Indiens Luftfahrtmarkt auf der Überholspur
Mit den größten Mega-Bestellungen für Flugzeuge aller Zeiten beginnt der Subkontinent eine Aufholjagd, mit der Indien erst China und dann sogar die USA einholen könnte. Woher kommt der plötzliche Boom?
Kurz nach der letzten Mega-Order bei Airbus und Boeing ist schon wieder kurz vor der nächsten Riesenbestellung aus Indien. Dabei purzeln gerade alle Rekorde: Erst im Februar hatte die kürzlich privatisierte nationale Fluggesellschaft Air India Absichtserklärungen mit beiden großen Herstellern über insgesamt 470 neue Jets unterschrieben. Plus Leasingabkommen über 25 weitere Flugzeuge, um den Sofortbedarf zu decken. 495 Passagiermaschinen auf einen Schlag, das war neuer Branchenrekord.
Doch Air India ist mit nicht einmal zehn Prozent Anteil am lukrativen Inlandsmarkt (2022) im Wettbewerb bisher eher unbedeutend und abgeschlagener Dritter, gemessen am dominanten Marktführer IndiGo. Und der holt jetzt aus, sich den Titel der größten Flugzeugbestellung aller Zeiten wieder zu sichern. Kein geringerer als der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte im Februar in Delhi erklärt, IndiGo stünde kurz vor einer Order von mehreren Hundert Flugzeugen bei Airbus. Auch Boeing könnte erstmals Aufträge von IndiGo bekommen, Branchenexperten berichten, dass das gesamte Auftragsvolumen über 500 Jets umfassen wird, was erneut ein absoluter Rekord Made in India wäre. Sie gehen davon aus, dass die Verträge auf der Pariser Luftfahrtmesse im Juni unterschrieben werden könnten.
Kurz nach der letzten Mega-Order bei Airbus und Boeing ist schon wieder kurz vor der nächsten Riesenbestellung aus Indien. Dabei purzeln gerade alle Rekorde: Erst im Februar hatte die kürzlich privatisierte nationale Fluggesellschaft Air India Absichtserklärungen mit beiden großen Herstellern über insgesamt 470 neue Jets unterschrieben. Plus Leasingabkommen über 25 weitere Flugzeuge, um den Sofortbedarf zu decken. 495 Passagiermaschinen auf einen Schlag, das war neuer Branchenrekord.
Die so stark expandierende Billigfluglinie IndiGo wurde 2006 von erfahrenen Profis aus Indien mit langer US-Branchenerfahrung und Kapitalbeteiligung aus Amerika gegründet. Sie gilt, lange eher untypisch für indische Airlines, als höchst effizient, kundenfreundlich, modern, vor allem aber preisgünstig und dabei pünktlich und zuverlässig: Eigenschaften, die indische Fluggäste bei ihren Airlines sehr lange vermisst haben. Im vergangenen Jahr erreichte IndiGo über 55 Prozent Marktanteil, wesentlich mehr, als alle Wettbewerber gemeinsam haben. Der Billigflieger mit den blau-weißen Flugzeugen operiert bisher ausschließlich mit Airbus, und das in großer Zahl. Im Februar 2023 waren 268 Jets in der Flotte plus 39 europäische ATR-Propellermaschinen – und das ist erst der Anfang.
Effizient, pünktlich und preiswert
Bisher schon war IndiGo mit Großbestellungen bei Airbus aufgefallen. Es begann mit einer Order von mehr als 100 Maschinen des Typs A320 im Jahr 2005, dann folgten 2011 nochmals Bestellungen über 180 und weitere 250 im Jahr 2015, damals der größte einzelne Auftrag für den europäischen Flugzeugbauer jemals. Doch IndiGo kennt scheinbar kein Limit, 2019 folgte eine erneute Rekordbestellung über 300 Jets der Airbus A320neo-Familie, deren weltgrößter Betreiber der indische Billigflieger nun ist mit 730 der effizienten Zweistrahler in den Auftragsbüchern. Von den 830 je von ihr bestellten Airbus-Flugzeugen sind derzeit 488 noch nicht an IndiGo ausgeliefert – und schon will die in Gurgaon unweit von Delhi beheimatete Gesellschaft die Orderbücher erneut mit Beschlag belegen.
“Das spektakuläre Wachstum und die ambitionierten Bestellungen durch IndiGo haben dabei geholfen, Indien von Platz 13 der wichtigsten Luftverkehrsmärkte der Welt auf Platz drei heute zu bringen”, sagt Mike Malik von der Luftfahrt-Datenanalysefirma Cirium. Und selbst diese erneute Riesenorder von IndiGo ist nicht die Einzige, die ansteht: Der erst im August 2022 gestartete neue Billigflieger Akasa Air hat angekündigt, dass er über die 72 bereits 2021 erteilten Aufträge über Boeing 737 MAX-Jets hinaus in diesem Jahr noch eine weitere “substanzielle Bestellung” für Mittelstreckenflugzeuge aufgeben werde.
Die Frage drängt sich auf: Warum braucht Indien plötzlich so viele Flugzeuge? Die kurze Antwort ist verblüffend einfach: Weil Indien jetzt das Land mit der größten Bevölkerung der Welt ist, nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) liegt der Subkontinent nun mit 1,42 Milliarden Menschen vor China mit 1,4 Milliarden Einwohnern. Gleichzeitig ist die indische Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren wesentlich jünger als in China (39 Jahre), was demografisch gesehen viel höhere Nachfrage verspricht. Die Wirtschaft im Reich der Mitte schrumpft, während sie in Indien auf stetigem Wachstumskurs ist. “Indien hat China verdrängt als der wichtigste Wachstumsmarkt der internationalen Luftfahrtindustrie mit einem größeren Bestellvolumen und positiveren wirtschaftlichen und geopolitischen Aussichten”, konstatiert das Fachportal Flightglobal.
Vor allem hat Indien bisher ein unerschlossenes Potenzial an Flugpassagieren, nur vier Prozent der Bevölkerung sind bisher überhaupt geflogen. Das lag an zu hohen Flugpreisen und oft gerade in ländlichen Gebieten fehlender Infrastruktur. Nachdem die Regierung Modi den Luftfahrtsektor in vielen Bereichen liberalisiert hat, konnte sich der aktuelle Boom ungehinderter von erdrückender Bürokratie und lähmender staatlicher Regulierung entwickeln.
“Indiens Wirtschaft wächst um bis zu sechs Prozent pro Jahr und die Leute werden wohlhabender, damit rücken Flugreisen für immer Menschen in Reichweite”, erklärte der damalige Luftfahrtminister Jayant Sinha vor der Pandemie. “Es gibt 50 Millionen Inder, die man zur globalen Mittelklasse zählen würde und die in der Lage wären zu fliegen, aber nur 20 bis 25 Millionen tun das bisher”, so Sinha damals. Schon für 2038 sagte er voraus, dass Indien der zweitgrößte Luftverkehrsmarkt der Welt hinter den USA und vor China sein könnte – und in etwa zwei Jahrzehnten sogar den heute führenden US-Markt überholen könne. Zwischen 2010 und 2019 ist die Gesamtzahl der Passagiere innerhalb und von/nach Indien von rund 65 auf 168 Millionen jährlich gestiegen. China zählte 2019 fast 660 Millionen Fluggäste.
Um aufzuholen, braucht Indien vor allem Flugzeuge, bisher gibt es im ganzen Land gerade mal etwas über 700. Ein Witz im Vergleich etwa zu den USA – allein American Airlines als eine der großen drei Airlines betreibt über 900. Derzeit haben indische Gesellschaften bereits über 1200 ausstehende Bestellungen bei den großen Herstellern getätigt, Tendenz stark zunehmend. Ende 2022 wurden in China 4044 Airbus und Boeing-Jets betrieben, in Indien 664. Bei der Anzahl der Neubestellungen hat der Subkontinent das Reich der Mitte schon 2019 überrundet. Bis 2038, prophezeit Boeing, werden in Indien 2380 neue Flugzeuge benötigt. Auch bei den notorisch überfüllten Flughäfen, von denen es bisher viel zu wenige gab, holt das Land auf.
Auch wenn Mumbai als eines der wichtigsten Drehkreuze mit einer einzigen Piste auskommen muss, ist die Zahl der indischen Flughäfen in den vergangenen neun Jahren von 74 auf 147 gestiegen. Weitere 80 sollen in den nächsten fünf Jahren den Betrieb aufnehmen. Der Subkontinent hebt ab.
Kurz nach der letzten Mega-Order bei Airbus und Boeing ist schon wieder kurz vor der nächsten Riesenbestellung aus Indien. Dabei purzeln gerade alle Rekorde: Erst im Februar hatte die kürzlich privatisierte nationale Fluggesellschaft Air India Absichtserklärungen mit beiden großen Herstellern über insgesamt 470 neue Jets unterschrieben. Plus Leasingabkommen über 25 weitere Flugzeuge, um den Sofortbedarf zu decken. 495 Passagiermaschinen auf einen Schlag, das war neuer Branchenrekord.
Doch Air India ist mit nicht einmal zehn Prozent Anteil am lukrativen Inlandsmarkt (2022) im Wettbewerb bisher eher unbedeutend und abgeschlagener Dritter, gemessen am dominanten Marktführer IndiGo. Und der holt jetzt aus, sich den Titel der größten Flugzeugbestellung aller Zeiten wieder zu sichern. Kein geringerer als der französische Finanzminister Bruno Le Maire hatte im Februar in Delhi erklärt, IndiGo stünde kurz vor einer Order von mehreren Hundert Flugzeugen bei Airbus. Auch Boeing könnte erstmals Aufträge von IndiGo bekommen, Branchenexperten berichten, dass das gesamte Auftragsvolumen über 500 Jets umfassen wird, was erneut ein absoluter Rekord Made in India wäre. Sie gehen davon aus, dass die Verträge auf der Pariser Luftfahrtmesse im Juni unterschrieben werden könnten.
Effizient, pünktlich und preiswert
Die so stark expandierende Billigfluglinie IndiGo wurde 2006 von erfahrenen Profis aus Indien mit langer US-Branchenerfahrung und Kapitalbeteiligung aus Amerika gegründet. Sie gilt, lange eher untypisch für indische Airlines, als höchst effizient, kundenfreundlich, modern, vor allem aber preisgünstig und dabei pünktlich und zuverlässig: Eigenschaften, die indische Fluggäste bei ihren Airlines sehr lange vermisst haben. Im vergangenen Jahr erreichte IndiGo über 55 Prozent Marktanteil, wesentlich mehr, als alle Wettbewerber gemeinsam haben. Der Billigflieger mit den blau-weißen Flugzeugen operiert bisher ausschließlich mit Airbus, und das in großer Zahl. Im Februar 2023 waren 268 Jets in der Flotte plus 39 europäische ATR-Propellermaschinen – und das ist erst der Anfang.
Bisher schon war IndiGo mit Großbestellungen bei Airbus aufgefallen. Es begann mit einer Order von mehr als 100 Maschinen des Typs A320 im Jahr 2005, dann folgten 2011 nochmals Bestellungen über 180 und weitere 250 im Jahr 2015, damals der größte einzelne Auftrag für den europäischen Flugzeugbauer jemals. Doch IndiGo kennt scheinbar kein Limit, 2019 folgte eine erneute Rekordbestellung über 300 Jets der Airbus A320neo-Familie, deren weltgrößter Betreiber der indische Billigflieger nun ist mit 730 der effizienten Zweistrahler in den Auftragsbüchern. Von den 830 je von ihr bestellten Airbus-Flugzeugen sind derzeit 488 noch nicht an IndiGo ausgeliefert – und schon will die in Gurgaon unweit von Delhi beheimatete Gesellschaft die Orderbücher erneut mit Beschlag belegen.
“Das spektakuläre Wachstum und die ambitionierten Bestellungen durch IndiGo haben dabei geholfen, Indien von Platz 13 der wichtigsten Luftverkehrsmärkte der Welt auf Platz drei heute zu bringen”, sagt Mike Malik von der Luftfahrt-Datenanalysefirma Cirium. Und selbst diese erneute Riesenorder von IndiGo ist nicht die Einzige, die ansteht: Der erst im August 2022 gestartete neue Billigflieger Akasa Air hat angekündigt, dass er über die 72 bereits 2021 erteilten Aufträge über Boeing 737 MAX-Jets hinaus in diesem Jahr noch eine weitere “substanzielle Bestellung” für Mittelstreckenflugzeuge aufgeben werde.
Die Frage drängt sich auf: Warum braucht Indien plötzlich so viele Flugzeuge? Die kurze Antwort ist verblüffend einfach: Weil Indien jetzt das Land mit der größten Bevölkerung der Welt ist, nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) liegt der Subkontinent nun mit 1,42 Milliarden Menschen vor China mit 1,4 Milliarden Einwohnern. Gleichzeitig ist die indische Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren wesentlich jünger als in China (39 Jahre), was demografisch gesehen viel höhere Nachfrage verspricht. Die Wirtschaft im Reich der Mitte schrumpft, während sie in Indien auf stetigem Wachstumskurs ist. “Indien hat China verdrängt als der wichtigste Wachstumsmarkt der internationalen Luftfahrtindustrie mit einem größeren Bestellvolumen und positiveren wirtschaftlichen und geopolitischen Aussichten”, konstatiert das Fachportal Flightglobal.
Woher kommt der riesige Bedarf?
Vor allem hat Indien bisher ein unerschlossenes Potenzial an Flugpassagieren, nur vier Prozent der Bevölkerung sind bisher überhaupt geflogen. Das lag an zu hohen Flugpreisen und oft gerade in ländlichen Gebieten fehlender Infrastruktur. Nachdem die Regierung Modi den Luftfahrtsektor in vielen Bereichen liberalisiert hat, konnte sich der aktuelle Boom ungehinderter von erdrückender Bürokratie und lähmender staatlicher Regulierung entwickeln.
In 20 Jahren die Nummer Eins?
“Indiens Wirtschaft wächst um bis zu sechs Prozent pro Jahr und die Leute werden wohlhabender, damit rücken Flugreisen für immer Menschen in Reichweite”, erklärte der damalige Luftfahrtminister Jayant Sinha vor der Pandemie. “Es gibt 50 Millionen Inder, die man zur globalen Mittelklasse zählen würde und die in der Lage wären zu fliegen, aber nur 20 bis 25 Millionen tun das bisher”, so Sinha damals. Schon für 2038 sagte er voraus, dass Indien der zweitgrößte Luftverkehrsmarkt der Welt hinter den USA und vor China sein könnte – und in etwa zwei Jahrzehnten sogar den heute führenden US-Markt überholen könne. Zwischen 2010 und 2019 ist die Gesamtzahl der Passagiere innerhalb und von/nach Indien von rund 65 auf 168 Millionen jährlich gestiegen. China zählte 2019 fast 660 Millionen Fluggäste.
Um aufzuholen, braucht Indien vor allem Flugzeuge, bisher gibt es im ganzen Land gerade mal etwas über 700. Ein Witz im Vergleich etwa zu den USA – allein American Airlines als eine der großen drei Airlines betreibt über 900. Derzeit haben indische Gesellschaften bereits über 1200 ausstehende Bestellungen bei den großen Herstellern getätigt, Tendenz stark zunehmend. Ende 2022 wurden in China 4044 Airbus und Boeing-Jets betrieben, in Indien 664. Bei der Anzahl der Neubestellungen hat der Subkontinent das Reich der Mitte schon 2019 überrundet. Bis 2038, prophezeit Boeing, werden in Indien 2380 neue Flugzeuge benötigt. Auch bei den notorisch überfüllten Flughäfen, von denen es bisher viel zu wenige gab, holt das Land auf.
Auch wenn Mumbai als eines der wichtigsten Drehkreuze mit einer einzigen Piste auskommen muss, ist die Zahl der indischen Flughäfen in den vergangenen neun Jahren von 74 auf 147 gestiegen. Weitere 80 sollen in den nächsten fünf Jahren den Betrieb aufnehmen. Der Subkontinent hebt ab.