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Ex-MONUSCO-Chef Martin Kobler wirft Blauhelmen Tatenlosigkeit vor

Die Blauhelm-Mission im Kongo versucht gar nicht erst, der Gewalt der M23-Miliz Einhalt zu gebieten. Das Vertrauen der Menschen ist dahin. Ihr früherer Chef wirft der Truppe im DW-Interview schlechte Performance vor.

Der deutsche Diplomat Martin Kobler wirft der Friedensmission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo “schlechte Performance” vor. Es mangele der internationalen Staatengemeinschaft zudem am politischen Willen, gegen die Miliz M23 vorzugehen. Die Rebellen besetzen seit einem Jahr wichtige Handelszentren in der Provinz Nord-Kivu und blockieren die Wege, auf denen Obst, Milch, Gemüse, Getreide und andere Güter des täglichen Bedarfs in die Provinzhauptstadt Goma gelangen. Dabei werden sie nach UN-Informationen von Ruanda unterstützt, was die Regierung in Kigali jedoch offiziell abstreitet.

Der inzwischen pensionierte Diplomat Kobler war von 2013 bis 2015 selbst Chef der Friedensmission im Kongo, die unter dem Kürzel MONUSCO bekannt ist. Unter seiner Regie hatten die Blauhelm-Soldaten 2013 gemeinsam mit der kongolesischen Armee die M23 besiegt. Die Miliz hatte im November 2012 sogar zehn Tage lang Goma besetzt.

Der deutsche Diplomat Martin Kobler wirft der Friedensmission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo “schlechte Performance” vor. Es mangele der internationalen Staatengemeinschaft zudem am politischen Willen, gegen die Miliz M23 vorzugehen. Die Rebellen besetzen seit einem Jahr wichtige Handelszentren in der Provinz Nord-Kivu und blockieren die Wege, auf denen Obst, Milch, Gemüse, Getreide und andere Güter des täglichen Bedarfs in die Provinzhauptstadt Goma gelangen. Dabei werden sie nach UN-Informationen von Ruanda unterstützt, was die Regierung in Kigali jedoch offiziell abstreitet.

Im neu aufgeflammten Krieg gegen die M23 hält sich die MONUSCO von Kampfhandlungen fern. Auf einer Pressekonferenz im März in Goma erklärte der Repräsentant Frankreichs bei den Vereinten Nationen in deren Hauptquartier in New York, Nicolas de Rivière, die Aufgabe der MONUSCO sei es, mitzuhelfen, einen Friedensvertrag umzusetzen, und die Bevölkerung zu schützen. Sie sei aber nicht da, um “Krieg zu machen”. 

Nicht zum Kämpfen im Kongo

Im Gespräch mit der Deutschen Welle kritisiert Kobler diese Haltung. Das robuste Mandat der MONUSCO erlaube einen Kampfeinsatz. Dafür sei 2013 eigens die Force Intervention Brigade mit 3000 Soldaten geschaffen worden, die auch heute noch in gleicher Stärke existiert. “New York und die MONUSCO müssen das nur beide wollen”, sagt Kobler mit Blick auf einen möglichen Kampfeinsatz.

Die DW hat die Presseabteilung der MONUSCO mehrfach um Stellungnahme gebeten; bis Redaktionsschluss dieses Artikels lag sie nicht vor.

Kobler kritisiert, dass die seit Jahrzehnten dauernde Krise im Ostkongo international vernachlässigt werde, obwohl aus dem Kongo zahlreiche Rohstoffe stammten, die die Industrie weltweit verarbeitet. Derzeit verdränge zudem der Krieg in der Ukraine andere Krisenherde wie den Kongo aus dem Blick der Vereinten Nationen.

Kobler stellt seinem früheren Arbeitgeber MONUSCO eine bescheidene Bilanz aus, was den Schutz der Bevölkerung betrifft. Die UN-Mission sei mit verschiedenen Mandaten seit den 60er-Jahren im Kongo präsent. Sie schaffe es aber nicht, die Bevölkerung zuverlässig vor Gewalt zu bewahren. Darunter leide die Glaubwürdigkeit. “Das Peacekeeping hätte robuster sein müssen”, sagt Kobler rückblickend und selbstkritisch.

Nach dem ersten Krieg gegen die M23 hätten die Blauhelmtruppen die anderen mehr als 100 Milizen bekämpfen sollen, erklärt der ehemalige MONUSCO-Chef. Allerdings hätten der UN-Mission nachrichtendienstliche Kapazitäten gefehlt. Damals sei es bei den Vereinten Nationen ein Tabu gewesen, das Wort “Intelligence” auch nur auszusprechen. “Wir haben das ein Stück weit enttabuisiert”, so Kobler.

Die MONUSCO sei auf Geheimdienstinformationen der Kongolesen angewiesen gewesen, wenn sie die Milizen im Osten des Landes hätte bekämpfen wollen. Aber die damalige Regierung in Kinshasa habe nach dem Krieg gegen die M23 vorwiegend Armee-Offiziere mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz geschickt. Da die MONUSCO nur mit Einheiten kooperieren konnte, deren Kommandanten und Soldaten die Menschenrechte respektieren, sei eine Zusammenarbeit immer schwieriger geworden.

Kobler äußert Verständnis dafür, dass die Bevölkerung im Kongo frustriert sei und den Abzug der MONUSCO fordere. Eine gute Mission sei diejenige, die sich überflüssig mache, sagt Kobler. Bei der MONUSCO sieht er allerdings gewisse Beharrungskräfte. Als Grund nennt er unter anderem die Tatsache, dass die Mission den Truppenstellerländern Einnahmen verschaffe und zahlreiche militärische und zivile Jobs am Einsatz der MONUSCO hängen.

Der zunehmende Vertrauensverlust der MONUSCO kommt zu einer Zeit, in der Sicherheitskräfte eigentlich besonders dringend gebraucht würden: Allein seit Juli 2022 sind 600.000 Menschen aus ihren Dörfern geflüchtet. 1400 Zivilisten sind nach Angaben von Hilfsorganisationen getötet worden. Zehn Millionen seien dringend auf Hilfe angewiesen, schreiben Oxfam, Care und Danish Refugee Council in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Neben einer robusten militärischen Antwort müsse es politische Verhandlungen geben, um den Ostkongo zu befrieden, fordert Kobler. Ihm schwebe ein Zertifizierungssystem für die Rohstoffe im Kongo vor, ähnlich des Kimberley-Prozesses gegen Blutdiamanten. Das in der südafrikanischen Diamantbergbau-Stadt ausgehandelte Zertifizierungssystem habe mitgeholfen, der Finanzierung der Gewalt in Westafrika den Boden zu entziehen.

Der frühere Sprecher der MONUSCO, Mathias Gillmann, hatte das Nichteingreifen in die Kampfhandlungen damit erklärt, dass die UN-Mission nicht das militärische Material habe, um gegen die M23 zu kämpfen.

Auch der Analyst Onesphore Sematumba des Thinktanks International Crisis Group sieht die MONUSCO geschwächt. Wegen des Ukraine-Kriegs müsse die Mission auf Kampfhubschrauber verzichten. Außerdem sei die Truppe dabei, ihren mit Kinshasa vereinbarten Abzug aus dem Kongo vorzubereiten. Von den ursprünglich 20.000 Soldaten sind derzeit nach Angaben der MONUSCO noch 12.800 im Einsatz. Es sei aber auch bekannt, dass Truppensteller-Länder wie Indien ihre Soldaten nicht an die Front schicken wollen. Dies sei eine “Komfort-Logik”. Man müsse sich die Frage stellen, welchen Nutzen die MONUSCO so stiften könne.

Der kongolesische Historiker Aloys Tegera sieht die MONUSCO zudem in der Zwickmühle. Selbst wenn sie wollte, könne sie nicht mit der Armee kämpfen, da diese mit Milizen kooperiere, insbesondere mit der Rebellengruppe FDLR, die mit der M23 verfeindet ist. Menschenrechtler werfen der FDLR und der M23 Tötung von Zivilisten, Plünderung und Vergewaltigung vor.

Martin Kobler
Männer ziehen mit geballten Fäusten durch die Straßen der Stadt Goma; auf einem selbst gebastelten Schild steht auf Suaheli Hatu Pendi MONUSCO
Kongo I Kanyaruchinya Lager für Binnenvertriebene

Der deutsche Diplomat Martin Kobler wirft der Friedensmission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo “schlechte Performance” vor. Es mangele der internationalen Staatengemeinschaft zudem am politischen Willen, gegen die Miliz M23 vorzugehen. Die Rebellen besetzen seit einem Jahr wichtige Handelszentren in der Provinz Nord-Kivu und blockieren die Wege, auf denen Obst, Milch, Gemüse, Getreide und andere Güter des täglichen Bedarfs in die Provinzhauptstadt Goma gelangen. Dabei werden sie nach UN-Informationen von Ruanda unterstützt, was die Regierung in Kigali jedoch offiziell abstreitet.

Der inzwischen pensionierte Diplomat Kobler war von 2013 bis 2015 selbst Chef der Friedensmission im Kongo, die unter dem Kürzel MONUSCO bekannt ist. Unter seiner Regie hatten die Blauhelm-Soldaten 2013 gemeinsam mit der kongolesischen Armee die M23 besiegt. Die Miliz hatte im November 2012 sogar zehn Tage lang Goma besetzt.

Nicht zum Kämpfen im Kongo

Im neu aufgeflammten Krieg gegen die M23 hält sich die MONUSCO von Kampfhandlungen fern. Auf einer Pressekonferenz im März in Goma erklärte der Repräsentant Frankreichs bei den Vereinten Nationen in deren Hauptquartier in New York, Nicolas de Rivière, die Aufgabe der MONUSCO sei es, mitzuhelfen, einen Friedensvertrag umzusetzen, und die Bevölkerung zu schützen. Sie sei aber nicht da, um “Krieg zu machen”. 

Im Gespräch mit der Deutschen Welle kritisiert Kobler diese Haltung. Das robuste Mandat der MONUSCO erlaube einen Kampfeinsatz. Dafür sei 2013 eigens die Force Intervention Brigade mit 3000 Soldaten geschaffen worden, die auch heute noch in gleicher Stärke existiert. “New York und die MONUSCO müssen das nur beide wollen”, sagt Kobler mit Blick auf einen möglichen Kampfeinsatz.

Die DW hat die Presseabteilung der MONUSCO mehrfach um Stellungnahme gebeten; bis Redaktionsschluss dieses Artikels lag sie nicht vor.

Kobler kritisiert, dass die seit Jahrzehnten dauernde Krise im Ostkongo international vernachlässigt werde, obwohl aus dem Kongo zahlreiche Rohstoffe stammten, die die Industrie weltweit verarbeitet. Derzeit verdränge zudem der Krieg in der Ukraine andere Krisenherde wie den Kongo aus dem Blick der Vereinten Nationen.

Bevölkerung der Gewalt ausgeliefert

Kobler stellt seinem früheren Arbeitgeber MONUSCO eine bescheidene Bilanz aus, was den Schutz der Bevölkerung betrifft. Die UN-Mission sei mit verschiedenen Mandaten seit den 60er-Jahren im Kongo präsent. Sie schaffe es aber nicht, die Bevölkerung zuverlässig vor Gewalt zu bewahren. Darunter leide die Glaubwürdigkeit. “Das Peacekeeping hätte robuster sein müssen”, sagt Kobler rückblickend und selbstkritisch.

Geschäft für die Truppensteller

Nach dem ersten Krieg gegen die M23 hätten die Blauhelmtruppen die anderen mehr als 100 Milizen bekämpfen sollen, erklärt der ehemalige MONUSCO-Chef. Allerdings hätten der UN-Mission nachrichtendienstliche Kapazitäten gefehlt. Damals sei es bei den Vereinten Nationen ein Tabu gewesen, das Wort “Intelligence” auch nur auszusprechen. “Wir haben das ein Stück weit enttabuisiert”, so Kobler.

Die MONUSCO sei auf Geheimdienstinformationen der Kongolesen angewiesen gewesen, wenn sie die Milizen im Osten des Landes hätte bekämpfen wollen. Aber die damalige Regierung in Kinshasa habe nach dem Krieg gegen die M23 vorwiegend Armee-Offiziere mit zweifelhafter Menschenrechtsbilanz geschickt. Da die MONUSCO nur mit Einheiten kooperieren konnte, deren Kommandanten und Soldaten die Menschenrechte respektieren, sei eine Zusammenarbeit immer schwieriger geworden.

Kobler äußert Verständnis dafür, dass die Bevölkerung im Kongo frustriert sei und den Abzug der MONUSCO fordere. Eine gute Mission sei diejenige, die sich überflüssig mache, sagt Kobler. Bei der MONUSCO sieht er allerdings gewisse Beharrungskräfte. Als Grund nennt er unter anderem die Tatsache, dass die Mission den Truppenstellerländern Einnahmen verschaffe und zahlreiche militärische und zivile Jobs am Einsatz der MONUSCO hängen.

Welchen Nutzen kann die MONUSCO stiften?

Der zunehmende Vertrauensverlust der MONUSCO kommt zu einer Zeit, in der Sicherheitskräfte eigentlich besonders dringend gebraucht würden: Allein seit Juli 2022 sind 600.000 Menschen aus ihren Dörfern geflüchtet. 1400 Zivilisten sind nach Angaben von Hilfsorganisationen getötet worden. Zehn Millionen seien dringend auf Hilfe angewiesen, schreiben Oxfam, Care und Danish Refugee Council in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Neben einer robusten militärischen Antwort müsse es politische Verhandlungen geben, um den Ostkongo zu befrieden, fordert Kobler. Ihm schwebe ein Zertifizierungssystem für die Rohstoffe im Kongo vor, ähnlich des Kimberley-Prozesses gegen Blutdiamanten. Das in der südafrikanischen Diamantbergbau-Stadt ausgehandelte Zertifizierungssystem habe mitgeholfen, der Finanzierung der Gewalt in Westafrika den Boden zu entziehen.

Der frühere Sprecher der MONUSCO, Mathias Gillmann, hatte das Nichteingreifen in die Kampfhandlungen damit erklärt, dass die UN-Mission nicht das militärische Material habe, um gegen die M23 zu kämpfen.

Auch der Analyst Onesphore Sematumba des Thinktanks International Crisis Group sieht die MONUSCO geschwächt. Wegen des Ukraine-Kriegs müsse die Mission auf Kampfhubschrauber verzichten. Außerdem sei die Truppe dabei, ihren mit Kinshasa vereinbarten Abzug aus dem Kongo vorzubereiten. Von den ursprünglich 20.000 Soldaten sind derzeit nach Angaben der MONUSCO noch 12.800 im Einsatz. Es sei aber auch bekannt, dass Truppensteller-Länder wie Indien ihre Soldaten nicht an die Front schicken wollen. Dies sei eine “Komfort-Logik”. Man müsse sich die Frage stellen, welchen Nutzen die MONUSCO so stiften könne.

DR Kongo | Mi-24 Helikopter UN Mission MONUSCO

Der kongolesische Historiker Aloys Tegera sieht die MONUSCO zudem in der Zwickmühle. Selbst wenn sie wollte, könne sie nicht mit der Armee kämpfen, da diese mit Milizen kooperiere, insbesondere mit der Rebellengruppe FDLR, die mit der M23 verfeindet ist. Menschenrechtler werfen der FDLR und der M23 Tötung von Zivilisten, Plünderung und Vergewaltigung vor.

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