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Per E-Mail und Einschreiben: Wie Russland künftig Wehrpflichtige einberufen will

Die russischen Behörden wollen offenbar die Anzahl der Bürger beim Militär erheblich erhöhen. Wehrpflichtige werden lückenlos erfasst – und können sich künftig einer Einberufung nur schwer entziehen.

Die russischen Behörden wollen Männer leichter zum Dienst in der Armee einziehen können als bisher. Einberufungsbescheide sollen nicht wie bislang nur in Papierform, sondern auch auf digitalem Weg zugestellt werden können. Ein digitaler Bescheid soll als zugestellt gelten, sobald er auf dem Benutzerkonto des betreffenden Bürgers auf dem staatlichen Serviceportal Gosuslugi eingegangen ist.

Zudem sollen die Bescheide in Papierform nun per Einschreiben versandt werden und sie sollen auch dann als zugestellt gelten, wenn der Bürger sich weigert, es anzunehmen. Außerdem soll es ein Register für Wehrpflichtige geben, das mit Daten von staatlichen Stellen gefüttert wird. Die Militärkommissariate sollen zudem Wehrpflichtige ohne deren persönliches Erscheinen in die Reserve eintragen können.

Die russischen Behörden wollen Männer leichter zum Dienst in der Armee einziehen können als bisher. Einberufungsbescheide sollen nicht wie bislang nur in Papierform, sondern auch auf digitalem Weg zugestellt werden können. Ein digitaler Bescheid soll als zugestellt gelten, sobald er auf dem Benutzerkonto des betreffenden Bürgers auf dem staatlichen Serviceportal Gosuslugi eingegangen ist.

Entsprechende Änderungen zum Gesetz “Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst” hatte die Staatsduma der Russischen Föderation am 11. April in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Damit sie in Kraft treten, müssen sie noch vom Föderationsrat gebilligt und dann von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet werden.

Der Kreml wirbt Vertragssoldaten an

“Das wird alles ganz einfach funktionieren. Früher gab es folgendes Prozedere: Um einen Wehrpflichtigen ins Militärkommissariat zu bekommen, musste man ihn aufsuchen und ihm einen Einberufungsbescheid gegen Unterschrift aushändigen”, sagte der russische Rechtsanwalt Iwan Pawlow der DW. Das sei sehr schwierig gewesen und es habe viele Möglichkeiten gegeben, sich einer Übergabe des Bescheids zu entziehen.

Pawlow zufolge hat der Staat erkannt, dass das bisherige Verfahren nicht funktioniert, wenn er viele Wehrpflichtige braucht. Zudem sei die Einberufung zum Wehrdienst auch ein Weg, Männer für die Armee zu rekrutieren. “Sie werden gezwungen, Verträge zu unterschreiben. Dann werden sie in den Krieg geschickt”, so der Menschenrechtler. Er glaubt, dass nach den Gesetzesänderungen die Chancen, einer Einberufung zu entkommen, schlecht stehen. “Die einzige Möglichkeit ist, so schnell wie möglich das Land zu verlassen, aber dafür bleibt sehr wenig Zeit”, befürchtet Pawlow.

Wladimir Zimljanskij vom Generalstab der Russischen Föderation hatte Ende März erklärt, dass angeblich immer mehr Männer in den Vertragsdienst der Streitkräfte der Russischen Föderation eintreten wollen. Im Vorfeld der Frühjahrs-Einberufung sagte er, dass das russische Verteidigungsministerium sogar beschlossen habe, das Netz der Stellen auszuweiten, bei denen man sich für den Vertragsdienst melden könne. Auch werde die Zahl der Ausbilder erhöht, die sich mit den Bewerbern befassten.

Russische Männer können ab 18 Jahren einen befristeten Vertrag mit dem Verteidigungsministerium schließen, um für eine begrenzte Zeit in der Armee ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Vertragssoldaten kämpfen derzeit neben professionellen Streitkräften in Russlands Krieg in der Ukraine.

Beobachter stellen unterdessen fest, dass der Kreml für den Vertragsdienst in der Armee stark Werbung macht. So berichtete das Nachrichtenportal Bloomberg unter Bezug auf eigene Quellen, der Kreml wolle rund 400.000 Vertragssoldaten für den Krieg gegen die Ukraine rekrutieren.

Die von der Staatsduma angenommenen Gesetzesänderungen sehen eine Reihe von Einschränkungen für diejenigen vor, die nicht beim Militärkommissariat erscheinen wollen. So wird Wehrpflichtigen, die einen Bescheid erhalten haben, ab dem Tag der Zustellung verboten, die Russische Föderation zu verlassen.

Nach einem Bescheid muss man innerhalb von 20 Tagen beim Militärkommissariat vorstellig werden. Lässt ein Wehrpflichtiger diese Frist verstreichen, erhält er keine Kredite und Darlehen mehr, kann weder eine Firma noch ein Auto anmelden und auch keine Immobilie registrieren. Er verliert sogar seinen Führerschein. Diese Maßnahmen werden im Gesetz als “vorübergehend” bezeichnet. Eine weitere solche Maßnahme kann die Streichung von Sozialleistungen sein, worüber regionale Behörden entscheiden dürfen.

Die Autoren des Telegram-Kanals “Mozhemobyasnit” (deutsch: “Wir können es erklären”) stellen fest, die Beschränkungen führten dazu, dass “Millionen von Russen, die das Land verlassen haben, ihre Rechte verlieren”. Viele von ihnen hätten kein Benutzerkonto bei Gosuslugi. Sie  erführen nichts von den Einberufungsbescheiden und könnten auch kein Einschreiben entgegennehmen. “Trotzdem verlieren sie das Recht, Transaktionen mit ihrem in Russland verbleibenden Eigentum auszuführen. Sie können ihr Auto nicht verkaufen und werden auch Schwierigkeiten haben, einen Reisepass zu beantragen”, heißt es auf dem Telegram-Kanal.

Die Änderungen sehen auch ein einheitliches Register für Wehrpflichtige vor, das auf Angaben aus staatlichen Datenbanken basieren soll. Dafür sollen etwa Informationen zu Wohnort, Steueridentifikationsnummer, Telefonnummer oder Führerschein zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise vom Innenministerium, dem Ministerium für Bildung, den Steuerbehörden und dem Sozialfonds Russlands, aber auch von Universitäten, Arbeitgebern und anderen Organisationen.

Auf Basis des Wehrpflichtigen-Registers soll dann automatisch ein “allgemein zugängliches Register” der versandten Einberufungsbescheide generiert werden. Ein Bescheid soll eine Woche nach seinem Erscheinen in diesem Register als zugestellt gelten, wenn er nicht auf andere Weise zugestellt werden konnte.

Wladimir Zimljanskij vom russischen Generalstab sagte Ende März, dass Russland schon in diesem Jahr Wehrpflichtige nach einem “neuen Format” registriert habe. Die Militärkommissariate hätten Daten von föderalen, regionalen und kommunalen Behörden in digitaler Form erhalten, die später unter anderem auch in Papierform verwendet worden seien. Zimljanskij betonte, dass mittlerweile 700.000 junge Männer des Jahrgangs 2006 beim Militär gemeldet seien. Ab dem 1. April würden sie alle Einberufungsbescheide erhalten – auf digitalem Weg oder in Papierform.

Beobachter befürchten, dass mit den Gesetzesänderungen eine massive Mobilmachung vorbereitet wird. Die Anordnung der sogenannten Teilmobilmachung im September hatte eine Fluchtwelle zur Folge: Hunderttausende Russen haben das Land verlassen.  

Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten, erklärte allerdings jüngst in diesem Zusammenhang, die Einführung eines einheitlichen Registers für Wehrpflichtige und digitale Bescheide hätten nichts mit einer Mobilmachung zu tun, sondern dienten ausschließlich der Registrierung bei der Armee.

Die Frühjahrs-Einberufung läuft in Russland wie immer vom 1. April bis 15. Juli und betrifft alle Russen im Alter von 18 bis 27 Jahren. Ein Gesetzentwurf zur schrittweisen Anhebung des Wehrpflichtalters wurde der Staatsduma bereits vorgelegt, aber noch nicht beschlossen.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Ein Lastwagen mit Werbung für den Vertragsdienst bei den russischen Streitkräften
Ein Wehrpflichtiger in einem Zug in Russland

Die russischen Behörden wollen Männer leichter zum Dienst in der Armee einziehen können als bisher. Einberufungsbescheide sollen nicht wie bislang nur in Papierform, sondern auch auf digitalem Weg zugestellt werden können. Ein digitaler Bescheid soll als zugestellt gelten, sobald er auf dem Benutzerkonto des betreffenden Bürgers auf dem staatlichen Serviceportal Gosuslugi eingegangen ist.

Zudem sollen die Bescheide in Papierform nun per Einschreiben versandt werden und sie sollen auch dann als zugestellt gelten, wenn der Bürger sich weigert, es anzunehmen. Außerdem soll es ein Register für Wehrpflichtige geben, das mit Daten von staatlichen Stellen gefüttert wird. Die Militärkommissariate sollen zudem Wehrpflichtige ohne deren persönliches Erscheinen in die Reserve eintragen können.

Der Kreml wirbt Vertragssoldaten an

Entsprechende Änderungen zum Gesetz “Über die Wehrpflicht und den Wehrdienst” hatte die Staatsduma der Russischen Föderation am 11. April in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Damit sie in Kraft treten, müssen sie noch vom Föderationsrat gebilligt und dann von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet werden.

“Das wird alles ganz einfach funktionieren. Früher gab es folgendes Prozedere: Um einen Wehrpflichtigen ins Militärkommissariat zu bekommen, musste man ihn aufsuchen und ihm einen Einberufungsbescheid gegen Unterschrift aushändigen”, sagte der russische Rechtsanwalt Iwan Pawlow der DW. Das sei sehr schwierig gewesen und es habe viele Möglichkeiten gegeben, sich einer Übergabe des Bescheids zu entziehen.

Pawlow zufolge hat der Staat erkannt, dass das bisherige Verfahren nicht funktioniert, wenn er viele Wehrpflichtige braucht. Zudem sei die Einberufung zum Wehrdienst auch ein Weg, Männer für die Armee zu rekrutieren. “Sie werden gezwungen, Verträge zu unterschreiben. Dann werden sie in den Krieg geschickt”, so der Menschenrechtler. Er glaubt, dass nach den Gesetzesänderungen die Chancen, einer Einberufung zu entkommen, schlecht stehen. “Die einzige Möglichkeit ist, so schnell wie möglich das Land zu verlassen, aber dafür bleibt sehr wenig Zeit”, befürchtet Pawlow.

Wladimir Zimljanskij vom Generalstab der Russischen Föderation hatte Ende März erklärt, dass angeblich immer mehr Männer in den Vertragsdienst der Streitkräfte der Russischen Föderation eintreten wollen. Im Vorfeld der Frühjahrs-Einberufung sagte er, dass das russische Verteidigungsministerium sogar beschlossen habe, das Netz der Stellen auszuweiten, bei denen man sich für den Vertragsdienst melden könne. Auch werde die Zahl der Ausbilder erhöht, die sich mit den Bewerbern befassten.

Keine Ausreise, keine Kredite, kein Autokauf

Russische Männer können ab 18 Jahren einen befristeten Vertrag mit dem Verteidigungsministerium schließen, um für eine begrenzte Zeit in der Armee ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Vertragssoldaten kämpfen derzeit neben professionellen Streitkräften in Russlands Krieg in der Ukraine.

Ein Register für alle Wehrpflichtigen

Beobachter stellen unterdessen fest, dass der Kreml für den Vertragsdienst in der Armee stark Werbung macht. So berichtete das Nachrichtenportal Bloomberg unter Bezug auf eigene Quellen, der Kreml wolle rund 400.000 Vertragssoldaten für den Krieg gegen die Ukraine rekrutieren.

Die von der Staatsduma angenommenen Gesetzesänderungen sehen eine Reihe von Einschränkungen für diejenigen vor, die nicht beim Militärkommissariat erscheinen wollen. So wird Wehrpflichtigen, die einen Bescheid erhalten haben, ab dem Tag der Zustellung verboten, die Russische Föderation zu verlassen.

Nach einem Bescheid muss man innerhalb von 20 Tagen beim Militärkommissariat vorstellig werden. Lässt ein Wehrpflichtiger diese Frist verstreichen, erhält er keine Kredite und Darlehen mehr, kann weder eine Firma noch ein Auto anmelden und auch keine Immobilie registrieren. Er verliert sogar seinen Führerschein. Diese Maßnahmen werden im Gesetz als “vorübergehend” bezeichnet. Eine weitere solche Maßnahme kann die Streichung von Sozialleistungen sein, worüber regionale Behörden entscheiden dürfen.

Die Autoren des Telegram-Kanals “Mozhemobyasnit” (deutsch: “Wir können es erklären”) stellen fest, die Beschränkungen führten dazu, dass “Millionen von Russen, die das Land verlassen haben, ihre Rechte verlieren”. Viele von ihnen hätten kein Benutzerkonto bei Gosuslugi. Sie  erführen nichts von den Einberufungsbescheiden und könnten auch kein Einschreiben entgegennehmen. “Trotzdem verlieren sie das Recht, Transaktionen mit ihrem in Russland verbleibenden Eigentum auszuführen. Sie können ihr Auto nicht verkaufen und werden auch Schwierigkeiten haben, einen Reisepass zu beantragen”, heißt es auf dem Telegram-Kanal.

Die Änderungen sehen auch ein einheitliches Register für Wehrpflichtige vor, das auf Angaben aus staatlichen Datenbanken basieren soll. Dafür sollen etwa Informationen zu Wohnort, Steueridentifikationsnummer, Telefonnummer oder Führerschein zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise vom Innenministerium, dem Ministerium für Bildung, den Steuerbehörden und dem Sozialfonds Russlands, aber auch von Universitäten, Arbeitgebern und anderen Organisationen.

Auf Basis des Wehrpflichtigen-Registers soll dann automatisch ein “allgemein zugängliches Register” der versandten Einberufungsbescheide generiert werden. Ein Bescheid soll eine Woche nach seinem Erscheinen in diesem Register als zugestellt gelten, wenn er nicht auf andere Weise zugestellt werden konnte.

Wladimir Zimljanskij vom russischen Generalstab sagte Ende März, dass Russland schon in diesem Jahr Wehrpflichtige nach einem “neuen Format” registriert habe. Die Militärkommissariate hätten Daten von föderalen, regionalen und kommunalen Behörden in digitaler Form erhalten, die später unter anderem auch in Papierform verwendet worden seien. Zimljanskij betonte, dass mittlerweile 700.000 junge Männer des Jahrgangs 2006 beim Militär gemeldet seien. Ab dem 1. April würden sie alle Einberufungsbescheide erhalten – auf digitalem Weg oder in Papierform.

Beobachter befürchten, dass mit den Gesetzesänderungen eine massive Mobilmachung vorbereitet wird. Die Anordnung der sogenannten Teilmobilmachung im September hatte eine Fluchtwelle zur Folge: Hunderttausende Russen haben das Land verlassen.  

Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten, erklärte allerdings jüngst in diesem Zusammenhang, die Einführung eines einheitlichen Registers für Wehrpflichtige und digitale Bescheide hätten nichts mit einer Mobilmachung zu tun, sondern dienten ausschließlich der Registrierung bei der Armee.

Die Frühjahrs-Einberufung läuft in Russland wie immer vom 1. April bis 15. Juli und betrifft alle Russen im Alter von 18 bis 27 Jahren. Ein Gesetzentwurf zur schrittweisen Anhebung des Wehrpflichtalters wurde der Staatsduma bereits vorgelegt, aber noch nicht beschlossen.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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