Wirtschaft

Ungarn baut auf Batterien – und auf China

Bei der Herstellung von E-Auto-Batterien will Ungarn in Zukunft ganz oben mitmischen. Mit großzügigen Subventionen lockt die Regierung Investoren – unter anderem eine chinesische Gigafabrik. Dafür gibt es viel Kritik.

Mit geschäftigem Brummen, Rattern und Piepsen bearbeiten Bagger und Sattelkipper ein großes Stück Land im Osten Ungarns, unweit der rumänischen Grenze. Hier, auf einer bisherigen Brachfläche am Stadtrand von Debrecen zeigt sich das Ausmaß von Ungarns Ambitionen, Teil der Mobilitätswende zu sein: Noch in diesem Jahrzehnt soll hier eine der größten E-Auto-Batteriefabriken Europas entstehen.

Die Anlage des chinesischen Unternehmens Contemporary Amperex Technology Co. Limited (CATL) soll nach Abschluss aller Bauphasen eine Fläche von über 280 Fußballfeldern einnehmen und Batterien mit einer Jahreskapazität von 100 Gigawattstunden (GWh) produzieren.

Mit geschäftigem Brummen, Rattern und Piepsen bearbeiten Bagger und Sattelkipper ein großes Stück Land im Osten Ungarns, unweit der rumänischen Grenze. Hier, auf einer bisherigen Brachfläche am Stadtrand von Debrecen zeigt sich das Ausmaß von Ungarns Ambitionen, Teil der Mobilitätswende zu sein: Noch in diesem Jahrzehnt soll hier eine der größten E-Auto-Batteriefabriken Europas entstehen.

Das würde nicht nur für etwa eine Million E-Autos reichen, sondern würde Ungarn auch zu einem der größten Batterieproduzenten Europas machen – ganz im Sinne der Regierung, die das Land auf dem Gebiet zur “Großmacht” machen will.

Anwohner fürchten Trockenheit

Die Strategie folgt dem Trend der Automobilindustrie, einer für Ungarn lebenswichtigen Branche, die 2021 für etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich war. Das Land will seine Wirtschaft auf eine Zukunft ohne Verbrennungsmotoren vorbereiten.

Knapp einen Kilometer südlich der Baustelle reihen sich eine Handvoll Häuser entlang einer holprigen Schotterstraße. Hier bauen Albertné Lovas und ihr Mann seit 35 Jahren Kohl an, den sie in der Stadt verkaufen. Jetzt fürchten sie, dass die neue Fabrik ein Gesundheitsrisiko für ihre Pflanzen und die Menschen in der Region sein könnte – trotz Versprechen der Politik, die Schadstoffausstöße genau zu überwachen.

Besonders besorgt ist Lovas über den industriellen Wasserverbrauch, der die ohnehin schon trockene Region belasten könnte. “Wir können schon seit fünf Jahren nicht mehr mit Flusswasser gießen, so trocken ist es”, sagte sie der DW. Viele Anwohner teilen ihre Sorgen. Die Herstellung von Batterien ist ein wasserintensiver Prozess, und in den vergangenen Jahren wurde Ungarn immer häufiger von Dürren heimgesucht.

Wie viel Wasser die Batteriefabrik tatsächlich verbrauchen wird, ist unklar. Das liegt auch daran, dass verlässliche Informationen zu dem Projekt sehr schwer zugänglich sind, und oft nur scheibchenweise veröffentlicht werden, beklagt Marton Völgyesi. Der Koch ist einer der Organisatoren der lokalen Initiative “Debrecziner gegen die Batteriefabrik”.

“Wenn die Sektkorken knallen sollen, ist die Fabrik 220 Hektar groß. Wenn es um Regulierung geht, sind es plötzlich 65 Hektar“, sagt Völgyesi. Die einzelnen Bauabschnitte der Fabrik würden jeweils separat genehmigt. “Wir wollen Informationen über die Kapazität des gesamten Investments, nicht nur zu den einzelnen Abschnitten”, fordert er. 

Die intransparente Kommunikation sorgt für Frust bei vielen Anwohnern, die sich bei der Entscheidung für das Großprojekt übergangen fühlen. Laut einer Umfrage sehen rund zwei Drittel der Debrecziner die Batteriefabrik kritisch.

Viele von ihnen machen ihrem Ärger auf der Straße Luft, und fordern einen Baustopp oder wenigstens eine Abstimmung über das Projekt. “Das Ziel ist eine Volksabstimmung, mit der wir zumindest die Erweiterung der Fabrik stoppen können”, so auch Völgyesi. Seine Initiative hat im Februar eine entsprechende Petition bei der Stadtverwaltung eingereicht und wartet nun auf eine Antwort.

Auf Anfrage der DW wollte sich der Bürgermeister nicht dazu äußern. Ein Sprecher von CATL teilte mit, man beobachte die Proteste, wolle sie aber nicht weiter kommentieren. Ohnehin basierten sie größtenteils auf Missverständnissen und Falschinformationen.

Anwohner und Fachleute sorgen sich auch um den immensen Energieverbrauch einer so großen Fabrik. CATL behauptet zwar, man investiere in erneuerbare Energien und strebe CO2-Neutralität an. Mit Ungarns aktuellem Energiemix liegt dieses Ziel allerdings noch in weiter Ferne. Erst kürzlich wurden drei neue Gaskraftwerke genehmigt, um den Energiebedarf der Industrie zu decken. Diese könnten noch bis 2050 mit russischem Gas betrieben werden.

Neben der Abhängigkeit von russischen Importen bindet sich Ungarn mit der Fabrik auch stärker an China. Das Projekt macht China – nach Deutschland – zum zweitgrößten Investor im Land. Kritiker fürchten, dass Peking sein wirtschaftliches Gewicht für politische Einflussnahme nutzen könnte.

Die Regierung von Premierminister Viktor Orbán greift dennoch tief in die Tasche, um chinesische Unternehmen anzulocken: CATL allein wurden steuerliche und infrastrukturelle Anreize im Wert von 800 Millionen Euro in Aussicht gestellt – das sind etwa 10 Prozent des gesamten Investitionsvolumens.

“Dieses Geld wird an anderer Stelle gebraucht, besonders bei klassischen Staatsaufgaben wie der Bildung, dem Gesundheitswesen oder dem Sozialwesen”, sagt Dora Györffy, Ökonomin an der Corvinus Universität in Budapest.

Das “unterstützende politische Umfeld” bezeichnet die Regierung in einem Strategiepapier als wichtigen Standortvorteil, und hat damit zu einem Boom beigetragen. In CATLs direkter Nachbarschaft baut der chinesische Batteriezulieferer SEMCORP eine neue Fabrik, auf der anderen Seite der Stadt zieht BMW ein neues Werk für E-Autos hoch.

All diese Firmen brauchen Arbeitskräfte – allein CATL will 9000 von ihnen einstellen. Aber: “Eines der größten Probleme ist es, genügend Arbeitskräfte zu finden”, wendet Marton Czirfusz ein, der sich vor kurzem mit der ungarischen Batterieindustrie beschäftigt hat. Für viele Jobs in diesen Fabriken sei keine spezielle Ausbildung nötig, erklärt er. Dadurch bestünde das Risiko, dass sie die Arbeitskräfte lokaler Firmen abwerben.

Doch angesichts des akuten Arbeitskräftemangels auch in Ungarn dürfte wohl selbst das nicht ausreichen. “Ich gehe davon aus, dass eine hohe Anzahl ausländischer Arbeiter in diesen Fabriken tätig sein wird”, prognostiziert Czirfusz. CATL selbst wendet ein, dass chinesische Arbeitnehmer hauptsächlich in den ersten zwei Jahren gebraucht würden, um die Fabrik in Gang zu bringen.

Ungarns Regierung hat die schwierige Lage erkannt und die Einreisebedingungen für Arbeitnehmer aus mehreren – vor allem asiatischen – Drittstaaten gelockert. Das steht im krassen Gegensatz zur ausländerfeindlichen Rhetorik, die man so häufig aus Budapest vernimmt – und die der Regierung jetzt auf die Füße fallen könnte: Viele Anwohner sind auch deswegen gegen die Fabrik, weil sie keine ausländischen Arbeiter in ihrer Stadt haben wollen.

Angesichts der zahlreichen Bedenken, haben sich Oppositionsparteien von den Grünen bis hin zur extremen Rechten gegen die Batteriefabrik ausgesprochen. Aktivist Marton Völgyesi möchte die Parteipolitik lieber aus der Protestbewegung raushalten: “Ich denke, es ist besser, wenn Debrecens Zivilgesellschaft das selbst in die Hand nimmt. Und wer uns dabei unterstützen möchte, kann das tun.”

Ein Traktor auf einem Acker in der Nähe von Debrecen, Ungarn.
Márton Völgyesi, Aktivist der Organisation aHang, übergibt eine Petition an einen Vertreter der Stadt Debrecen.

Mit geschäftigem Brummen, Rattern und Piepsen bearbeiten Bagger und Sattelkipper ein großes Stück Land im Osten Ungarns, unweit der rumänischen Grenze. Hier, auf einer bisherigen Brachfläche am Stadtrand von Debrecen zeigt sich das Ausmaß von Ungarns Ambitionen, Teil der Mobilitätswende zu sein: Noch in diesem Jahrzehnt soll hier eine der größten E-Auto-Batteriefabriken Europas entstehen.

Die Anlage des chinesischen Unternehmens Contemporary Amperex Technology Co. Limited (CATL) soll nach Abschluss aller Bauphasen eine Fläche von über 280 Fußballfeldern einnehmen und Batterien mit einer Jahreskapazität von 100 Gigawattstunden (GWh) produzieren.

Anwohner fürchten Trockenheit

Das würde nicht nur für etwa eine Million E-Autos reichen, sondern würde Ungarn auch zu einem der größten Batterieproduzenten Europas machen – ganz im Sinne der Regierung, die das Land auf dem Gebiet zur “Großmacht” machen will.

Die Strategie folgt dem Trend der Automobilindustrie, einer für Ungarn lebenswichtigen Branche, die 2021 für etwa fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich war. Das Land will seine Wirtschaft auf eine Zukunft ohne Verbrennungsmotoren vorbereiten.

Knapp einen Kilometer südlich der Baustelle reihen sich eine Handvoll Häuser entlang einer holprigen Schotterstraße. Hier bauen Albertné Lovas und ihr Mann seit 35 Jahren Kohl an, den sie in der Stadt verkaufen. Jetzt fürchten sie, dass die neue Fabrik ein Gesundheitsrisiko für ihre Pflanzen und die Menschen in der Region sein könnte – trotz Versprechen der Politik, die Schadstoffausstöße genau zu überwachen.

Besonders besorgt ist Lovas über den industriellen Wasserverbrauch, der die ohnehin schon trockene Region belasten könnte. “Wir können schon seit fünf Jahren nicht mehr mit Flusswasser gießen, so trocken ist es”, sagte sie der DW. Viele Anwohner teilen ihre Sorgen. Die Herstellung von Batterien ist ein wasserintensiver Prozess, und in den vergangenen Jahren wurde Ungarn immer häufiger von Dürren heimgesucht.

Undurchsichtige Informationslage

Wie viel Wasser die Batteriefabrik tatsächlich verbrauchen wird, ist unklar. Das liegt auch daran, dass verlässliche Informationen zu dem Projekt sehr schwer zugänglich sind, und oft nur scheibchenweise veröffentlicht werden, beklagt Marton Völgyesi. Der Koch ist einer der Organisatoren der lokalen Initiative “Debrecziner gegen die Batteriefabrik”.

Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und autoritären Staaten

“Wenn die Sektkorken knallen sollen, ist die Fabrik 220 Hektar groß. Wenn es um Regulierung geht, sind es plötzlich 65 Hektar“, sagt Völgyesi. Die einzelnen Bauabschnitte der Fabrik würden jeweils separat genehmigt. “Wir wollen Informationen über die Kapazität des gesamten Investments, nicht nur zu den einzelnen Abschnitten”, fordert er. 

Die intransparente Kommunikation sorgt für Frust bei vielen Anwohnern, die sich bei der Entscheidung für das Großprojekt übergangen fühlen. Laut einer Umfrage sehen rund zwei Drittel der Debrecziner die Batteriefabrik kritisch.

Viele von ihnen machen ihrem Ärger auf der Straße Luft, und fordern einen Baustopp oder wenigstens eine Abstimmung über das Projekt. “Das Ziel ist eine Volksabstimmung, mit der wir zumindest die Erweiterung der Fabrik stoppen können”, so auch Völgyesi. Seine Initiative hat im Februar eine entsprechende Petition bei der Stadtverwaltung eingereicht und wartet nun auf eine Antwort.

Chinesische Arbeiter als Starthilfe für CATL

Auf Anfrage der DW wollte sich der Bürgermeister nicht dazu äußern. Ein Sprecher von CATL teilte mit, man beobachte die Proteste, wolle sie aber nicht weiter kommentieren. Ohnehin basierten sie größtenteils auf Missverständnissen und Falschinformationen.

Anwohner und Fachleute sorgen sich auch um den immensen Energieverbrauch einer so großen Fabrik. CATL behauptet zwar, man investiere in erneuerbare Energien und strebe CO2-Neutralität an. Mit Ungarns aktuellem Energiemix liegt dieses Ziel allerdings noch in weiter Ferne. Erst kürzlich wurden drei neue Gaskraftwerke genehmigt, um den Energiebedarf der Industrie zu decken. Diese könnten noch bis 2050 mit russischem Gas betrieben werden.

Widerstand aus allen politischen Lagern

Neben der Abhängigkeit von russischen Importen bindet sich Ungarn mit der Fabrik auch stärker an China. Das Projekt macht China – nach Deutschland – zum zweitgrößten Investor im Land. Kritiker fürchten, dass Peking sein wirtschaftliches Gewicht für politische Einflussnahme nutzen könnte.

Die Regierung von Premierminister Viktor Orbán greift dennoch tief in die Tasche, um chinesische Unternehmen anzulocken: CATL allein wurden steuerliche und infrastrukturelle Anreize im Wert von 800 Millionen Euro in Aussicht gestellt – das sind etwa 10 Prozent des gesamten Investitionsvolumens.

Ein Muldenkipper der Marke CAT auf einer Baustelle in der Nähe von Debrecen, Ungarn. Im Hintergrund steht ein Bagger.

“Dieses Geld wird an anderer Stelle gebraucht, besonders bei klassischen Staatsaufgaben wie der Bildung, dem Gesundheitswesen oder dem Sozialwesen”, sagt Dora Györffy, Ökonomin an der Corvinus Universität in Budapest.

Das “unterstützende politische Umfeld” bezeichnet die Regierung in einem Strategiepapier als wichtigen Standortvorteil, und hat damit zu einem Boom beigetragen. In CATLs direkter Nachbarschaft baut der chinesische Batteriezulieferer SEMCORP eine neue Fabrik, auf der anderen Seite der Stadt zieht BMW ein neues Werk für E-Autos hoch.

All diese Firmen brauchen Arbeitskräfte – allein CATL will 9000 von ihnen einstellen. Aber: “Eines der größten Probleme ist es, genügend Arbeitskräfte zu finden”, wendet Marton Czirfusz ein, der sich vor kurzem mit der ungarischen Batterieindustrie beschäftigt hat. Für viele Jobs in diesen Fabriken sei keine spezielle Ausbildung nötig, erklärt er. Dadurch bestünde das Risiko, dass sie die Arbeitskräfte lokaler Firmen abwerben.

Doch angesichts des akuten Arbeitskräftemangels auch in Ungarn dürfte wohl selbst das nicht ausreichen. “Ich gehe davon aus, dass eine hohe Anzahl ausländischer Arbeiter in diesen Fabriken tätig sein wird”, prognostiziert Czirfusz. CATL selbst wendet ein, dass chinesische Arbeitnehmer hauptsächlich in den ersten zwei Jahren gebraucht würden, um die Fabrik in Gang zu bringen.

Ungarns Regierung hat die schwierige Lage erkannt und die Einreisebedingungen für Arbeitnehmer aus mehreren – vor allem asiatischen – Drittstaaten gelockert. Das steht im krassen Gegensatz zur ausländerfeindlichen Rhetorik, die man so häufig aus Budapest vernimmt – und die der Regierung jetzt auf die Füße fallen könnte: Viele Anwohner sind auch deswegen gegen die Fabrik, weil sie keine ausländischen Arbeiter in ihrer Stadt haben wollen.

Angesichts der zahlreichen Bedenken, haben sich Oppositionsparteien von den Grünen bis hin zur extremen Rechten gegen die Batteriefabrik ausgesprochen. Aktivist Marton Völgyesi möchte die Parteipolitik lieber aus der Protestbewegung raushalten: “Ich denke, es ist besser, wenn Debrecens Zivilgesellschaft das selbst in die Hand nimmt. Und wer uns dabei unterstützen möchte, kann das tun.”

Bisher kommt das Projekt trotz des lokalen Widerstandes voran. Kohlbäuerin Lovas unterstützt zwar die Protestbewegung, macht sich aber wenig Hoffnungen, dass sie etwas bewirken werden. Für sie ist klar, dass die Regierung wirtschaftlichen Profit über die Interessen der Bevölkerung stellt: “Sie haben das Land an die Chinesen verkauft”, sagt sie.

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