, wie man Geld sparen oder echtes Glück finden kann. Mittlerweile ist #deinfluencing zu einem Trend geworden, der auf TikTok über 273 Millionen Aufrufe hat.
Wie die verschiedenen Hashtags zu diesem Trend zeigen – wie #deinfluencingmakeup, #deinfluencinghair, #deinfluencingbotox – geht es in vielen Videos nach wie vor um Schönheitsprodukte. Weitere beliebte Hashtags sind #deinfluencingbooks und #deinfluencinginfluencing, unter dem ehemalige Influencer ihr Leben als Produktvermarkter bereuen und sich eine neue Beschäftigung suchen.
“Authentizität ist besonders wichtig, wenn es um die Interaktion zwischen Influencern und ihren Fans auf TikTok geht”, sagt Marina Mansour, Vizepräsidentin und Gründungsmitglied von Kyra, einem globalen Unternehmen für die Erstellung und Vermarktung von Inhalten. “Deinfluencing”, so Mansour gegenüber der DW, “ist eine Reaktion der Fans auf Influencer, bei denen die Ehrlichkeit und Transparenz fehlt, für die die Plattform so gefeiert wird. Dieses Gefühl hat sich zum Trend #deinfluencing entwickelt.”
Mehr “Authentizität” im Kontakt mit Fans
Matt Perry, Mitbegründer und CEO des Marketingunternehmens The Future Collective, äußert sich in einem LinkedIn-Beitrag über den Deinfluencer-Trend ähnlich: “Der Trend des Deinfluencing gewinnt gerade enorm an Fahrt, da die TikTok-Nutzer endlich anfangen, Authentizität über Konsumdenken zu stellen.”
Angst vor dem Blick aufs Bankkonto
Viele Influencer wie Chloe suchen jetzt eine echte Verbindung zu ihren Followern und geben zu, dass sie Opfer von Konsumprodukten waren, die ihnen ein ganz neues Leben versprachen. Chloe will nun ihren Weg ändern. “In Zukunft sollten wir dankbar für das sein, was wir haben”, sagt Chloe.
Eine andere TikTok-Nutzerin, Michelle (@Michelleskidelsky), erzählt in einem Video, dass sie sehr viel Geld für bestimmte Produkte ausgegeben hat. “Wenn du so bist wie ich, dann hast du jedes Mal Angst, wenn du dein Bankkonto überprüfst. Das ist echt übel”, sagt sie in ihrer TikTok-Serie mit dem Titel “Deinfluencing things you DO NOT NEED” (Dinge, die du NICHT BENÖTIGST). Darin listet sie eine Reihe von Produkten auf, die man nicht kaufen sollte, darunter einen Haarstyler, der über 600 Euro kostet, sowie teure probiotische Kapseln und Nahrungsergänzungsmittel.
Allerdings können Social-Media-Influencer nicht ganz auf die Vermarktung von Produkten verzichten, denn viele verdienen auf diese Weise Geld.
Wie ernst meinen es die Deinfluencer?
Laut Marina Mansour, Vizepräsidentin von Kyra, gibt es verschiedene Optionen für Influencer auf TikTok. Viele von ihnen arbeiten mit Marken zusammen, um Einkommen zu erzielen. Zudem gibt es Kooperationen mit Programmen wie dem TikTok Shop, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Produkte auf der Videoplattform zu platzieren und direkt zu verkaufen. Eine weitere Einnahmequelle ist der TikTok-Creator-Fonds, mit dem Kreative auf der Plattform unterstützt werden. “Influencer können auf TikTok Hunderttausende von Dollar pro Monat verdienen, abhängig von der Größe ihrer Fangemeinde, ihrem Engagement und der Qualität ihrer Inhalte”, sagt Mansour.
Daher weisen die meisten Deinfluencer zwar auf Produkte hin, die man nicht kaufen sollte, präsentieren stattdessen aber Alternativen. Maja zum Beispiel, die unter dem Nutzernamen @self.skin auftritt, sagt von sich, dass sie im medizinischen Bereich tätig ist. Sie teilt mit ihren Followern, welche Hautpflegeprodukte den Hype und die Kosten nicht wert sind und welche sie stattdessen verwenden können. Auch Valeria @valeriafride testet Schönheitsprodukte und bietet den Zuschauern Alternativen an.
Aber wie aufrichtig sind solche Deinfluencerinnen und Deinfluencer? Fest steht: Die Teilnahme an einem Trend wie #Deinfluencing bringt mehr Aufrufe und mehr Follower und kann damit die Einnahmen eines Influencers in die Höhe treiben. Deswegen herrscht eine gewisse Skepsis darüber, welche die wahren Motive mancher Influencer sind, wenn sie den Hashtag benutzen.
“Es ist definitiv so, dass es einen Anreiz gibt, an Trendthemen mitzumachen, weil sie beliebt und berichtenswert sind”, sagt Mansour. Die Influencer müssten relevant bleiben, dabei helfe es, dass sie aktuelle Themen aufgreifen. “Ob sie wirklich das Gefühl haben, dass wir uns in einer Zeit des Überkonsums befinden, oder ob sie die Dynamik von #deinfluencing nutzen, um über Produkte zu sprechen, die ihnen persönlich nicht gefallen, ist von Fall zu Fall unterschiedlich”, fügt sie hinzu.
Andere Marktexperten, wie Matt Perry vom Future Collective, sind der Meinung, dass #deinfluencing tatsächlich einen Umbruch bedeuten könnte. Ihm zufolge könnte ein Untergang für das Influencer-Geschäft bevorstehen: “Das Gleiche ist bei YouTube und Instagram passiert. Influencer Marketing ist am Sterben”, schreibt er auf LinkedIn. Und fügt hinzu, dass sich Marken in Zukunft mehr darauf konzentrieren müssen, echte Beziehungen zu den Verbrauchern aufzubauen und diese dazu zu nutzen, ihre Produkte zu verkaufen.
Adaption aus dem Englischen: Maria John Sánchez