Stresstest für Demokratie in Deutschland
Ukraine-Krieg, Klimawandel, Inflation, Corona – trotz vieler Krisen ist die Demokratie in Deutschland robust. Das überrascht sogar Fachleute, die aber trotzdem auch besorgt sind.
Fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Menschen ist mit dem Zustand der Demokratie ziemlich oder sehr zufrieden. Etwas mehr als die Hälfte ist weniger oder überhaupt nicht zufrieden. Ist das Glas nun halb voll, oder halb leer? Diese Frage stellt sich auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), in deren Auftrag die aktuelle Studie “Demokratievertrauen in Krisenzeiten” entstanden ist.
FES-Geschäftsführerin Sabine Fandrych neigt dazu, zunächst das aus ihrer Sicht Positive hervorzuheben: Die Demokratie schneide besser und robuster ab, “als man das angesichts der vielfachen Krisen vermuten könnte”. Im Vergleich zur ersten Studie 2019 sei sogar ein “ganz leichter Zuwachs” an Vertrauen festzustellen. Damals lag der Wert bei 46,6 Prozent, jetzt ist er auf 48,7 Prozent gestiegen.
Fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Menschen ist mit dem Zustand der Demokratie ziemlich oder sehr zufrieden. Etwas mehr als die Hälfte ist weniger oder überhaupt nicht zufrieden. Ist das Glas nun halb voll, oder halb leer? Diese Frage stellt sich auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), in deren Auftrag die aktuelle Studie “Demokratievertrauen in Krisenzeiten” entstanden ist.
Vertrauen in die Demokratie seit 2019 gewachsen
Dennoch bleibt festzuhalten: Mehr als 50 Prozent der Befragten sind unzufrieden. Am größten ist die Skepsis gegenüber der Demokratie unter Menschen mit einem eher niedrigen Bildungsniveau und geringem Einkommen. Außerdem fällt die im Vergleich zum Westen Deutschlands weiterhin deutlich geringere Zustimmung im Osten auf.
Vor diesem Hintergrund macht sich Sabine Fandrych Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Angesichts der komplexen Krisen und weit verbreiteter Verunsicherung in der Bevölkerung wachse die Sehnsucht nach einfachen Antworten. “Das ist natürlich ein Einfallstor für Populisten”, meint die Geschäftsführerin der Friedrich-Ebert-Stiftung, die politisch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) nahesteht.
Der Befund insgesamt ist also durchwachsen. Trotzdem weist auch das Studien-Team um den Politologen Frank Decker erst einmal auf die aus seiner Perspektive erfreulichen Aspekte: “Wenn wir das mit anderen europäischen Ländern vergleichen, stehen wir in der Bundesrepublik recht gut da.”
Der Wissenschaftler von der Universität Bonn in Nordrhein-Westfalen verweist auf die Wahl- und Umfrageergebnisse der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Die seien deutschlandweit mit durchschnittlich 15 Prozent zuletzt zwar wieder gestiegen, lägen aber nicht in den Bereichen von 30 oder gar 40 Prozent.
Die gibt es aber woanders. So sei die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in Umfragen die stärkste Partei. “Dort macht man sich sehr viel größere Sorgen über das Überleben der Demokratie”, sagt Frank Decker mit Blick auf eine Zustimmung von fast 30 Prozent. In Frankreich habe Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 40 Prozent der Stimmen erreicht. “Und in Italien ist eine Rechtsregierung gebildet worden, die von einer Postfaschistin angeführt wird.”
Vor diesem Hintergrund sieht es in Deutschland, unabhängig vom subjektiven Empfinden der Menschen, objektiv ganz gut aus. Eine gesellschaftliche Spaltung wie etwa in den USA liest der Politik-Experte aus den Ergebnissen der Studie jedenfalls nicht heraus. Frank Decker spricht allerdings von einer “Radikalisierung der Ränder”.
Als Indiz dafür nennt er die wachsende Zustimmung zu Verschwörungserzählungen: Leugnung des Klimawandels und der Corona-Pandemie, die Behauptung vom angeblichen großen Bevölkerungsaustausch durch Zuwanderung, oder der “Schuld des Westens am Ukraine-Krieg, weil man Russland und Putin provoziert habe”. Für solche Theorien gebe es eine Zustimmung zwischen 18 und 36 Prozent.
Die mitunter recht großen Unterschiede zwischen Ost und West auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 hält Frank Decker für wenig überraschend. Die damals hinzugekommenen Bundesländer seien vergleichbar mit anderen postkommunistischen Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa.
Auch da sehe man deutliche Unterschiede zum Westen, sagt der Demokratieforscher unter Verweis auf den Erfolg von rechtspopulistischen Regierungsparteien wie der Fidesz in Ungarn oder Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit) in Polen. “Da gibt es politisch-kulturell sehr starke Ähnlichkeiten mit den Ostdeutschen”, sagt Frank Decker.
Und wie könnte man die Zufriedenheit mit der er- und gelebten Demokratie in ganz Deutschland verbessern? Auch darüber machen sich die Fachleute der Uni Bonn und der Friedrich-Ebert-Stiftung Gedanken. FES-Geschäftsführerin Sabine Fandrych hält einen weniger aufgeregten Diskurs vor allem in den Sozialen Medien für nötig – und mehr politische Bildung.
Frank Decker denkt an die stärkere Einbeziehung sogenannter Bürgerräte, wenn es um die Demokratie als Ganzes geht, aber auch um Teilbereiche wie Umwelt und Verkehr. Davon verspricht er sich eine größere “Perspektivenvielfalt”. Allerdings würde er nicht so weit gehen, “dass Bürgerräte an die Stelle von repräsentativen Institutionen treten sollten”.
Helfen und ergänzen sollen solche basisnahen Gremien, findet Frank Decker. “Aber die verbindlichen Entscheidungen sollten am Ende Parlament und Regierung vorbehalten bleiben.” Wobei er mit seinem Plädoyer für die repräsentative Demokratie eine Minderheitsmeinung vertritt. In der von ihm geleiteten Studie befürwortet lediglich ein Drittel der Befragten diese Regierungsform.
Fast 47 Prozent wären für direkte Demokratie in Form von Volksabstimmungen zu allen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Rund 19 Prozent wünschen sich eine sogenannte Expertokratie, in der Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und anderen Bereichen maßgeblich die Geschicke Deutschlands leiten.
Fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Menschen ist mit dem Zustand der Demokratie ziemlich oder sehr zufrieden. Etwas mehr als die Hälfte ist weniger oder überhaupt nicht zufrieden. Ist das Glas nun halb voll, oder halb leer? Diese Frage stellt sich auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), in deren Auftrag die aktuelle Studie “Demokratievertrauen in Krisenzeiten” entstanden ist.
FES-Geschäftsführerin Sabine Fandrych neigt dazu, zunächst das aus ihrer Sicht Positive hervorzuheben: Die Demokratie schneide besser und robuster ab, “als man das angesichts der vielfachen Krisen vermuten könnte”. Im Vergleich zur ersten Studie 2019 sei sogar ein “ganz leichter Zuwachs” an Vertrauen festzustellen. Damals lag der Wert bei 46,6 Prozent, jetzt ist er auf 48,7 Prozent gestiegen.
Vertrauen in die Demokratie seit 2019 gewachsen
Dennoch bleibt festzuhalten: Mehr als 50 Prozent der Befragten sind unzufrieden. Am größten ist die Skepsis gegenüber der Demokratie unter Menschen mit einem eher niedrigen Bildungsniveau und geringem Einkommen. Außerdem fällt die im Vergleich zum Westen Deutschlands weiterhin deutlich geringere Zustimmung im Osten auf.
Vor diesem Hintergrund macht sich Sabine Fandrych Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Angesichts der komplexen Krisen und weit verbreiteter Verunsicherung in der Bevölkerung wachse die Sehnsucht nach einfachen Antworten. “Das ist natürlich ein Einfallstor für Populisten”, meint die Geschäftsführerin der Friedrich-Ebert-Stiftung, die politisch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) nahesteht.
Der Befund insgesamt ist also durchwachsen. Trotzdem weist auch das Studien-Team um den Politologen Frank Decker erst einmal auf die aus seiner Perspektive erfreulichen Aspekte: “Wenn wir das mit anderen europäischen Ländern vergleichen, stehen wir in der Bundesrepublik recht gut da.”
“Einfallstor für Populisten”
AfD-Ergebnisse im europäischen Vergleich niedrig
Der Wissenschaftler von der Universität Bonn in Nordrhein-Westfalen verweist auf die Wahl- und Umfrageergebnisse der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Die seien deutschlandweit mit durchschnittlich 15 Prozent zuletzt zwar wieder gestiegen, lägen aber nicht in den Bereichen von 30 oder gar 40 Prozent.
Die gibt es aber woanders. So sei die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in Umfragen die stärkste Partei. “Dort macht man sich sehr viel größere Sorgen über das Überleben der Demokratie”, sagt Frank Decker mit Blick auf eine Zustimmung von fast 30 Prozent. In Frankreich habe Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 40 Prozent der Stimmen erreicht. “Und in Italien ist eine Rechtsregierung gebildet worden, die von einer Postfaschistin angeführt wird.”
Vor diesem Hintergrund sieht es in Deutschland, unabhängig vom subjektiven Empfinden der Menschen, objektiv ganz gut aus. Eine gesellschaftliche Spaltung wie etwa in den USA liest der Politik-Experte aus den Ergebnissen der Studie jedenfalls nicht heraus. Frank Decker spricht allerdings von einer “Radikalisierung der Ränder”.
Ist Deutschland gespalten?
Als Indiz dafür nennt er die wachsende Zustimmung zu Verschwörungserzählungen: Leugnung des Klimawandels und der Corona-Pandemie, die Behauptung vom angeblichen großen Bevölkerungsaustausch durch Zuwanderung, oder der “Schuld des Westens am Ukraine-Krieg, weil man Russland und Putin provoziert habe”. Für solche Theorien gebe es eine Zustimmung zwischen 18 und 36 Prozent.
Gemeinsamkeiten Ostdeutschlands mit Osteuropa
Die mitunter recht großen Unterschiede zwischen Ost und West auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 hält Frank Decker für wenig überraschend. Die damals hinzugekommenen Bundesländer seien vergleichbar mit anderen postkommunistischen Gesellschaften in Mittel- und Osteuropa.
Hoffen auf weniger Hysterie in Sozialen Medien
Auch da sehe man deutliche Unterschiede zum Westen, sagt der Demokratieforscher unter Verweis auf den Erfolg von rechtspopulistischen Regierungsparteien wie der Fidesz in Ungarn oder Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit) in Polen. “Da gibt es politisch-kulturell sehr starke Ähnlichkeiten mit den Ostdeutschen”, sagt Frank Decker.
Und wie könnte man die Zufriedenheit mit der er- und gelebten Demokratie in ganz Deutschland verbessern? Auch darüber machen sich die Fachleute der Uni Bonn und der Friedrich-Ebert-Stiftung Gedanken. FES-Geschäftsführerin Sabine Fandrych hält einen weniger aufgeregten Diskurs vor allem in den Sozialen Medien für nötig – und mehr politische Bildung.
Frank Decker denkt an die stärkere Einbeziehung sogenannter Bürgerräte, wenn es um die Demokratie als Ganzes geht, aber auch um Teilbereiche wie Umwelt und Verkehr. Davon verspricht er sich eine größere “Perspektivenvielfalt”. Allerdings würde er nicht so weit gehen, “dass Bürgerräte an die Stelle von repräsentativen Institutionen treten sollten”.
Helfen und ergänzen sollen solche basisnahen Gremien, findet Frank Decker. “Aber die verbindlichen Entscheidungen sollten am Ende Parlament und Regierung vorbehalten bleiben.” Wobei er mit seinem Plädoyer für die repräsentative Demokratie eine Minderheitsmeinung vertritt. In der von ihm geleiteten Studie befürwortet lediglich ein Drittel der Befragten diese Regierungsform.
Fast 47 Prozent wären für direkte Demokratie in Form von Volksabstimmungen zu allen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Rund 19 Prozent wünschen sich eine sogenannte Expertokratie, in der Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und anderen Bereichen maßgeblich die Geschicke Deutschlands leiten.