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Görlach Global: Macron verlässt nach seiner China-Visite den Konsens Europas

Knapp drei Wochen nach der China-Reise des französischen Präsidenten kommen immer mehr irritierende Details seiner Absprachen mit Xi Jinping ans Licht, meint Alexander Görlach.

Mit einer neuen Außenpolitik scheint Emmanuel Macrons einen Bruch mit den Partnern Frankreichs vollziehen zu wollen. Auf seine umstrittene Aussage, wonach sich die Europäer nicht von den USA in einen Krieg um Taiwan hineinziehen lassen sollten, folgte nun die Enthüllung einer Geheimabsprache zwischen ihm und Chinas Machthaber Xi Jinping, die Ukraine in diesem Sommer an den Verhandlungstisch mit Kreml-Diktator Putin bringen zu wollen. Macron möchte an dem “Friedensplan” Chinas für die Ukraine mitarbeiten.

Dieser war von den freiheitlichen Partnern Kiews zurecht kritisiert worden, weil Peking darin die Sprache des russischen Aggressors übernommen und der Ukraine eine Teilschuld am Krieg gegeben hatte. Diesen Ansatz Pekings beziehungsweise des Kremls scheint Macron nun zu teilen. Dass der chinesische Botschafter in Paris zeitgleich zu dieser Enthüllung verlauten lässt, dass die Staaten der ehemaligen UdSSR, also auch die Ukraine, eigentlich keine richtigen vom Völkerrecht anerkannten Staaten seien, ist sicher kein Zufall.

Mit einer neuen Außenpolitik scheint Emmanuel Macrons einen Bruch mit den Partnern Frankreichs vollziehen zu wollen. Auf seine umstrittene Aussage, wonach sich die Europäer nicht von den USA in einen Krieg um Taiwan hineinziehen lassen sollten, folgte nun die Enthüllung einer Geheimabsprache zwischen ihm und Chinas Machthaber Xi Jinping, die Ukraine in diesem Sommer an den Verhandlungstisch mit Kreml-Diktator Putin bringen zu wollen. Macron möchte an dem “Friedensplan” Chinas für die Ukraine mitarbeiten.

Frankreich wird damit zum Schauplatz einer 180-Grad-Wende in der chinesischen Ukraine-Politik. Bislang behauptete Peking stets, für die Souveränität der Nationalstaaten einzustehen, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben ist. Obwohl Peking die Ukraine anerkannt und noch 2013 ein weitreichendes Wirtschaftsabkommen mit Kiew geschlossen hatte, konnte sich die Nomenklatura in Peking aber zu keiner Verurteilung des russischen Angriffs auf den souveränen Staat durchringen. Auf diesen Widerspruch wiesen die Kritiker Chinas seit Kriegsausbruch zu Recht hin. Doch diesen löst Xi Jinping nun dadurch auf, dass er erklären lässt, die Ukraine sei eigentlich gar kein souveräner Staat. 

Kehrtwende in der Ukraine-Politik Pekings

Nun muss auch den Letzten klar werden, dass Peking kein Friedensmakler in diesem Krieg sein kann. Xi spricht genauso wie sein Freund Putin. In dessen Weltsicht gibt es keine Ukraine, sondern ein “heiliges Russland”, zu dem auch das Territorium der Ukraine gehört. Putin lässt deshalb Kinder aus der Ukraine verschleppen, um sie zu “russifizieren”. Er lässt Kunstschätze aus der Ukraine stehlen, um dem Land seine eigene Kultur zu nehmen. Und diesen Menschen, der wegen Kriegsverbrechen per internationalem Haftbefehl gesucht wird, möchte Macron mit Präsident Selenskyj an einen Tisch setzen. 

War Macrons Aussage zu Taiwan ein schwerer Unfall, so ist die jüngste Entwicklung für die französische Diplomatie und den Stand Frankreichs in der freien Welt ein Totalschaden. Aus Paris ist zu vernehmen, dass man im Außenministerium schockiert sei vom Vorgehen Macrons und – wieder einmal – die Scherben aufkehren müsse. Macron steht derzeit innenpolitisch wegen seiner Rentenreform massiv unter Druck und möchte durch außenpolitischen “Erfolg” den Franzosen zeigen, dass sie mit ihm an der Spitze einen starken Mann haben, der mit Chinas Präsident auf Augenhöhe sprechen kann.

Die Leidtragenden sind die angegriffenen Ukrainerinnen und Ukrainer, und ihnen dicht gefolgt die Menschen auf Taiwan, für die ein chinesischer Angriff auf die Insel dank Macrons Aussage nun wahrscheinlicher geworden ist. Frankreich schlägt jetzt einen Weg ein, der dem Brasiliens und Indiens nicht unähnlich ist: Auch diese beiden Staaten schmiegen sich in Sachen Ukraine an Xi an, fordern Friedensgespräche und übernehmen die Redeweise des Kremls.

Für Macron dürfte darüber hinaus eine Rolle spielen, dass Paris noch für den AUKUS-Deal zwischen den USA, Großbritannien und Australien Rache nehmen will. Die drei Staaten haben beschlossen, Australien mit atomgetriebenen U-Booten aufzurüsten – das mögliche Modell aus Frankreich zugunsten einer Auftragsvergabe in die USA ausgebootet. Der Élysée-Palast schäumte damals, da der französischen Rüstungsindustrie ein Milliarden-Umsatz verloren ging. Zwar empfing US-Präsiden Joe Biden kurz darauf den verärgerten Emmanuel Macron. Doch diese Geste hat ihn offenkundig nicht zufriedengestellt. Das mehrstündige private Treffen mit Xi Jinping bei seinem Besuch in der Volksrepublik hingegen schon.

Sich des Wohlwollens Frankreichs und damit einer Atommacht, die auch im Westpazifik stationiert ist, versichert zu haben, ist für Chinas Machthaber ein hervorragendes Ergebnis dieses Treffens. Damit hat er den Ansatz einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik zerstört. Der Schaden für die Achse Paris-Berlin-Warschau ist enorm.

Europa steht eine Zeitenwende ins Haus, denn Paris tauscht die Freundschaft mit seinen europäischen Partnern gegen eine Allianz mit der chinesischen und der russischen Diktatur. Wenn Macron seinen immensen Fehler nicht umgehend korrigiert, könnte er mit seinem Treiben die Europäische Union als Ganzes gefährden.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.

Autorenbild | Alexander Görlach
Seitenleitwerk der Maschine von Präsident Macron in den Nationalfarben Frankreichs vor angetretenen chinesischen Soldaten

Mit einer neuen Außenpolitik scheint Emmanuel Macrons einen Bruch mit den Partnern Frankreichs vollziehen zu wollen. Auf seine umstrittene Aussage, wonach sich die Europäer nicht von den USA in einen Krieg um Taiwan hineinziehen lassen sollten, folgte nun die Enthüllung einer Geheimabsprache zwischen ihm und Chinas Machthaber Xi Jinping, die Ukraine in diesem Sommer an den Verhandlungstisch mit Kreml-Diktator Putin bringen zu wollen. Macron möchte an dem “Friedensplan” Chinas für die Ukraine mitarbeiten.

Dieser war von den freiheitlichen Partnern Kiews zurecht kritisiert worden, weil Peking darin die Sprache des russischen Aggressors übernommen und der Ukraine eine Teilschuld am Krieg gegeben hatte. Diesen Ansatz Pekings beziehungsweise des Kremls scheint Macron nun zu teilen. Dass der chinesische Botschafter in Paris zeitgleich zu dieser Enthüllung verlauten lässt, dass die Staaten der ehemaligen UdSSR, also auch die Ukraine, eigentlich keine richtigen vom Völkerrecht anerkannten Staaten seien, ist sicher kein Zufall.

Kehrtwende in der Ukraine-Politik Pekings

Frankreich wird damit zum Schauplatz einer 180-Grad-Wende in der chinesischen Ukraine-Politik. Bislang behauptete Peking stets, für die Souveränität der Nationalstaaten einzustehen, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben ist. Obwohl Peking die Ukraine anerkannt und noch 2013 ein weitreichendes Wirtschaftsabkommen mit Kiew geschlossen hatte, konnte sich die Nomenklatura in Peking aber zu keiner Verurteilung des russischen Angriffs auf den souveränen Staat durchringen. Auf diesen Widerspruch wiesen die Kritiker Chinas seit Kriegsausbruch zu Recht hin. Doch diesen löst Xi Jinping nun dadurch auf, dass er erklären lässt, die Ukraine sei eigentlich gar kein souveräner Staat. 

Nun muss auch den Letzten klar werden, dass Peking kein Friedensmakler in diesem Krieg sein kann. Xi spricht genauso wie sein Freund Putin. In dessen Weltsicht gibt es keine Ukraine, sondern ein “heiliges Russland”, zu dem auch das Territorium der Ukraine gehört. Putin lässt deshalb Kinder aus der Ukraine verschleppen, um sie zu “russifizieren”. Er lässt Kunstschätze aus der Ukraine stehlen, um dem Land seine eigene Kultur zu nehmen. Und diesen Menschen, der wegen Kriegsverbrechen per internationalem Haftbefehl gesucht wird, möchte Macron mit Präsident Selenskyj an einen Tisch setzen. 

War Macrons Aussage zu Taiwan ein schwerer Unfall, so ist die jüngste Entwicklung für die französische Diplomatie und den Stand Frankreichs in der freien Welt ein Totalschaden. Aus Paris ist zu vernehmen, dass man im Außenministerium schockiert sei vom Vorgehen Macrons und – wieder einmal – die Scherben aufkehren müsse. Macron steht derzeit innenpolitisch wegen seiner Rentenreform massiv unter Druck und möchte durch außenpolitischen “Erfolg” den Franzosen zeigen, dass sie mit ihm an der Spitze einen starken Mann haben, der mit Chinas Präsident auf Augenhöhe sprechen kann.

Die Leidtragenden sind die angegriffenen Ukrainerinnen und Ukrainer, und ihnen dicht gefolgt die Menschen auf Taiwan, für die ein chinesischer Angriff auf die Insel dank Macrons Aussage nun wahrscheinlicher geworden ist. Frankreich schlägt jetzt einen Weg ein, der dem Brasiliens und Indiens nicht unähnlich ist: Auch diese beiden Staaten schmiegen sich in Sachen Ukraine an Xi an, fordern Friedensgespräche und übernehmen die Redeweise des Kremls.

Frankreich auf dem Kurs Indiens und Brasiliens

Für Macron dürfte darüber hinaus eine Rolle spielen, dass Paris noch für den AUKUS-Deal zwischen den USA, Großbritannien und Australien Rache nehmen will. Die drei Staaten haben beschlossen, Australien mit atomgetriebenen U-Booten aufzurüsten – das mögliche Modell aus Frankreich zugunsten einer Auftragsvergabe in die USA ausgebootet. Der Élysée-Palast schäumte damals, da der französischen Rüstungsindustrie ein Milliarden-Umsatz verloren ging. Zwar empfing US-Präsiden Joe Biden kurz darauf den verärgerten Emmanuel Macron. Doch diese Geste hat ihn offenkundig nicht zufriedengestellt. Das mehrstündige private Treffen mit Xi Jinping bei seinem Besuch in der Volksrepublik hingegen schon.

Zeitenwende für Europa

Sich des Wohlwollens Frankreichs und damit einer Atommacht, die auch im Westpazifik stationiert ist, versichert zu haben, ist für Chinas Machthaber ein hervorragendes Ergebnis dieses Treffens. Damit hat er den Ansatz einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik zerstört. Der Schaden für die Achse Paris-Berlin-Warschau ist enorm.

Europa steht eine Zeitenwende ins Haus, denn Paris tauscht die Freundschaft mit seinen europäischen Partnern gegen eine Allianz mit der chinesischen und der russischen Diktatur. Wenn Macron seinen immensen Fehler nicht umgehend korrigiert, könnte er mit seinem Treiben die Europäische Union als Ganzes gefährden.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.

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