KZ Dachau: Der Anfang des Grauens
Vor 90 Jahren errichteten die Nationalsozialisten in Dachau bei München das erste Konzentrationslager – der Beginn eines Terrorsystems. Die Gedenkstätte dient heute als Mahnung und wird ausgebaut.
Es war der Auftakt zur systematischen Menschen-Vernichtung durch die Nazis. In Dachau nordwestlich von München errichteten die Nationalsozialisten das erste Konzentrationslager, keine 20 Kilometer entfernt vom Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt. Am 22. März 1933, gerade mal rund zwei Monate nach der Machtübernahme am 30. Januar, erreichten die ersten 150 Häftlinge das Lager.
“Dachau – die Bedeutung dieses Namens ist aus der deutschen Geschichte nicht auszulöschen”, sagte der Holocaust-Überlebende Eugen Kogon (1903-1987), angesehener Politikwissenschaftler und Publizist, später. “Er steht für alle Konzentrationslager, die Nationalsozialisten in ihrem Herrschaftsbereich errichtet haben.”
Es war der Auftakt zur systematischen Menschen-Vernichtung durch die Nazis. In Dachau nordwestlich von München errichteten die Nationalsozialisten das erste Konzentrationslager, keine 20 Kilometer entfernt vom Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt. Am 22. März 1933, gerade mal rund zwei Monate nach der Machtübernahme am 30. Januar, erreichten die ersten 150 Häftlinge das Lager.
Tatsächlich war Dachau so etwas wie das Modell für weitere Lager. Die Eröffnung eines Lagers in Dachau hatte kurz zuvor in München ein damals wenig bekannter “kommissarischer Polizeipräsident” mit Namen Heinrich Himmler, seit 1923 NSDAP-Mitglied, mitgeteilt. Drei Jahre später reiste er, mittlerweile im Parteiamt “Reichsführer SS” und staatlich der “Chef der Deutschen Polizei”, selbst nach Dachau, um das Lager zu inspizieren. In Dachau, sagt der Historiker Wolfgang Benz einmal, sei “die Lagerordnung für alle späteren KZ erfunden worden”.
Verhöhnung und Entmenschlichung
Und schon in Dachau begegneten die Inhaftierten – wie auch in späteren Konzentrationslagern – am Tor dem Spruch “Arbeit macht frei”. Es war der konkrete Ausdruck für die Verhöhnung der Inhaftierten, die Unterdrückung, die Entmenschlichung. Und wie später auch bei anderen der Groß-Lager: Zu Dachau gehörten 140 Außenlager. An vielen Stellen der Gegend, sei es beim Straßenbau oder der Schuttbeseitigung, konnten Menschen irgendwann mal Häftlingen begegnen.
Im vorigen Juni bezeichnete Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und selbst Überlebende des Holocaust, vor Rabbinern aus zahlreichen europäischen Ländern das Lager als einen “Ur-Ort des Terrors der Nationalsozialisten”. Und es sei für heutige Menschen ein Ort, der wie kein anderer in Deutschland an das Nie-wieder gemahne. “Nie wieder Ausgrenzung, nie wieder Entrechtung, nie wieder Mord. Nie wieder Entmenschlichung. Und für das jüdische Volk auch: Nie wieder Opfer sein.” Der Schmerz des Ortes wird vielleicht am deutlichsten, wenn ein Rabbiner hier die Totenklage singt.
In das erste KZ brachten die Nationalsozialisten Menschen, die ihnen lästig waren, die ihnen nicht genehm waren. Gegner des NS-Regimes, Kommunisten, engagierte Christen, Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle. In den zwölf Jahren bis zur Befreiung des Lagers durch die US-Armee am 29. April 1945 waren hier insgesamt über 200.000 Menschen aus ganz Europa eingesperrt, deutlicher gesagt: auf engstem Raum zusammengepfercht. Bis Kriegsende kamen mehr als 32.000 Menschen zu Tode; neuere Forschungen gehen auch von über 41.000 Todesopfern aus. Rund ein Viertel aller Häftlinge waren Menschen jüdischen Glaubens. Mindestens 11.250 von ihnen überlebten die Haft nicht.
Eine Besonderheit in Dachau war der sogenannte Priesterblock. Die Nationalsozialisten fassten hier im Jahr 1940 Geistliche verschiedener Konfessionen und aus 20 Ländern aus anderen Lagern im Deutschen Reich zusammen, ganz überwiegend waren es katholische Priester, von denen ein großer Teil aus Polen kam. Insgesamt litten hier an die 3000 Geistliche. Als Anfang 1945 Flecktyphus im Lager ausbrach, meldeten sich Priester freiwillig zur Betreuung der Kranken – und ließen dabei ihr Leben. Noch Wochen nach der Befreiung durch die US-Soldaten blieb das Lager abgeriegelt und stand wegen der Seuche unter strenger Quarantäne. Mehr als 10.000 Menschen, geschwächt von den Entbehrungen und Schikanen der Lagerjahre, erlagen der Krankheit, darunter mehrere hundert katholische Priester.
Zu den inhaftierten Geistlichen gehörte Martin Niemöller (1892-1984), der evangelische Theologe, der sich prominent gegen die Nazis stellte, und der holländische Karmelit Titus Brandsma (1881-1942), der nach medizinischen Experimenten in der Krankenstation des Lagers starb und in der katholischen Kirche seit 2022 als Heiliger verehrt wird. Mehrere Häftlinge, die überlebten, wurden später Bischöfe.
Einer der letzten Überlebenden war der Münsteraner Priester Hermann Scheipers (1913-2016), 1937 zum Priester geweiht, der als “Staatsfeind” ins KZ kam und mehr als vier Jahre von 1941 bis 1945 in dem Lager war. Noch hochbetagt, mit über 90 Jahren, ging Scheipers in Schulklassen und zu Veranstaltungen, um aus dieser Zeit zu berichten. “Ich musste es späteren Generationen berichten, wie es in Dachau war”, sagte er einmal.
Die 1965 errichtete, weitläufige Gedenkstätte wird jährlich von rund einer Million Menschen aus aller Welt besucht. Dabei sind nur wenige Gebäude aus der Lager-Zeit erhalten. Beim Besuch der europäischen Rabbiner im vorigen Sommer kündigte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann einen Ausbau der Gedenkstätte an. Dazu würden Bauten, die derzeit noch anders genutzt würden und doch zum KZ Dachau gehört hätten, freigemacht, “weil auch die Nachfrage und die Zahl der Besucher deutlich gewachsen ist”. Spätestens 2025 solle diese Erweiterung abgeschlossen sein. Derzeit ist allerdings die Finanzierung dieser Arbeiten nicht gesichert.
Für die 90-jährige Charlotte Knobloch bleibt es der Ort, an dem “die Barbarei im Namen Deutschlands” ihren Anfang hatte. Sie pocht auf die lebendige Erinnerung nicht nur, um den Opfern ihre Würde zurückzugeben. Dachau sei auch stete Mahnung, dass “Extremismus von links und von rechts die Religion, das Zusammenleben, die Freiheit gefährdet. Er bedroht alles, was wir aufgebaut haben.” Jenen, die der Barbarei im heutigen Deutschland wieder das Wort redeten und die sie “mit Gewalt befördern, müssen wir rechtzeitig stoppen”.
Dass eine solche Gedenkstätte nicht vor neuer Gewalt gefeit ist, zeigte sich 2014. Damals entwendeten Unbekannte in einer Novembernacht das schmiedeeiserne Tor der Gedenkstätte mit der Inschrift “Arbeit macht frei”. Zwei Jahre später tauchte es in Norwegen auf und wurde 2017 zurückgebracht. Die Umstände des Diebstahls wurden letztlich nie aufgeklärt.
Es war der Auftakt zur systematischen Menschen-Vernichtung durch die Nazis. In Dachau nordwestlich von München errichteten die Nationalsozialisten das erste Konzentrationslager, keine 20 Kilometer entfernt vom Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt. Am 22. März 1933, gerade mal rund zwei Monate nach der Machtübernahme am 30. Januar, erreichten die ersten 150 Häftlinge das Lager.
“Dachau – die Bedeutung dieses Namens ist aus der deutschen Geschichte nicht auszulöschen”, sagte der Holocaust-Überlebende Eugen Kogon (1903-1987), angesehener Politikwissenschaftler und Publizist, später. “Er steht für alle Konzentrationslager, die Nationalsozialisten in ihrem Herrschaftsbereich errichtet haben.”
Verhöhnung und Entmenschlichung
Tatsächlich war Dachau so etwas wie das Modell für weitere Lager. Die Eröffnung eines Lagers in Dachau hatte kurz zuvor in München ein damals wenig bekannter “kommissarischer Polizeipräsident” mit Namen Heinrich Himmler, seit 1923 NSDAP-Mitglied, mitgeteilt. Drei Jahre später reiste er, mittlerweile im Parteiamt “Reichsführer SS” und staatlich der “Chef der Deutschen Polizei”, selbst nach Dachau, um das Lager zu inspizieren. In Dachau, sagt der Historiker Wolfgang Benz einmal, sei “die Lagerordnung für alle späteren KZ erfunden worden”.
Und schon in Dachau begegneten die Inhaftierten – wie auch in späteren Konzentrationslagern – am Tor dem Spruch “Arbeit macht frei”. Es war der konkrete Ausdruck für die Verhöhnung der Inhaftierten, die Unterdrückung, die Entmenschlichung. Und wie später auch bei anderen der Groß-Lager: Zu Dachau gehörten 140 Außenlager. An vielen Stellen der Gegend, sei es beim Straßenbau oder der Schuttbeseitigung, konnten Menschen irgendwann mal Häftlingen begegnen.
Im vorigen Juni bezeichnete Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und selbst Überlebende des Holocaust, vor Rabbinern aus zahlreichen europäischen Ländern das Lager als einen “Ur-Ort des Terrors der Nationalsozialisten”. Und es sei für heutige Menschen ein Ort, der wie kein anderer in Deutschland an das Nie-wieder gemahne. “Nie wieder Ausgrenzung, nie wieder Entrechtung, nie wieder Mord. Nie wieder Entmenschlichung. Und für das jüdische Volk auch: Nie wieder Opfer sein.” Der Schmerz des Ortes wird vielleicht am deutlichsten, wenn ein Rabbiner hier die Totenklage singt.
In das erste KZ brachten die Nationalsozialisten Menschen, die ihnen lästig waren, die ihnen nicht genehm waren. Gegner des NS-Regimes, Kommunisten, engagierte Christen, Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle. In den zwölf Jahren bis zur Befreiung des Lagers durch die US-Armee am 29. April 1945 waren hier insgesamt über 200.000 Menschen aus ganz Europa eingesperrt, deutlicher gesagt: auf engstem Raum zusammengepfercht. Bis Kriegsende kamen mehr als 32.000 Menschen zu Tode; neuere Forschungen gehen auch von über 41.000 Todesopfern aus. Rund ein Viertel aller Häftlinge waren Menschen jüdischen Glaubens. Mindestens 11.250 von ihnen überlebten die Haft nicht.
Mehr als 41.000 Todesopfer
Eine Besonderheit in Dachau war der sogenannte Priesterblock. Die Nationalsozialisten fassten hier im Jahr 1940 Geistliche verschiedener Konfessionen und aus 20 Ländern aus anderen Lagern im Deutschen Reich zusammen, ganz überwiegend waren es katholische Priester, von denen ein großer Teil aus Polen kam. Insgesamt litten hier an die 3000 Geistliche. Als Anfang 1945 Flecktyphus im Lager ausbrach, meldeten sich Priester freiwillig zur Betreuung der Kranken – und ließen dabei ihr Leben. Noch Wochen nach der Befreiung durch die US-Soldaten blieb das Lager abgeriegelt und stand wegen der Seuche unter strenger Quarantäne. Mehr als 10.000 Menschen, geschwächt von den Entbehrungen und Schikanen der Lagerjahre, erlagen der Krankheit, darunter mehrere hundert katholische Priester.
Erweiterung der Gedenkstätte
Zu den inhaftierten Geistlichen gehörte Martin Niemöller (1892-1984), der evangelische Theologe, der sich prominent gegen die Nazis stellte, und der holländische Karmelit Titus Brandsma (1881-1942), der nach medizinischen Experimenten in der Krankenstation des Lagers starb und in der katholischen Kirche seit 2022 als Heiliger verehrt wird. Mehrere Häftlinge, die überlebten, wurden später Bischöfe.
Einer der letzten Überlebenden war der Münsteraner Priester Hermann Scheipers (1913-2016), 1937 zum Priester geweiht, der als “Staatsfeind” ins KZ kam und mehr als vier Jahre von 1941 bis 1945 in dem Lager war. Noch hochbetagt, mit über 90 Jahren, ging Scheipers in Schulklassen und zu Veranstaltungen, um aus dieser Zeit zu berichten. “Ich musste es späteren Generationen berichten, wie es in Dachau war”, sagte er einmal.
Die 1965 errichtete, weitläufige Gedenkstätte wird jährlich von rund einer Million Menschen aus aller Welt besucht. Dabei sind nur wenige Gebäude aus der Lager-Zeit erhalten. Beim Besuch der europäischen Rabbiner im vorigen Sommer kündigte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann einen Ausbau der Gedenkstätte an. Dazu würden Bauten, die derzeit noch anders genutzt würden und doch zum KZ Dachau gehört hätten, freigemacht, “weil auch die Nachfrage und die Zahl der Besucher deutlich gewachsen ist”. Spätestens 2025 solle diese Erweiterung abgeschlossen sein. Derzeit ist allerdings die Finanzierung dieser Arbeiten nicht gesichert.
Für die 90-jährige Charlotte Knobloch bleibt es der Ort, an dem “die Barbarei im Namen Deutschlands” ihren Anfang hatte. Sie pocht auf die lebendige Erinnerung nicht nur, um den Opfern ihre Würde zurückzugeben. Dachau sei auch stete Mahnung, dass “Extremismus von links und von rechts die Religion, das Zusammenleben, die Freiheit gefährdet. Er bedroht alles, was wir aufgebaut haben.” Jenen, die der Barbarei im heutigen Deutschland wieder das Wort redeten und die sie “mit Gewalt befördern, müssen wir rechtzeitig stoppen”.
Dass eine solche Gedenkstätte nicht vor neuer Gewalt gefeit ist, zeigte sich 2014. Damals entwendeten Unbekannte in einer Novembernacht das schmiedeeiserne Tor der Gedenkstätte mit der Inschrift “Arbeit macht frei”. Zwei Jahre später tauchte es in Norwegen auf und wurde 2017 zurückgebracht. Die Umstände des Diebstahls wurden letztlich nie aufgeklärt.