Kultur

Evgeniy Maloletka: “Wir haben Kriegsverbrechen dokumentiert”

Der ukrainische Fotojournalist Evgeniy Maloletka ist Gewinner des diesjährigen World Press Photo Award. Mit der DW hat er über seine Bilderserie aus dem belagerten Mariupol gesprochen.

Deutsche Welle: Wie wichtig ist diese Auszeichnung für Sie und natürlich für die Ukraine? 

Evgeniy Maloletka: Ich denke, dass jede Plattform wichtig ist, um die Welt über den russisch-ukrainischen Krieg zu informieren und zu zeigen, dass Krieg jeden Tag stattfindet. Jeden Tag werden Zivilisten und Militärs an der Front und weit dahinter – durch Raketen und Luftangriffe – getötet.  

Deutsche Welle: Wie wichtig ist diese Auszeichnung für Sie und natürlich für die Ukraine? 

Inwiefern kam diese Auszeichnung für Sie überraschend? 

Jeder Fotograf träumt schon zu Beginn seiner Karriere davon, einen World Press Photo-Preis zu gewinnen. Es ist eine wichtige Auszeichnung für die wichtigen Informationen, die auf dem Bild zu sehen sind. Es sind ikonische Bilder, die die Geschichte prägen. In diesem Fall haben die Fotos aus Mariupol wirklich die Geschichte geprägt und – wie ich glaube – die Welt verändert. Sie zeigen, wie der Krieg in einer Stadt aussieht, die zusammen mit ihren Bewohnern niedergebrannt wird, ohne an die Folgen zu denken, an die Zahl der Opfer, die er verursachen wird. Das habe ich mit meinem Kollegen Mstyslaw Tschernow mit eigenen Augen gesehen und diese schrecklichen Ereignisse dokumentiert. Diese schrecklichen Bilder habe ich immer noch vor Augen. Es ist fast unmöglich, sie auszulöschen.

Wir haben versucht, mit unseren Arbeiten zu vermitteln, was in der Stadt geschah, wie sich die Menschen fühlten. Und was wichtig ist – wir haben die Kriegsverbrechen an den Ukrainern dokumentiert, das, was die Russen gemacht haben. Es ist wie im Mittelalter – wenn eine Stadt nicht erobert werden kann, wird sie einfach mitsamt ihren Bewohnern verbrannt.

Die schwangere Frau auf dem Foto des Jahres ist Iryna Kalinina, die nach dem Bombenangriff auf eine Geburtsklinik in Mariupol mit ihrem ungeborenen Kind starb. Wie symbolträchtig ist es für Sie, dass gerade dieses Bild zum Foto des Jahres gewählt wurde? 

Natürlich wurde dieses Bild schon in den ersten Tagen wahrgenommen. Es hat auf verschiedenen Plattformen große Verbreitung gefunden. Ich kann nicht aufzählen, wie viele Medien am 10. März 2022 dieses Bild auf den Titelseiten veröffentlichten und berichteten, dass Russland eine Entbindungsklinik in Mariupol bombardiert hatte und dass die russischen Berichte über die Bombardierung gelogen waren. Es ist ein wichtiges Indiz dafür, wie sehr die russischen Behauptungen von dem abweichen, was in Mariupol tatsächlich geschah. Irynas Bild wurde zu einem Symbol dieses Krieges und zeigte der ganzen Welt, was in Mariupol geschah. Traurigerweise erfuhren wir zwei Tage später von ihrem Tod. 

Vor kurzem habe ich mit Irynas Ehemann telefoniert. Wir hatten schon früher Kontakt miteinander. Er ist jetzt in Großbritannien. Am 9. März 2022 suchte er in der Entbindungsklinik und in verschiedenen Krankenhäusern nach Iryna, konnte sie aber nicht finden. Und am nächsten Tag wurde ihm gesagt, er solle unter den Toten suchen. Ihm wurde ein Raum geöffnet, in dem eine große Anzahl von Leichen lag… Zuerst glaubte er nicht einmal, dass sie es war.
Sie war eine sehr aufgeschlossene Frau, die in einem Bekleidungsgeschäft arbeitete und ihre Arbeit liebte. Sie konnten lange Zeit nicht schwanger werden, aber schließlich klappte es doch. Leider machte eine russische Bombe diesem Leben ein Ende.

Auf dem Bild liegt Iryna auf einer Bahre – hatten Sie Kontakt mit ihr?

Es war ein sehr kurzer Moment der Evakuierung aus der Entbindungsklinik, wir hatten bereits gesehen, wie Iryna die Treppe hinaufgetragen und entlang der medizinischen Gebäude zum Krankenwagen gebracht wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade erst angekommen und dokumentierten, was passiert war. Es war unmöglich zu erfahren, wohin sie gebracht wurde. Wir verbrachten die nächsten Tage damit, herauszufinden, wohin man sie und die anderen Frauen gebracht hatte. Zu dieser Zeit herrschte da Chaos, Trümmerbeseitigung, Suche nach Überlebenden…

Hat Ihr Mann Ihnen gesagt, dass sie gestorben ist?

Wir erfuhren von ihrem Tod am 11. März 2022, als wir zum Gebietskrankenhaus Nr. 2 fuhren und mit den Ärzten sprachen, die sie operiert und später für tot erklärt hatten. 

Wie wichtig ist Ihr Sieg in diesem Wettbewerb für die Ukraine? Was muss getan werden, damit die Aufmerksamkeit für die Ukraine nicht nachlässt?

Ich denke, dass die Ukraine im Jahr 2022 die Welt überrascht hat, genauso wie die ukrainischen Journalisten, die weiterhin ihr Leben riskieren, um zu berichten, was in ihrem Land passiert. Es ist nicht einfach, alle Standards einzuhalten, alle Emotionen bei sich zu behalten und der Welt zu erzählen, was passiert. Denn dies geschieht bei uns zu Hause. Es ist sehr schmerzhaft, davon zu erzählen.

Sie haben gesagt, dass der Preis der Traum eines jeden professionellen Fotografen ist. Von was träumen Sie sonst? 

Ich träume – wie alle Ukrainer – dass die Ukraine gewinnt. Und dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird.
 

Das Interview führte Marina Jung.

Ein junger Mann lächelt schüchtern in die Kamera
Ein Mann und mehrere Frauen und Kinder sitzen eng beieinander in einem Keller

Deutsche Welle: Wie wichtig ist diese Auszeichnung für Sie und natürlich für die Ukraine? 

Evgeniy Maloletka: Ich denke, dass jede Plattform wichtig ist, um die Welt über den russisch-ukrainischen Krieg zu informieren und zu zeigen, dass Krieg jeden Tag stattfindet. Jeden Tag werden Zivilisten und Militärs an der Front und weit dahinter – durch Raketen und Luftangriffe – getötet.  

Inwiefern kam diese Auszeichnung für Sie überraschend? 

Jeder Fotograf träumt schon zu Beginn seiner Karriere davon, einen World Press Photo-Preis zu gewinnen. Es ist eine wichtige Auszeichnung für die wichtigen Informationen, die auf dem Bild zu sehen sind. Es sind ikonische Bilder, die die Geschichte prägen. In diesem Fall haben die Fotos aus Mariupol wirklich die Geschichte geprägt und – wie ich glaube – die Welt verändert. Sie zeigen, wie der Krieg in einer Stadt aussieht, die zusammen mit ihren Bewohnern niedergebrannt wird, ohne an die Folgen zu denken, an die Zahl der Opfer, die er verursachen wird. Das habe ich mit meinem Kollegen Mstyslaw Tschernow mit eigenen Augen gesehen und diese schrecklichen Ereignisse dokumentiert. Diese schrecklichen Bilder habe ich immer noch vor Augen. Es ist fast unmöglich, sie auszulöschen.

Wir haben versucht, mit unseren Arbeiten zu vermitteln, was in der Stadt geschah, wie sich die Menschen fühlten. Und was wichtig ist – wir haben die Kriegsverbrechen an den Ukrainern dokumentiert, das, was die Russen gemacht haben. Es ist wie im Mittelalter – wenn eine Stadt nicht erobert werden kann, wird sie einfach mitsamt ihren Bewohnern verbrannt.

Die schwangere Frau auf dem Foto des Jahres ist Iryna Kalinina, die nach dem Bombenangriff auf eine Geburtsklinik in Mariupol mit ihrem ungeborenen Kind starb. Wie symbolträchtig ist es für Sie, dass gerade dieses Bild zum Foto des Jahres gewählt wurde? 

Natürlich wurde dieses Bild schon in den ersten Tagen wahrgenommen. Es hat auf verschiedenen Plattformen große Verbreitung gefunden. Ich kann nicht aufzählen, wie viele Medien am 10. März 2022 dieses Bild auf den Titelseiten veröffentlichten und berichteten, dass Russland eine Entbindungsklinik in Mariupol bombardiert hatte und dass die russischen Berichte über die Bombardierung gelogen waren. Es ist ein wichtiges Indiz dafür, wie sehr die russischen Behauptungen von dem abweichen, was in Mariupol tatsächlich geschah. Irynas Bild wurde zu einem Symbol dieses Krieges und zeigte der ganzen Welt, was in Mariupol geschah. Traurigerweise erfuhren wir zwei Tage später von ihrem Tod. 

Vor kurzem habe ich mit Irynas Ehemann telefoniert. Wir hatten schon früher Kontakt miteinander. Er ist jetzt in Großbritannien. Am 9. März 2022 suchte er in der Entbindungsklinik und in verschiedenen Krankenhäusern nach Iryna, konnte sie aber nicht finden. Und am nächsten Tag wurde ihm gesagt, er solle unter den Toten suchen. Ihm wurde ein Raum geöffnet, in dem eine große Anzahl von Leichen lag… Zuerst glaubte er nicht einmal, dass sie es war.
Sie war eine sehr aufgeschlossene Frau, die in einem Bekleidungsgeschäft arbeitete und ihre Arbeit liebte. Sie konnten lange Zeit nicht schwanger werden, aber schließlich klappte es doch. Leider machte eine russische Bombe diesem Leben ein Ende.

Auf dem Bild liegt Iryna auf einer Bahre – hatten Sie Kontakt mit ihr?

Es war ein sehr kurzer Moment der Evakuierung aus der Entbindungsklinik, wir hatten bereits gesehen, wie Iryna die Treppe hinaufgetragen und entlang der medizinischen Gebäude zum Krankenwagen gebracht wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade erst angekommen und dokumentierten, was passiert war. Es war unmöglich zu erfahren, wohin sie gebracht wurde. Wir verbrachten die nächsten Tage damit, herauszufinden, wohin man sie und die anderen Frauen gebracht hatte. Zu dieser Zeit herrschte da Chaos, Trümmerbeseitigung, Suche nach Überlebenden…

Hat Ihr Mann Ihnen gesagt, dass sie gestorben ist?

Wir erfuhren von ihrem Tod am 11. März 2022, als wir zum Gebietskrankenhaus Nr. 2 fuhren und mit den Ärzten sprachen, die sie operiert und später für tot erklärt hatten. 

Wie wichtig ist Ihr Sieg in diesem Wettbewerb für die Ukraine? Was muss getan werden, damit die Aufmerksamkeit für die Ukraine nicht nachlässt?

Ich denke, dass die Ukraine im Jahr 2022 die Welt überrascht hat, genauso wie die ukrainischen Journalisten, die weiterhin ihr Leben riskieren, um zu berichten, was in ihrem Land passiert. Es ist nicht einfach, alle Standards einzuhalten, alle Emotionen bei sich zu behalten und der Welt zu erzählen, was passiert. Denn dies geschieht bei uns zu Hause. Es ist sehr schmerzhaft, davon zu erzählen.

Sie haben gesagt, dass der Preis der Traum eines jeden professionellen Fotografen ist. Von was träumen Sie sonst? 

Ich träume – wie alle Ukrainer – dass die Ukraine gewinnt. Und dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird.
 

Das Interview führte Marina Jung.

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