Juristisches Tauziehen um Kubas Altschulden
Ein Gericht erklärt, Kuba sei für Schulden aus der Castro-Ära nicht haftbar. Die Schulden bestehen aber trotzdem weiter. Ein Fall mit Signalwirkung.
Es kommt selten vor, dass nach einem Richterspruch beide Seiten – sowohl Kläger als auch Verklagte – von einem Sieg sprechen. Der High Court in London entschied am Dienstag in einem Streit um einen Teil kubanischer Altschulden, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, dass der Private-Equity-Fonds CRF I Limited unbezahlte Schuldtitel von der kubanischen Nationalbank (Banco Nacional de Cuba, BNC) rechtmäßig erworben hat. Gleichzeitig nahm das Gericht den kubanischen Staat aus der Verantwortung.
Der Fall könnte über die konkrete Streitsumme hinaus richtungsweisend sein. Der 2009 auf den Kaimaninseln gegründete Fonds hatte Kuba und die BNC im Jahr 2020 verklagt und fordert die Zahlung von rund 72 Millionen Euro für zwei Darlehen und überfällige Zinsen. Es geht dabei um Kredite, die die europäischen Banken Crédit Lyonnais und Istituto Bancario Italiano im Jahre 1984 vergeben hatten. Nachdem eine außergerichtliche Einigung 2018 nicht zustande kam, landete der Fall vor dem britischen Gericht.
Es kommt selten vor, dass nach einem Richterspruch beide Seiten – sowohl Kläger als auch Verklagte – von einem Sieg sprechen. Der High Court in London entschied am Dienstag in einem Streit um einen Teil kubanischer Altschulden, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, dass der Private-Equity-Fonds CRF I Limited unbezahlte Schuldtitel von der kubanischen Nationalbank (Banco Nacional de Cuba, BNC) rechtmäßig erworben hat. Gleichzeitig nahm das Gericht den kubanischen Staat aus der Verantwortung.
Die kubanische Zentralbank (Banco Central de Cuba, BCC) bezeichnete CRF vor Beginn des Prozesses als “Geierfonds” und behauptete, dieser habe die Schuldtitel unrechtmäßig erworben und dabei sogar einen hochrangigen Bankangestellten bestochen. Auch fungiere die Schuldnerin BNC gar nicht mehr als Zentralbank. Die BCC war 1997 gegründet worden und hatte viele der Funktionen der BNC übernommen.
CRF: Kubas größter privater Gläubiger
CRF wies die Vorwürfe zurück und erklärte, man habe jahrelang versucht, mit Kuba über eine Umstrukturierung seiner Schulden zu verhandeln, ohne eine Antwort zu erhalten.
Der Fonds war gegründet worden, um in notleidende kubanische Staatsanleihen zu investieren. Er ist heute Kubas größter privater Gläubiger und verfügt über ein Anleiheportfolio, das sich 2017 auf 1,2 Milliarden Euro belief, wie es in den Prozessunterlagen heißt. Investoren wie CRF kaufen in der Regel Schulden-Portfolios günstig auf und verklagen dann den Schuldner vor internationalen Gerichten auf Zahlung des vollen Betrags. Unter Umständen sind das sehr profitable Geschäfte.
In ihrem Urteil erkannte Richterin Sara Cockerill nun an, dass CRF die besagten Schuldtitel rechtmäßig von der ICBC Standard Bank, einer britischen Tochtergesellschaft der chinesischen Bank ICBC, erworben hat. Die BNC habe in eigenem Namen der Abtretung ihrer Rechte und Pflichten aus den Vereinbarungen durch ICBC an CRF zugestimmt; ihr fehlte jedoch die Befugnis, im Namen Kubas der Abtretung ihrer Rechte aus der Bürgschaft durch ICBC an CRF zuzustimmen.
Damit ist die Republik Kuba, die CRF als “Bürge” für die Schulden verklagt hatte, nicht mehr Teil des Gerichtsverfahrens. CRF ist laut Richterin Cockerill berechtigt, die Zahlung der Schulden von der BNC zu fordern, nicht aber vom kubanischen Staat selbst.
Dies ist ein wichtiger Punkt. Sollte ein Gericht die BNC in Zukunft zur Zahlung der geforderten mehr als 70 Millionen Euro verurteilen, kann die Summe infolge des Urteils vom Dienstag nur auf Kosten der Vermögenswerte und Ressourcen der BNC eingetrieben werden. Vermögenswerte im Besitz der kubanischen Regierung, wie Öltanker oder Offshore-Gesellschaften, wären vor einer eventuellen Beschlagnahmung bei Nicht-Zahlung sicher.
Dementsprechend wertete Havanna den Londonder Richterspruch als Erfolg. “Republik Kuba gewinnt Rechtsstreit in London: CRF ist kein Gläubiger des kubanischen Staates”, titelte die Tageszeitung Granma. Und Präsident Miguel Díaz-Canel twitterte: “Kuba hat auch in London gewonnen. Wieder einmal haben die Feinde der Nation verloren. Ihre Lügen prallten auf ein professionelles und angesehenes Gericht.”
Aber auch der Vorstandsvorsitzende von CRF, David Charters, sprach von einem “vollständigen Sieg für die CRF”. Der englische High Court habe CRF als verantwortungsvollen Gläubiger anerkannt und die Bestechungsvorwürfe nicht bestätigt. “Die CRF ist nach wie vor bestrebt, mit Kuba eine Lösung zu finden, die den kubanischen Haushalt für mindestens fünf Jahre nicht belastet, und zwar in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land befindet“, so Charters nach dem Verdikt. “Die BNC war die kubanische Zentralbank und ist nach wie vor für die Verwaltung dieser unbezahlten kubanischen Schulden verantwortlich.”
Diese Sicht teilt John S. Kavulich, Präsident der in New York ansässigen Lobbyorganisation US-Cuba Trade and Economic Council. “Wenn man das gesamte 94-seitige Urteil liest, bleibt Kuba das Geld schuldig. Das ist wichtig.” Frühere und die jetzige kubanische Regierung seien durch die Entscheidung des Gerichts nicht entlastet worden, so Kavulich. “Ganz im Gegenteil – jetzt geht es mehr denn je darum, was und wem die kubanische Regierung etwas schuldet. Und, dass das Land ein völlig unzureichendes Umfeld dafür bietet, dass der öffentliche und private Sektor außerhalb Kubas erwarten kann, dass die Gelder zu den Bedingungen zurückgezahlt werden, die ursprünglich festgelegt wurden.”
Die kubanische Regierung dagegen hat wiederholt erklärt, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Im Sommer 2021 einigte sie sich mit dem Pariser Club staatlicher Gläubiger auf einen Zahlungsaufschub. Wegen der durch die Coronapandemie ausgelösten Krise und der Verschärfung der US-Blockade hatte Kuba seine Schulden nicht mehr bedienen können. Mit seinen privaten Gläubigern im so genannten Londoner Club hat Kuba bislang keine Einigung erreicht und bleibt deswegen von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen.
Es wird erwartet, dass CRF die Klage gegen die BNC fortsetzt. Über eine Rückzahlung der Schulden würde dann in einem gesonderten Verfahren entschieden. Zunächst aber geht es wohl in die Berufungsverhandlung.
Kubas Justizminister Oscar Silvera erklärte am Mittwoch, dass die Verteidigung der BNC das Urteil anfechten wird. Die Frist dafür läuft bis zum 19. Mai. “Wir sind der Meinung, dass sie (CRF, Anm. der Red.) kein rechtmäßiger Gläubiger des BNC ist, weil der Akt, mit dem diese Abtretung anerkannt wurde, unrechtmäßig ist”, sagte Silvera.
Der Fall wird von anderen Gläubigern Kubas, die versuchen, Schulden im Wert von insgesamt sieben Milliarden US-Dollar von Havanna zurückzuerhalten, weiter genau verfolgt werden.
Es kommt selten vor, dass nach einem Richterspruch beide Seiten – sowohl Kläger als auch Verklagte – von einem Sieg sprechen. Der High Court in London entschied am Dienstag in einem Streit um einen Teil kubanischer Altschulden, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, dass der Private-Equity-Fonds CRF I Limited unbezahlte Schuldtitel von der kubanischen Nationalbank (Banco Nacional de Cuba, BNC) rechtmäßig erworben hat. Gleichzeitig nahm das Gericht den kubanischen Staat aus der Verantwortung.
Der Fall könnte über die konkrete Streitsumme hinaus richtungsweisend sein. Der 2009 auf den Kaimaninseln gegründete Fonds hatte Kuba und die BNC im Jahr 2020 verklagt und fordert die Zahlung von rund 72 Millionen Euro für zwei Darlehen und überfällige Zinsen. Es geht dabei um Kredite, die die europäischen Banken Crédit Lyonnais und Istituto Bancario Italiano im Jahre 1984 vergeben hatten. Nachdem eine außergerichtliche Einigung 2018 nicht zustande kam, landete der Fall vor dem britischen Gericht.
CRF: Kubas größter privater Gläubiger
Die kubanische Zentralbank (Banco Central de Cuba, BCC) bezeichnete CRF vor Beginn des Prozesses als “Geierfonds” und behauptete, dieser habe die Schuldtitel unrechtmäßig erworben und dabei sogar einen hochrangigen Bankangestellten bestochen. Auch fungiere die Schuldnerin BNC gar nicht mehr als Zentralbank. Die BCC war 1997 gegründet worden und hatte viele der Funktionen der BNC übernommen.
CRF wies die Vorwürfe zurück und erklärte, man habe jahrelang versucht, mit Kuba über eine Umstrukturierung seiner Schulden zu verhandeln, ohne eine Antwort zu erhalten.
Der Fonds war gegründet worden, um in notleidende kubanische Staatsanleihen zu investieren. Er ist heute Kubas größter privater Gläubiger und verfügt über ein Anleiheportfolio, das sich 2017 auf 1,2 Milliarden Euro belief, wie es in den Prozessunterlagen heißt. Investoren wie CRF kaufen in der Regel Schulden-Portfolios günstig auf und verklagen dann den Schuldner vor internationalen Gerichten auf Zahlung des vollen Betrags. Unter Umständen sind das sehr profitable Geschäfte.
In ihrem Urteil erkannte Richterin Sara Cockerill nun an, dass CRF die besagten Schuldtitel rechtmäßig von der ICBC Standard Bank, einer britischen Tochtergesellschaft der chinesischen Bank ICBC, erworben hat. Die BNC habe in eigenem Namen der Abtretung ihrer Rechte und Pflichten aus den Vereinbarungen durch ICBC an CRF zugestimmt; ihr fehlte jedoch die Befugnis, im Namen Kubas der Abtretung ihrer Rechte aus der Bürgschaft durch ICBC an CRF zuzustimmen.
Salomonisches Urteil um kubanische Schulden
Damit ist die Republik Kuba, die CRF als “Bürge” für die Schulden verklagt hatte, nicht mehr Teil des Gerichtsverfahrens. CRF ist laut Richterin Cockerill berechtigt, die Zahlung der Schulden von der BNC zu fordern, nicht aber vom kubanischen Staat selbst.
Beide Seiten fühlen sich als Sieger
Dies ist ein wichtiger Punkt. Sollte ein Gericht die BNC in Zukunft zur Zahlung der geforderten mehr als 70 Millionen Euro verurteilen, kann die Summe infolge des Urteils vom Dienstag nur auf Kosten der Vermögenswerte und Ressourcen der BNC eingetrieben werden. Vermögenswerte im Besitz der kubanischen Regierung, wie Öltanker oder Offshore-Gesellschaften, wären vor einer eventuellen Beschlagnahmung bei Nicht-Zahlung sicher.
Dementsprechend wertete Havanna den Londonder Richterspruch als Erfolg. “Republik Kuba gewinnt Rechtsstreit in London: CRF ist kein Gläubiger des kubanischen Staates”, titelte die Tageszeitung Granma. Und Präsident Miguel Díaz-Canel twitterte: “Kuba hat auch in London gewonnen. Wieder einmal haben die Feinde der Nation verloren. Ihre Lügen prallten auf ein professionelles und angesehenes Gericht.”
Aber auch der Vorstandsvorsitzende von CRF, David Charters, sprach von einem “vollständigen Sieg für die CRF”. Der englische High Court habe CRF als verantwortungsvollen Gläubiger anerkannt und die Bestechungsvorwürfe nicht bestätigt. “Die CRF ist nach wie vor bestrebt, mit Kuba eine Lösung zu finden, die den kubanischen Haushalt für mindestens fünf Jahre nicht belastet, und zwar in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land befindet“, so Charters nach dem Verdikt. “Die BNC war die kubanische Zentralbank und ist nach wie vor für die Verwaltung dieser unbezahlten kubanischen Schulden verantwortlich.”
Staatliche Gläubiger geben Havanna Zahlungsaufschub
Diese Sicht teilt John S. Kavulich, Präsident der in New York ansässigen Lobbyorganisation US-Cuba Trade and Economic Council. “Wenn man das gesamte 94-seitige Urteil liest, bleibt Kuba das Geld schuldig. Das ist wichtig.” Frühere und die jetzige kubanische Regierung seien durch die Entscheidung des Gerichts nicht entlastet worden, so Kavulich. “Ganz im Gegenteil – jetzt geht es mehr denn je darum, was und wem die kubanische Regierung etwas schuldet. Und, dass das Land ein völlig unzureichendes Umfeld dafür bietet, dass der öffentliche und private Sektor außerhalb Kubas erwarten kann, dass die Gelder zu den Bedingungen zurückgezahlt werden, die ursprünglich festgelegt wurden.”
Die kubanische Regierung dagegen hat wiederholt erklärt, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Im Sommer 2021 einigte sie sich mit dem Pariser Club staatlicher Gläubiger auf einen Zahlungsaufschub. Wegen der durch die Coronapandemie ausgelösten Krise und der Verschärfung der US-Blockade hatte Kuba seine Schulden nicht mehr bedienen können. Mit seinen privaten Gläubigern im so genannten Londoner Club hat Kuba bislang keine Einigung erreicht und bleibt deswegen von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen.
Kuba: Schulden von rund sieben Milliarden US-Dollar
Es wird erwartet, dass CRF die Klage gegen die BNC fortsetzt. Über eine Rückzahlung der Schulden würde dann in einem gesonderten Verfahren entschieden. Zunächst aber geht es wohl in die Berufungsverhandlung.
Kubas Justizminister Oscar Silvera erklärte am Mittwoch, dass die Verteidigung der BNC das Urteil anfechten wird. Die Frist dafür läuft bis zum 19. Mai. “Wir sind der Meinung, dass sie (CRF, Anm. der Red.) kein rechtmäßiger Gläubiger des BNC ist, weil der Akt, mit dem diese Abtretung anerkannt wurde, unrechtmäßig ist”, sagte Silvera.
Der Fall wird von anderen Gläubigern Kubas, die versuchen, Schulden im Wert von insgesamt sieben Milliarden US-Dollar von Havanna zurückzuerhalten, weiter genau verfolgt werden.