“Madonna von Kiew” im Berliner Bode-Museum
In der Ausstellung “Timeless” stehen zeitgenössische ukrainische Werke in Dialog mit mittelalterlichen Exponaten der Sammlung. Themen wie Verzweiflung und Tod spannen einen Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart.
Am 25. Februar 2022, dem zweiten Tag der russischen Invasion in die Ukraine, fotografierte der ungarische Journalist András Földes in der Kiewer U-Bahn eine junge Frau, die ein Kind stillte. Die U-Bahnhöfe der Stadt waren zu jenen Orten geworden, die den Bewohnern der ukrainischen Hauptstadt Schutz versprachen. Hier suchten sie Zuflucht. Földes postete das Foto der Stillenden auf Instagram. Innerhalb von Stunden ging es viral und wurde berühmt.
Das Motiv des Bildes verwendete die in der ukrainischen Millionenstadt Dnipro lebende Künstlerin Maryna Solomennykova, um daraus ihr Werk “Madonna von Kiew” zu kreieren. “Diese Frau mit ihrem Kind war ein Symbol für all die ukrainischen Mütter, die sich vor russischen Attacken in Luftschutzbunkern verstecken müssen.”
Am 25. Februar 2022, dem zweiten Tag der russischen Invasion in die Ukraine, fotografierte der ungarische Journalist András Földes in der Kiewer U-Bahn eine junge Frau, die ein Kind stillte. Die U-Bahnhöfe der Stadt waren zu jenen Orten geworden, die den Bewohnern der ukrainischen Hauptstadt Schutz versprachen. Hier suchten sie Zuflucht. Földes postete das Foto der Stillenden auf Instagram. Innerhalb von Stunden ging es viral und wurde berühmt.
Ihre “ukrainische Madonna” erlangte noch mehr Aufmerksamkeit als das Foto, das sie inspiriert hatte. Eine Kopie davon hängt in einer Kirche von Neapel und das Original nun in der jüngst eröffneten Ausstellung “Timeless. Ukrainian Contemporary Art in Times of War” im Berliner Bode-Museum. Die selbst aus der Ukraine stammende Kuratorin Olesia Sobkovych wählte es zusammen mit einem Dutzend weiterer Kunstobjekte aus der Ukraine für die Schau aus.
Fokus Ukraine: Neue Akzente im Bode-Museum
Das Bode-Museum gilt als eines der schönsten Museen in der deutschen Hauptstadt. Es ist Teil der Museumsinsel und scheint sich dort, wo die Spree sich teilt, aus dem Wasser zu erheben. Seine runde Kuppel erinnert an einen Tempel. Das Museum beherbergt eine international renommierte Sammlung mittelalterlicher Skulpturen und byzantinischer Raritäten – darunter sind zahlreiche aus Holz geschnitzte Christus-, Marien- und Heiligenbilder sowie vollständige Altargruppen.
Dieser atmosphärische Ort mit seinen geräumigen, lichtdurchfluteten Sälen und hohen Decken ist selten überfüllt. Mittelalterliche Skulpturen ziehen weniger als die Stars der Berliner Museumsszene – die Büste der Nofretete oder der Pergamonaltar. Vor einem Jahr, kurz nach Beginn des russischen Angriffs, stellte das Museum dank der Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung die aus Kiew geflohene Kunsthistorikerin Olesia Sobkovych ein. Sie hatte in ihrer Heimatstadt mehrere große Ausstellungen kuratiert – auch zu brandaktuellen politischen Themen, etwa über die Kinder vom Donbass. Im Bode-Museum wollte sie neue Impulse setzen.
Die Einstellung der neuen Kunsthistorikerin passte zum Wunsch der Museumsleitung, sich mit dem andauernden Krieg zu beschäftigen. Die Problematik bestand darin, eine Brücke zwischen heute und dem Mittelalter zu schlagen. Nun stehen die modernen ukrainischen Ausstellungsstücke, die die Erfahrung der ersten Kriegsmonate teils in epischen und religiösen Formen widerspiegeln, zwischen den mittelalterlichen Exponaten.
Jedem modernen Objekt wurde ein “Double” aus dem Mittelalter gegenübergestellt – ein Exponat, das jeweils eine ähnliche Emotion ausdrückt. Die ukrainische Kunst steht so nicht allein für sich, sondern wirkt in einem größeren Kontext. Im Mittelalter ging es um “Angst, Verzweiflung, Trauer und Tod”, wie es der Leiter der museumseigenen Skulpturensammlung, Paul Hofmann, ausdrückt – also um Gefühle, die den Ukrainern, die den brutalen Krieg in ihrem Land am eigenem Leib erleben, inzwischen selbst vertraut sind. Durch die Verbindung zur heutigen Tragödie haben mittelalterliche Exponate, so Hofmann, “ihre erstaunliche Lebendigkeit zurückbekommen”, sie wirken “zeitlos”.
Lebendigkeit und Authentizität waren Kriterien, die Olesia Sobkovych bei der Auswahl der ukrainischen Kunstwerke zugrunde legte. Sie hatte nicht nur etablierte Künstlerinnen und Künstler im Visier, sondern brachte auch Werke wenig bekannter Kunstschaffender ein. So wie Maryna Solomennykovas Werk, das durch Instagram bekannt wurde.
In Sozialen Medien verbreitete Kunst und mittelalterlichen Holzschnitt zu kombinieren, ist ein riskantes Unterfangen. Dabei brachte die Kuratorin Sobkovych ihre Expertise ein. “Es ist keine Wohltätigkeit, die ukrainischen Kollegen sind uns vor allem in der Digitalisierung überlegen”, sagte der Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, Martin Hoernes. Die Stiftung finanziert auch andere Einstellungen von Ukrainerinnen und Ukrainern in deutschen Museen mit.
In der “Timeless”-Ausstellung tritt ein seltenes Fundstück aus Ägypten mit der “Madonna von Kiew” in einen Dialog: eine Grabstele mit der Abbildung einer stillenden jungen Frau aus dem 4. oder 5. Jahrhundert nach Christus. Im Einklang dieser beiden Figuren lässt sich der Ausstellungstitel erfahren – ihre Wirkung ist “timeless”, auf Deutsch “zeitlos” – im Unterschied zu Kriegen, die irgendwann ein Ende haben.
Die echte “Madonna”, eine Frau namens Tatjana Bliznjak, hat einige Tage, nachdem András Földes das Foto von ihr aufnahm, einen sicheren Ort in der Westukraine erreicht.
Die Ausstellung “Timeless. Contemporary Ukrainian Art in Times of War” im Berliner Bode-Museum läuft vom 17.03.2023 bis zum 17.03.2024.
Am 25. Februar 2022, dem zweiten Tag der russischen Invasion in die Ukraine, fotografierte der ungarische Journalist András Földes in der Kiewer U-Bahn eine junge Frau, die ein Kind stillte. Die U-Bahnhöfe der Stadt waren zu jenen Orten geworden, die den Bewohnern der ukrainischen Hauptstadt Schutz versprachen. Hier suchten sie Zuflucht. Földes postete das Foto der Stillenden auf Instagram. Innerhalb von Stunden ging es viral und wurde berühmt.
Das Motiv des Bildes verwendete die in der ukrainischen Millionenstadt Dnipro lebende Künstlerin Maryna Solomennykova, um daraus ihr Werk “Madonna von Kiew” zu kreieren. “Diese Frau mit ihrem Kind war ein Symbol für all die ukrainischen Mütter, die sich vor russischen Attacken in Luftschutzbunkern verstecken müssen.”
Fokus Ukraine: Neue Akzente im Bode-Museum
Ihre “ukrainische Madonna” erlangte noch mehr Aufmerksamkeit als das Foto, das sie inspiriert hatte. Eine Kopie davon hängt in einer Kirche von Neapel und das Original nun in der jüngst eröffneten Ausstellung “Timeless. Ukrainian Contemporary Art in Times of War” im Berliner Bode-Museum. Die selbst aus der Ukraine stammende Kuratorin Olesia Sobkovych wählte es zusammen mit einem Dutzend weiterer Kunstobjekte aus der Ukraine für die Schau aus.
Das Bode-Museum gilt als eines der schönsten Museen in der deutschen Hauptstadt. Es ist Teil der Museumsinsel und scheint sich dort, wo die Spree sich teilt, aus dem Wasser zu erheben. Seine runde Kuppel erinnert an einen Tempel. Das Museum beherbergt eine international renommierte Sammlung mittelalterlicher Skulpturen und byzantinischer Raritäten – darunter sind zahlreiche aus Holz geschnitzte Christus-, Marien- und Heiligenbilder sowie vollständige Altargruppen.
Dieser atmosphärische Ort mit seinen geräumigen, lichtdurchfluteten Sälen und hohen Decken ist selten überfüllt. Mittelalterliche Skulpturen ziehen weniger als die Stars der Berliner Museumsszene – die Büste der Nofretete oder der Pergamonaltar. Vor einem Jahr, kurz nach Beginn des russischen Angriffs, stellte das Museum dank der Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung die aus Kiew geflohene Kunsthistorikerin Olesia Sobkovych ein. Sie hatte in ihrer Heimatstadt mehrere große Ausstellungen kuratiert – auch zu brandaktuellen politischen Themen, etwa über die Kinder vom Donbass. Im Bode-Museum wollte sie neue Impulse setzen.
Die Einstellung der neuen Kunsthistorikerin passte zum Wunsch der Museumsleitung, sich mit dem andauernden Krieg zu beschäftigen. Die Problematik bestand darin, eine Brücke zwischen heute und dem Mittelalter zu schlagen. Nun stehen die modernen ukrainischen Ausstellungsstücke, die die Erfahrung der ersten Kriegsmonate teils in epischen und religiösen Formen widerspiegeln, zwischen den mittelalterlichen Exponaten.
“Timeless” kombiniert mittelalterliche mit moderner Kunst
Jedem modernen Objekt wurde ein “Double” aus dem Mittelalter gegenübergestellt – ein Exponat, das jeweils eine ähnliche Emotion ausdrückt. Die ukrainische Kunst steht so nicht allein für sich, sondern wirkt in einem größeren Kontext. Im Mittelalter ging es um “Angst, Verzweiflung, Trauer und Tod”, wie es der Leiter der museumseigenen Skulpturensammlung, Paul Hofmann, ausdrückt – also um Gefühle, die den Ukrainern, die den brutalen Krieg in ihrem Land am eigenem Leib erleben, inzwischen selbst vertraut sind. Durch die Verbindung zur heutigen Tragödie haben mittelalterliche Exponate, so Hofmann, “ihre erstaunliche Lebendigkeit zurückbekommen”, sie wirken “zeitlos”.
“Die ukrainische Madonna” im Dialog mit einer Grabstele
Lebendigkeit und Authentizität waren Kriterien, die Olesia Sobkovych bei der Auswahl der ukrainischen Kunstwerke zugrunde legte. Sie hatte nicht nur etablierte Künstlerinnen und Künstler im Visier, sondern brachte auch Werke wenig bekannter Kunstschaffender ein. So wie Maryna Solomennykovas Werk, das durch Instagram bekannt wurde.
In Sozialen Medien verbreitete Kunst und mittelalterlichen Holzschnitt zu kombinieren, ist ein riskantes Unterfangen. Dabei brachte die Kuratorin Sobkovych ihre Expertise ein. “Es ist keine Wohltätigkeit, die ukrainischen Kollegen sind uns vor allem in der Digitalisierung überlegen”, sagte der Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, Martin Hoernes. Die Stiftung finanziert auch andere Einstellungen von Ukrainerinnen und Ukrainern in deutschen Museen mit.
In der “Timeless”-Ausstellung tritt ein seltenes Fundstück aus Ägypten mit der “Madonna von Kiew” in einen Dialog: eine Grabstele mit der Abbildung einer stillenden jungen Frau aus dem 4. oder 5. Jahrhundert nach Christus. Im Einklang dieser beiden Figuren lässt sich der Ausstellungstitel erfahren – ihre Wirkung ist “timeless”, auf Deutsch “zeitlos” – im Unterschied zu Kriegen, die irgendwann ein Ende haben.
Die echte “Madonna”, eine Frau namens Tatjana Bliznjak, hat einige Tage, nachdem András Földes das Foto von ihr aufnahm, einen sicheren Ort in der Westukraine erreicht.
Die Ausstellung “Timeless. Contemporary Ukrainian Art in Times of War” im Berliner Bode-Museum läuft vom 17.03.2023 bis zum 17.03.2024.